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Die Ortsvorsteher
werden beauftragt, die Ausstandsverzeichnisse der Gemeindepflegen pro 1888/89 hieher vorzulegen.
Calw, den 26. Juni 1889. K. Oberamt.
_ Supper.
Die Ortsvorsteher,
welche den in Nr. 64 des Amtsblatts unterm 29. Mai d. I. einverlangten Bericht, betreffend die Krankenpflegeversicherung, noch nicht erstattet haben, werden mit dem Anfügen hieran erinnert, daß, wenn der Bericht bis 3. Juli d. I. nicht einkäme, derselbe durch Wartboten abgeholt würde.
Calw, 28. Juni 1889. K. Oberamt.
Supper.
Amtliche Bekanntmachung
betreffend Maßregeln zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche im Bezirk Pforzheim.
Nach einer Mitteilung des großh. bad. Bezirksamts Pforzheim vom 25. d. M. sind daselbst bis auf weiteres nachstehende Verfügungen in Kraft:
1) Führer von Vieh, welche solches zum Zweck oder zum Vollzug einer Veräußerung nach dem Bezirk Pforzheim einführen wollen, müssen im Besitz tierärztlicher Zeugnisse über den Gesundheitszustand der Tiere sein — diese Zeugnisse sind nach den Vorschriften der württ. Minist.« Verf. vom 26. Jan. d. I., Regbl. S. 10, auszustellen.
2) Der Hausierhandel mit Rmdvieh ist im Amtsbezirk Pforzheim gänzlich verboten.
3) Die Abhaltung von Viehmärkten, mit Ausnahme der Pserdemärkte, ist im Amtsbezirk Pforzheim bis auf weiteres gleichfalls verboten.
Dies wird den Bezirksangehörigen hiedurch zur Kenntniß gebracht. Calw, den 28. Juni 1889. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Hages-Weirigkeiterr.
Calw. Wir werden ersucht, unserem Bericht über die Leichenfeier des Hrn. Geh. Kommerzienrats I. Staelin, richtigstellend nachzutragen, daß der von Hrn. Rektor Dr. Weizsäcker am Grabe niedergelegte Kranz nicht von der hies. deutschen Partei, sondern „vom Landesausschuß der deutschen Partei" gewidmet war.
* Den Jagdausübenden von Oberkollwangen gelang es am Johannisfeiertag einen Kapitalhirsch, der schon mehrere Wochen herum« streifte, und da und dort Schaden verursachte, zu erlegen. Derselbe, ein Zehnender, hatte das seltene Gewicht von 160 Kilo. Solches Jagdglück ist unfern Jägdlern seit 40 Jahren nicht mehr zuteil geworden.
Stuttgart, 25. Juni. Vom frühen Morgen an strömte heute eine hier noch nie gesehene Menschenmenge nach dem Cannstatter Wasen, um die daselbst zu Ehren des Regierungsjubiläums Seiner Majestät des Königs stattfindende Militärparade zu sehen. Gegen 11 Uhr verließ Seine Majestät der König, Höchstweicher seinen erlauchten Gast, des deutschen Kaisers, Königs von Preußen Majestät zu seiner Rechten hatte, zu Wagen das K. Residenzschloß; die Monarchen, vom Volke mit begeisterten Hochrufen begrüßt, fuhren durch die Anlagen zum Paradefeld, überall auf dem ganzen Weg tönte ihnen das aus vollem Herzen kommende Hoch entgegen. Ebenso wurden Ihre Majestäten die Königin und die AllerböchstJhr zur Rechten sitzende deutsche Kaiserin, Königin von Preußen, mit enthusiastischem Hoch be« willkommt; das Volk freute sich, die jugendliche anmutige Herrscherin, von der und deren Söhnen man sich soviel Liebwertes erzählt, zum erstenmal hier in Schwaben zu erblicken. Die hoben Damen wurden nicht müde, dem Volke huldvoll zu danken. Die Ausfahrt der vielen hohen Herrschaften bot ein hier wohl selten dagewesenes prächtiges Schauspiel. Nahe dem Paradeplatz stiegen die hohen Herschaften — ein großer Teil war bereits von Stuttgart aus geritten — zu Pferde und es war 11>/4 Uhr vorbe i, als
Einige Jahre später hatte die kleine Irma auch den Vater verloren, und Graf Eberhard als nächster Anverwandter hatte die verlassene Waise zu sich genommen.
Das fröhliche, lebhafte Kind wurde bald ein Liebling der Gräfin Pauline, der eine eigene Tochter versagt war. Die Knaben hatten den Einzug der kleinen Kousine mit stürmischer Freude begrüßt und waren unablässig bemüht, die Kleine auf alle mögliche Art zu unterhalten Gelegentlich entspannen sich zwischen den beiden Brüdern, die sonst mit inniger Liebe an einander hingen, auch wohl kleine Eifersüchteleien ; sie überboten sich in ihrer Fürsorge für Irma und hegten gegenseitig von dem Andern den Verdacht, der Kousine der Liebere zu sein. In solchen Fällen, die ziemlich oft vorkamen, spielte die unschuldige Urheberin des Streites dann auch stets wieder die Vermittlerin zwischen den Gegnern und stellte die Eintracht wieder her, indem sie beide umarmte und sie versicherte, daß sie ihr beide gleich lieb seien.
So verstrich die Jugendzeit in fröhlicher Gemeinsamkeit. Die stete Gegenwart des kleinen Mädchens wirkte auf die Knaben durchaus veredelnd. Sie übte einen großen Einfluß auf ihre Handlungen, dämpfte manche Ausgelassenheit, verhinderte manche Unart. Nur Bruno ließ oftmals seinem wilden Uebermut keck die Zügel schießen; bald wagte er sich auf einem schmalen, schwankenden Brett auf den großen Teich de« Parkes, in lustiger Wettfahrt mit der Gondel, in welcher Treuhold und Irma saßen, und lachte übermütig über die Angst derselben, bis Irma, wenn er absichtlich dem Brett einen scharfen Stoß versetzte, laut aufschrie und ihn flehentlich bat. ins Boot zu kommen; bald balancierte er auf einer dünnen Stange über den kleinen Fluß, oder saß unversehens in dem höchsten Gipfel eines BaumeS, von wo er Irma neckend zurief, ohne daß sie sein Versteck erspähen konnte, bis er plötzlich mit der Gewandtheit einer Eidechse am Stamm wieder niederglitt und lachend vor sie hinsprang.
Seine Majestät der König, Höchstwelchem der deutsche Kaiser zur Rechten ritt, das Paradefeld erreichte. Der Präsentiermarsch wurde intoniert, und langsam fuhr der König, immer von Seiner Majestät dem Kaiser be« gleitet, den präsentierenden Truppen entlang, die einzelnen Abteilungen der Aufstellung musternd. Eine glänzende Suite folgte den beiden Monarchen bei der Musterung. Sodann nahmen der Kaiser und der König Stellung, die übrigen höchsten und hohen Herrschaften sowie die Suiten gruppierten sich um Höchstdieselben und der Vorbeimarsch begann, welchen Seine Majestät der König im Wagen stehend entgegennahm. Seine Majestät der Kaiser, welcher ebenso wie der König dem Defilieren der Truppen sein eingehendes Interesse zuwandte, unterhielt sich während des Vorbeimarsches lebhaft mit dem König Karl, dem König Albert, dem Großherzog von Baden, dem kam« mandierenden General v. Alvensleben rc. Als das Kaiserregiment Nr. 120 anmarschierte, setzte sich Se. Majestät der Kaiser, welcher einen prächtigen Fuchsen ritt, an die Spitze des Regiments und führte es Seiner Majestät dem Könige vor. Das Publikum brach in brausendes Hochrufen aus. Die von General v. Wölckern befehligte Parade verlief aufs schönste, einige Truppenteile, z. B. die gelben Ulanen und die weißen Dragoner, auch das zusammengesetzte Infanterie-Regiment wurden vom Publikum wegen ihrer akkuraten Linien mit Jubel begrüßt. Nach zweimaligem Vorbeimarsch hatte das Schauspiel sein Ende erreicht. Seine Majestät der Kaiser stieg vom
Pferde und nahm neben Seiner Majestät dem König Platz; die beiden
Souveräne fuhren, vom Vo'ke mit Jubel begrüßt, vom Platze weg. nachdem Landhaus Rosenstein. Ebenso wurden die beiden allerhöchsten Damen, die deutsche Kaiserin Viktoria Augusta und die Königin Olga mit brausenden Hochrufen beim Abfahren akklamiert. Gegen 4 Uhr fuhren die höchsten Herrschaften nach Stuttgart zurück.
— Am Dienstag abend brachte die Stadt Stuttgart als Zeichen ihrer Huldigung den Königlichen Majestäten ihren Fackelzug, der sowohl an Ausdehnung als an Mannigfaltigkeit und Prunk der Ausstattung alles
übertraf, was man in Stuttgart in dieser Art bis jetzt gesehen hat. Die
Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften sahen das glänzende Schauspiel vom kleinen Balkon über dem Speisesaal des Kgl. Residenzschlosses aus; zwischen Se. Maj. dem König und Ihrer Maj. der Königin saß Ihre Maj. die Kaiserin, Se. Maj. der Kaiser etwas rückwärts zur Seite der Königin. Die Majestäten folgten mit lebhafter Aufmerksamkeit bis zum Ende der Entwicklung des großartigen Zuges, welcher in guter Ordnung von der Paulinen-, Marien- und Königsstraße her nach dem Schloßplatze sich bewegte. Derselbe ging am Cafe Vechtel vorbei in den Schloßhof und zog nach vem alten Schlosse zu wieder ab. Der Zug war in 7 Gruppen geteilt, deren erste mit mehreren Musikkorps die Feuerwehr, Stadtgarde, den Reilklub, die bürgerlichen Kollegien und die städtischen Stiftungsbeamten umfaßte. Die zweite Gruppe bildeten Kunst und Wissenschaft. Hier brachte die technische Hochschule einen Wagen in terassenförmigem Aufbau mit der Büste Seiner Majestät und einen zweiten mit Emblemen der verschiedenen Fachschulen, die Kunstschule einen viereckigen, bemalten Transparentwaaen. Der Verein für Baukunde zeigte Modelle der bedeutendsten württembergischen Bauten und ein Wagen der Ingenieure, der wie ein schnaubendes Ungetüm nahte, versinnbildlichte die Elektrizität. Dazwischen marschierten die Baugewerkschule, die Kunstgewerbeschule, das Konservatorium für Musik, das Bergwerk und die Kunstgenoffenschaft, zumeist mit prächtigen Transparenten. Die dritte Gruppe brachte die Menge der Gesangvereine, ihre Lampions hatten sämtlich Lyraform. Der Liederkranz hatte hier einen Wagen gestellt, auf dem das Volkslied thronte, ihm zu Füßen in den schönsten württ. Trachten das Volk, aus dessen Mitte es immer neu geboren wird. In der vierten Gruppe hatten die Gärtner einen prachtvollen Palmenmagen; die Weingärtner zeigten den Herbst mit all seinen freudigen Bildern. Einen guten Gedanken hatte der württ. Obstbauverein, der sich 12 junge Mädchen in hübscher Volkstracht verschrieben hatte, um das dominierende männliche Element wenigstens in etwas zu unterbrechen. In der fünften Gruppe gingen alle die Vereine und Klubs, an denen Stuttgart so reich ist. An sie schloß sich in der sechsten Gruppe der Sport, die Ruderer mit einem großen Boote auf schön dekoriertem Wagen. Eine große Anzahl Festwagen zählte die siebente Gruppe: Handel, Industrie und Gewerbe. Da war der „Welthandel" mit
Als Bruno sein vierzehntes Jahr erreicht hatte, wurde er Kadett, und zu gleicher Zeit kam Treuhold aufs Gymnasium. So war die achtjährige Irma mit einem Mal von dm Spielgefährten verlassen und manche Thräne hatte diese Trennung sie gekostet. Sehnsüchtig zählte sie die Wochen bis zu den Ferien, welche die beiden angehenden Jünglinge ab und zu für kurze Zeit wieder nach der Heimat führten, und diese Wochen wurden für Irma die glücklichsten ihres jungen Lebens. Ihr glockenhelles Lachen, ihr fröhlicher Gesang tönten in solcher Zeit wieder wie in früheren Tagen durch das Schloß. Aber die Jahre flogen hin. Aus dem reizenden, anschmiegenden Kinde wurde eine liebliche, schüchterne Jungfrau, welche den beiden Vettern gegmüber allmählich den offenherzigen, kindlichen Plauderton verlor. Und als Bruno einst bei seiner Heimkehr von den Ferien, nachdem er die Kousine länger als ein halbes Jahr lang nicht gesehm hatte, erstaunt zu ihr sagte: „Irma, wie bist Du schön gewordm!" — da war eine purpurne Glut in ihre Wangen gestiegen und tief verwirrt senkte sie das Köpfchen, seine Armbewegung übersehend, mit der er ste zur aus der Kindheit her gewohnten Begrüßung an sich ziehen wollte.
Bruno wurde Offizier, Treuhold Student, und ihre Besuche in der Heimat wurdm immer seltener. Doch während der Erster« gegen Irma stets dm alten, brüderlich herzlichen Ton beibehielt, wurde Treuhold mehr und mehr zurückhaltend gegm die Kousine.
„Er wird ein Philister," sagte Bruno lächelnd zu ihr, „Tag und Nacht fitzt er bei seinen Büchern."
Irma lächelte über diese Aeußerungen und gab dem jungen Offizier im Herzen heimlich Recht. Aber al» Treuhold ein Examm nach dem andern glänzmd bestand, bekam sie eine mit Bewunderung gemischte Hochachtung vor dem jungm, ernsten Streber. . (Forts, folgt.)