Ar». 91.

K4. Jahrgang.

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1889.

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Deutsches Reich.

Wilhelmshaven, 31. Juli. Der Kaiser trat heute auf der Hohenzollern" die Reise nach England an. Zwischen 6 und 7 Uhr lag dieHohenzollern" vor der Schleußt. Der Kaiser sprach lange freund- lich mit Admiral v. d. Goltz, der mit den Admiralen Paschen und Münsing am Kai stand. Der Kaiser' trug den kurzen Marinerock und rauchte eine Zigarre. Um 7 Uhr dampfte dieHohenzollern" ab, um '^8 Uhr war die Kaiserflagge am Horizont verschwunden. Die Salutbatterie feuerte.

Zum Besuch des deutschen Kaisers. DerStandard" heißt den Kaiser Wilhelm in einem sympatischen Leitartikel herzlich willkommen. Die englische Nation habe sich lange auf den Besuch gefreut und, obwohl derselbe nicht mit dem üblichen Prunk umgeben sein werde, verliere er da­durch nichts an seiner Wichtigkeit. Die Beweggründe zu demselben sind zweierlei: verwandtschaftliche Zuneigung und das praktische Verlangen, die Wehrkraft Englands kennen zu lernen. England und Deutschland seien nicht nur durch stammverwandte Beziehungen, sondern auch durch gemeinschaftliche Interessen verbunden; der kleinliche individuelle Neid gewisser Leute beider Nationen könne daran nichts ändern. Der Kaiferbesuch könne nicht verfehlen, das Band persönlicher, politischer und Stammesbeziehungen beider Staaten zu stärken. Die Königin wird die Flottenreone von der Landungsbrüöe von Osborne aus sehen und kein Schiff besteigen. Der Kaiser Wilhelm wird nicht an Bord derHohenzollern", sondern als Gast des Prinzen von Wales auf der DachtViktoria und Albert" die Revue abnehmen.

Kassel, 3t. Juli. Die Kaiserin traf heute mittag um 1 Uhr mit Sonderzug von Wilhelmshaven hier ein und fuhr alsdann in offenem vierspännigen Galawagen mit Spitzenreiter direkt nach Schloß Wilhelms­höhe. Die Fahrt ging durch die Museumsstraße, Sländeplatz, Hohenzollern- und Ulmerstraße nach der Wilhelmshöher Allee.

- Berlin, 31. Juli. Das Kaiserpaar wird jedenfalls bis spä­testens den 11. August nach Berlin zurückgekehrt sein, um den Tags darauf eintreffenden Kaiser von Oesterreich zu begrüßen.

Berlin, 31. Juli. DieKreuzzeitung" teilt mit, daß der jüngste Sohn des Kaisers, Prinz Oskar, der erst vor einigen Tagen sein erstes Lebensjahr vollendet hat, nicht nach Wilhelmshöhe zu seinen dort weilenden Geschwistern gebracht worden, sondern daß er, von einer leichten Unpäßlich­keit wieder heraestellt, im Neuen Palais bis zu der am 11. August zu er- wartenden Rückkehr der kaiserlichen Eltern verbleiben wird. Jede neue Meldung über den bevorstehenden Besuch des Zaren wird alsbald von einer

neuesten" überholt, so daß die Berichterstattung zu starken Ansprüchen an die Geduld der Leser gezwungen ist. Heute liegt eine Berliner Meldung des Standard" vor. nach welcher der Zar den Kaiser Wilhelm nicht in Berlin, sondern dergrößeren Sicherheit wegen" in Potsdam besuchen werde. Nach einer anderen, von hier aus verbreiteten Petersburger Angabe wird der Zar weder in Berlin noch in Potsdam, sondern in Charlottenburg Wohnung nehmen. Auch diese Lesart wird voraussichtlich noch nicht die letzte sein.

München, 31. Juli. Der Prinz-Regent Luitpold begiebt sich in Begleitung des Generals Freyscklag von Freyenstein am 15. August zu einem viertägigen Aufenthalt nach Bayreuth, wo er mit dem Kaiser« paar zusammentrifft. DieKöln. Ztg." erfährt, die Rede des Prinzen Ludwig habe die vollste Bestätigung des Prinz-Regenten gefunden, welcher übrigens erst, nachdem dieselbe gehalten war, von derselben Kenntnis er­halten habe.

Karlsruhe, 31. Juli. Bei vollständiger Fieberlosigkeit ist eine Zunahme des Appetits bei dem Erbgroßherzog zu konstatieren. Die sonstigen Erscheinungen sind unwesentlich verändert.

Ausland.

Bern, 31. Juli. DieN. Z. Z." kann heute melden:Aus den zuverlässigsten Nachrichten, welche dieser Tage im Bundesrathaus eingelangt sind, ergiebt sich, daß die zwischen Deutschland und der Schweiz noch schweben­den Differenzen (darunter die Kündigung des NiederlaflungSvertrages) auf dem Wege eines nunmehr friedlicheren Meinungsaustausches beglichen werden dürften. Im Interesse der guten Nachbarschaft scheint man jetzt in Deutschland an maßgebender Stelle eine Verständigung mit der Schweiz nicht nur für wünschenswert, sondern auch für möglich anzusehen." Nach den neuesten Telegrammen ist die Antwortnote des Fürsten Bismarck auf die letzte Schweizer Note in Bern eingetroffen. Sie fordert insbesondere eine strenge Handhabung der Fremdenpolizei, indem sie konstatiert, daß die deutschen Sozialdemokraten, welche von der Schweiz aus gegen ihr Vater­land wühlen, nicht als politische Flüchtlinge, die Anspruch auf ein Asyl haben, sondern freiwillig in der Schweiz sich niedergelassen. Der Reichskanzler spricht die Erwartung aus, daß es gelingen werde, einen neuen Nieder- (assungsvertrag zu vereinbaren.

Aus Ungarn bringen die Blätter grauenerregende Nachrichten über die Verheerungen, welche durch den Orkan am verflossenen Mittwoch verursacht wurden. Aus zahlreichen Ortschaften wird gemeldet, daß die meisten Häuser zerstört und das eingeheimste Getreide nach allen

Feuilleton.

Nachdruck o-rb-ttu.

Der Wcrjorcrtserbe.

Roman von L. Dohrman ».

(Fortsetzung.)

Die dem fröhlichen Studenten seine unbezwingliche Wanderlust mißgönnen könnten!" fiel Eberhard ihr lachend in die Rede.

Als ob Du Einem überhaupt dazu Zeit ließest," gab sie mit einer reizend schmollenden Miene zur Antwort.Da überfällst Du mich Ahnungslose plötzlich wie ein Räuber, so daß ich vor Schreck alle meine Blumen fallen gelassen habe. Zur Strafe sollst Du sie mir nun auch ganz allein wieder auflesen. Also flink, beuge Deinen zwanzigjährigen Rücken, mein Körbchen wieder zu füllen; doch halt, zuvor wirst Du die Güte haben, mir Deinen Gefährten vorzustellen. Ist es der Freund, von dem Du uns geschrieben hast?"

Eberhard nickte lachend, wandte sich dann um und winkte seinen Begleiter, der noch immer in stummer Ueberraschung am Wiesenrand stand, mit übermütiger Geberde heran.

Holla, Richard, habe gefälligst die Güte, Dich ein wenig näher heran zu be­mühen, Serenissima, Ihre Durchlaucht Prinzessin Editha, deren Bruder zu sein ich die Ehre habe, geruhen Dir huldvollst zu gestatten, ihr die Hand zu küssen!"

Und als der also Aufgeforderte eilfertig hcrbeikam, fuhr Eberhard, sich in gleicher Weise gegen Edith wendend, fort:Hier, ma ebsrv soeur, habe ich die Ehre, Dir meinen lieben Kommilitonen und Neisegenossen Richard Warren, Erbprinz eines amerikanischen Fürstentums, vorzustellen!"

Edith wandte sich schmollend von ihm ab und heftete ihre blauen Augen mit naiver Neugierde auf den sich tief vor ihr Verbeugenden. Dann reichte sie ihm mit reizendem Lächeln die Hand und sagte:

Da ich die Erste bin, die Ihnen hier in Wendhausen entgegentritt, so erlauben Sie, Herr Warren, daß ich den Freund meines Bruders im Namen der Eltern herz­lich als Gast hier willkommen heiße!"

Als der Jüngling nun aber, in gewissenhafter Befolgung der übermütigem Aufforderung Eberhard's ihre kleine Hand an seine Lippen ziehen wollte, da entzog sie ihm dieselbe hastig und wandte sich purpurrot ab. Verwirrt beugte sie sich nieder und half dem Bruder die verstreuten Veilchen auflesen.

Warren's Augen hingen entzückt an ihrer holden Gestalt und sich abermals tief verneigend, sagte er mit strahlendem Lächeln:

Das ist der schönste Empfang, der je einem Gaste zu Teil geworden ist, gnädige Komtesse. Gestatten Sie, Ihnen meinen innigsten Dank auszusprechen. Ich schätze mich heute doppelt glücklich, die Freundschaft ihres Herrn Bruders erworben zu haben, die mir die Ehre ihrer Bekanntschaft verschafft. Freilich ahnte ich, als ich die so freundlich angebotene Gastfreundschaft Ihres Herrn Vaters annahm, nicht, daß eine Fee mich willkommen heißen würde."

Edith's Befangenheft war schon wieder verschwunden. Hell auflachend, schaute sie den Jüngling an, denn seine letzten Worte klangen ihr gar zu verwunderlich.

Ei, Herr Wanen, eine Fee bin ich durchaus nicht, obgleich ich gar nicht dar­über böse wäre, die Wunderkcast einer solchen zu besitzen," versetzte sie schalkhaft. Doch darf ich mir die Frage erlauben, welches Bild Sie sich. denn eigentlich von mir entworfen hatten? Denn daß Eberhard daheim noch eine Schwester hatte, wird er ihnen doch wohl, wie ich hoffen will, nicht verschwiegen haben?"

Eberhard, der bei den Worten Edith's kein gutes Gewissen haben mochte, überreichte ihr, noch ehe Richard antworten konnte, mit einer zierlichen Verbeugung das wieder gefüllte Blumenkörbchen und sagte fröhlich lachend:

Aber, Eddy, wer wird denn gleich solche Gcwissensfragen stellen! Natürlich hatte Richard sich meine Schwester genau nach dem Vorbilde der seinen gedacht. Wir Brüder huldigen nämlich alle der lobenswerten Ansicht, daß unsere eigene Schwester der Inbegriff aller weiblichen Tugend und Schönheit sei, und so von der eigenen auf die andern schließend, erblicken wir"

In der weiblichen Jugend ohne Ausnahme tadellose Musterbilder! Es ist bewunderungswürdig, wie galant und naiv Du sein kannst, Eberhard! Wenn Du meine Veilchen nicht schon alle aufgelesen hättest, so würde ich Dich zum Lohne