Aro. 70.
64. Jahrgang.
Amts- unä Intekkigenzbkatt ^ür äen Aezir^.
Erscheint Z>ieu»tag, S»»»rr»t«g L Kamstag.
Die EiurückungSgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12
Zamstag, äea 16. Jam 1889.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 -H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Arntttchr ZSekcrnnLmachungsn.
Bekanntmachung
Mr. -re MHlerüßeu zu der bevorstehenden Kircheugeineiuderatsivahl.
Im Hinblick auf die für Sonntag, den 30. Juni, in Aussicht genommene Kirchengemeinderatswahl wird gemäß H 10 der Ministerialver- fügung vom 21. März 1889 bekannt gegeben, daß die Wählerliste 8 Tage lang, vom Sonntag, den 16. Juni, bis Sonntag den 23. Juni, im Rathaus zur Einsicht öffentlich aufliegt.
Jeder, der eine Einsprache gegen die Wählerliste, sei es wegen Nichtaufnahme eines Wahlberechtigten, sei es wegen Aufnahme eines Nichtwahlberechtigten. zu machen hat, hat diese im Laufe der Auflegungsfrist, bei dem Vorsitzenden des Kirchengemeinderats mündlich oder schriftlich anzubringen. Einsprachen, welche nach Umfluß der Frist angebracht würden, könnten für die bevorstehende Wahl nicht mehr berücksichtigt werden.
Calw, 14. Juni 1889. Namens der Wahlkommission.
ev. Stadtpfarramt:
Braun.
Gagss-Werrigksiien.
Calw. Wie in anderen Städten unseres Landes, so werden auch h'er Veranstaltungen getroffen, um die Feier der 25jährigen Re- 'erungszeit unseres vielgeliebten Königs Karl fest- , ^begehen zu können. Der hochherzige und hochgeachtete Stifter des Gecrgenäums, Hr. Generalkonsul v. Georgii-Georgenau, hat eine Schrift, „König Karl und Herzog Karl von Württemberg in ihrer Fürsorge für die Bildung der Jugend", in 400 Exemplaren zur Austeilung an die Schüler des Reallyceums, der Frauenarbeitsschule, der Fortbildungs- und Volksschule hieher gesandt. Das Jubiläumsbüchlein ist geschmückt mit den wohlgelungenen Brustbildern unseres Königspaares und enthält 1 Vorwort und 3 treffliche Reden des Herzogs Karl. Außerdem werden an die älteren Schüler noch 400 Festmedaillen und an die jüngeren Kümmelküchlein verteilt werden. Die Schulen werden besondere Feiern veranstalten. Das Reallyceum hält am 2o. Juni einen öffentlichen Festakt im Höcsaals des Georgenäumtz mit Rede, Gesang und Deklamation; Die Festrede hat Hr. Prof. Staudenmayer übernommen ; auch die Volksschulen werden den Tag durch eine besondere Feier auszeichnen. Andere größere Festlichkeiten sind in Vorbereitung und wird zur Teilnahme zeitig eingeladen werden.
A Neubulach, 11. Juni. Gestern wurde unsere seit Oktober v. I. von dem bekannten Wasserbautechniker Kröber aus Stuttgart hergestellte Wasserleitung eingeweiht. Das Städtchen war reich bekränzt und beflaggt,
die Brunnen überaus geschmackvoll verziert und mit paffenden Inschriften versehen. Um 8 Uhr war Fsstgottesdienst, sodann Besichtigung der Pumpstation. Von nah und fern trafen Feuerwehren und Vereine ein, die sich an dem um 10 Uhr ausgesührten Festzug zum Hochbehälter beteiligten. Nach dem von den Schülern gesungenen Choral: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, begrüßte Stadtschulthsiß Herrmann die Versammlung, worauf Ingenieur Kröber das Wort ergriff und aus führte, wie das heute einzuweihende Werk „aus eigener Kraft" sich in Betrieb setze. Jahrhunderte lang litt unsere Stadt, infolge des durch den Bergbau gänzlich durchwühlten Untergrundes, an Wassermangel, und es schien unmöglich, hier Abhilfe zu schaffen. Nun ist das Unmögliche möglich geworden. Tief im Ziegelbachthal wurden 3 Quellen gefaßt, die bei einem Gefäll von 60 Metern und bei einem Verbrauch von 50 Litern pro Minute, imstande sind, täglich 320 Hektoliter Wasser nach dem 156 Meter über der Pumpstation liegenden Hochbehälter zu befördern. Die Maschine ist sehr solid und schön gebaut. Es ist eins sog. selbstthätig arbeitende Waffersäulenpumpe aus der Fabrik Sulzer in Ludwigshafen. Der Hochbehälter faßt 1200 Hektoliter. Die Leitung erstreckt sich im Ganzen 3240 Meter weit und wurden die Röhren dazu von Gebrüder Benkiser in Pforzheim bezogen. Unser Städtchen hat 7 Ventilbrunnen und 9 Hydranten, welch letztere, wie sich bei der Feuerwehrprobe ergab, ausgiebige Wasserstrahlen bis auf die Dächer zu werfen, die Kraft haben. — Am Festesten im Adler beteiligten sich 50—60 Personen. Von den vielen Toasten die ausgebracht wurden, verdienen namentlich erwähnt zu werden derjenige von Frdr. Auer, Wagner, in Prosa und derjenige von Mechaniker Lörcher in gebundener Rede, letzterer läßt die Quelle selbst sprechen. Auch eine Anzahl von Glückwunschschreiben kam zur Verlesung. — Nach Aussage des Herrn Stadtvorstandes soll nun, da das ganze Werk, entgegen dem Anschlag von 32.985 nur 30,435 ^ gekostet hat, der Antrag beim Gemeinderat gestellt werden, daß auch derjenige Stadtteil, der seinen Wasserbedarf immer noch aus größerer Entfernung zu holen hat, einen eigenen Brunnen bekommt. Die Leitung in die Häuser soll später ausgeführt werden. Möge das neugeschaffene Werk der Gemeinde Neubulach immerdar ein Born des Friedens und der Freude, des Wohlstandes und der Gesundheit sein und bleiben.
* In Deckenpfronn feierten am Pfingstmontag der Veteranenverein und die freiwillige Feuerwehr das Fest ihrer Fahnen, weihe. Etwa 20 Vereine waren zu der Festlichkeit eingetroffen, welche vom Hrn. Ortsvorstand in herzlicher Ansprache bewillkommt wurden. Die Festrede hielt der Dirigent des Liederkranzes, Hr. Heinz. Abends fand ein Festball im Gasthaus z. „Krone" und „Rößle" statt. Der Festzug war von einer stattlichen Zahl Reitern eröffnet, welchen zunächst die Schönen Deckenpfronn'« in blendendweißen Kleidern folgten, 3 Musikchöre ließen ihre besten Weisen ertönen und trugen auch am Abend im Verein mit den Gesangs, vorträgen wesentlich zu der heiteren Stimmung bei. Bei den auswärtigen
Jeuilleton.
Dev Mcrjovcctsevbe.
Roman von L. Dohrmann.
1. Kapitel.
Eine interessante Bekanntschaft.
ES war im Herbst des Jahres 1846. In den breiten Promenadenwegen des Berliner Tiergartens herrschte, wie alltäglich bei schönem Wetter, ein buntes, bewegtes Treiben. Elegante Spaziergänger, glänzende Retter und Equipagen boten ein wechselvolles auf- und abwogendes Bild. Sie alle waren von dem milden, warmen Herbstweter, welches den trüben, nebligen Tagen der letzten Woche gefolgt war, hinausgelockt worden und atmete in dem so lange schmerzlichen Sonnenschein erleichtert auf.
Der Herbst hatte sich dies Mal von der unliebenswürdigsten Seite gezeigt und unbescheiden früh sein Recht geltend gemacht. Wochenlang hatte er die Residenz in einen grauen Mantel gehüllt, ohne sich an die unzufriedenen Gesichter der Menschen zu kehren.
Heute aber, nachdem er wochenlang sein griesgrämiges Gesicht gezeigt, hatte er in einem Anfall gnädiger Laune sein liebenswürdiges Lächeln aufgesteckt. Ein klarer, wolkenloser Himmel breitete sich über der Residenz aus, und die neckischen Sonnenstrahlen umwoben das Laub der Bäume und Bosketts an den Promenaden mit goldigem Schein. Freilich war es nur trügerisches Gold; selbst der purpurne Schimmer, der hier und dort sich an dem gelblich gefärbten Laub so prächtig abhob und in der Entfernung einer leuchtenden Blume glich, war weiter Nichts als ein
sichtbares Zeichen des unerbittlichen Herbstes, das Sinnbild aller irdischen Vergänglichkeit, — ein welkes Blatt, welches lautlos zu Boden flattert, um, unbeachtet zertreten, den Traum seines kurzen Daseins zu beenden.
Auf einem der belebten Promenadenwege schritt zwischen den hin- und herflutenden Spaziergängern sporenklirrend ein junger Offizier, ab und zu stehen bleibend. Bekannte grüßend, Fremden nachblickend. Mancher Blick folgte seiner schlanken, kraftvollen Gestalt, die wie geschaffen schien für die knapp und eng anschließende Uniform. Sein leicht gebräuntes Antlitz war bildschön; ein keckes, dunkelblondes Schnurrbärtchen schmückte die schön geschwungene Oberlippe, und seine dunkelblauen Augen schweiften froh und sorglos über die Menge hin.
Voll Interesse hatte er soeben einer langsam an ihm vorüber rollenden, eleganten Equipage nachgeblickt, in derem Fond zwei reizende, junge Damen saßen, die lebhaft mit einem ihnen gegenüber sitzenden, ältlichen Herrn plauderten. Ihm schien, als habe der Herr ihn mit einem erstaunt forschenden Blick gemessen, und doch konnte er sich nicht erinnern, demselben schon jemals begegnet zu sein. Er bemerkte, wie die Equipage wenige Schritte hinter ihm anhielt, der Herr ausstieg, sich von den Damen verabschiedete und dann seitwärts zwischen die Spaziergänger trat.
Langsamen Schrittes schlendert« der Offizier weiter; am Ende der Allee bog er in die Thiergartenstraße ein und war augenscheinlich im Begriff, in die Stadt zurückzukehren, als raschen Schrittes ein Herr auf ihn zukam und zwar, wie er mit Befremden sah, derselbe, den er vorin in der Equipage der beiden jungen Damen gegenüber erblickte hatte. Mit höflichem Gruß redete der Fremde ihn an:
„Beleihen Sie, Herr Lieutenant, habe ich vielleicht die Ehre, einen Herrn von Pahlau vor mir zu sehen?"
Der Offizier stutzte einen Augenblick bei dieser Anrede und überflog mit raschem, verwundertem Blick die vornehme, distinguierte Gestatt des Fragenden,