Aro. 83.
64. Jahrgang.
Amts- unä Intekkigenzbkatt für äen Oezirk.
Erscheint Atensta«, I»«»rrst«s L Samstag.
Die Liurückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bqirk, sonst 12
Dienstag, äer» 16. Juki 1889.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
re Hast bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70
Amtliche Bekanntmachung
betreffend das Erlöschen der Maul- und Klauenseuche.
Die unter dem Rindvieh in Calw aus gebrochene Maul» und Klauenseuche ist als erloschen zu betrachten.
Dies wird hiemit zur öffentlichen Kenntniß gebracht.
Calw, den 13. Juli 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Amtliche Bekanntmachung
betreffend Marktverbot.
Infolge Ausbruchs der Maul-und Klauenseuche im Bezirk Böblingen ist die Abhaltung des auf den 18. d. M. in der Stadt Böblingen verfallenen Viehmarktes verboten.
Dies wird hiedurch den Bezirksangehörigen zur Kenntniß gebracht. Calw, den 15. Juli 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Deutsches Reich.
Berlin, 13. Juli. Der „Staatsanzeiger" veröffentlich t heute folgenden Bericht über die Reise des Kaisers: Se. Majestät der Kaiser und König empfingen am Samstag, 6 . Juli, in Odde um 9 Uhr morgens die Post, erledigten dieselbe im Laufe des Tages, nahmen wiederholt Vorträge entgegen, verließen aber die Dacht an diesem Tage nicht. Um 2 Uhr nachmittags lichtete die Dacht Anker, dampfte aus dem Söc Fjord hinaus und traf um 6 V 4 Uhr vor Eid Fjord ein. Auf der Fahrt dahin hörten Se. Majestät eine Vorlesung des Dr. Güßielo, welche auf dessen Werk: „In der Alpenwelt" Bezug hatte. Nach der Abendtafel unterhielt Premierlieutenant von Hülsen die Reisegesellschaft durch Karten- und andere Kunststücke. Bei sehr herabgegangenem Barometer hatte das Wetter über Nacht zum Sonntag, 7. Juli, einen unfreundlichen Charakter angenommen. Dicke Wolken umlagerten die Bergspitzen bis tief hinab in die Thäler. Zeitweise fiel stärkerer Regen. Se. Majestät der Kaiser und König erschienen im allerbesten Wohlsein gegen 73/4 Uhr morgen« auf Deck und hielten um 10 Uhr die Musterung der Besatzung, sowie unmittelbar daran anschließend im Beisein des gesamten Gefolges den Gottesdienst Allerhöchstselbst ab. Se. Majestät verblieben den Tag über an Bord.
Feuilleton. R^bru--°rb°.°n
Der: MajornLserbe.
Roman von L. D 0 hrmann.
(Fortsetzung.)
„Verzeihen Sie, Herr Graf, daß ich Sie noch einmal belästige und mir gestatte. Sie an ihre damaligen Worte zu erinnern —"
„Ich halte eine solche Erinnerung durchaus für überflüssig und bettachte den Gegenstand für vollkommen erledigt," fiel der Graf dem Redenden schroff inS Wort.
„Verzeihen Sie, aber er ist es nicht," antwortete Pahlau bleich, doch fest und ruhig. „Im Gegenteil, mein heutiger Besuch führt mich auf unsere letzte Unterredung zurück und ich muß sie bitten, mich diesmal gütigst anzuhören. Sie, Herr Graf, geruhten damals, mit schroffen Worten zwei Herzen aus einander zu reißen, die sich in heißer Liebe zugethan waren und es bleiben werden für alle Ewigkeit. Ob es väterlich gehandelt ist, dem toten Mammon das Glück Ihres Kindes zu opfern, überlasse ich Ihrer Beurteilung; junge, heißblütige Herzen beugen sich nicht einem knechtischen Willen, lassen sich nicht ihr Lebensglück durch ein schroffes Machtwort entreißen. Ich liebe Pauline unaussprechlich, wie sie mich; ein Voneinanderlaffen gab es für uns nicht. So blieb uns nach Ihrer harten, ungerechten Abweisung nur der eine Weg übrig, uns nach eigener Macht unser Glück zu erkämpfen. Sie haben uns zum Aeußersten getrieben und der Schritt, den ich mit schwerer Ueberwindung ohne Ihre Zustimmung gethan, war der einzige, der mir zu Gebote stand, um Pauline, deren Herz mit allen Fasern an mir hängt, vor der Verzweiflung zu bewahren, in welche Sie Ihr Kind getrieben hätten, wenn Sie sie gewaltsam gezwungen haben würden, dem Grafen Eberhard die Hand zu reichen. Zu entsagen hätte Pauline vielleicht die Kraft gefunden, aber sich ihrer erbarmungslosen Willkür zu opfern, ist zu viel verlangt von dem Herzen eines Weibes —"
„Genug!" brauste der Graf auf. „Sie sind ein Unverschämter und als solcher werde ich Sie behandeln. „Er hatte während der Rede des Offiziers lautlos gegen
— Kaiserin Friedrich hat den Erlös durch das Buch „Das Leben Kaiser Friedrichs" im Betrage von 300 Pfv. Sterl. Mackenzie'» Hospital für Halskranke zugewendet.
Berlin. Die Delegierten der Berliner Arbeiter zum internationalen Pariser Arbeiter-Kongreß sind heute früh nach Paris abgereist. Es sind 8 an der Zahl und zwar: Wernau für die Maurer, Seitzt (als Kleinmeister) für die Zimmerer, Glocke für die Tischler und Stellmacher. Körsten für die Former, Becker für die Metallarbeiter, Schneider Pfeiffer für di» Hausindustriellen. Wagner für die Weber und Buchdrucker, Werner für die Sozialdemokraten. Erstere sieben wurden in öffentlichen Versammlungen gewählt, für das Mandat des letzteren wurden Unterschriften gesammelt. Ferner lassen sich auf dem Kongreß vertreten die hiesigen Arbeiterinnen durch Frau Clara Zeslin in Paris, die Hausdiener durch Bebel, die Töpfer durch Regierungsbaumeister Keßler. Die Berliner Delegierten, denen sich, außer einigen Privatpersonen, noch Frau Apotheker Ihm aus Velten als Vertreterin der Arbeiterinnen Dresdens und.Geras anschließt, fahren von hier nach Köln, wo sie mit den übrigen Delegierten am Samstag, 64 an der Zahl, zusammentreffen. Unter Führung der Abgeordneten Bebel und Liebknecht nehmen sie von dort ihre Tour durch Belgien und treffen Sonntag früh in Paris ein. Diese Tour wurde erstens der Billigkeit halber, dann aber auch gewählt, um den lästigen Paßmaßregeln aus dem Wege zu gehen. Der Aufenthalt in Paris ist auf ca. 14 Tage berechnet; Ende dieses Monat» dürften die Delegierten wieder zurück sein. Die Beschickung dieses Kongresses kostet die deutschen Arbeiter wenigstens 25,000
— In Hamburg feierte der Senatspräfident, Bürgermeister Dr. Petersen fernen 80. Geburtstag. Der Kaiser übersandte ihm sein Bild mit einem herzlichen Handschreiben.
Ausland.
Paris, 14. Juli. Heute vormittag fand vor der Statue der Stadt Straßburg auf dem Eintrachtsplatze die von den Boulangisten veranstaltete Kundgebung statt. Den Teilnehmern war von dem anwesenden Polizeikommissar jede Rede und Aeußerung ausdrücklich untersagt worden; gleichwohl wurde von Deroulede, der von den boulangistischen Deputierten und einer größeren Menschenmenge umgeben war, laut auSge- rufen: „Es lebe der General!" Der Polizeikommiffar wollte in Folge dessen Deroulvde verhaften. Letzterer leistete aber Widerstand und erklärte, eine Verhaftung sei ungesetzlich. Als der Polizeikommissar darauf Deroulede am Arme ergriff, stürzte sich die umstehende Menge auf den
I seinen Schreibtisch gelehnt gestanden; eine dunkle Zornesader war auf seiner Stirn I angeschwollen, — das einzige Zeichen seines in ihm kochenden Grimmes. Bei Pahlau's letzten Worten vergaß er jedoch seine Zurückhaltung; er stampfte zornig mit dem Fuße auf und deutete befehlend nach der Thür. Doch Pahlau blieb ruhig ihm gegenüber stehen und schaute ohne das geringste Zucken in das Gesicht des Zornigen.
„Sie haben mich nicht ausreden lassen, Herr Graf. Ich wiederhole hiermit meine Werbung und bitte — in Ihrem eigenen Interesse der Welt gegenüber — um Ihre Zustimmung zu unserer Verbindung, die kein Machtwort mehr verhindern kann. Pauline ist bereits seit zwei Monaten meine Gattin. Gestatten Sie, daß ich Ihnen unsem Trauschein vorlege."
Wie von einer Viper gestochen, fuhr der Graf in die Höhe und starrte mit stummem Entsetzen auf das Papier, das Jener vor ihm auf ven Tisch gelegt hatte. Dann aber lachte er schneidend auf, und seine Augen rollten so entsetzlich, daß Pahlau nun doch erschrocken um einen Schritt zurückwich.
„Ha, und Sie wagen es noch, mir unter die Augen zu treten, Sie — elender Bube Sie?" rief er Graf, seiner nicht mehr mächtig.
Der Offizier wurde totbleich und unwillkürlich zuckte seine Hand krampfhaft nach dem Griff seines Degens.
„Herr Graf!" stieß er bebend hervor.
Aber Graf Kuno hörte und sah Nichts; wie ein Rasender stürmte er im Zimmer auf und ab.
„Sie wollen mich zwingen?" rief er. „Schon seit zwei Monaten ist meine Tochter ihr Weib, ohne es flir nötig zu halten, ihren Vater davon in Kenntnis zu setzen? Unglaublich! Und meine Einwilligung wünschen Sie zu Ihrer Ehe? Hahaha! Sie sind in der That sehr — sehr großmütig, mein Herr von Pahlau! Sie besitzen einen bewunderungswtttdigen Begriff von ihrer Ossiziersehre!" Er lachte wieder gellend auf, wie ein Wahnwitziger. Dann trat er dicht vor den Lieutenant hin und sah ihn mit durchbohrendem Blick an. „Nehmen Sie den Wisch an sich, er