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Teilnehmern hörte man nur eine Stimme lobender Anerkennung über den schönen Schmuck, welchen die Einwohnerschaft Deckenpfronn» ihren Häusern und den Straßen haben angedeihen lassen und über den herzlichen Empfang, der ihnen zuteil geworden.

Wildbad, 11. Juni. Nächsten Sonntag den 16. dies findet, wie wir hören, in der Stadtkirche ein Konzert des hiesigen Kirchen­chors statt, in welchem derselbe in Gemeinschaft mit einigen Solisten den verehrlichen Kurgästen, unserer Nachbarschaft und den hiesigen Einwohnern, wie wir hoffen, eine genußreiche Stunde bereiten wird. Es kommen hiebei außer den Solo-Vorträgen für Orgel, Gesang und Posaune verschiedene Chöre zur Aufführung, die teils s Kapella, teils mit Orgel und Orchester­begleitung gesungen werden. Bei dieser Gelegenheit wird die im April a. c. von Gebrüder Walker in Ludwigsburg neu aufgestellte, von der Familie Krafft in Pari» gestiftete Orgel von Meisterhand gespielt werden. Wenn auch Wildbad im Lause der Saison viele Kunstgenüsse darbietet, so sind wir überzeugt, daß sowohl die verehrlichen Kurgäste als auch unsere Nachbarschaft und die hiesigen Einwohner sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen werden, auch den Leistungen unseres Kirchenchors ihre Teilnahme zu­zuwenden. Derselbe hat unter der tüchtigen Leitung seine» Direktors, Hrn. Lehrer Baur, vergangenen Winter nicht nur eifrig gearbeitet, sondern auch durch seine guten Vorträge die Gemeinde oftmals erbaut. Um den Zu­tritt Jedermann zu ermöglichen, wurde das Entrse auf nur 50 L festgesetzt, doch werden des Zweckes halber - Gründung eines Fonds für den Kirchen­chor höhere Beiträge mit Dank angenommen.

Stuttgart, 12. Juni. Jubiläumskinderfest. In früh- lichem Reigen, in prachtvoller Ausstattung zog heute nachm. 4 Uhr der Jubiläumskinderfestzug des Liederkranzes, der Bürger - gesellschaft und der Schützengilde am k. Schlosse vorüber. Der Festzug nahm seinen Weg die obere Neckarstraße bis zur Schloßgartenstraße hinab, bog in diese ein und dann in di« schattige Allee, zwischen Hoftheater und kgl. Privatgarten. An den offenen Fenstern de» Erdgeschosses neben dem Theaterbogen, hatten ihre Kön. Majestäten, Prinz und Prinzessin Wil­helm, Frau Herzogin Wera und die übrigen Mitglieder der kön. Familie Platz genommen, und so zog der festliche fröhliche Kinderzug an denselben vorüber, durch Tausende und aber Tausende hindurch, welche auf dem langen Wege Hecke bildeten. Eröffnet wurde der Zug durch die Prem'sche Kapelle, ein Vorreiter in Zivil ritt voraus, Herolde in alter Tracht folgten. Jetzt lenkt ein schmucker Vorreiter den Blick auf sich; ihm folgt der Wagen mit dem Friedensgenius, welchen Hr. Fritz sen. gestellt hat. Unter hohem Thronhimmel auf blauseidenem Sitze schwingt der Genius des Frieden« seine Friedenszeichen, umgeben von kleinen Genien, welche Palmen schwingen. Die Pflanzendekoration des Wagens ist prachtvoll, die Farben desselben sind zumeist schwarzrot; vorne am Wagen schmücken die Bronzereliefbilder der k. Majestäten den Wagen. Große Freude erregen die kleinen eleganten Reiter in Zivil, Söhne de» Stallmeisters Fritz. An diese schließt sich der Wagen de» Liederkranzes. Unter hohem Baldachin von rotbraunem, reich mit Gold besetztem Sammte, sitzt das Maikönigspaar, 2 reizende Kinder, umgeben vom Hofstaate, welcher auf den Stufen des Thrones und im übrigen Teile des Wagens, der mit exotischen Pflanzen und Blumenguier- landen reich verziert ist, Platz genommen hat. Der fantastische Thronsesiel wird anscheinend von zwei Schwänen gezogen, welche vom kleinen Beherrscher dieses Raumes geleitet werden. Reizende Pagen werfen Blumen unter das Publikum, die goldene Lyra am Wagen zeigt, daß wir es hier mit den Ver­tretern de» Liederkranzes zu thun haben. Auf die Riesenwagen folgten die der Zwerge; Porywagen mit schwäbischen Bauern, allerliebsten Kindern, die Betzinger in ihren weißen Röcken fehlen nicht, an welche sich alsbald wieder ein Riesenwagen schließt, gestellt von Fritz und Salzer: Der Wagen der Württembergia, welche, von einer lieblichen 14jährigen Blondine dargestellt, ebenfalls auf hohem Thron sitzt, erhaben über ihren 4 Kreisen, welche alle­gorisch zur Darstellung kommen. Der Neckarkreis im hintern Eck rechts ist kenntlich durch hochaufgeschossene, reich belaubte Rebstöcke, in denen Winzer und Winzerinnen sich beschäftigen, der Schwarzwaldkreis wird durch Tannen, Moos und Felsgcklüft angedeutet, der Donaukreis durch Netze, Fischer und

dessen Augen jetzt mit lebhafter Spannung an seinen Zügen hingen. Den Gruß höflich erwiedernd, antwortete er befremdet:

Bedaure, mein Herr, der Name ist mir unbekannt. Ich heiße Graf Wenk­hausen."

Eine sichtbare Enttäuschung prägte sich auf dem geistvollen Gesicht des Fremden aus.

Ah, dann bitte ich, meinen Irrtum zu verzeihen, Herr Graf. Ihre Ähnlich­keit mit einem mir sehr lieben Jugendfreund brachte mich auf die Vermutung, in Ihnen einen Sohn desselben zu finden. Doch gestatten Sie mir, daß ich mich Ihnen gleichfalls vorstelle."

Mit einer leichten Verbeugung nahm Graf Wendhausen die ihm dargereichte Karte entgegen und mit raschem Blick darauf las er:Hermann, Freiherr von Wridegg-Warren."

Warren ist mein Adoptivname," fuhr der Baron fort.Ich bin seit acht­undzwanzig Jahren amerikanischer Staatsangehöriger und habe auf dm Wunsch meines Schwiegervater» dessen in der newyorker Handelswelt hochgeschätzten Namm angenommm. Um aber nach so langer Abwesenheit in meiner alten Heimat nicht ganz als Fremdling zu erscheinen, führe ich bei meinem zeitwelligen Aufenthalt in Deutschland zugleich meinen früheren Familiennamen. Die Weideggs habm mehrere Repräsentanten im deutschen Adel. Vielleicht darf ich hoffen, daß der Name Ihnen bekannt ist, Herr Graf?"

Der Offizier verneigte sich leicht.

Ich kmne allerdings einen Herrn von Weidegg; er ist LegationSrat im Ministerium."

Da» ist mein Neffe," antwortete der Baron erfreut.Er hat, wie er mir sagte, dir Aussicht, demnächst bei der amerikanischen Gesandschaft attachiert zu werden."

Fischerinnen, der Jagstkreis endlich durch einen Salzobelisk, neben dem Salz, sieder und Salzfiederinnen sitzen. Mit lautem, fremdartigen Geschrei kündigt sich die Chinesenschule an, welche sich auf einem Wagen befindet, dessen luftiges hohes Dach nur von 4 lichten Säulen getragen wird. Etwa 30 kleine Chinesen mit ihrem bedauernswerten Lehrer werfen sich angesichts der Allerh. Herrschaften zu Boden und lassen sich dann wieder auf ihren 6sitzigen würfelartigen Sesseln nieder, den Lehrer bald wieder in Hellen Zorn treibend. Besonders erfreut schienen Ihre Majestäten als jetzt unter Blumenbogen daherschreitend die Schaar lieblicher Mädchen vom Reigen kam und ebenfalls ihre Jubelrufe erschallen ließ. Wiederholt winkten die Majestäten den Mäd­chen zu, welche sich aber jetzt tummeln mußten, denn ihnen folgt der Gnomen- wagen, ebenso originell wie prunktvoll ausgestattet. Der Gnomenwagen wird gebildet durch einen hohen muschelartigen Felsen, der von Gold und Edelsteinen schimmert; in ihm sitzt der König, der dem Getreide seiner Kobolde zuschaut, welche, zu 15 an der Zahl, in und um die Höhle sich tummeln. Alte bekannte, 8 Kaminfeger, die 7 Schwaben einen Hasen verfolgend, durften im Zuge nicht fehlen. Nun folgte der Delphinwagen, ein Stück Meerleben, denn es scheint sich bei ihm das Meer selbst in blauen Wogen heranzudrängen; 2 Riesendelphine mit ihren unförmlichen Köpfen und Leibern ziehen den Thron der Meergöttin Amphitrite, welcher als goldene Riesenmuschel dem Lohengrinwagen gleich daherschwimmt. Ebenfalls auf der See fährt ein großes, freundliche«, in den Farben weißblau gehaltenes Dampfschiff, dessen weißes Segel aufgezogen ist und auf welchem der Kapitän mit Matrosen frisch hantiert; e» zeigt durch seine Zeichen an beiden Radkästen, daß es den Doppel namen des Jubelpaares Karl-Olga trägt. Täuschend sind die Wassermengen nachgeahmt, welche das Schiff eben zu durchschneiden scheint. Reiche Fantasie, schöner Formen- und Farbensinn zeichnen die Schöpfer dieser Herrlichkeiten aus, als welche die Herren Tapeziere Gebhard, Garderobeverwalter Lind- ner und Gärtner Ulrich genannt werden. Die Söhne der Liederkranz. Mitglieder schließen, patriotische Lieder singend, die Abteilung des Lieder­kranzes, an welche sich sofort die vereinigten Gesellschaften Schützen, gilde und Bürgergesellschaft anschließen. Turner eröffnen den Zug, welche stramm militärisch vor der Majestäten salutieren. Nach mehreren kleinen Wägelchen, in denen junge Schützen und Bauern sitzen, folgt der Glanzpunkt des Festzuges, ein Galawagen in Roccocco, ganz in weiß, gold, blau und rosa, wie ihn nur die reichste Fantasie ersinnen konnte. Blumen- guirlanden schmücken ihn aufs Höchste und ein liebliche« Maikönigspaar er- scheint in fast überirdischem Glanze. Ein zweiter Wagen ist der Huldigungs­wagen, der in der Mitte eine Pyramide, an den Seiten Garben und Frucht- guirlanden trägt. Die 4 Kreise sind angezeigt durch Bergleute, Fischer, Flözer, Weingärtner. Zwischen den beiden Wagen und dahinter gehen Zeiger mit Scheiben, jugendliche Schützen, Turner, eine Bockequipage und noch eine Musikkapelle, welche ebenfalls in dem König-Karl-Marsch den """ jubel zum Ausdruck bringt. Zahlreiche kleinere Kinder Maien tragend von Eltern oder Schwestern begleitet, schließen den Festzug. Der Fe darf als der glänzendste Kinderfestzug, der bis jetzt in Stuttgart je gef worden, bezeichnet werden._

Staudesamt Kakw.

Geborene:

7. Juni. Wilhelm, Sohn des Johann Georg Fischer, Schuhmachers.

Getraute -

10. Juni. Johannes Friedrich Schaufelberger, Schuhmacher hier, und Luise

Karoline Barbara Riedel, hier.

Gestorbene:

11. Juni. Johann August Mayer, Bortenmacher, 74 Jahre alt.

11. Katharine Heinrich, ledig, 27 Jahre alt.

13. Hermann Bernhard Mohr, 10 Jahre alt, Sohn des Wilhelm Gottlob

Mohr, Schlossermeisters fr.

Gottesdienste am Sonntag, den 16. Juni 1889. Trinitatisfest.

Vom Turm: Nr. 30. Vormittagspredigt Herr Dekan Braun. 2 Uhr Nach- mittagspredigt: Herr Helfer Eytel. _

Eotteräienste in äer Metboäistenkmpelkr am Sonntag, den 16. Juni 1889, morgens 9 Uhr, abends 8 Uhr.

Hoffentlich wird er jedoch dann fester auf seinem Posten ausharren, als ich es ver­mochte, und nicht gleich mir in die Alternative geraten, entweder seinem Lebensglück oder seiner Karriere entsagen zu müssen. Ich hatte nämlich vor Jahren die gleiche Stellung." fuhr er lächelnd fort, als er den verwunderten Blick des jungen Grafen bemerkte.Als Gesandschasts-Attachö lernte ich meine Gemahlin kennen, welche die einzige Tochter eines der bedeutendsten Newyorker Industriellen war, und da ihr Vater seine Einwilligung zu unserer Verbindung nur unter der Bedingung geben wollte, daß ich der Nachfolger seines Hauses und Zugehöriger seines Staates würde, verließ ich im jugendlichen Leichtsinn treulos die Fahne Germania's. Sie sehen, Herr Graf, ich gestehe meine Schuld ehrlich ein, zugleich aber bekenne ich auch, daß ich niemals Ursache hatte, den Wechsel vom deutschen Freiherrn zum amerikanischen Bürger zu bereuen. Meine Verwandten aber haben mir jahrelang gezürnt, und mein Freund Pahlau, der durch und durch deutscher Patriot war, hat mir meinen Nationalitäts- Wechsel, fürchte ich, nie verziehen. Ich habe fett meiner Vermählung kein Lebens­zeichen mehr von ihm empfangen. Als ich Sie, Herr Graf, nun vorhin erblickte, erinnerte ihre Gestalt mich so lebhaft an ihn, daß ich mir die Freiheit nahm, Sie anzureden. Ganz wie Sie sah der Lieutenant Pahlau vor dreißig Jahren aus, Sie habm ganz seine Figur und seine Züge."

Ein munteres Lächeln flog bei diesen Worten über das Gesicht des Offizier'» und Heller sagt« er:

Zch bedaure lebhaft, Ihnen unbewußterweise eine Enttäuschung bereitet zu habm, Herr Baron; dennoch muß ich Jhnm wiederholen, daß der Name Ihre« Freunde« mir gänzlich unbekannt ist."

Der Amerikaner schaute ihn sinnend an.

(Fortsetzung folgt.)