Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

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JevnfprecHer M«. 28 .

88. Jahrgang.

Mernsprecher Hlr. L8.

Anzeigen-Gebühr f. d. Ispalt. Zeile aus gewöhnl. Schrift oder deren Raum bei Imal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Mit dem Plauderstübchen, Jllustr. SonntagSblatt und

Schwab. Landwirt.

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Ikrettag, dm 15. HktoSer

1909

NocMche Hleberficht.

Neich-tag-abgeordneter Br«h» ist, wie fein FraktiouSkollege Schack, für die Oeffmtlichkeit wohl erledigt. Was iu dem Berliner Erprefferprozrß über seine »Wahr' heit", von der die Person LrnhuS nicht zn trennen ist, noch gesagt wurde, genügt vollanf, »m den Wunsch zu recht­fertigen, Herrn vruhu recht bald au» der Mitte des Reichs­tags scheiden zu sebeu. So sagte der Staatsanwalt tu seine« Plaidoyer über Herrn Bruhn: »Jemand, der iu öffentlicher Gerichtssitzung bekenn« maß, daß in der Zeitung dir dritte Spalte offen gehalten wurde, um die intimsten Familikugehtimniffe der Oeffeutltchkeit preiSzugebeu, jemand, der es zulSßt, daß ans der Schande und de« oft unver­schuldeten Unglück einzelner in feiner Zeitung Kapital ge­schlagen wird, der kann sich nicht wundern, wenn sein Blatt als Skandal- und Revolverblatt angesehen wird." Und iu einer Replik fügte der Staatsanwalt de« noch hinzu: Er habe durchaus nicht den Standpunkt vertreten, daß Bruhn keine Erpressungen begangen habe, sondern nur de» Standpunkt, daß nicht erwiesen sei, Bruha sei bei deo hier iu Frage steheudeu Erpressungen beteiligt. Die verteidig- nug könne sicher sein, daß ihre Anträge brtr. Bruhu von der Staatsanwaltschaft vachgeprüft würden, und falls sie belastendes ergeben das Erforderliche veranlaßt werde. Dieser Ankündigung entsprechend ist bereits ein Ermittlungs­verfahren gegen Bruhn ringeleitet. Die Verteidiger haben ihr Material zur Verfügung gestellt. Eiaeuiümlich berührt es, daß Herr Bruhu glaubt, feine Position noch dadurch reit« zu können, daß er allerhand Leute, die vorr dev ihu betreffendenDiugeuNotiz genommen haben, vor den Kadi zittert. Er hat eine ganze Reihe BrleidiguugSprozefse angestrengt, die aber selbstverständlich nicht eher zur Verhandlung kommen können, als bis das strafrechtliche Bewahren gege« Bruhu feine Erledigung gesunden hat. Interessant ist ek ferner, wie man sich iu antisemitischen Kreisen jetzt beeilt, Herrn Bruhu von den Rockschöß« abzuschSttelu. »In der »Deutschen Tageszeitung" veröffentlicht der Deutsche Auti- semtteubuud eine längere Erklärung, die besagt, daß die Antisemiten Berlins bereits seit Jahren jegliche Beziehungen zu Bmhu gelöst hätten. Der Grund dafür sei das eigenartige »erhalten BruhuS bet Herausgabe der »Wahrheit" gewesen. Bruhn hatte ursprünglich versprochen, die »Wahr­heit" als nationales Blatt erscheinen zu lasse«. Dieses Versprechen habe Bruhu nicht gehalten. Heber die Tendenz dieses Blattes seien ihm von den Antisemiten ernste Bor- Würfe gemacht worden. Als Bruhu nicht vachgab, habe der Deutsche Autisemitevbnud ihu aus seinen Listen gestrichen. Das hinderte aber nicht, daß «an Herrn Bruhu 1907 zur Wiederwahl in den Reichstag vorschlug und ihu als ReichStagSabgeorduete» offen zur deutschen Resorwpartei rechnete.

I» Bayer« stehen der Versöhnung im liberale» Lager noch immer große Schwierigkeiten entgegen. Trotz der Aussordernug des BolkSschullehrervereinS hat der Münchener Lrhrervrreiu eine Resolution beschlossen, die nichts weniger

al» FriedeuSstimmnug verrät. Ferner hat der LaudeSauS- fchuß der juugliberaleu Vereine der rechtsrheinischen Bayerns einstimmig eiu LertraueuSvotum für den Laud- tagSabgeorduet« Hübsch beschlossen und nochmals die Ein­berufung eines allgemeinen liberal-demokratischen Vertreter- tage» verlangt, der im Interesse der Geschlossenheit de» bayrisch« Liberalismus notwendig sei. Bau eine« solch« allgemein« vertreterlag will mau indessen in d« ander« liberalen Lager« nicht» wiff«. Die weitere Gestaltung der Dinge wird i« wefevtltcheu von der auf den 24. Okt. mit der schon bekannten Tagesordnung eiuberufeueu Sitzung de» uatioualliberal« LandrSauSschuffek abhävgm.

Der österreichische Unterricht-minister hat nun- «ehr unter de« Druck der öffentlichen Meinung die Ab- Haltung des von Professor Wahrmund au der Prager juristisch« Fakultät augekSudigteu Kolleg» über Klrchrurecht genehmigt. Damit ist auch der neue »Fall Wahrmuud" erledtzt, gleichzeitig aber auch Wahrmuud selbst, da sich herauSstrllt, daß er sich tu der ganzen Angelegenheit, soweit die Freiheit der Lehre in Betracht kommwt, nicht ein­wandfrei benommen hat.

Eine Entschließung de- König- v,u Norwegen

gestattete den Absolventen der Unterossizierschvlrv die Be- rechtigng. dev OfstzierSrang z« erlang«. Dadurch ist die Gefahr beseitigt, daß die Unteroffiziere der älteren Rang- klaffen sich der unvermindert anhaltend« Streikbewegung anschließ«.

I« englische« Bndgetsteeit setzt der König seine Ver­mittlungsversuche unbeirrt durch die Reden seiner Minister fort. Am Dienstag empfing er LanSdowue und Balsour und nach ihnen den Premierminister Mqrrith iu Audienz. Daß LanSdowue nun doch noch zu« König ging ist bezeichnend. Bon der englisch« Admiralität wird die Bildung eines neuen Mobilmachungs-Departements augeküvdigt. Die au der Spitze dieses Departements und de» Nachricht«- Departements stehend« Offiziere sollen mit de« HilsSsekre- tär der Admiralität unter Vorsitz de» Ersten SrelordS ein« ständig« Markvr-KriegSgerichtShof bilden.

Prosessor Delbrück aberneal- über Steuer­hinterziehung.

Professor Delbrück, der bekanntlich in den Kampf­tag« der ReichSfiuauzrefor« gegen die Agrarier den Lorwms fortgesetzter Steuerhinterziehung schleuderte, kommt jetzt ans dieses Thema im allgemeines zurück. Im umeßeu Heft der Preuß. Jahrbücher schreibt er: »Mau mnß erwarten, daß der Herr Fiuaszminister noch tu diesem Herbst ... eine kräftige Lermahuuug an die Kommission« erläßt, die ihnen zugleich da» Gewissen schärft und zn rück­sichtslosem Vorgehen Mut «acht. Des RechsungSbareauS und Lreuhavdgesellschaft«, die mit de» raffiniertest« Kunst­stücken ans Grusd einer scheinbar exakt« Buchführung de» Landwirt« und Geschäftsleute» Nachweis«, daß sie so gut wie kein Einkommen hätte«, msß dar Handwerk gründlich gelegt werden. Gerade von diese» BnreanS gehen in an­scheinend legaler Form die schamlosesten Hinterziehung« au»; mit Hilfe von Abschreibungen und Reserven, niedrig«

Abschätzung« der eigen« Wohnung, der Ratarali«, der Eiurechnnng von Ausgabe» in die HandlungS- und Ge- fchLftSuukostm wiff« ste die größt« Einkommen fast zu« »«schwind« z« dringen. Einem Herrn i« West«, der Jahr für Jahr seine 52000 Einkommen deklariert hatte, wnrde von einem jsolch» Bureau berechnet, daß er von seine« Vermöge» jährlich 2000 ^ zusetze. Ein sehr hoher Herr, der, ich weiß nicht wie viel 100000 oder Million« Mark versteuert, erzählte mir, ei» solcher Bmea« habe ihm beweis« wollen, daß er unr 20000 Einkommen habe. Durch die Ablehnung der Erbschaftssteuer ist dar wirksamste aller Kontrallmtttel der Finauzverwaltnng vorenthalt» ge- bliebe», und die Sozialdemokraten find usr zu sehr i« Recht, wenn sie diesen Fehler bei ihrer Agitation gründlich an»- «ntz«. Aber auch ohne die Erbschaftssteuer läßt sich bet energische« Will« sehr viel mache». In der Hand de» Herrn Fiuanzmtuister» ist er, der Sozialdemokratie dies» Wind au» de» Segeln z» nehmen." SS ist besander» für die ehrliche» Stenerzahler schmerzlich, daß der Staat t« dieser «eise betrog« wird. Noch schmerzlicher oder eigentlich ist der Gedanke, daß die amtlich« Kontrollstelle« sich so einfach «vd gewaltig übertölpeln lass« sollt«.

Gages-Meuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Ragow, de« 18. Oktober IVOS.

* Bo« Nathem». Erkannt werden verschiedene vom Gemeivdeobersörster beantragte Kouveutioualstras« wegen Abführens von Holz aus dem Stadtvald vor der Bezahlung und wegen Nichtabführens des BürgerreifichS innerhalb de» festgesetzten Termins. Verlesen wird eine Eingabe von Seifensieder K Harr um Befreiung von der bei der Semeiudevtsttatiou gemachten Auslage für sein« Lalgschmelzebrtrieb eiu Astoelav zu beschaffen. Da» K. OberamtSphyfikat hat eine Aeußeruug dahin abgegeben, baß die Einrichtung zu geschehen habe, fall» die Lalgschmelze eine Belästigung der Anwohner bringe. SS vnrdm nun tu dieser Hinsicht Erhebung« gemacht, welche ergab«, daß Belästigung« nicht stattfind«; die» wird an K. Oberamt berichtet. Verlese« wird ein ans die Beschwerde de» GemeiuderatS ergangener Erlaß des K. BezirkSschulinspekts- rat», »ornach eine Befreiung der BolkSschullehrer vom Fenervehrdimst nicht zn Recht bestehe, dieselben also pflich­tig seien; dagegen liege ein Erlaß de» K. Konsistorium» vom Jahre 1900 vor, «ornach er t« Jutereffe elue» ge­ordnet« Schuldetrieb» und hinsichtlich der Autorität sdeS Lehramts wünschenswert erscheine, daß diese Befreiung seit«» der Gemeinden herbeigesührt würde. Der Beschluß de» Kollegiums bleibt besteh«. verlesen wird ei« Er­laß der K. SretSregtersug bezüglich der Beschverdeschrist gegen eine Verfügung des K. Oderamts mit de« Ergeb­nis, daß die Beschwerde des GemeiuderatS als unbegründet abgewieseu wird, da die Gemeinde durch die Entscheidung de» K. OberamtS weder iu eine« Recht noch in eine« be­rechtigt« Interesse verletzt worden fei. Das Kollegin«

Verschiedenes.

Wie da» Zareupaar iu Livadia lebt.

An» Petersburg wird berichtet: Mit außerordent­licher Strenge unterdrückte die rassische Zeusnrbrhörde alle Nachrichten über dru Aufenthalt der Zarensamilie tu der Krim. »IS der Zar die Reise nach seine« herrlichen Schlosse in der Krim astral, äußerte er zu eine« seiner Minister, daß er fich überarbeitet fühle und einige Wochen lang fich ganz von den politische« Geschäft« zurückzteh« möchte. Mit seiner Gattin lebt er jetzt völlig als Privatmann iu den schön« Gärten LivadtaS und widmet fich ausschließlich seinen Privatangelegenheit« und de« Familienleben. SS ist bestimmt worden, daß er nur iu ganz besonder» dring­lich« Fällen mit StaatSgeschäft« gestört wird.

Der Zar ist Frühaufseher. Meist nimmt er v« 7 Uhr da» Frühstück, gewöhnlich Lee mit Eiern und Schinken. Das Frühstück wird von eine« englischen Koch serviert, denn sowohl der Zar wie auch feine Semaliu Hab« eine besondere »orliebe für die englische Küche. Unmittelbar nach de« Frühstück raucht der Zar eine Havanna-Zigarre; "»gleich seine« »ater, der ausschließlich russische Zigarrett« rauchte und bei seiner Umgebung Ztgarm höchst ungern sah, ist Nikolaus eiu leidenschaftlicher Zigarrenrauch». Später unternimmt der Zar eiu« Spaziergang durch die Gärt«, ans dem ihn bisweilen seine Kinder begleit«.

Da» Dejeuner besteht au» mehreren Gängen. Da» Tischgespräch wird tnnerhalb der Zarenfamilie «eist englisch

geführt, weil der Zar er nicht liebt, die Dienstboten zu Zeugen der Unterhaltung zn mach«; die Dienerschaft spricht neben rassisch durchweg französisch, jedoch nicht englisch. Nach dem Dejeuner unternimmt der Kaiser gewöhnlich eine AulomobiHahrt; besondere Straßen find eigens zu diese« Zwecke angelegt worden. Das Diner wird um 6 Uhr serviert; bisweilen sieht dabet das Zarevpaar einige intime Freunde doch niemals «ehr als fünf oder sechs - bei Lisch al, «äste.

Eine Partie Karten beschließt daun den Abmd. Der Zar ist ein ausgezeichneter Kartenspiel«; er hält jedoch streng darauf, daß nur um ganz kleine Einsätze gespielt wird. Bisweilen werben Künstler zu Abend geladen, die dann den «ästen eiu Konzert geben. DaS gesunde Land­leben hat aus die Gesundheit des Zar« offenbar ein« sehr günstig« Einfluß; er steht frisch und lebhaft auS; auch für die nervösen Leid« der Zarin erhofft »au von de« Aufwthalt in der Krim Stärkung und Erholung.

«i- Prewße« m»d Sachse« Waffe»drilder to«rde«. Die jüngst (tu der Deutschen BerlagSaustalt zu Stuttgart) erschienenen »LebenSertuueruug« des K. Säch­sisch» Generalleutnants v. Schubert" find sowohl iu politischer wie in krtegSgeschichtltcher Beziehung eiu inte­ressanter Beitrag zur Entwickelung de» großdeusch« Ge­dankens tu dm deutsch« LolkSstämmm, die fich noch 1866 mit der Waffe iu der Hand gegeuüberstand«. I» d« wichtig« Stellung», die er tune hatte er war 1870 Chef de» Stade» de» mobil» sächsisch« Armeekorps und

zuletzt Kommandeur der 12. Feld-Artillerie-Brigade, also der oberste Artillerieoffizier der sächsischen Armee konnte General v. Schubert den llebergaug des heimatlich« Armee­korps in preußische Armeeverhältniffe ausgezeichnet beobachten und auch selbst erleichtern. Gerade feto Urteil über dte Entwickelung des kameradschaftlich« Verhältnisses zwischen Sachsen und Preuß« liefert einen interessanten Beitrag zu de» Werdegang des deutschen Heere». So schreibt rr: »Mit de« 1870er Kriege endigt« plötzlich iu gewisser Be­ziehung die Lehrjahre der sächsisch« Armee. E» galt nun, zu zeig«, was sie gelernt hatte, und ob fie eiu würdiges Glied des groß« deutsch« Heere» nach preußischem Muster geworden war. Der Verlust der militärischen Selbständig­keit mit de« Eintritt iu de« Norddeutsch« Lund und mit der Annahme preußischer HeereSeiurichtuvg« war nicht so leicht z» verschmerz«, wie der Nichteingeweihte denk« sollte. Der Wurm nagt »och lange am Her,«. Schließlich konnte fich aber niemand d« Eivwirknvgm der veränderte« Ver­hältnisse entzieh«, »ud nur »euige war« so kurzsichtig, nicht anerkenn« zu voll«, daß dte »«er« Zetten anch ihr Gutes bracht«. ES ging eiu frischer Zng durch die Armee, etwa »te 1849 nach dm Mattag«, und ohne Ruhmredigkett darf gesagt werden, daß wohl fett« mit «ehr Eifer und Lerndegierde gearbeitet worb« ist, als die» von der sächsisch« Armee zwischen 1867 und 1870 geschah. Aber auch iu ethischer Beziehung wurde die sächsische Armee iu dieser Zeit eine andere. Der Segen der allgemein« Wehrpflicht machte sich «ehr «nd «Hr geltend, da» A». sehen de» Stande» hob fich iu all« Kreis«, die Uniform