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In «esrlljWtt.
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88. Aayvgang.
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Mil dem Plauderstübchen. Jlluftr. SonntagSblatk und
Schwab. Landwirt.
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Dienstag, de« 18 . Hlovemöer
1 »«»
Staat mt> vüeger.
-- Die deutsche Schule, besonder» auch die deutsche BE», schule, genießt eiueu wohlverdienten Stuf i« der ganzen «ett, «ud doch fehlt i« ihre» Lehrplan eiu Fach, da» gerade etu zm Zerspaltung uud Eigeubrödelei neigende» Volk »ie da» deutsche in erster Linie benötigt: die politische Er- tzichrmg. Wäre nicht «ms diesem Gebiete seit alterSher gesündigt worden, so Hütte dir Sozialdemokratie mit ihrer politischen Lrrziehuug, die sie «it besondere« Eifer der Jagend augedeiheu läßt, reicht die Erfolge habe» können, die sie gehabt hat. Sie hat eben hier »it geschicktem Blick eine Blöke in unserer volkSrrziehuug entdeckt und nicht gezögert sie zn ihren Gunsten auSznulchrn.
Talstchltch find, wir wir, nicht za nuferem Rnhme, gestehen «Me», die politischen Kmntuiffe in weiten «reisen Deutschland» gleich Null. Wo»öglich noch eine Stufe tiefer steht da» politische Verständnis. Unsere Reich»- uud StaatSverfasslWg wie dir Gruudzüg« der GemeiudeverwaÜ- uag nad der Staats- uud Volkswirtschaft find der überwiegenden Rehrzahl der Wühler, denen al» politisch mündig« Mensche« die RrichSversaffung da» gleiche Wahlrecht gegeben hat, ein Bnch «it sieben Siegeln, sodaß die Forderung nicht ungerechtfertigt erscheint, den Mrspruch ans da» politische Wahlrecht an eiu gewisses Mindestmaß von politischen Kenntnissen zu knüpfen.
Für dm Tiefstand de» politische« »erMduisse» spricht e», daß die grotze Mehrzahl der Wähler in dem Staate heutigen Tage» immer «och einen bösartiges, steserschlvckeu- den Götzen erblickt, Lesse« Forderungen, sogar nicht immer aus ehrliche «eise, sich möglichst zu entziehen, viele Leute für zulässig uud «ustikrdtg halten. Hat doch selbst eiu ReichStagSabgeordmter in einer Rede den Staat al» eiu herzloses Ungeheuer geschildert, der für deu Arbeiter nicht» habe, al» Kaussen und StesrrzrtteU Hinter solchen «orten verberge» sich eine politische Unkenntnis »ud etu Mangel au pättifchem Verständnis, die fast unbegreiflich ststd. Schon rin bescheidenes Nachdenken sollte auSreichen, dem einzelnen Rar za machen, daß der Staat nichts anderes iß, als da» Vaterland, als die Gemeinschaft aller unserer Volksgenossen, «tue Einrichtung, vir dir gesamten in «ine« Volke Vorhand«« Kräfte vereinigt uud zum Wähle der Ganzes die Arbeit leistet, die für die Schulter dek einzelnen zn schwer ist. Der Staat ist e», wie unlängst in eine« lesenswerten Artikel der .Srrnzboteu* sehr richtig au»ge- führt ward«, »der im-Innern nufer Eigentum wie nufere materielle geistige and künstlerische Arbeit schützt und fördert. Er ist eS, »er draußen ans wette« Meere nud in fernen Ländern dea deutschen Sassmauu schirmt und die Absatzmärkte der deutschen Industrie sichert. Wa» wären wir ohne deu Staat!*
Wem diese Erkenntnis einmal aufgegaugru ist, der
wkd e» in Zukunft auch «it seine» politischen Gewisstu nicht vereinigen können, dem Staate die Leistungen, auf die er al» der Inbegriff der Gesamtheit de» deutschen volle» Anspruch hat, vorzueuthalteu oder ihn gar darum zu bringen, weil die Folge davon Ist, daß ehrlichere Leute, die e» «it ihr« staatlichen Pflichten ernster nehmen, deu AuSsall zu tragen haben uud dadurch Sbervorteilt, ja betrogen werdeu. Da» Gedeihen de» Staate» ist unser Gedeih«. Bricht der Staat zusammen, weil da» «angelnde politische Gewissen der Bürger ihm die Mittel voreuthält, die er zu seinem Gedeihen gebraucht, so sind die Folge davon Not uud Elend für wette Kreise de» Volke», Zahl- uug»elustelluugeu and Arbeitslosigkeit für die Arbeiter. Derartige Zetten liegen für su» glücklicherweise zu wett zurück, al» daß ihre Erinnerung noch allgemein lebendig sein sollte. Daher wissen wir nicht deu Wert eine» starken Staate» zu schätze«, der uu» davor bewahrt, und nach de« die Unglücklichen sich gesehnt haben, die «ater schweren Zeiten za lekeu hatten.
H'oMifche Aeberstcht.
Hawdwerk ««d Hansa-Buud. Eine der größten deutschen gewerblichen Vereinigungen ist der verband deutscher Sewerdeveretne undHaudwerkervereinig- uuge». Er umfaßt gegen 1800 gewerbliche verbände und Vereine, Handwerker-Vereine, »sw. die zusammen rund 160000 Mitgkeder zählen; nach der vom verbände aufgenommeueu Statistik gehören zwei Drittel der Mitglieder de« Handwerk an. Der Vorstand diese» mächtigen verbände» hat jetzt folgende Erklärung beschlossen: .Der Vorstand erblickt in der Vereinigung von Gewerbe, Handel uud Industrie, wie sie der Hansa-Band austrebt, ein wirksame» Mitte! zur Erreichung wirtschaftlicher »ud «trtschaftSpoli- tischrr Ziele für die genarwt« ErwerbSgrappru, unter denen da» deutsche Handwerk al» einer der «testen Kattnr- faktorm nicht fehlen darf. Die au» de» Handwerk»- »vd HavdelSstande emporgewachsene deutsche Industrie hat aus vielen Gebieten mit dem Handwerk gemeinsame Beziehungen uud Interessen; die Grenzen von Fabrik uud Handwerk lassen sich tu zahlreichen Fällen nicht sestlegr», Industrie «vd Handwerk schließen einander nicht an». Bon dieser Ueberzengvng ausgehend hat der Hansa-Band Sei seiner Entstehung bereit» mit dem Anschluß de» deutschen Handwerks gerechnet; er hat da» Handwerk zur Mitarbeit aasgernsen und dev Ehrenobermeister Nicht in Berlin als Vorsitzenden de» ZeutralauSschuffeS der vereinigten JavungSverbände Deutschlands tu das Präsidium de» Bundes gewählt- Hierin erblicken wir die Gewähr, daß eS de« Haasa-Buud Ernst ist, mit de« Handwerk gemeinsam zu arbeiten, uud daß die Handwerker-Interessen in dem BuudeSprästdiu« eine gute Vertretung staden »erden. ES wäre nach Ansicht des deutschen
»ervaudSdorstaude» ein unverzeihlicher Fehler, wenn da» deutsche Handwerk die hie» gebotene Gelegenheit, ettirr großen wirtschbstlicheu Interessenvertretung sich auznschließ», versüumeu würde. Gewerbe, Handel und Industrie st« gleichmüßig betroffen von deu großen Fragen der Wal- politische» Gesetzgebung: Kranken-, Unfall- uud Invalidenversicherung, ArbeitSkammeru, unlauterer Wettbewerb, «rbriterfchutz, «rwerbepolizet, gewerbliche Rechtsprechung, Gewerbesteuern, Fiuauzwirtschast, Zölle uud Handelsverträge, Verkehrswesen ». a. m. In diese« Sinne stellt der Haosa- Bnud eine ,a« Schutz uud pn Förderung der gemeinsamen Interessen von Gewerbe, Handel uud Industrie begründtte wirtschaftliche Vereinigung dar, in welcher das Handwerk al« vollberechtigtes Mitglied ans das Programm de» »nude» und seine Betätigung um so nachdrücklicher eiuwirkeu kau», je größer die Zahl der Handwerker i« «ttgliederkretse ist. Um aber seine wirtschaftlichen Forderaugeu mit Erfolg durchsetzen zn können, muß der Lund aus die deutsche Wirtschaftspolitik Eiufisß gewinnen, er muß, ohne sich eine, einzelnen politischen Partei anzuschlirßeu. rin Machtfaktor werdeu, de« es gelingt, auch bei den Wahlen zum Parlament reiche Erfolge zu erzielen, damit die im Bunde vereinigten Geverbezweige eine ihrer Vedentang angemessene Vertretung in deu Parlamenten erhalle«. Die von de« Bunde anerkannte Gleichberechtigung aller ErwerbSftände, der Industrie, de» Gewerbes, Handwerks uud Handel» ebenso wie der Landwirtschaft, läßt eine Vernachlässigung oder Schädigung der HaudwerkStuterrff« ausgeschlossen erscheinen, ohne daß das Ansehen des Bunde- uud das verträum zu seine« Programm in dem ganzen Reich auf» empfindlichste geschädigt uud zerstört würde. Dem deutsch« Handwerkerstand sollte daher der Hassa-Baud wie jeder ehrliche Genosse i« Kamps um die notwendigen LrbeuS- forderaugeu willkommen sein; möge er nicht zaudernd beiseite stehen uud damtt eine günstige Gelegenheit za« Zn- fammeuschluß mit groß«, verwandten verufsgruppru z« gemriusamer Machteutsaltuug versäume».
Di« Spott««, der »«Dorische« Unabhängig kett-portei hat sich nunmehr vollzogen. I» einer Kon- sereuz am Donnerstag stellte »bg. Halls einen Antrag, nach welche« die Partei nur eia solche» Kabinett unterstützt, da» au» der UuabhäugigkettSpartei gebildet wkd, jede Koalition «it anderen Parteien ausschließt u«d die Wahlresars auf Grundlage de» allgemrtaeu Stimmrecht» sowie die Errichtung einer selbständigen Bank t« Januar 1S11 in da» RegieruugSprogramm ansuimmt. Koffuth bekämpfte diesen Antrag entschieden. Er wurde jedoch, und zwar mit 130 gegen 74 Stimmen angenommen. Kossnth erklärte hieraus, daß er an» der Partei auStrete uud verließ mit sein« Anhängern dm Saal. Diese Gruppe konstituierte stch hierauf als selbständige 48er Koffathpartet, während die Anhänger JusthS deu Namen Unabhängigkeit-Partei beibehtellm und
Eine Statte der deutschen Edelmetalliudsftrie.*)
von Joses Siebe«! ist (Karlsruhe).
Der Name Pforzheim sagt dm Meisten gar nichts. Höchsten» weiß Einer, den die Sicht plagt, daß von Pforz- heim die Zwrttzdahu nach Wildbad führt, oder eia Historiker, daß die Stadt vom 14. vt» 16. Jahrhvudert die Residenz der Markgrafen von Badm war uud daß eine nicht ganz beglaubigte Tradition von de» Heldeutod der 400 Pforz- heimer Bürger in der Schlacht bei Wimpfen (1683) erzählt; oder ela Tourist, daß dort bei der ?ort» (von
ihr stammt der deutsche Name) die brtoer- Hötzrvvrgr durch dm Schmarzwald beginn«. Uud doch gibt eS, besonder» in der Mittelklasse, kaum jemand, der nicht eiumal in seine« Leben irgend eine» Artikel, sei r» etu Schmuckstück, sei e» einen Gebrauchs gegenständ au» edle« oder edel avSseheude« Metall gekauft hülle, der tu Pforzheim hergeßellt worden ist. Denn hkr blüht etue Industrie, die es ohne Unterstützung von avßm, ohne die Beihilfe hervorragender trch- uischer oder kaufmännischer Gentes zu einer außerordemltcheu »edmtnugMracht uud «tt.ihrm Erzmguiffm die Welt erobert hat.
Jawohl die Well! Dm» die Ansfuhr der Pforz- hrime^Mouteriewareu, der« Wert i« Jahr« 1905 nicht weniger^als 117,5 Millionen Mark für echte Sold- und Silberwarm uud 37 Millionen für vergoldete uud versilberte Artikel aus unedle« Metall betrug, erstreckt sich auf alle Länder der Erde, allerdings In verschiedenem Verhältnis; fast aber könnte «au sagen; t» eine« gewiffm verhältst» znr Kultur der Länder. Länder auf einer ganz tiefen Stufe
') «tt «en»h»i^ln, de» Berfaffer» «nd de» ««rag» der ZNd««" eulnoom»».
der Kultur figurieren nur «tt qmiz kleinen veträgm. In Europa, wo die Erzeugnisse Pforzheim» ukgeud» fehl«, steht Oesterreich-Ungarn mit 10,8 Million« Mark für Gold- and Silber»«« uud 8 Millionen für vergoldete uud versilberte Gegmßäude au der Spitze.
In Amerika ist dar HanptbezugSlavd uud überhaupt der größte auSläudtsche Abnehmer Pforzheim» die argen- ttnische Republik «tt eine« Import von nicht weniger als 15 bezw 4 Million« Mark, »ach Brasilien und Mexiko find gute Knuden, »ie denn überhaupt die romanisch« Länder der Reuen Welt viel aus Pforzheim bezieh«. Asten bietet um »tt Britisch-Ostiudim einen stärkere» Abnehmer, aber vertreten find unter den Kmrdeu sog« China und Japan. 3» Afrika steht Aegypten «it einer Einfuhr von 3 bez». 0,7 Million« in erster Reihe, aber die Pforzheimer Warm geh« in alle Länder «ud Kolonien de» schwarz« Erdteil», »ie auch nach Australien.
«ie viel in Deutschland abgesetzt wird, läßt stch nur aunährrnd augebm. Mau wkd aber kau« srhlgeh«, wenn «au deu Absatz aus mindestens 30 Millionen Mart schätzt. Einige Anhaltspunkte dafür bietet die Statistik der deutsch« ReichSpostvermaltuug vom Jahre 1904. Da- nach find in diese» Jahre in Berlin bei einer »evölleruug von 1888848 Köpfen 1031630 Wertpakete uud -Briefe anfgegeb« »«den uud 1013375 eiugegang«. »ährend die entsprechende« Zahl« für Pforzheim bet 43851 Ein- wohuer» 358634 uud 133337 find, also derhältuiSmäßig zwölsmal so groß. Die Häufigkeit der Wertsendung« tu Pforzheim beruht aber darauf, daß die Fabrikate seiner Industrie «tt Vorliebe auf diese« Wege expediert »erd«, besonder» i« Gebiete de» Deutsch« «eiche». Der Wert dieser Sendung» beträgt, nach derselben Quelle, über 33 Millionen, wobti noch z, berückstchtigm ist, daß «au in
solch« Füll« d« Wert «eist zu niedrig augibt. Jeden- falls kann «au dm Wert der Gesamtproduktion der Pforzheimer Bijouterie-Industrie auf 180 Million« Mark veranschlag«.
Wie groß die Masse von Arbeitern tu Pforzheim ist — 37000 t« Jahre 1905! — davon gewinnt »au ei« anschauliche» »Ud. wenn «au zur Zeit de» Arbeitsschlüsse» durch Pforzheim» Straß« »audett. Da find diese ihrer ganz« »rette nach förmlich schwarz von Mensch«. Mach« doch die Arheiter uud die sonst in der Bijouterie-Industrie Beschäftigt« mehr als die Hülste der Einwohnerschaft au». Ein erklecklicher Teil davon, so ziemlich die Hälfte, wohnt ans de» Laude, in d« badisch« uud württemdergisch» Dörfern der Umgebung Pforzheim». Zur Hin- und Rückbeförderung besonder» der entfernter wohnenden ländlich« Arbeiter dien« mehr al» dreißig tägliche Arbeiterzüze, die von Pforzheim au» nach 5 Richtungen: Karttrnhe, Ett- liug«, Wildbad, Cal» uud Mühlacker verkehr«.
Die Arbriterzüge lehren nur auch einen Vorzug kenn«, dm Pforzheim vor ander« FabrikSzeutr« besitzt, lleberall sonst hört man die ständige Klage, daß die Fabrik der Laudwtrtschast die Arbeiter nimmt. In Pforzheim» Umgebung dageg« kau« mau fast da» Gegenteil behaupt«. Da bildet die Fabrikarbeit eine Ergänzung der landwirtschaftlichen Tätigkeit und umgekehrt. Einerseits liefert die. ländliche Umgebung der Fabrik etu hochqualifizierte» Arbeiterheer, bei de« stch da» Geschick für die BijouteriA techutk sozusagen tu der Familie vererbt; andererseits kehrt der Arbeiter, »m» er fühlt, daß er in der JudMrie nicht «ehr genügend verdient, aus fein« Grundbesitz zurück, d» er stet» ,, vergrößern bemüht ist. Da die Pforzheimer Industrie kn der Hauptsache eine Satsoutudustrie ist, bei der sich die größte Tätigkeit <ms bestimmte Zeit« sde»