Aro. 77.
64. Jahrgang.
Amts- unä Inteüigenzbkatt für äen
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Aiurückungsgebähr Leträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 äs.
Dienstag, äen 2. Juki 1889.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Einladung zum Abonnement.
Mt dem 1. Juli beginnt ein neues Abonnement auf das „Caltver Wochenblatt". Preis Vtjährlich 90 Pfg. in der Stadt, mit Trägerlohn Mk. 1. 10., durch die Post bezogen im Bezirk Mk. 1. 15.
Das Wochenblatt hat auch im verflossenen Halbjahr infolge raschester Benachrichtigung seiner Leser über die neuesten und wichtigsten Ereignisse durch eingerichteten Depeschendienst, an Abonnenten gewonnen.
Die Auflage von nunmehr 1400 Expl. bürgt für die beste und wirksamste Verbreitung von Bekanntmachungen jeder Art.
Zu zahlreichem Abonnement ladet freundlichst ejn
Die Ked. ä- Erped. des Calnier Wochenblattes.
Amtliche Bekanntmachungen.
Eanäwiet^LÜastkicüe Aerufsgeno^enfcbaft
für äen 8«kwarzwakäkreis.
In Gemäßheit des Art. 25 Abs. 2 des W. AusführungSgesetzes vom 4. März v. I. wird bekannt gemacht, daß der von der Genossenschafts- Versammlung am 8. ds. Mts. beschlossene Beitragssatz unserer Genossenschaft für die Umlage pro 1888 und 1889
, IV- Pfennig auf 10 Mark Kataster
beträgt.
Reutlingen, den 27. Juni 1889.
Z>er Vorsitzende des Vorstands:
Oberregierungsrat
_ Bellino.
Die Ortsvorsteher
werden unter Bezugnahme auf den Ministerialerlaß vom 14. Juni d. I., betreffend die Krankenversicherungspflicht der im Betrieb des Familienhaupts beschäftigten Angehörigen desselben — Amtsblatt Seite 158 u. f. —, 'angewiesen, die erwachsenen Söhne, Töchter und sonstige Verwandte von Landwirthen, welche mit diesen zusammenleben und in deren Wirthschasts- betrieb wie landwirthschaftliche Dienstboten beschäftigt werden, und zwar auch dann, wenn sie nicht einen bestimmten Geldlohn, sondern in der Hauptsache
nur freien Unterhalt für 4hre Dienstleistungen erhalten, alsbalo zur Krankenpflegeversicherung anzumelden.. Der Vollzug ist bis 10. d. M. zu berichten. Calw, 1. Juli 1889. K. Oberamt.
Supper.
Die Ortsvorsteher
werden aufgefordert, die Sportelverzeichnisse auf 30. v. Mt«, alsbald abzu- schließen und im Auszug unter Anschluß der Sportelgelder hieher vorzulegen. Calw, den 1. Juli 1839. K. Oberamt.
Suvper.
Die Hrtsvorsteher
werden unter Bezugnahme auf den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 8. Nov. vor. I. (AmtSbl. des Minist, des Innern, S. 333) betreffend statistische Erhebungen über die Verbreitung der Tuberkulose des Rindviehs aufgefordert, den auf 30. vor. Mts. verfallenen Vierteljahresbericht alsbald zu erstatten. Der Bericht ist, zpie seither, an den Oberamtsthierarzt direkt einzusenden. Formulare sind seiner Zeit den Ortsbehörden zugegangen.
Calw, den 1. Juli 1889. K.^Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Die Gemeindebehörden
werden angewiesen, spätestens bis 7. ds. Mts. für das letzte Quartal die 'Nachweisungen bezw. Fehlanzeigen über Regie« H o ch b a u a r b e i t e n und getrennt von diesen die Nachweisungen bezw. Fehlanzeigen über die Regie« tiefbauarbeiten an das Oberamt einzusenden.
Der Beitritt der Gemeinden zur Tiefbauberufsgenossenschaft befreit nur die auf Rechnung der Gemeindekaffe ausgeführten (nicht auch andere im Gemeindsbezirk vorgekommene) Regietiefbauarbriten von der Nachweisungspflicht.
Calw, den 1. Juli 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Deutsches Reich.
— Der Staatsanzeiger vom Samstag veröffentlicht folgenden Erlaß Sr. Majestät des Königs:
Stuttgart, 28. Juni 1889.
Mein lieber Präsident des Staatsministeriums Dr. Frhr. von Mitt«
Jeuilleton.
Nachdruck verboten.
Dev MccjovccLsovbe.
Roman von L. Dohrmann.
(Fortsetzung.)
Auch bei der diesmaligen Anwesenheit der beiden Söhne im Schlosse war das Verhältnis der jungen Leute das gleiche. Treuhold war wortkarg und ernst wie immer, Bruno voll sprudelnder Laune. Dennoch fühlte Irma in dem Verhalten des Letzteren eine kleine, wohl nur ihr bemerkbare Veränderung. Ec war voll gewohnter Liebenswürdigkeit, voll ausgesuchtester Kourtoisie, aber den alten, traulichen Klang von früher vermißte sie in seiner Stimme, und auf dem heutigen Spazierritt war er sogar ungewohnt schweigsam.
Es war seit der Ankunft der beiden Brüder das erste Mal, daß das junge Mädchen sich eine längere Welle mit dem Vetter allein befand. An den beiden Tagen zuvor hatten sie ihren Spazierritt mit Treuhold gemeinsam gemacht, und wenn Bruno die Komtesse im Schlosse oder im Parke zufällig allein getroffen hatte, so war der Abwesende stets das Gesprächsthema zwischen ihnen gewesen. Der junge Offizier erzählte ihr von Treuhold's Fleiß, von den glänzenden Aussichten seiner Karriere, sowie von der sichtlichen Protektion des Ministers, welcher den Assessor Wendhausen ein vielversprechendes Talent genannt hatte. In Allem war Bruno der wärmste Lobredner des Bruders.
Während sie heute morgen im Schritt neben einander Men, schien der sonst so liebenswürdige Vetter der Komtesse unverzeihlich zerstreut und einsilbig, Sie beobachtete ihn wiederholt von der Seite. Plötzlich warf sie kapriziös den Kopf zurück, ihre Reitgerte sauste mit scharfem Hieb auf das Pferd nieder und wie ein abgeschossener Pfeil schnellte sie ihrem Begleiter voraus.
Bruno sah dem schönen Flüchtling einen Augenblick erstaunt nach, setzte dann seinem Pferde voller Hast die Sporen in die Seiten und flog im raschen Galopp hinter ihr her. ES war ein lustiges Wettrennen. Die schöne Amazone im dunkel
braunen Reitkleide regierte ihr Roß mit überraschender Sicherhell. Ihr schlanker Körper schmiegte sich in jeder Bewegung dem edlen Tiere an, und Roß und Reiterin schienen wie mit einander verwachsen. Aber trotz Jrma's vollendeter Reitkunst blieb ihr Verfolger doch schließlich«! Sieger in der wilden Jagd. Lächelnd schaute Bruno De an, als er sich jetzt wieder an ihrer Seite befand, und aufrichtige Bewunderung strahlte ihr aus seinen Augen entgegen.
Die schöne Reiterin bot in der That auch einen Anblick von entzückendem Liebreiz. Ihr knapves Reitkleid hob das Ebenmaß ihrer schlanken Gestatt auf das Prächtigste hervor und ließ die edlen Formen derselben zur vollen Geltung kommen. Ihr Gesicht, mit den vom scharfen Ritt sanft geröteten Wangen, zeigte ein tadelloses Oval, aus welchem die strahlenden, blauen Augensterne voll fröhlicher Jugendlust hervorblitzten. Ein kleiner, nur mit einem kurzen Stutz verzierter Reithut saß keck auf den flatternden, goldbraunen Locken und verlieh dem jugendfrischen Gesicht einen ungemein pikanten Reiz.
„Mein Kompliment, schöne Diana! Du kannst mit der besten Schulreiterin rivalisieren!" rief Bruno, sein Pferd parierend und sich scherzend verneigend. „Hatte ich mir Deine Ungnade zugezogen, holde Kousine, oder trieb Deine Sehnsucht nach Treuhold Dich mit solcher Vehemenz vorwärts?"
„Vielleicht Beides!" lachte Irma, auf seinen scherzenden Ton eingehend. „Nimm es mir nicht übel, eksr eousin, aber Du bist heute morgen der langwelligste Kavalier auf der Wett!"
„Ich bin tief getroffen, schönste aller Gebieterinnen. Darf der reuige Sünder auf Vergebung hoffen?" sagte er.
„Wenn er sich bessert!" lautete die schelmische Antwort von dessen rosigen Lipp en.
Bmno legte beteuernd seine Hand auf die Brust und blickte das schöne Mädchen voll tiefster Zerknirschung an. Irma lachte hell auf und plaudernd und scherzend ritten sie weiter. Ohne daß Irma die geringste Absichtlichkett merkte, hatte der Offizier mit geschickter Wendung das Gespräch wieder auf Treuhold gelenkt.