Erscheint täglich, mit Ausnahme der vorm- und Festtage.
Preis vierteljährlich hier 1.10 mit Trägerlohn 1.20 tm BezirlS- «nd 10 Km-Berkehr 1.28 «4Ü, im übrigen Württemberg 1.SS Monatsabonnements »ach Verhältnis.
Dkl GksklWMk.
Lols- >ü LHchk-SX Ar dm Sdnimls-SM LyÄ.
M». »8°
88. JerHvgang.
M». »v.
Anzeigen-Eebühr f. d. Ifpalt. Zette auS gewöhnl. Schrift oder deren Raum bet IrnNl. Einrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Mtt dem Plauderstübchen, Jllustr. «onntagSblatt und
Vchrväb. Landwirt.
^ 25
Montag den 1. Aeöruar
1SVS
Beka»vt»«ch«»g der Königliche« B^»zewerksch«le, dte A»metd««s betreffend.
DK Anmeldungen für das Sommersemestrr baden vor dem 1. März z« erfolgen. Später eiutoffmde Aufnahme- gesnche haben keinerlei Anspruch ans Berechtigung.
^Stuttgart, den 23. Jan. 1909._ Schmohl.
Die katholisch-theologisch» Fakultät der Universität Tübingen hat de« Grad ein-s Lizentiaten Lvnoris oansa verliehen »n Eugen Stolz, Kaplan in Ergenzingen, die philosophische Fakultät hat u. a. zum Doktor promoviert: Wilhelm Knödel aus Mrchheim u. T. die naturwissenschaftliche Fakultät: Heinrich Bach auS Gindelfiagru.
VoMische HleSerftcht.
Der deutsch-schweizerische Mehlstreit war in
der letzten Sitzung der BLdgclkommisfivu des Reichstages Gegenstand einer Erörterung. Staatssekretär ton Schön gab zur Erläuterung der Haltvug DmlschlcmdS eine längere Erklärung ab. Er sagte u. a., die schweizerisch- Regierung sei der Anficht, daß unsere AuSsuhrscheinordrmug eine Prämie für Weizenmehl erster Klaffe enthalte, und habe, falls nicht Abhilfe geschaffen würde, einen Zollzuschlag in Höhe dieser Prämie in Aussicht gestellt. Bon deutscher Seite sei erklärt worden, unser System enthalte eine Prämie nicht und die Erhebung eines Zollznschlages sei im Hinblick aus die vertragliche Bindung des MehlzolleS und das Recht der Meistbegünstigung unzulässig und stehe im Widerspruch mtt dem deutsch-schweizrrischru Handelsvertrag. Wir seien zu einer schiedsgerichtlichen Entscheidung des Konfliktes bereit, jedoch sei üdcr die vorzulegmdlu Fragen »och keine Einigung erzielt. Die Verhandlungen würden in versöhnlicher Weise gefühlt. — Wie auS eine: Zuschrift an die »Köln. Zlg." aus Zürich hervorgeht, ist der Brauch eines Boykotts vorläufig als gescheitert auzusehm, da weite Kreise sich ablehnend vci hatten. Die Utbcrzeaguug, daß auf gütlichem Weg wehr zu erreichen ist, scheint breiten Loden zu fassen.
Die freuezöfisch« Deprrtterteukawmer erklärte sich in der fortgesetzten Beratung der Steuerreform für dte Eiusührung einer ErgäuzuogSstmer aus die arößereu Einkommen. Der Befürchtung, daß eine solche Maßregel den Strom der Ausländer Meilen werde, begegnete Ftvavz- mtutster Eatllarx wie folgt: Er habe keineswegs die Absicht, dte Henne mit Len goldemu Eiern z« schlachten, aber eS sei auzuläsfig, daß dte Ausländer, die nach Frankreich kommen, von jeder Steuer befreit seien, während die Franzosen, die sich in Deutschland und der Schweiz anshalteu, eine Steuer bezahlen, dk nicht so bescheiden bemessen sei, wie die hier in Frage stehende. Wie aus der weiteren Debatte hervor- giug, sollen nur dtcjmixcu Ausländer zur ZuschlaxSsteuer heravgezogeu werden, die Moblliarsteuer bezahlen. ES werde nichts geschehen, wodurch Ausländer von ihrer Gewohnheit, Frankreich zu besuchen, abgebracht werden könnten. — Der Gemäßigte Castillard bcautragte, eine BorwittagS- Sitzung auzuberaumen, um über die Abschaffung öffeutltcher Hinrichtungen zu, beschließen. Der Sozialist Jamäs bekämpfte diesen Antrag, der beweise, daß dte Anhänger der Todesstrafe bereits selbst Scham empfinden wegen der Wiederaufnahme der Hinrichtungen. Der Antrag Castillard wurde abgelehut.
Zur Balkairkrifi- wird mltgrteilt, die türkische Regierung habe der bulgarischen Regierung ihre Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben, dte Unterhandlungen auf der Basis einer Entschädigung von 5 Millionen Pfund wieder «ufznoehmen. Nach einem au dte Psorte gelangten Tkle- gramm hat dte bulgarische Regierung die ins Grenzgebiet vou Adrtanopel gesandten Truppen zurückgezogen. Auch «iS Sofia kommen hoffnungsvolle Meldungen. Minister Paprikow hat sich einige» Diplomaten gegenüber über dte ""he und dk AuSfichtm einer Verständigung geradezu optimistisch ausgesprochen. In dev Kreisen der Diplomaten herrscht die Ansicht vor, daß tu der nächsten Zeit eine Lösung der «rists zu erwarten sei. — In de« serbischen Memo- raudum, das demnächst den Mächten zugeheu soll, erklärt die Regierung stch auch mtt einer Gebietsabtretung von seiten Oesterreichs nicht begnügen zu können, sondern auf der völligen Autonomie BoSukaS und der Herzogewiua unter dem Schutz der Großmächte bestehen zu wüsten.
I« Güde» Perfie»- find er»ft« U«r«he« a«S- >ebroche». In Buschtr haben Ausrührer den Gouverneur verwundet and seine beiden Söhne getötet. In EchtraS hat die Menge dte Filiale der Bank des Schah» geplündert. In Laristan ist eine starke regierungsfeindliche Bewegung auSgebrochm. In der Nähe von LäbriS haben Retter der Rigittuug zwei Dörfer eingenommen und dk Verbindung mit Dschulfa abgtschuüteu.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 29. Jan.
Am Bundesratstisch v. Bethmamr-Hollweg.
Die schwarze» Liste«. Zur Verhandlung steht dk Interpellation des Zentrums: Ist dem Reichskanzler bekannt, daß durch schwarze Listen und Vereinbarungen ähnlicher Art Arbeiter und Privataugestellte in ihre« Fortkommen gehindert werden? Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, »m solche dk Freiheit des ArbeitSveitrageS oder die gesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit hindernde Maßnahmen zu unterdrücken?
Abg. GieSberts (Ztr.) begründet die Interpellation. Die Klagen über die schwarzen Listen find schon all. Diese ungesetzliche Maßnahmen gefährden dk Existenz der Arbeiter aufs schwerste. Durch dieses System will man einen stetigen Arbeiterstaud sich heravzieheu. Aber aus reinem Uebermut verläßt kein Arbeiter seine Stelle. Er tut es nur wenn mau die ihm gemachten Versprechungen nicht erfüllt, wenn er schikaniert wird. Der Zechevverbaud überspannt das AutoritätSpriuzip. Er nimmt dem Arbeiter die Freizügigkeit und führt ihm vorsätzlich einen Schaden zu, von dem er freilich nichts weiß, denn ihm wird ja nicht Mitgeteilt, wenn er auf dk Liste gesetzt wird. Gegen die Beamten gehen die Unternehmer in derselben Weise vor. Hiergegen find gesetzliche Maßnahmen notwendig.
Staatssekretär v. Bethmaun-Hollweg: DK Aussperrungen find generell nach unserem Zivil- oder Strafrecht nicht verboten. Aus diesem Standpunkt steht die heutige Indikator, wenn es auch eine Zeit gegeben hat, wo mau dev Boykott von Arbeitern gegen Gewerbetreibende als groben Unfug bestraft hat. Gegen die Gewerbeordnung verstößt das Sperrsystem der Arbeitgeber auch nicht, denn es handelt stch bei den schwarzen Listen doch unzweifelhaft um Schriftstücke, die neben den Zmguiffeu -ergehen. Es kann nach den Besouderhrtteu i« einzelnen Falle eine Beleidigung oder ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegeu, im letztem Fall, wenn die Aussperrung bis zu« Ruin der wirtschaftlichen Existenz des Arbeiters durchgeführt wird; daS find aber Einzelerscheinungen. Es handelt stch um eine Folge wirtschaftlicher oder sozialer Zustände, wirtschaftlicher namentlich daun, wenn durch dte Aussperrungen eine» übermäßigen Wechsel in der Belegschaft durch KoutraktbruS vorgebeugt werde» soll, sozialer wenn es sich gegen die Z rgehörigkeit zu bestimmten Organisationen richtet. Der Staatssekretär erörtert eine Reihe von Gründen, die als Ursache des im rheinisch-westfälischen Gebiet auffallend häufigen Kontrakt- bruchs in Betracht kommen insbesondere, daS zahlreiche Kontingent der zugewaudcrteu unsteten Arbeiter und daun das ganz ungewöhnlich gespannte Verhältnis, das namentlich tu letzter Zeit i« westlichen Industriegebiet zwischen Unternehmer und Arbeiterschaft besteht. Ohne zur Echuldfrage Stellung zn nehmen, erwähnt der Staatssekretär die Lat- sacheu, daß in der Arbeiterbewegung alle Einrichtungen der Unternehmer, die die Sicherung eines feste» Stammes von Arbeitern bezwecken, aufs heftigste bekämpft und vielfach tendenziös der Hatz gegen alles was Unternehmer heißt, genährt wurde. Druck erzeugt Gegendruck. Der Ruf nach der Gesetzgebung wird von beiden Setten erhoben. DK Gesetzgebung soll etuschreilen gegen Maßregeln, die als erträglich angesehen werden, wenn sie von kleinen Verbänden, als unerträglich, wenn sie von Organisation auSgeheu. Anders als paritätisch kann aber die Ges tzgebung nicht etuschreiten, daun muß sie sich auch gegen jeden Vorwurf wenden. Am besten kann man den Mißbräuchen eutgegrn- wtrkeo, wenn mau den Begriff der guten Sitten in der richtigen Weise auweudct. Ein Speztalgesetz ist nicht möglich. ES ist auch undurchführbar, das Sperrsyste« vur für Zeiten der Lohnkämpfe zuzulvffm, für FrkdeuSzeiteu zn verbleien. Gewiß ist bei dem System der schwarzen Listen nicht alles schön uud gut, weuu eS richtig ist, daß dte Anwendung durch untergeordnete Beamte erfolgt, uud daS Berfahreu heimlich ist, so find daS große Mißbräuche. Publizttät des Verfahrens wird Gewähr gegen Mißgriffe geben. Ich habe mit dem Essener Zecheuvrrbaod verhandelt; io Zukunft soll jede« Arbeiter mtrgeteilt werden, warum und wann er auf dte schwarze Liste gesetzt worden ist. Sozialpolitik macht «an nicht nur mit Gesetzen. Ein zuviel au Gesetzgebung diskreditiert nur. Was not lut, das ist, daß mtt anständigen Waffen gekämpft wird, mtt ,der Absicht, zu einer Verständig vvg zu gelavgku.Davn werdln euch die ssttrarzev Listen verschwinden, besonder» weuu die bisherigen berufsmäßigen Sampforgauisattoueu sich in berufsmäßige Interessenvertretungen verwandeln. (Lebhafter Beifall.)
Auf Antrag de» Dr. Spahn (Ztr.) wird einstimmig dk Besprechung beschlossen.
Abg. Dr. Stresemauu (ul.): Die Geheimhaltung
der schwarzen Listen muß beseitigt werden. DK Arbeitgeber müssen aber etwa» gegen den Koutraktbuch tun, wen« er einen solchen Umfang auuimmt wie im Rahrgebiet. Segen das Vorgehen des Verbandes bayerischer Metalltudvstrkller hat sich säst einmütig dk deutsche Industrie gewandt, aber ich würde eS für höchst bedauerlich halten, weuu sich ander Privatbeamteu die Anschauung bemächtigen würde, daß es zwischen Arbeitern und Arbeitgebern nur gegensätzliche uud keine gemeinsamen Interessen gebe. Je größer dk Organisation, um so größer wird auch die verantwortlich- keit der Führer werden. Reine politischen Freunde glauben deshalb, daß eine Verständigung zwischen Arbeitgebern uud Arbeitnehmern einst sicher kommen wird. (Beifall b. d. Rat.)
Abg. Dr. Wagner (kous.): Wir mißbilligen sowohl Boykott wie schwarze Listen. Aber wer ist schuld? DK von der Sozialdemokratie propagierte Lehre vom Slaffeu- kampf. DaS wird noch schlimmer werden, denn der Haß gegen die Unternehmer wird schon tu die Herzen der Arbeiterjugend gepflanzt, in den LehrliugSvereium. Alle Maßnahmen werden wirkungslos bleiben, solange nicht dk relt- giöseu Mächte im Bolk wieder dm Einfluß gewinnen, der ihnen zukommt. (Beifall rechts.)
Abg.Sachse (Soz.): Möchten nur dk religiösen Mächte bei den Arbeitgebern Einfluß gewinnen, damit sie etwas menschlicher werden! Die Rede des Staatssekretärs erinnerte au das Wort Böttichers: Meine Herren — nämlich meine Herren Arbeitgeber — wir arbeiten ja nur für Siel Er hat die schwarzen Listen nach allen Richtungen entschuldigt. Sk werden so geheim gehalten, daß wir sie um durch einen Bertraueusmtßbrauch haben bekommen können. Nicht au uns liegt eS, daß keine Verständigung zustande kommt, sovdrru an der Hartherzigkeit der Unternehmer. Die schwarzen Listen verstoßen nicht nur gegen die guten Sitten, sonder« auch gegen das Gesetz, uud die Staatsbehörde» machen stch mitschuldig. Es ist geradezu eine Epidemk geworden. Gegen dieses heimliche meuchlerische System »aß etugeschritten werden. (Beifall der Soz.)
Abg. v. Dirks eu (Rp.): Die Arbeiterführer sehen dk Sache allzu mißtrauisch au. Freilich, daß die schwarz« Listen noch 3 Monate nach dem Streik sortdaueru, kann auch ich nicht billigen. Die Zechenverwaltungen habm stch bereit erklärt, jeden Fall von Schikanieruug der ihnen unterbreitet wird, genau zu untersuchen. Kein Arbeiter darf aber das Recht haben, einfach die Arbeit uiederzulegeu, wen« eS ihm paßt. Die schwarzen Listen find Kampfmittel, Abwehrmittel gegen Ansstände und Boykott. Auch wir wünschen dk Bekanntmachung der schwarzen Listen, aber ei» Anlaß zu einem Spezialgesetz liegt nicht vor. (Beifall rechts.)
Wetterberatuug SamStag 11 Uhr. Schloß 6 Uhr.
W»rtte«her-tscher Leutdtag.
r. Etnttgart, 29. Jan. Zweit« Kammer (Forts.) Nach rascher Erledigung de» Art. 83 wurde noch tu dte Beratung veS Art. 84 eiugetreten, der von der Leitung des ReligtouSnuterrichtS in dm Volksschulen uud Lehrerbildungsanstalten handelt uud diese einschließlich der Bestimmung der Katechismen uud ReltgtouShaudbücher unbeschadet des dem Staate zusteheudm Oberaufsichtsrechts dm Oberkttcheubehördm zuweist uud ihnen insbesondere auch daS Recht gibt, durch Anordnungen von Visitationen, von derm Vornahme dem BeztrkSschulanfseher vorher Mit- teilung gemacht werden soll, von dem Stand des Religion». Unterrichts in dm Lolksschulm stch Kenntnis zu verschaffen. Dr. Hieber (D.P) hob hervor, daß durch diese Regeluug eiu umeS Recht nicht geschaffen werde uud wandte stch gegen das von der Sozialdemokratie in der Kommisfio» gestellte verlange«, dk Aussicht über dm Religionsunterricht de» Staate zu übertragen. Dr. Späth (Z.) schloß stch dem Vorredner hierin au uud vertrat einen Antrag ans gesetzliche Regelung eine» bisherigen Brauchs, wonach fitzte Btsttatiou auch aus dk „reltgiöSstttliche Bildung in dm LoltSschulm uud Lehrerbildungsanstalten erstrecken soll. Dr. v. Steue (Z.) begründete eingehend einen Antrag betr. Beschränkung des OberausfichtLrechtS de» Staates auf dk äußere Ordnung des Religionsunterrichts. Ein Hinein- regieren de» Staats io dk inneren Angelegenheiten der Kirche würde verfassungswidrig sein. Der Redner sprach dm Wunsch ans, daß da» AusfichtSrecht paritätisch für beide Kirchen gleichmäßig auSgeübt werde. Haußman» (v.) wandte stch gegen das BisttattonSrecht der evangelische» Kirche. Wenn dte kath. Kirche gewisse Lefugniffe habe, so müßtm sie einer bloßen Symmetrie zu liebe dtSwegm noch nicht ans dk protestantische Kirche übertragen werdm, derm freiheitliche Lehrmeiuung eS wohl vertrage, daß die Anfficht über dm Religionsunterricht anch von Laim, d. h.