Ars. 80.
84. Jahrgang
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Erscheint Dienstag, As«nerrt«g L Sa«»tag.
Die Kinrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äen 9. Juki 1889.
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ganz Württemberg 2 70
Deutsches Reich.
Ulm, 4. Juli. Pünktlich zur angesagten Zeit, um 11 Uhr 14 Min., passierte heute vormittag der königliche Sondeczug auf dem Wege nach Friedrichshafen langsam den hiesigen Bahnhof, auf dessen Perron sich Oberbürgermeister v. Heim eingefunden hatte. An der Friedrichshafener Bahnlinie beim „Mohrenköpfle" hatte sich das Feldartillerieregiment König Karl (1. Württ.) Nc. 13. m Paradeuniform aufgestellt. Das Musikkorps stimmte beim Hsrannahen des Hofzugs die Königshymne an und Offiziere und Mannschaften brachen in nicht endenwollends Hurrahrufe aus. Ihre Majestäten der König und die Königin, sichtlich erfreut über diese unerwartete Huldigung, traten an dis Fenster und grüßten nach allen Seiten huldvollst.
Friedrichshafen, 5. Juli. Ueber die Ankunft der König» lichen Majestäten meldet das „Seebl.": Die Stadt war mit Kränzen und Fahnen festlich geschmückt und dazu hat sich ein prachtvolles Wetter eingestellt. Als der Extrazug sich der Stadt nahte, ertönten Glockengeläuts und Böllerschüsse. Zum Empfang hatten sich am Bahnhof die Beamten, Geist, lichen und bürgerlichen Kollegien, sowie der Bezirksvorstand Oberamtmann Liebherr von Tettnang, der K. Kammerherr Freiherr v. Malchus mit Gemahlin und Töchtern, die Schulen und ein zahlreiches Publikum eingefunden. Als Ihre Majestäten den Perron betraten, brachte Stadtschultheiß Schmid ein Hoch auf Höchstdieselben aus, welches mit großer Begeisterung auf. genommen wurde.
Berlin, 6. Juli. Von..der norwegischen Fahrt des Kaisers berichtet die „Nord. Corr.": Obschon der deutsche Kaiser im strengsten Inkognito nach den Lofoten reist, wurden dennoch auf allen dänischen und schwedischen Küstenplätzen, an welchen das kaiserliche Schiff bisher sichtbar wurde, Salutschüsse zur Begrüßung gelöst. Es verlautet, daß Kaiser Wilhelm auf der Rückkehr von den Lofoten einen mehrtägigen Landesausflug durch die inneren Fjord- und Gebirgslandschaften des nördlichen Norwegens unternehmen will. Wo der Kaiser an Land zu gehen gedenkt und wo er sich wieder an Bord begeben wird, ist noch unbestimmt. — Die Ankunft des Kaisers von Oe st reich in Berlin soll am 12. August er- folgen und der Aufenhalt am hiesigen Hofe bis 16. August dauern.
— Die „Kreuzzeitung" berichtet über die Ankunft der vier kleinen Prinzen in Kissingen: Die Kaiserin erwartete am Bahnhofe ihre vier älteren Söhne. Sie standen alle vier am Fenster ihres Schlafwagens und grüßten
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Roman von L. Do hrmann.
(Fortsetzung.)
Bestürzt sprang Irma hinzu und stützte ihn.
„Mein Gott, was ist Dir, Bruno? Stütze Dich fest auf meinen Arm!"
„Ich danke Dir, — Du bist sehr gütig, — es ist wirklich unnötig, — sieh, es geht schon vorüber!" stammelte er. „Habe Dank und lebe wohl!"
Sichtlich erbebend, wiederholte Irma:
„Lebe wohl? Bruno, wohin willst Du in diesem Zustande?"
„Ich — ich muß verreisen," antwortete er ausweichend. Er stand augenscheinlich wieder in fester Haltung vor ihr und reichte ihr die Hand. „Lebe wohl, liebe Irma, — der Himmel behüte Dich!"
Irma hatte mechanisch ihre Hand in die seine gelegt und blickte ihm wie erstarrt nach, als er an ihr vorüber- und die Treppe hinabschritt.
„Der Himmel behüte Dich!" Klang das nicht fast wie ein Abschied für immer ? Wie ein Stich ging es ihr durchs Herz. Er war so verstört gewesen. Was konnte vorgefallen sein? Thränen entstürzten plötzlich wieder ihren kaum getrockneten Augen. Wenn er nicht wiederkehrte?
Seine Abschiedsworte tönten ihr in den Ohren nach. Angstvoll glitt sein Name über ihre bebenden Lippen, sie machte einen Schritt vorwärts, um ihm nachzueilen, ihn zurückzuhallen um jeden Preis.
Da drang ein gellender, herzzerreißender Schrei an ihr Ohr. Jäh erblassend, fuhr sie zusammen und blickte sich erschreckt um. Der Laut war aus dem Zimmer der Tante gekommen. Mit Blitzesschnelle stürzte sie auf die nahe gelegene Thür zu, riß dieselbe auf und ein Angstruf entfuhr ihrem Munde.
Nahe dem Fenster lag ausgestreckt am Boden die Gräfin, die Augen geschloffen, das Antlitz leichenblaß. War sie todt? Mit jähem Schreck durchzuckte Irma der Gedanke. Entsetzt stürzte sie vorwärts und beugte sich zu der Regungs
und winkten der Mutter zu, die auf dem Bahnsteige ihren Lieblingen zulächelte. Die Kleinen wurden aus dem Wagen gehoben, und jeder der vier empfing und gab einen herzlichen Kuß. Dann wurde der zweispännige offene Wagen bestiegen; die Kaiserin, die diesmal in schwarzer Kleidung mit weißer Feder auf dem Hute erschien, ließ sich mit der Gräfin Keller nieder und räumte den Platz zwischen ihnen beiden dem Prinzen August Wilhelm ein. Die drei älteren Brüder, welche einen Hellen Sommeranzug und dunkelblaues Band um den Strohhut trugen, nahmen auf dem Rücksitze Platz, und nun ging es durch die jubelnden Menschenreihen hindurch. Die Kaiserin verbeugte sich freundlich nach allen Seiten, während die kleinen Prinzen nicht ermüdeten, ihre Hütchen zu lüften und den Leuten zuzunicken.
München, 7. Juli. Heute morgen um 7 Uhr 25 Minuten entgleiste der Schnellzug Köln-Frankfurt-München bei Röhrmoos infolge falscher Weichenstellung. Tot sind: Architekt Stoll, Ingolstadt; Oberzollinspektor Junge; Oberforstrat Bayreuther, Sachsen; Postdirektor Renz mit Frau, Eibenstädt; Bezirksamtmann Schnöller, Pfaffenhofen; eine Frau und ein Kind. Schwer verwundet ist eine und leicht verwundet sind acht Personen. Frkf. I.
Ausland.
— In der Schweiz macht sich nach und nach eine versöhnlichere Stimmung Platz. Man sieht ein, daß es notwendig ist, mit den Revolutionären und Anarchisten, sobald sie nur das Asylrecht benützen, um aus dem gedeckten Hinterhalt heraus ihre Umsturzbestrebungen weiter fortzuführen, ein Ende zu machen. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht ein Artikel in der „Neuen Züricher Zeitung", in welchem gesagt wird: „Es muß unsere Aufgabe sein, unser Land von allen sozialrevolutionären und anarchistischen Elementen gründlich zu reinigen. Mit allgemeiner Befriedigung hat man im ganzen Lande die Nachricht entgegengenommen, daß die Bundesbehörden wieder einen Bundesanwalt einsetzen werden, der vorzugsweise die Fremdenpolizei organisieren und leiten soll. Selbst Gegner dieser Institution wagten in der Bundesversammlung die Vorlage nicht zu verwerfen, mit Rücksicht auf die Volksstimmung, welche nichts anderes verlangt als vollständige Säuberung unseres Landes von allen fremden Wühlern. Im Interesse einer gründlichen Abrechnung, möchten wir wünschen, daß die von der sozialdemokratischen Presse gedrohte Referendumsbewegung gegen das Gesetz über den Bundesanwalt zu stände käme und zu einer Volksabstimmug führte. Das Ausland würde dann sehen, wie das Schweizervolk mit einer
losen nieder. Plötzlich fast magnetisch zog es ihren Blick zum Fenster hinaus und — im selben Moment griff ihre Hand nach dem Herzen. War das nicht Bruno, der da soeben im rasenden Galopp aus dem Schloßthor sprengte?
Vor ihren Augen kreiste es wie im tollen Wirbel, aber nur für eine Sekunde; im nächsten Moment schon suchte sie den Kopf der Ohnmächtigen zu erheben und rief laut um Hilfe.
Rasche Schritte wurden hörbar; Treuhold erschien auf der Schwelle. Mit kräftigem Griff hob der Assessor die Gestalt seiner Mutter auf seine Arme und trug sie behutsam auf ein Ruhebett.
„Einen Arzt, — sofort zum Arzt geschickt!" rief er in Todesangst den aus sein Läuten herbeistürzenden Domestiken entgegen. Dann wandte er sich verstört an Irma.
„Irma, um Gottes willen, was ist geschehen?"
Das junge Mädchen fühlte sich einer Ohnmacht nahe; die Knie versagten ihr, kraftlos sank sie neben dem Lager der Gräfin auf einen Stuhl nieder.
„Ich weiß es nicht, Treuhold," stammelte sie, „ich hörte den Schrei, und als ich herbeieilte, lag die Tante am Boden. Ich glaube, es hängt mit Bruno's plötzlicher Abreise zusammen; er ritt gerade aus dem Schloßthor, als die Tante den Anfall bekam."
„Wer?"
„Bruno; ich traf ihn draußen auf dem Korridor, als ich zur Tante gehen wollte. Er war so verstört, so bleich und sagte mir so seltsam Lebewohl. Wenn er gegangen wäre, um niemals wiederzukehren!" Und sie schluchzte laut auf.
Treuhold starrte sie verständnislos an; hatte der Schreck Jrma's Sinne verwirrt? Er stand vor einem Rätsel . . .
Seck dem Spazierritt hatte er Bruno noch nicht wiedergesehen. Er war, als der Oheim ihn verlassen hatte, auf sein Zimmer gegangen, wo er über das ihn beunruhigende Benehmen Jrma's nachgrübelte. Erst der gellende Schrei, der durch die Sülle des Schlosses gedrungen war, hatte ihn aus seinem Sinnen aufgeschreckt und angstvoll war er in das Gemach der Matter gestürzt, aus dem er Jrma's lauten Hilferuf vernahm.
Die Kammerfrau der Gräfin machte alle nur erdenklichen Belebungsversuche,