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Röder, beide z. Z. nach Preußen kommandiert und Rittmeister Frhr. v. Röder im Dragoner-Regiment Königin Olga (1. württemb.) Nr. 25 mit dem Geist, lichen Prälat Dr. v. Müller. Im Auftrag Seiner Majestät des König» war der Flügeladjutant Graf v. Schäler erschienen, in dem Ihrer Majestät der Königin der Obersthofmeister Frhr. v. Reischach und Kammerherr Graf Beroldingen. Sämtliche Prinzen und Prinzessinnen des Königl. Hause« hatten ihre Hofmarschälle und Kammerherrn entsandt. Herzog Albrecht Königl. Hoh. befand sich persönlich in der Reihe der Ossi« ziere. Hinter ihnen schritt die Generalität. Auch die Gesandten von Preußen und Rußland waren zugegen. Weiter gingen im Zuge die Offizierskorps der beiden Ulanenregimenter und des 2. Dragonerregiments Nr. 26. Auf dem Friedhofe empfing die Musik des Grenadierregiments mit dem Choral Jesus meine Zuversicht" den Sarg, welchen die acht Wachtmeister zu Grabe trugen. Dieses war mit Blumen und Grün prachtvoll geschmückt. Prälat Dr. v. Müller, gab in seiner Rede, welcher er die Worte zu Grunde legte: Tod wie bitter bist du" dem Schmerze um den Dahingeschiedenen beredten Ausdruck. Nach der Einsegnung gab das Bataillon, welches hinter dem Friedhof im Jmmenhofwege Ausstellung genommen hatte, die 3 Gewehrsalven ab, die Musik spielteChristus der ist mein Leben", dann löste sich die Trauerversammlung auf.

Kirchheim a. N., 12. Mai. DieNeckar.Zeitung" berichtet: Gestern früh kamen mit dem Zug 9 kursierenden Gesangencnwagen zwei ge» fährliche Verbrecher, Friedrich Rau, Maurer von Güglingen, und Christian Böhr et, Zigarrenmacher von Neulautern, hier durch, welche letzten Freitag von der Strafkammer des K. Landgerichts Heilbronn wegen mehrfacher schwerer Diebstähle zu 6. bezw. 3jähriger Zuchthausstrafe verur- teilt worden und in da« Zuchthaus zu Ludwigsburg zu verbringen waren. Wegen ihrer Gefährlichkeit waren sie im Wagen an einander geschloffen. Auf der Fahrt zwischen Lausten und hier klopften sie dem im Wagen be. findlichen Landjäger, welcher ahnungslos die Zelle aufschloß, um nach ihrem Begehr zu fragen. Kaum hatte er geöffnet, so fielen beide Verbrecher, die sich der Schließen entledigt hatten, über ihn her, warfen ihn zu Boden und bearbeiteten ihn mit den Feffeln, Es entspann sich zwischen dem Landjäger und den beiden Gefangenen ein furchtbarer Kampf; endlich nahte die Station Kirchheim, und auf die mühselig hervorgestoßenen Hilferufe des Landjägers wurde die verschlossene Wagenthür aufgemacht, welche schon während der Fahrt von einem der Verbrecher mit dem dem Landjäger abgenommenen Seitengewehr zu öffnen versucht worden war. Der Hartbedrängte wurde aus seiner gefährlichen Lage befreit und die beiden Verbrecher unter weiterer Bedeckung ihrem künftigen Aufenthalt zugeführt. Die geplante Flucht ge­lang glücklicherweise nicht, dank der Gegenwehr des Landjägers und dem Zuhilfekommen eines weiteren Transportgefangenen, der auf die Hilferufe hin die Thürfüllung seiner Zelle durchgedrückt hatte.

Heilbronn, 15. Mai. (Schöffengericht.) Wegen verweigerter Aufnahme einer Berichtigung nach dem Gesetz, welche ihm der Eigentümer des Südd. Korresp.-Bureaus in Stuttgart H. Treiber auf einen Artikel der Heilbronner Zeitung eingesandt hatte, wurde heute Dr. Lipp aus der Untersuchungshaft durch Polizeiwachtmeistcr König vorgeführt, zur Geldstrafe von 20 ^L, zur nachträglichen Aufnahme der Berichtigung und zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt. Das Urteil spricht aus, daß die Treiber'sche Berichtigung entgegen der Behauptung L'pp's, sie entspreche in allen Teilen den Erfordernissen des Paßgesetzes nicht, durchaus diesen Er» forderniffen entsprochen habe. Wegen des fraglichen Artikels derHeilbr. Ztg." hat Treiber noch besondere Strasklage erhoben.

Künzelsau, 14. Mai. Heute Nachmittag zwischen 3 und 4 Uhr zog vom Kocher aufwärts ein schweres Gewitter, welches sich gegen Crtspenhofen zu mit Hagel, auf Niedernhaller und Criesbacher Markung mit wolkenbruchähnlichem Regen entlud und in den Weinbergen durch Flößen sehr großen Schaden anrichtete. Leute, die in den Weinbergen arbeiteten,

konnten kaum mehr durch das Wasser und den Schlamm heimkommen. Jngelfingen wurde noch gestreift, von da zog das Gewitter wie schon öfter gegen die Jagst zu.

Waldstreu. Wiederholt kam im Landtag das Bedürfnis zum Aus« druck, daß in dem heurigen an Stroh und Futter armen Jahrgang die Land« bevölkerung durch reichlichere Abgabe von Streumaterial unterstützt werden soll. Da« Resultat war das folgende. Je nachdem die einzelnen Landes« teile vorherrschend Laub- oder Nadelwald haben, lauteten die Bitten auf Abgabe von Laub- oder Nadelreirflreu. Die erfahrensten Landwirte sprachen einstimmig sich dahin aus, daß sie die Nadelreisstreu der Laub- oder Moos­streu in jeder Richtung vorziehen, der Dung der Nadelstreu sei für die Felder der beste. Auf dem Welzheimer Wald und in verschiedenen anderen Landes« teilen wollen die Landwirte keine andere Streu mehr als Nadelreisstreu. Von Seiten der Kön. Regierung wurde ausgesprochen, daß die Forstbehörden ermächtigt seien, an Gemeinden, die darum nochsuchen, die erforderliche Reis­streu abzugeben; auch Moos werde aus solchen Waldungen abgegeben, wo dies ohne forstwirtschaftlichen Nachteil geschehen könne. Bei der Abgabe von Moosstreu werden hauptsächlich diejenigen Gemeinden berücksichtigt, welche für die Regel Nadelreisstreu benützen.

Berlin, 15. Mai. Einer Schülerverbindung, welche die einzelnen Teilnehmer auf die Bahn des Verbrechens geführt hat, ist die Polizei in Halle auf die Spur gekommen. Etwa 15 Knaben, Schüler höherer Lehr­anstalten, hatten sich derVoss. Zt." zufolge zu einer Verbindung zusammen« gethan, um nach studentischem Muster gemeinsam zu kneipen. Sie mieteten unter dem Vorwände, sich auf ihr Einjährig.Freiwilligen.Examen vorbereiten zu wollen, Zimmer in Privathäusern, in denen sie dann in Saus und Brau« lebten. Da« Geld wurde durch großartige Diebstähle einzelner Mitglieder beschafft; so hat z. B. einer der Knaben, der 14jährige Fr., die Geschäfts« kaffe seines Vater» um volle 9000 bestohlen. Der Verbindung gehörten Söhne sehr angesehener Familien an.

Peterswaldau (Schlesien), 15. Mai. Von heute mittag 2 Uhr ab wurde die Gegend am Eulengebirge von einem furchtbaren Unwetter heimgesucht. Die Felder und Saaten wurden durch wiederholte Hagelschauer und wolkenbruchartigen Regen verwüstet; die Dörfer Kaschbach im Schmiedegrund und Steinseifersdorf wurden überschwemmt, Scheunen, Ställe und Brücken weggeriffen.

Werrnischtes.

Zur Witterungskunde. Fremdenführer:Ja, meine Herren, es ist ein unschätzbarer Vorzug unserer Gegend, daß wir fast immer Ostwind haben." Fremder?Ist das festgestellt?" Fremdenführer: Schon seit Jahren führe ich Buch darüber." Fremder:Aber ich bitte Sie, schauen sie doch nur auf die Wetterfahne dort auf dem Turme oben: gerade jetzt haben wir Westwind."Nun eben, das ist der Ostwind, der zurückkommt."

Empfehlenswerte Partie. Mutter:Du willst also den Baron nicht heiraten?" Tochter:Nein. Der Mensch ist unaus« stehlich." Mutter:'Das ist aber auch sein einziger Fehler!"

Gottesdienste am Sonntag, den 19. Mai 1889.

Vom Turm: 373. Vormittagspredigt Herr Helfer Eytel. 1 Uhr Christen­lehre milden Töchtern. 2 Uhr Nachmittagspredigt: Herr Dr. Gundert. Das Opfer ist für den Kirchenbau in Groß-Deinbach bestimmt.

Eotteräieaste in äer Aletkioäisteakupekke am Sonntag, den 19. Mai 1889, morgen« 9 Uhr, abends 5 Uhr.

Meinung von Ihnen und ich schmeichle mir, einen Spitzbuben zu erkennen, sobald ich ihn nur erblicke. Was immer Sie mit Ihrer Sendung hier vorhatten, es war sicherlich Nichts Gutes. Ich möchte wissen, was das Päckchen, das an Mr. Phineas Hy am adressiert ist, enthält?"

Healp war eben von Cambridgeshire, wo er seine Erkundigungen eingezogen hatte, nach W*** zurückgekehrt und hatte auf dem Postamt eine wichtige Depesche London aufgegeben.

Ueber die Begegnung mit Otto Lynwood nachdenkend, suchte er das Unter­suchungsgefängnis auf, um mit Natalie eine ziemlich lange Unterredung zu haben, nach welcher er einen Wagen nahm und nach Kings-Dene fuhr, von einem ganzen Heer von Gedanken umdrängt, die immer und immer wieder ihn zu Otto Lynwood zurückführten, von dem er doch absolut Nichts wissen konnte. Oder wußte er vielleicht bereits mehr von ihm, als diesem lieb sein konnte?

43. Kapitel.

Hugh Cleveland schritt ungeduldig auf der Terrasse vor dem Hause auf und ab, als Healp in Kings-Dene eintraf.

Dem Himmel sei Dank, daß Sie gekommen sind!" rief er aus, als der Detektiv leichtfüßig aus dem Wagen sprang und auf ihn zueilte.Ich habe mich den ganzen Tag vor Ungeduld fast verzehrt und war unzählige Male versucht, mein Wort zu brechen und nach W*** zu Miß Egerton zu gehen."

Aber Sie haben es nicht gethan?"

Nein, ich dachte, daß ich ihr vielleicht besser diene, indem ich hier blieb und, so wie Sie rS mit rieten, Warren überwachte."

Der Detektiv nickte zustimmend.

Ganz recht. Hat sie einen Versuch gemacht, das Haus zu verlassen?"

Nein!"

Ein schlaues Weib!" rief Healp voll Bewunderung au«.Sie fühlt sich

sicher, daß kein Verdacht auf ihr ruht, und erlaubt sich daher kühn zu sein. Ich habe eben mit Miß Egerton lange über sie gesprochen."

Sie haben Natalie gesehen?" unterbrach Hugh ihn.Wie erträgt sie ihre

Lage?"

Nicht so mutig, wie im Anfang; aber das war vorauszusehen. Sie ist sehr gedrückt, fast trostlos; aber dennoch ist, glaube ich, hieran mehr die Sorge um ihren Bruder Schuld, als ihre eigene Gefahr. Ich ließ ihren Vater bei ihr zurück."

Er ist heute schon den ganzen Tag bei ihr. Die Last seiner Kümmernisse hat ihn völlig niedergebeugt und er ist in den letzten zwei Tagen um zehn Jahre gealtert. Wenn nicht bald eine Wendung zum Bessern eintritt, so tötet ihn der Kummer. Aber sogen Sie mir jetzt, was Sie den ganzen Tag gemacht haben?"

Healp schaute sich vorsichtig um, sich zu überzeugen, ob sie auch nicht be­lauscht wären, ehe er Hugh einen kurzen Bericht über sein Thun und Lasten während des Tages erstattete. Trotz der vielen Meilen, die er gereist war, sah er nicht im geringsten ermüdet aus, als er sagte:

Ich will das Ergebnis meiner Entdeckungen in Kurzem zusammenfasien. Vor Allem kann ich mit unverbrüchlicher Sicherheit die Identität von Elise Warren mit Joyce Weston Nachweisen, sowie, daß diese eine Zeit lang mit Farquhar zu­sammen gelebt hat, weil sie sich einbildete, daß er sie im Ernste heiraten werde. Diese Thatsache ließ sie in einer Verkleidung nach Kings-Dene kommen, da sie ohne Zweifel von der Verlobung ihres früheren Geliebten mit Miß Egerton gehört hatte. Welche Absichten sie dabei verfolgte, ob sie Miß Egerton oder Farquhar, oder Beiden ein Unheil zufügen wollte, ist jetzt ganz unwesentlich. Noch ist eS notwendig, zu beweisen, daß sie es war, die die junge Dame zu erstechen versuchte, obwohl ich keinen Augenblick daran zweifle. Ihre Hauswirtin kann beschwören, daß sie eine Pistole in ihrem Besitz hatte, deren Beschreibung ganz genau mit derjenigen übereinstimmt, welche sich jetzt in dm Händen der Polizei befindet."

(Fortsetzung folgt.)