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Polizeikommissar uud entriß ihm seinen Gefangenen, der sofort einen Wagen bestieg und sich nach den Redaktionsbüreaus der boulangistischen Zeitungen begab. Der Polizeikommissar wurde durch herbeigeeiltes Polizeipersona! au« den' Händen der Menge befreit.
— Aus Sansibar wird gemeldet, daß Wißmann am Mittwoch mit kleinen Dampfern 10 Kilometer flußaufwärts gefahren sei; die Eingeborenen beschossen die Dampfer und die Truppen löteten mehrere Angreifer. Panqani wird sorgfältig befestigt und erhält eine permanente Garnison. Dem „New- Aork Herold" wird telegraphiert, daß die Deutschen bei der Erstürmung von Tanga (nördlich von Pangani) hartnäckigen Widerstand gefunden und sehr große Verluste erlitten haben.
— Die Einnahme Panganis durch Hauptmann Wißmann, war ein Sieg, der für die deutschen Waffen sehr unblutig verlaufen ist. Nachdem das deutsche Blockadegeschwader den Ort und dessen Umgegend durch eine heftige Beschießung von jeder widerstandsfähigen Besatzung gesäubert hatte, rückte das Wißmannsche, durch 400 Marinemannschaften verstärkte Sturmheer in Pangani ein, ohne auf Widerstand zu stoßen. Wie verlautet, wurde die Ortschaft eingeäschert. Von Bedeutung ist die Thatsache, daß die aufrührerischen Araber es nicht gewagt haben, sich den Wißmannschen Truppen zu stellen; es liegt darin eine für die glänzende Ueberlegenheit der deutschen Waffen bedingungslose Anerkennung.
Tages-Werrigkeiten.
Calw. Die Stadt erwarb sich dieser Tage ein Grundstück auf dem Muckberg im Meßgehalt von 14 a 88 qm um 50 — Durch die Er
werbung wird die Abfuhr von Kalksteinen, derer die Stadt immer bedarf, aus einem Bruche erleichtert und die Grundstücke der anliegenden Besitzer nicht mehr geschädigt. —
Calw. Am Freitag mittag entgleiste auf hiesigem Bahnhof ein Personenzug bei der Ausfahrt infolge unrichtig stehender Weiche. Der Lokomotivführer einer seitwärts stehenden Reservemaschine, welche den Anprall auszuhalten hatte, erhielt einige Verletzungen am Kopf durch herabfallende Kohlenstücke. Beiden Maschienen wurden Puffer abgestoßen und einige Gepäckwagen erlitten ebenfalls Beschädigungen.
* Für Bienen freun de! G. Stöffler, von Hof B. bei Simmozheim wünscht an dieser Stelle Bienenhalter und Bienenfreunde darauf aufmerksam zu machen, daß eine von ihm gemachte Probe mit Bienenklee zu einem erstaru lichen Resultat geführt hat. Der Klee ist gegenwärtig zwei Meter hoch und mit handlangen weißen Blüten außerordentlich dicht besät, welche vom frühen Morgen bis zum Abend von Bienen schwarz besetzt sind. Es lohnt sich, das prächtige Feld, das, die Blüten abgerechnet, einer üppigen Weidenkultur ähnlich erscheint, zu besichtigen und sollte Jemand Samen davon wünschen, so ist der Genannte recht gerne bereit, solchen zur Zeit abzugeben.
— Landesausstellung. Die Vorbereitungen für die zur Feier des 25jährigen Regierungsjubiläums Seiner Majestät des Königs in der Gewerbehalle zu Stuttgart statlfindende Landesausstellung find — trotz der kurzen nach Ausräumung der graphischen Ausstellung verbliebenen Zeit — soweit gediehen, daß die Eröffnung am 25. Juli erfolgen kann. Ein feierlicher Eröffnungsakt ist nicht m Aussicht genommen; der von Seiner Königlichen Majestät allergnädigst in Aussicht gestellte Besuch wird den eigentlichen Ehren- und Festtag der Ausstellung bilden. — Bei der hervorragenden Stellung, welche unser Land auf dem Gebiete des Schulwesens einnimmt, verspricht diese — über 500 Schulen umfassende — Ausstellung ein ebenso reichhaltiges als interessantes Bild zu gewähren. Zur Anschauung werden gebracht werden die Leistungen im Zeichen-, Modellier-, Gravier-, Ciselier-rc.Unterricht, in weiblichen H-mdarbeiten und dgl. an den gewerblichen und weiblichen Fortbildungsschulen, der Frauenarbeitsschule, der Kunstgewerbe
schule, der Gelehrten« und Realschulen, höheren Mädchenschulen, Volksschulen und Lehrerbildungsanstalten, Erziehungshäuser, Webschulen und landwirtschaftlichen Schulen des Landes. Gne weitere Bereicherung wird die Ausstellung dadurch erfahren, daß sich an sie besondere Abteilungen mit künstlerischen Arbeiten der Zeichenlehrer, mit Lehrmitteln für den Zeichenunterricht sowie mit Lehrlingsarbeiten — zur Veranschaulichung der Ergebnisse der LehrlingSprüfungen — anschließen werden.
Untertürkheim, 10. Juli. Gestern nachmittag stürzte ein Lehrling beim Dachdecken eines Hauses in der Cannstatterstraße vom Dache, 2 Stock hoch, herab auf die Straße, ohne Schaden zu nehmen. Heute war er schon wieder an der Arbeit.
Göppingen, 8. Juli. Nach heißem. Wettkampf hat heute die Preisverteilung an die beim Wettgesang des SangerfesteS beteiligten Vereine stattgefunden. Es ist wohl erklärlich, daß nicht alle Vereine mit einem Preis bedacht werden können, doch waren die Leistungen namentlich im höheren Volksgesang schöne und anerkennenswerte. Man konnte deshalb erwarten, daß mehr Vereine mit Preisen bedacht worden wären. Wir erwähnen nur die Leistungen de» Liederkranzes von Calw (40 Sänger), Metzingen (24 Sänger) und Nürtingen (45 Sänger). Zieht man einen Vergleich zwischen der Zahl der im Volksgesang und der im Kunstgesang gegebenen Preise und den Leistungen hiebei, so erhält man den Eindruck, als ob der Volksgesang vom Preisgerichtkollegium etwas stiefmütterlich behandelt worden sei und daß nur größere Vereine einen Erfolg beim Wettgesang erzielen können. Es wird dies wohl für den Sängerbund die Folge haben, daß kleinere Vereine sich an einem Wettgesang nicht mehr beteiligen oder aus dem Bund austreten und sich den bestehenden Gauverbänden anschließen. (Metzinger Anz.)
Sindolsheim, 8. Juli. Vor kurzem wurde der hiesige Gemeinderechner G. nachts 1 Uhr von ver Gendarmerie au» dem Bette geholt und verhaftet. Er hat sich Unterschlagungen im Betrage von 3500 zu schulden kommen lassen, welche Summe von Verwandten gedeckt wurde. Zudem haben sich noch über 10,000 Schulden herausgestellt, so daß der vor kurzem noch hochfahrende, selbstsüchtige Mann, der allgemein für reich gehalten wurde, wenig mehr sein eigen nennen kann. Es ist eben nicht alle» Gold was glänzt.
Schwäb. Gmünd, 10. Juli. Wegen Vergehen gegen die Sittlichkeit, verübt an schulpflichtigen Märchen, ist gestern abend der 45jährige, verh. Schuhmacher Wanner von Straßdorf an das K. Amtsgericht eingeliefert worden.
— In Heilbronn stand dieser Tage vor dem Schwurgericht die Gehilfin eines Scheerenschleifers, welche in Murr, OA. Marbach einem sie verfolgenden, stoßenden und zupfenden Knaben ihr Scheerenbund an den Leib schleuderte, wobei demselben eine Scheere in den Bauch und Magen drang, was dessen Tod zur Folge hatte. Die der fahrlässigen Tötung Angeklagte wurde freigesprochen.
Schnaitheim, 12. Juli. Heute wurde hier der erste Roggen geschnitten. Interessanter ist aber, daß heute bei der kolossalen Hitze auf dem Bahnhof hier Schneebalken flogen. In dem Steinbruche des Steinhauers Laqai fand man noch zwei Meter tief Schnee. Eine Probe davon führte man auf den Bahnhof, und als der Zug vorbeifuhr, ging das Schneeballen los.
— In Baden-Baden ging am 12. ds. ein heftiges Gewitter nieder, das Hagel in Größe von 2 ein Durchmesser brachte. Der damit verbundene Sturm entwurzelte viele kräftige Bäume.
Coblenz. 12. Juli. Ein in Paris aufgestiegener Luftballon, mit 2 Herren ist gestern vormittag in der Nähe von Coblenz niedergegangen. Die Insassen, welche zuvorkommend behandelt wurden, fuhren abends nach Paris zurück.
Augsburg, 10. Juli. Eine ebenso unsinnige als freventliche Wette
geht mich Nichts an!" stieß er aus, ihm den Trauschein zuschleudernd. „Wissen Sie wie man Ihresgleichen zu behandeln pflegt?"
„Herr Graf —"
Aber der Wütende ließ den vor Erregung bebenden Offizier nicht zu Worte kommen. Wiederum zeigte er mit stummer Handbewegung auf die Thür-
„Sie werden wissen, welche Antwort die einzig mögliche zwischen uns ist. Gehen Sie, ehe ich mich vergesse! Nur Ihr Blut kann die mir angethane Schmach von meinem Namen abwaschen!"
Pahlau hob stolz den Kopf.
„Ich bin zu jeder Genugthuung bereit, welche Sie verlangen," sprach er. „Meine Gattin werden Sie mir nicht verweigern können, und weiter verlange ich von Ihnen Nichts!"
Die Hand des Grafen schnellte empor; aber noch ehe er den in blinder Wut beabsichtigten Schlag ausführen konnte, war der junge Offizier aus dem Zimmer verschwunden.
Als Pahlau über den Korridor stürmte, hörte er plötzlich seinen Namen rufen. Pauline schaute den Gatten mit angstvollen Blicken an.
„Robert!" flüsterte sie und in dem einen Wort lag eine allumfassende totes- bange Frage.
Er schloß sie leidenschaftlich in seine Arme.
„Mut, mein trautes Weib, es wird noch Alles gut werden," murmelte er gepreßt, mit seiner zitternden Hand beruhigend ihr welliges Haar streichelnd.
Sie schmiegte sich innig an feine Brust und schlang beide Arme um seinen Nacken.
„Das gebe Gott! O, Robert, ich würde sterben, wenn man uns von einander reißen würde," hauchte sie leise.
„Das vermag Niemand, mein Lieb! Doch für jetzt — lebe wohl. Dein Vater darf mich hier nicht treffen. Auf Wiedersehen, mein holdes, mein einziggeliebtes Weib!"
Noch einmal preßte er ihre schlanke Gestalt an sein wildschlagendes Herz, drückte glühende Küsse auf ihre blassen Lippen.
Pauline schaute ihm mit einem langen Blick nach, preßte dann beide Hände auf die stürmisch wogende Brust und eilte ans Fenster, um noch einen letzten Blick von dem Geliebten zu erhaschen. Jetzt ritt er über den Schloßhof. Wie herrlich war seine Gestalt anzuschauen auf dem prächtigen Apfelschimmel. Konnte es wohl einen schöneren Mann geben, als ihren Robert? Ein glückseliges Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Mein Gatte!" flüsterte sie innig, die Hände faltend und inbrünstig zu dem blauen, lachenden Himmel emporblickend, im lautlosen Gebet.
Da wurde sie jäh aus ihrer Andacht aufgeschreckt; wieder hallte der Hufschlag eines flüchtigen Rosses von dem Schloßhof herauf. Mit weitgeöffneten Augen beugte sie sich tief zum Fenster hinaus. Das war ihr Vater, der dort im gestreckten Galopp auf der Straße nach der Stadt davonritt. Sie taumelte zurück, eine beklemmende Angst legte sich auf ihre eben noch so hoffnungsfreudige Seele. Warum ritt er fort, ohne ihr ein Wort zu gönnen? Sie sehnte sich unsäglich nach einem vergebenden Blick aus seinen Augen. Die Brust war ihr plötzlich wie zusammengeschnürt, eine heiße Thränenflut entstürzte ihren Augen und kraftlos brach sie zusammen.
Qualvoll schlichen die Stunden dahin; der Nachmittag ging vorüber, der Abend kam und noch immer war der Graf nicht zurückgekehrt. Da endlich, — es war nach elf Uhr und Pauline saß noch immer im Finstern in ihrem Zimmer, — jetzt hörte sie den galoppierenden Hufschlag des zurückkommenden Rosses. Sie stand auf, preßte die Hand fest auf das schmerzzuckende Herz und lauschte mit angehaltenem Atem auf die Treppe heraufkommenden Tritte des Vaters. Aber sie gingm vorüber. Graf Kuno schritt direkt in sein Arbeitszimmer und rief mit lauter Stimme dem Diener zu, daß ihn Niemand mehr stören solle. Ein dumpf« Wehelaut entrang sich Pauline's Brust. Angekleidet, warf sie sich auf ihr Lager und weinte herzbrechende Thronen. Nach ein« in qualvoller Schlaflosigkeit verbrachten Nacht, klopfte sie früh am andern Morgen an die Thür des Vaters; sie hörte ihn drinnen mit ruhelosen Schritten auf- und niedergehen und bat mit flehenden Lauten um Einlaß. D« Graf wir» sie schroff ab und leichenblaß wankte die junge Frau zurück.
(Fortsetzung folgt.)