Flro. 92.
«4. Jahrgang.
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Amtliche Bekanntmachung
betreffend den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche.
Unter dem Viehstand in Calw und Möttlingen ist die Maul» und Klauenseuche ausgebrochen. Dies wird hiedurch zur öffentlichen Kennt« niß gebracht.
Calw, den 5. August 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Deutsches Reich.
Berlin, 2. Aug. Die „Nord. Mg. Ztg." bespricht die Landung Kaiser Wilhelms in England: Dieses geschichtliche Ereignis sei wohl geeignet, den beiden Nationen zum Bewußtsein zu bringen, welche Kräfte sie in den Dienst der großen Kulturaufgaben stellen, die sie in unserem Weltteile wie in den fernsten Gegenden der Erde übernommen haben. Es seien lucht nur die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem großbritannischen und unserem Herrscherbause, sondern auch die Interessen« gemeinschaft der Länder und Völker, welche in den Sympathiekundgebungen der englischen Nation für unfern Kaiser zum Ausdruck gelangen. Dafür, daß man sich dessen auch diesseits des Kanals bewußt sei, lägen ausgiebige Zeugnisse in Fülle vor.
Berlin, 3. Äug. In Belgien glaubt man noch immer an die Mög« lichkeit, daß Kaffer Wilhelm auf der Rückfahrt von England einen belgischen Hafen anloufen und dem König von Belgien bei diesem Anlaß einen Besuch abstatten könne. Diese Möglichkeit erscheint indeß nach der getroffenen Zeiteinteilung ausgeschloffen. Der Kaiser wird erst am Donnerstag den 8. ds., in oller Frühe die Rückfahrt antreten und wird am Samstag, den 10. ds., in Wilhelmshaven und am 11. morgens in Berlin zurückerwartet.
Metz, 4. Aug. Der Kaiser wird am 21. August Straßburg einen zweitägigen Besuch abstatten und am 23 Metz besuchen.
Kiel, 1. Aug. Vom Nord-Ostsee-Kanal. Es wird jetzt fast auf der ganzen Linie gearbeitet, nur in drei kleinen Loosen hat die Ver« dinaung der Erdarbeiten noch nicht erfolgen können. Bis jetzt sind rund 66 Millionen Kubikmeter Bodenaushub für 56,129.386 verdungen worden. Die Erd« und Baggerungsarbeiten sind bis j-tzt verhältnismäßig rasch gefördert worden. Es arbeiten gegenwärtig etwa 3500 Arbeiter auf der ganzen Linie, von denen reichlich 2000 in Baracken untergebracht sind. Mit der Herstellung neuer Arbeiterbaracken wird von der kaiserlichen Kanalkommission fortgesahren; auch mehrere Unternehmer lassen Familienwohnungen für verheiratete Arbeiter
errichten. Das Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern war bisher durchgehends ein sehr gutes. Zur Aufnahme von Kranken sind als Lazaret eingerichtete Baracken mit je 20 Betten in Burg in Dithmarschen und in Hanerau angelegt. Unglückssälle im Betriebe waren bis jetzt selten.
Ausland.
Bern, 2. Aug. Der heutige amtliche Bericht über die Bundesrats. Verhandlungen enthält folgenden Passus: Der kaiserlich deutsche Sr- sandte von Bülow hat am Dienstag den 30. Juli dem Bundespräsidenten die Antwort des deutschen Reichskanzlers auf die vierseitige Note vom 10. Juli übergeben. Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 3l. Juli davon Kenntnis genommen. Die Haltung der Note schließt die Erwartung nicht aus, daßdieschwe« bendenFragen zwischen der Schweiz und Deutschland einer ruhigen Lösung entgegengeführt werden können.
Portsmouth, 3. Aug. Die Königin, welche das Oranqeband des Schwarzen Adler-Ordens und das blaue Band des Hosenband-Ordens trug, empfing, umgeben vom ganzen Hofe, den Kaiser auf der Teraffen« treppe zu dem Königseingang des Schlosses. Als der Kaiser erschien, ging die Königin mit der Prinzessin Beatrice die Treppe hinab und küßte den Kaiser herzlich auf beide Wangen und hieß denselben in Eng« land willkommen. Die Majestäten traten sodann, gefolgt von den Anwesenden, in feierlichem Zuge in das Schloß, wo Cercle stattfand. Hiebei wurden Salisbury und andere hohe Persönlichkeiten dem Kaiser vorgestellt. Dem Bankett wohnten alle Mitglieder des Königshauses bei. Der Kaiser saß zur Rechten der Königin. Graf Herbert Bismarck, Salisbury und die Hofchargen dienierten in dem anstoßenden Salon. Während des Banketts spielte eine Marine-Jnfanterie-Kapelle. Zum Ehrendienst waren General Gardiner Henry Ewart und Admiral Hornby kommandiert. Die Gärten von Osborne sind prächtig illuminiert. In der Bai von Corves und der Osborne-Bai erglänzten Tausende von Lichtern auf den daselbst ankernden Dachten.
Portsmouth. 5. August. (Dep. d. Calwer Wochenbl.) Her« bertBiSmarck, Salisbury und Hatzfeld hatten mehrfach längere Unterredungen. Der Kaiser wohnte gestern vormittag dem Gottesdienst in der Schloßkapelle zu Osborne bei, empfing eine Deputation der Londoner Deutschen und besichtigte mit Walspringen verschiedene englische Kriegsschiffe. Abends war Familientafel. Heute früh wieder unfreundliches Wetter.
Jeuilleton.
Nachdruck verboten.
Der: WclzorrcrLsevöe.
Roman von L. Dohrmann.
(Fortsetzung.)
Die drei jugendlichen Gestalten durchschritten den Park und im Triumph führte Eddy die Ankömmlinge in das Schloß.
Eine Viertelstunde später saßen die beiden Studenten heiter plaudernd im traulichen Wohnsalon den Eltern Eberhard's gegenüber, von welchen Richard Warren in liebenswürdigster Weise willkommen geheißen worden war. Schon nach der ersten Stunde fühlte der junge Amerikaner sich ganz heimisch in dem gräflichen Familienkreis. Graf Treuhold sowohl, wie auch Gräfin Irma fanden offenes Wohlgefallen an der hübschen, distinguierten Erscheinung und dem freimütigen und doch bescheiden zurückhaltenden Auftreten des jungen Studenten und lauschten mit Interesse den lebhaften Reiseberichten der beiden Jünglinge.
An dem gräflichen Ehepaar war der Lauf der Jahre nicht spurlos vorübergezogen.
Treuhold glich jetzt mehr denn je seinem Vater. Ein dunkelblonder Vollbart umrahmte die markigen Gesichtszüge und das wellige Haupthaar war an den Schläfen schon von manchem Silberfaden durchsponnen. Aber auf der hohen, geistvollen Stirn lag ein Ausdruck heiterer Ruhe ausgebreitet und aus den stahlgrauen Augen leuchtete ein ungetrübtes Glück.
Gräfin Irma war noch immer eine bezaubernde Erscheinung. Ihre Gestalt war etwas voller geworden im Lauf der Jahre, ohne jedoch hierdurch den schönen Formen Eintrag zu thun. Ihr Antlitz war so zufrieden glücklich, so strahlend frisch, daß man auf den ersten Blick von ihrem vollkommenen Glück überzeugt sein mußte. In der That hatte sie an der Seite ihres Gemahls, im Kreise ihrer Kinder die Jugendliebe vollständig überwunden und gedachte Bruno's nur noch als eines teuren Verstorbenen, denn kein Lebenszeichen mehr von ihm war zu den Seinen gedrungen.
Jrma's Ehe mit Treuholv waren drei Kinder entsprossen. Marie, die älteste Tochter, war seit zwei Jahren mit einem Grafen Hochstetten vermählt und wohnte in Darmstadt, wo ihr Gemahl Adjutant des Großherzogs war. Ihr im Alter folgte Eberhard, der jetzt zwanzigjährige Jüngling, welcher seit zwei Semestern in Heidelberg studierte. Edith, die Jüngste, war eine frische, fröhliche Mädchenblume, deren heiteres Naturell Hellen Sonnenschein verbreitete, wohin sie kam. Sie war der Liebling aller und übte unbewußt auf Jeden mit ihrer sich stets gleichbleibenden Fröhlichkeit eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus.
Auch Richard Warren war bald vollständig in den Zauberkce's hineingezogen, den Ehith's kindlich frohes Wesen überall um sich schloß. In ihrer harmlosen, neckischen Weise hatte sie zwischen sich und dem Freunde des Bruders bald ein kameradschaftliches Verhältnis gebildet, welches jede Förmlichkeit zwischen ihnen ausschloß und dem jungen Studenten alle Befangenheit im Verkehr mit ihr nahm.
Edith hing an ihrem Bruder mit der ganzen schwärmerischen Zärtlichkeit ihre« siebenzehnjährigen Herzens und Eberhard erwiederte die Liebe seiner jungen Schwester im vollsten Maße. Sie war ihm ein Gegenstand zärtlicher Verhätschelung und bei seinen Ferienbesuchen unzertrennlich von ihm.
So kam es auch dies Mal ganz unwillkürlich, daß sie die stete Begleiterin der beiden Studenten wurde, die ohne ihre Einwilligung Nichts unternahmen. Edith mußte stets den Ausschlag geben, in welcher Weise sie den Tag zubringen wollten. Sie ritt, sie jagte, sie ruderte mit ihnen und war gegen den jungen Amerikaner gerade so kindlich unbefangen, so schelmisch übermütig, wie gegen ihren Bruder. Sie machte durchaus keinen Hehl daraus, daß sie Richard Warren gern hatte, und hielt es ganz selbstverständlich, daß er an ihr das gleiche Wohlgefallen fand. Die Sprache seines Herzens, das ihr mit allen Fibern in stürmischer, leidenschaftlicher Bewunderung entgegenschlug, verstand sie noch nicht, und Richard hütete sich wohl, sie aus ihrer Harmlosigkeit «ufzuscheuchen. Mit fröhlichem Scherz ging er auf ihren kindlich neckenden Ton ein und berauschte sein heißschlagendes Herz in dem holden Zauber ihrer Nähe, ohne an ein Ende dieser seligen Ferientage zu denken.