Hlro. 88

64. Jahrgang

Amts- unä Intekkigenzbkatt ^ür äen Aezir^.

«scheint Firnrtaz, L Fa»»taz.

Die AurückungSgebühr beträgt S ^ p. jjeile im Sezirk, sonst 12

Samstag, äea 27. Juki 1889.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

te Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

Zum Abonnement

für die Monate August-September ladet freundlichst ein.

Dt- Redaktion.

ArnMche WekanNtmerchungen.

A« die Kezirksangehörigen.

Die schweren Hagel- und Ueberschwemmungsschäven, von welchen ver­schiedene Gegenden unseres Landes betroffen wurden, veranlassen uns, für die Arme« uud Hilfsbedürftigen unter den Beschädigten um baldige Zuwendung von Gelvgaben zu buten, welche nach dem Grad der Bedürftig­keit zur Vertheilung gebracht werden sollen.

Calw, 20. Juli 1889. Oberamtmann Dekan

_ Supper. Braun.

Bekanntmachung, betreffend die Aufnahme in die Gartenbau­schule ;u Hohenheim.

Unter Beziehung auf die diesseitige öffentliche Bekanntmachung vom 14. Mai ds. I. (Staatsanzeiger Nr. 119) wird hiemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht, daß nach dem Ergebnis der am 8. d. M. dahier abge- haltenen Aufnahmeprüfung auf den 1. Oktober d. I. in die mit der hiesigen Anstalt verbundene Gartenbauschule noch 1 ordentlicher und einige außer­ordentliche Zöglinge ausgenommen werden können.

Zweck dieser Anstalt ist, junge Männer mit der Theorie und Praxi» des ländlichen Gartenbaues bekannt zu machen.

Die Aufnahme erfolgte auf ein Jahr und zwar unter folgenden Be- dingungen:

1) Die Aufzunehmenden müff.n das 17. Lebensjahr zurückgelegt haben und das württembergische Staatsbürgerrecht besitzen,

2) vollkommen gesund und körperlich erstarkt sein, um die bei dem Gärtnerei- betrieb vorkommenden Arbeiten anhaltend ausführen zu können,

3) im Lesen, Schreiben und Rechnen gute, im Zeichnen wenigstens einige Fertigkeit, auch genügende Befähigung zur Auffassung von populären Lehrvorträgen haben.

Hierüber müssen sie'sich bei der Aufnahmeprüfung ausweisen.

Vorzugsweise Berücksichtigung bei der Aufnahme werden solche Be­werber finden, welche eine Lehrzeit in einer Gärtnerei erstanden, oder sich sonst mit Garten- oder Weinbau beschäftigt, oder eine Ackerbauschule durch­gemacht haben und hierüber die erforderlichen Ausweise vorlegen.

Kost und Wohnung erhalten die Schüler frei, die ordentlichen auch den Unterricht, während die außerordentlichen hiefür ein Lehrgeld von 70 zu entrichten haben. Dagegen haben sämtliche Schüler alle in der Schule und beim Gartenbau vorkommenden Arbeiten zu verrichten und die Verpflicht­ung zu übernehmen, den einjährigen Kur» vollständig mitzumachcn.

Weiter besteht die Einrichtung, daß je nach Umständen bis zu 6 Garten­bauschüler, Deiche sich beim unmittelbar vorausgegangenen Jahreskurs durch Strebsamen und gute« Verhalten ausgezeichnet haben, ein zweite« Jahr in der Schule verbleiben können, wobei sie Kost, Wohnung und Unterricht gegen ihre Arbeit unter Umständen auch noch einigen Taglohn, erhalten können.

Die Bewerber werden ausgefordert, unter Darlegung ihrerz bisherigen Laufbahn, sowie unter Anschluß eines Taufscheins, Impfschein«, gemeinde- rätlicher Zeugnisse über Heimatrecht, Prädikat und Vermögen, einer Urkunde über Einwilligung des Vaters beziehungsweise Vormundes, sowie, soweit sie im militärpflichtigen Alter stehen, unter Nachweisung ihre« Mrlitärverhält- nisse« sich

binnen 4 Wochen

schriftlich bei der Unterzeichneten Stelle zu melden.

Hohenheim, den 22. Juli 1889. K. Jnstitutsdirektion.

V o ß l e r.

Deutsches Reich.

Wie aus Wilhelmshafen offiziell gemeldet wird, trifft Se. Maj. der Kaiser am Samstag abend dort ein, die Minister und das Ge­folge am Sonntag früh. Die Kaiserin wird am Sonntag abend erwartet.

Berlin, 23. Juli. Zu den englischen Uebergriffen wird neuerdings aus Ostafrika gemeldet: Die Bntisch-Ostafrikanische Gesellschaft hat in den südlichen Somali- und Gallaländern zwischen den Flüssen Tana und Jube Verträge über Gebietsabtretungen abgeschlossen. Dieses Gebiet, die Pforte zu den großen und reichen Binnenländern bis zum obern Nil, welches von Kennern als der wertvollste Teil Ostafrikas bezeichnet wird, liegt, wie die Köln. Ztg." hervorhebt, gänzlich außerhalb der vereinbarten englischen In­teressensphäre; seine Küsten sind durch Dr. Jühlke für die deutsch-ostafrik. G sellschaft erworben worden. Dieselbe Gesellschaft hat die Station Hohen- zollernhafen gegründet. Soweit sich die englischen Verträge etwa auf das Küstenland beziehen, sind sie natürlich gegenüber den älteren deutschen Rechte« hinfällig; betreffen sie aber da« Hinterland, so können sie von der englischen Regierung auch nicht bestätigt werden, da eine Wegnahme des Hinterlandes fremder Erwerbungen in Afrika bisher unter befreundeten Mächten als un­statthaft betrachtet wurde. Im Fall einer Bestätigung der neuen englischen Verträge durch die Regierung würde die von England anerkannte deutsche

Atnlllkln n Nachdruck »erbaten

Der WcrjorcrLserbe.

Roman von L. Dohrmann.

(Fortsetzung.)

Lies!" Mit müder Bewegung reichte Graf Eberhard ihm das Schriftstück.

Es war ein gerichtlich beglaubigtes Dokument, durch welches Bmno kraft freien Willens alle seine Rechte aus seinen Bruder Treuhold übertrug und auf alle Ansprüche an das Majorat für immer Verzicht leistete. Daneben lag ein Brief von Bruno'S eigener Handschrift an den Vater, in dem er diesen demütig um Ver­zeihung bat für allen Kummer, dm er ihm je bereitet, sich für unwürdig und un­tauglich zum einstigen Majoratsherrn bekannte und flehentlich um die letzte Gnade bat, dem beiliegmden Schriftstück seine Zustimmung nicht zu versagm.

Ihr werdet mich nie Wiedersehen/ schloß der Brief,ich gehe in die weite Welt, um mir eine neue Zukunft zu gründen. Ich entsage freiwillig aller ferneren Zugehörigkeit zu Euch; ich bin durch meine alleinige Schuld ein verwilderter Zweig unseres alten Geschlechts, der ohne Gnade abgehauen zu werdm verdient, und in bereuender Erkenntnis meines Unwertes vollziehe ich nicht die verdiente Strafe ohne Zaudern an mir selber, dmn ich bin nicht würdig, ferner noch ein Wendhausen zu heißen!*

Auch an Treuhold lagen noch einige Zeilen bei:

Verzeihe mir, geliebter Bruder, daß ich ohne Dein Wissen diesen Schritt ge- than. Ich bin überzmgt, daß Du ein würdigerer Erbe des Majorats sein wirst, als ich es gewesen bin. Leichten Herzens leiste ich Verzicht. Meinm Entschluß kann Memand ändern und selbst Deine Weigemng würde mir keinen Nutzen bringen. Auch für diesen Fall entsage ich Allem, was des Vaters Güte mir bestimmt hatte/

Mit einem durchdringenden Schrei sank Treuhold zusammen.

Es war ihm, als zerrisse Etwas in seiner Brust, und doch verhüllte noch ein

barmherziger Schleier seinen Augen die Wahrheit, die entsetzlichste Wahrheit ....

Zur selben Stunde verließ ein großer, überseeischer Dampfer den Hafen Ham- burg's. Zahllose Hände winkten den mit dem Schiffe Fortziehenden den letzten Heimatsgruß zu. Hüben und drüben wurden Tücher geschwenkt, Abschiedsworte ge­wechselt, und in dem lauten Stimmengetöse verhallte das Schluchzen Einzelner unge- hört. ES war ein geräuschvolles, unruhiges Treiben, wie es alltäglich in der großen Hafenstadt vorkommt.

Nur ein junger Mann stand bleich und unbeweglich, mit fest zusammengepreßten Lippen auf dem Deck des Schiffes und schaute starr nach dem immer ferner zurück- tretenden Häusermeer. Er sah nichts von dem ihn umgebenden, lauten Getriebe; andere, ganz andere Bilder zogen an seinem Auge vorüber. Die Arme fest über die stürmisch auf- und niederwogende Brust verschränkt, stand er lange, lange reg­ungslos, bis er endlich aus seinen tiefen Gedanken auffuhr, um hastig die Schiffs­treppe hinabzueilen und. in seiner Kajüte angelangt, sein Antlitz aufschluchzend mit beiden Händen zu bedecken.

Er hatte Abschied von der Heimat genommen, Abschied für immer! ?

10. Kapitel.

Bei seinem letzten, kurzen Aufenthalt in Berlin hatte Treuhold sich einige Tage Nachurlaub geben lasten.

Ihm fiel auch jetzt die Augabe zu, Irma und die Mutter von Bruno'S Ver­schwinden zu unterrichten, da sein Vater durch diesen letzten, schweren Schlag völlig wie vernichtet war. Der leidenden Gräfin sollte es noch möglichst lange geheim ge­halten werden, weshalb Treuhold in den nächsten Tagen das Krankenzimmer nicht betrat und die Gräfin Pauline von seiner abermaligen Anwesenheit im Schlosse vor­läufig nicht unterrichtet wurde. Der Komtesse aber konnte die neue Verstörung des Onkels und des Vetters nicht entgehen, obgleich sie den Letzteren nur flüchtig ge­sehen hatte, da sie fast den ganzen Tag im Krankenzimmer festgehalten wurde.

Als die Gräfin jedoch am Nachmittag eingeschlummert war, verließ sie laut-