Aro. 104.

64. Jahrgang.

Amts- um!

Intekkigenzbkatt sür äen ^ezir^.

Srschriut Ainrstag, --»«rstag L Sa««t«g.

Die SkrrückungSgebühr beträgt 9 H p. Zelle im Bqirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen 5. 8eptemk>er 1889.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

ArnikicHs WekcrnnLrrrachurrgen.

Die Ortsvorsteher

werden aufgefordert, die Oberfeuerschaudefektenprotokolle, insoweit die erteilten Termine bereits verfallen sind, in Bälde mit den vorgeschriebenen Er- ledigungrnachweisen vorzulegen.

Calw, den 4. September 1889. K. Oberamt.

Amtmann Bertsch.

Gages-Weuigkeiten.

Calw, 3. Sept. Zum neunzehnten Male, durften wir in diesem Jahre den Sedansgedenktag im Genüsse des Friedens festlich begehen. Wohl wurde seinerzeit behauptet, daß durch die Feier des 2. September schonungs­werte Empfindungen des Nachbarvolks wie man sich gefühlvoll ausdrückte verletzt würden, allein dieser Ansicht und auch der, daß die jährlich wieder­kehrende Feier des Tages eine künstlich erzeugte Selbstüberhebung schaffen und die Erbitterung und Mißstimmung des so tief erniedrigten Gegners nur immer wieder neu erwachen lasse, sind nicht mehr allzu viele. Wer wollte sich auch heute noch krankhafter Ewpfindelei für ein Volk hingeben, das in leichtsinniger und mutwilliger Weise den Krieg herausbeschworen hatte. Nach­dem der Gbdächtnistag' allüberall nur der geschichtlichen Anschauung dient und kein Gefühl des Triumphes uyd der Schadenfreude, keine Ueberhebung zum Ausdruck gelangt, stehen doch nur wenige mehr von der nationalen Feier abseits.

In Calw ist die Sedanfeier zu einem allgemeinen Volks- und Kinderfest geworden. Der Sonntag Abend versprach schon für den kommenden Tag das herrlichste Wetter. Auf dem hohen Felsen lohten von mächtigem Holzstoß haushohe Flammen zum Himmel empor und beleuchteten die Häuser und Straßen der Stadt mit rötlichem Schein. Am Festtagmorgen ertönten Tagwache und Böllerschüße, die Häuser trugen Flaggenschmuck. Bald sah man von allen Seiten festlich gekleidete Kinder zusammenströmen, um nach Vereinigung in den Schulen sich in gemeinsamem Kirchgang zur Kirche zu begeben, woselbst Hr. Diaconus Eytel eine der Bedeutung des Tages entsprechende, tief empfundene Predigt hielt. Nach dem Gottesdienst erwar- tete die glücklichen Kinder eine Hauptfreude, nemlich die Verteilung von Kümmelküchlein auf dem Marktplatz. Um 2 Uhr nachmittags sammelten sich daselbst sämtliche Vereine und in geordnetem Zug, die Kinder voran, nach ihnen der Veteranenverein, Militärverein, Turnverein, Liederkranz, die Mannschaft des Landwehrkommandos, gings zum Festplotz, dem Brühl. Den Schluß

bildeten die HH. Offiziere, Beamte und Bürger der Stadt. Nach voran­gegangenem Vortrag des Liederkranzes hielt Hr. Kollaborator Baeuchle die Festrede, welcher zum Schluß die verdiente Anerkennung in begeistertem Beifall zuteil wurde^>S6'ist uns vergönnt, dieselbe im Wortlaut mitzuteilen:

ESmaust ein Nus wie Donnerhall,

Wie Schwertgeklirr und Wogenprall,

Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein,

Wer will des Stromes Hüter sein?

So sang man allerorten in den weiten deutschen Gauen, als im Monat Juli des Jahres 1870 die Kunde durch Deutschland drang, daß der mächtige Kaiser der Franzosen seine gewaltigen Heercsmassen über den Rhein werfen und die deuischen Lande unter seine Botmäßigkeit bringen wolle. Wohl er­bebte damals manches Herz bei dem Gedanken an die Greuelthaten der feind­lichen Horden und wie ein schwerer Druck lag es auf den deutschen Stämmen. Aber als rasch nach einander herrliche Siege erfochten und jenes denkwürdige Ereignis bei Sedan bekannt wurde, da brauste ein Jubelsturm durch ganz Deutschland, wie ihn die Welt noch nicht gesehen: Lieb Vaterland magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein! Und fürwahr: eine Genug« thuung, gerechter kaum jemals erlangt, glänzender nie errungen, war dem deutschen Volke zuteil geworden. Endlich einmal fand der Erbfeind unseres Volkes alle Stämme in rückhaltloser Einmütigkeit zusammenstehend. Was an kriegerischer Tugend in den Tiefen des deutschen Charakters schlummerte, war wie mit einem Zauberschlag zu hoher Machtentsaltung geweckt. Von Schlacht zu Schlacht- von Sieg zu Sieg wurden unsere Feldzeichen getragen. Tausende und aber Tausende streckten die Waffen, ern neues deutsches Kaffertum erstand auf fränkischem Boden. Ja, der Herr hat großes an uns gethan, des sind wir fröhlich. Ehre und Dank, heißester Dank gebührt da­her am heutigen Tage dem großen Gott im Himmel, dem Lenker der Schlach­ten, dem Beschützer einer gerechten Sache.

Dank den gefallenen Helsen, die für Deutschlands Ehre und Deutsch­lands Einheit ihr Leben ließen, die mit ihrem Blut das Fundament gekittet, auf dem der stolze Bau des deutschen Reiches ruht und die nicht wankten und nicht wichen, bis das heiße Blei sie wegriß aus guter Kameraden Mitte.

. Dank aber auch den lebenden Siegern, für sie ist der Tag von Sedan ein Ehrentag, ein Tag der Freude und des Ruhmes. Sie dürfen vre Früchte ihres todesmutigen Ringens nun schauen und genießen, denn hoch und hehr ragt das deutsche Reich über alle anderen Länder hinaus; früher ein Spiel­ball der Völker, geknechtet, verachet und geschmäht von oen Mächtigen, er­hebt es nun die gewichtigste Stimme im Rate der Nationen, nicht um Kriege zu schmieden, sondern den Völkern die Segnungen des Friedens zu gewähren.

Feuilleton. R-chdn,-v»b°t°n.

wer Wege.

Novelle von CH. Fester.

1. Kapitel.

Das ist also Ihre schöne, von so manchem Dichter besungene Themse, Mr. Charlton?"

Die Sprecherin, eine der neu angekommenen Fremden in Cookham, war eine große, elegante Erscheinung, einfach, aber modisch in weißen Sommerkleidern. Ob­gleich sie noch in voller Jugend stand, machte sie doch keineswegs den Eindruck eines jungen Mädchens, sondern den einer Dame von Welt mit ganz der Miene und dem Ausdruck, den nur der beständige Verkehr mit wohlerzogenen und durch Geburt und Rang höher stehenden Menschen geben kann.

Es war im Juni, sieben Uhr abends. Die Herren standen müssig, die Hände in ihren Taschen, die Zigarre zwischen den Lippen, auf der Wiese, die ans Wasser führte; die Damen lagen zurückgelehnt in strohgeflochtenen Stühlen, ein Buch in der Hand, die Augen auf den Fluß gerichtet, oder sie gingen hin und her auf dem glatten, weichen Grase, das sich liebkosend bei jedem Schritt um ihre Füße schmiegte.

Aus einem der offenen Fenster des Hotels drangen Töne süßer Musik. Das Echo einer traumähnlichen Melodie durchwehte die feierliche Stille des Sommerabends, die nur hin und wieder durch das silberhelle Lachen eines Kindes oder den tiefernsten Ton einer Männerstimme unterbrochen wurde.

Gleich funkelnden Glühkäfern flogen pfeilschnell oder auch langsam dahingleitend die Kähne und Gondeln, ihr nasses Ruder von den letzten Sonnenstrahlen geküßt, in dem beginnenden Abend dahin.

Menschen, die ihr Leben oder einen großen Teil desselben angewandt haben, um die Well anzusehen, müssen zugestehen, wenn sie ihre Erinnerungen durchleben,

daß Paris entzückt, blendet und dann entnervt und übersättigt, daß Wien zu lärmend und zu unruhig, Florenz wohl schön, doch ungesund, Monaco aufreibend durch die unselige Leidenschaft des Spiels, Petersburg wohl prächtig, aber eisig, Neapel ent­zückend mit seinem blauen Himmel, aber schmutzig und der Gesundheit schädlich ist, aber wer fühlt nicht immer von Neuem, wenn ihn Gewohnheit und Neigung immer wieder zu den Ufern der Themse führen, daß er dort eine Glückseligkeit findet, die er überall vermißte, und daß sie mit ihren uwwaldeten Hügeln, ihren schattigen Krüm­mungen, ihren weidebekränzten Buchten in der innersten Tiefe seines Gedächtnisses bleibt gleich einer heimatlichen, nie zu vergessenden Weise?

Das ist also ihre schöne Themse?"

Ja, das ist die schöne Themse, Miß Doyne," erwiederte ernst ihr Gefährte, indem seine Augen träumerisch von dem düstern Fluß zu dem immer mehr sich ver­dunkelnden Horizont wanderten.

Er war ein großer, schöner Mann mit edlen Gesichtszügen.

Ich sehe," fuhr er nach einer Pause fort, indem er sich ein wenig aufrichtete, ich sehe, daß Sie enttäuscht und geneigt sind, zu spotten. Doch warten Sie bis morgen. Seien Sie nicht zu voreilig in Ihrem Tadel; halten Sie zurück mit Ihrem Urteil. Ich werde Sie noch stumm vor Entzücken und Befriedigung sehen."

Ich kann nicht leugnen, daß ich etwas enttäuscht bin," entgegnete Miß Dcyne, indem sie die Scencrie mit kaltem, kritischen Auge überblickte.Ich habe so viele schwärmerische Ergüsse übcr diesen Teil der Themse gelesen, daß ich in der That etwas Ueberraschenderes, Schöneres erwartet habe, statt der Einförmigkeit der gegen­überliegenden, umlaubten Buchten und der matten Farbe des Flusses selbst. Doch ist er immerhin ganz hübsch."

O, still," rief der junge Mann mit komischfeierlichem Ausdruck, indem er von seinem Lager auf dem Rasen aufsprang,still. Sie werden noch demütig Ihr Haupt beugen und Ihre Sünde bekennen. Doch ich muß Geduld haben und auch Sie. Sie sprechen von der Eintönigkeit der Farben, von Reizlosigkeit der Scerrerie, nennen es ganz hübsch! Warten Sie nur, bis Sie eine Woche hier sind, bis ich