64. Jahrgang.

Aro. 74.

Amts- unä IntekkigenMatt für äen Oezirk.

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Erscheint Aieurtag, Ao»«er»t«g L Samrtaz.

Die Kinrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12

Dienstag, üea 2Z. Juni 1889.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch

die Post bezogen im Bezirk 2 «« 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 70 H.

Amtliche Bekanntmachung,

betreffend den Ausbruch, sowie das Erlöschen der Maul- und

Klauenseuche.

In Oberreichenbach ist in einem Gehöfte die Maul» und Klauen- seuche ausgebrochen.

Die Maul- und Klauenseuche in Dennjächt ist als erloschen zu betrachten.

Calw, den 21. Juni 1889. K. Oberamt.

Amtmann Bertsch.

Kagss-Weuigksiten.

Calw, 24. Juni. Jubiläums fest. Ein stattlicher Festzug bewegte sich gestern vormittag vom Rathaus in die ev. Stadtkirche. Vertreten waren die Offiziere, Staats- und städtische Beamte, die bürgerlichen Kollegien, der Liederkranz und Turnverein mit Fahnen und die Schüler des Rsallyceums. Brausende Orgelklänge füllten das Gotteshaus und mit dankerfülltem Herzen sang die Gemeinde den schönen ChoralLobs den Herren, den mächtigen König der Ehren." Zuvor hatte der Kirchengesangverein mit Orgel- und Violinenbegleitung Psalm 23Der Herr ist mein Hirte" vorgetragen. Die Festpredigt hielt Hr. Dekan Braun über den von Sr. Majestät dem König gewählten Text 1. Sam. 7, Vers 12:Bis hieher hat uns der Herr geholfen." Der verehrte Kanzelredner führte aus, daß das Königspaar und das württem- bergische Volk ein sonst seltenes Fest feiern; eine 25jährige, glückliche und für das Land so gesegnete Regierungszeit fordere aber zu besonderem Danke gegen Gott auf, der seine Hand schirmend und segnend über den König ge­halten und ihm Kraft und Gedeihen zu seinen schweren Regentenpflichten gegeben habe. Mit dem Wort: Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des ewigen Lebens geben, das in Bezug auf den König und das Volk des Näheren ausgeführt wurde, schloß der Redner seine tief durchdachte, überzeugende Predigt mit der Bitte um ferneren reichen Segen für das er­lauchte Jubelpaar. Nach dem kräftig widsrhallenden ChoralSei Lob und Ehr dem höchsten Gut," gesungen von dem im Chor aufgestellten Liederkcanz, folgte das Schlußgebet und der GemeindegesangAch bleib mit deiner Gnade." Das abends 8 Uhr im Badischen Hof stattgehabte Festbankett hatte sich eines recht zahlreichen Besuches zu erfreuen, obgleich einige Vereine an den Festlichkeiten in Stuttgart teilnahmen und verschiedene Personen durch

den Tod eines um Stadt, Land und Volk verdienten, edlen Mannes am Er­scheinen verhindert waren. Der Vorsitzende des Banketts, Herr Oberamtmann Supper, begrüßte an Stelle des Hrn. Oberamtsarzts Dr. Müller, welcher den Vorsitz übernommen hatte, aber verhindert worden war, mit freundlichen Worten die Anwesenden. Das zahlreiche Erscheinen dürfe er wohl als einen Beweis dafür auffassen, daß auch alle Anwesenden an der Festfreude, welche in diesen Tagen das württ. Land durchziehe, innigen Anteil nehmen und daß auch Allen der König fest ins Herz gewachsen sei. Freilich werde unsere Festfreude getrübt durch das am nachmittag erfolgte Hinscheiden eines von uns allen hochgeachteten und verehrten, um die Stadt, den Bezirk, das Land verdienten Mannes. Die Trauer um den edlen Toten dürfe aber am Festtage des Königs wohl einige Stunden in den Hintergrund treten. Er wünsche deshalb, daß der heutige Abend würdig und fröhlich zugleich verlaufe, wozu die ge­ehrten Herrn Sänger und die Stadtmusik das Ihre beizutragen gebeten seien. Der Redner gab sodann in gewählten, trefflichen Worten ein Bild der Regierungs- thätigkeit unseres vielgeliebten Königs Karl. Zur Zeit des Regierungsantritts habe sich Württemberg angeschickt, aus einem Agrtkulturstaat in den Industrie­staat überzugehen und auf dem industriellen Gebiet habe sich unser Land aufs rühmlichste emporgehoben, daneben sei aber die Landwirtschaft nicht ver­nachlässigt, sondern auf alle Weise unterstützt worden. Die Albwasserversorg« ung werde auch den späteren Geschlechtern noch ein beredtes Zeugnis der landesväterlichen Fürsorge sein. Im Eisenbahnwesen, in K-rchen-, Schul- und Armensachen seien epochemachende Einrichtungen getroffen worden, über­haupt begegne man auf Schritt und Tritt dieser 25jährigen Zeit auf eine solch schöne Reihe von Verbesserungen und bewährteste Anordnungen in der Gesetzgebung des Staates, daß Württemberg stolz auf seinen König und seine Regierung blicken könne, daher sei auch die Festfreude, welche in diesen Tagen das Land durchziehe, eine allgemeine. Auch fernerhin werde es in unserem Lande heißen: Hie gut Württemberg allweg! Mit großer Begeisterung stimmte die Versammlung in das auf den König ausgebrachte Hoch ein und sang sodann stehend die Königshymne. In nicht minder ansprechender Art entrollte Herr Dekan Braun die Werke christlicher Nächstenliebe, die Ihre Majestät die Königin Olga in wahrhaft mütterlicher Sorgfalt den Armen und Gebrech­lichen, den Leidenden und Hilflosen, den Alten und Jungen zuteil werden ließ. Ein donnerndes Hoch zollte ihr die gerechte Anerkennung und Ehrer­bietung. Verschönert wurde die würdige, patriotische Feier durch die Vor­träge der Stadtmusik, des Liederkranzes und der Konkordia. So verlief der Abend in der heitersten und fröhlichsten Weise, welche in dem Absingen des allgemeinen KantusPreisend mit viel schönen Reden" den beredtesten Aus­druck fand.

Feuilleton. N^ru-

Dev WcrjovclLsevbe.

Roman von L. Dohrmann.

(Fortsetzung.)

Wenn Ihr mir nicht antwortet, Jtzig, so werdet Ihr keinen Pfifferling von Eurem Gelbe wiedersehn!"

Diese Drohung half; der Wucherer blieb erschrocken stehen und schaute den Sprecher ängstlich an.

O, der Herr Graf ist ein nobler Kavalier," sagte er.Er ist der Erbe eines reichen Majorats und wird auch ferner haben unbeschränkten Krebst!"

Das freut mich; er wird also in der Lage sein, mich zu befriedigen?"

Wie, habe ich recht gehört? Der Herr Graf wäre Ihnen auch schuldig?" rief der Wucherer bestürzt, zweifelndem Blick.

Ja, ich habe eine Forderung an ihn und werde deswegen morgen zu chm gehen," antwortete der Fremde trocken, sich kurz zum Gehen wendend.

O, dann werden Sie warten müssen noch ein paar Tage. Der Herr Graf reist morgen nach Hause und wird erst kommen in zehn Tagen zurück."

Zornig stampfte der Fremde mit dem Fuße auf.

So lange kann ich nicht warten!" sagte er barsch.

Der Wucherer lächelte spöttisch.

Werdet schon müssen!" entschied er lakonisch.

Teufel auch, daß ich nicht heute zu ihm gegangm bin!" rief der Alte ärger­lich.Wißt Ihr was, Jtzig? Ich will Euch einen Vorschlag machen. Gebt mir einen klemm Vorschuß bis zur Rückkehr des Grafen, ich bin in Verlegenheit, lumpige paar Thal« nur, damit werde ich reichen. Wollt Ihr? Ich versichere Euch, daß der Graf jede Forderung für mich zahlen wird!"

Der Jude prallte zurück.

Sie wollen scherzen mit mir altem Manne!" rief er aus.

Durchaus nicht, bester Jtzig. Ich spreche im vollkommenen Ernst. Wollt Ihr mir einen kleinen Vorschuß geben?"

Der Andere lächelte.

Herr, Sie werden nicht im Ernst verlangen, daß ich soll einem Unbekannten borgen."

Der Fremde machte eine ungeduldige Bewegung.

Der Graf wird jede Forderung für mich zahlen, wiederhole ich Euch, jede! Ich bin im Besitz eines Geheimnisses, dessen Offenbarung ihn zum armm Manne machen kann, machen wird. Er wird mein Schweigen um jeden Preis zu erkaufen suchen. Begreift Ihr?"

Ein ungläubiges Achselzucken war die Antwort.

Sie belieben, zu scherzen. Wodurch sollte der Graf verlieren können das ganze Majorat?"

Das ist mein Geheimnis. Was meint Ihr wohl," « beugte sich dicht zu dem Wucher« nieder,wenn d« aste Graf nun eines Tages entdecken würde, daß d« Herr Lieutenant ihm eigentlich gar nicht ähnlich sieht?"

Mit hämischem Lächeln schaute er auf den kleinen Mann nied«, d« so jäh zusammenfuhr, daß die Lampe einen bedenklichen Stoß erhielt. Aber schnell sammelte « sich mied«.

Geht doch, geht! Ich laß mich nicht fangen mit solchen plumpen Lügen!" rief « im nächsten Moment mit Heftigkeit aus.Auf dm Leim gehe ich nicht! Halt« Euch und mich nicht läng« auf!"

D« Fremde lachte höhnisch auf.

Mit diesm Worten wandte « sich hastig ohne jeden weiteren Gruß, um, selbst ein dunkler Schatten, wie ein Phantom in d« nächtlichen Finsternis zu ver­schwinden.

4. Kapitel.

Die Morgenstrahlen d« Oktobrrsonne fielen hell und ungehindert durch die Bogenfenster in das Arbeitszimmer des Grafm Eberhard von und zu Wendhausrn.