Fko. 59.

64. Jahrgang

Amts- unä Intelkigenzbkatt für äen

Krschrint Ztteustag, Ionnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Zamstag, öea 18. Mai 1889.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

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ganz Württemberg 2 70 H.

Deutsches Reich.

München, 17. Mai. (Dep. d. Cilwer Wochenbl.) Die Königin- Mutter ist heute morgen 8'/^ Uhr verschieden.

Essen-Ruhr, 15. Mai. Heute herrscht überall Ruhe. Morgen reist eine Deputation der Bergwerkbesitzer, bestehend aus Berg- afsessor Krabler, Geheimerat Hantel. Bergrat v. Oelsen nach Berlin, wo sich Dr. Hammacher, Vorsitzender des Bergbauvereins, ihnen anschließt, um eine Audienz bei dem Kaiser nachzusuchen. '

Die Abordnung der Arbeitgeber wurde heute Donners­tag vom Kaiser empfangen; auch die hierbei vom Kaiser an die Ab­ordnung gerichteten Worte sollen in authentischer Fassung publiziert werden. Es verlautet, der Kaiser habe dis Arbeitgeber unter Hinweis auf die finan­ziellen Nachteile des Streiks, sowie im Interesse des sozialen Friedens zur Nachgiebigkeit ermahnt. Die Abordnung der Grubenarbeiter hat heute mittag Berlin verlassen; darüber, ob die von ihnen erhoffte Besprechung mit den Arbeitgebern stattgefunden hat, verlautet nichts.

Essen, 16. Mai. Nach derRheinisch-Westfälischen Zeitung" wird die Lage in den Kohlenrevieren sichtlich besser, wenn auch eine wesentliche Veränderung roch nicht eingetreten ist. Auf vielen Zechen hat sich die Zahl der anfahrenden Arbeiter vermehrt, auf mehreren sogar erheblich, im Werden-Mülheimer Revier wird voll gearbeitet, obgleich in der gestrigen Versammlung der Bergarbeiter in Werden die Fortsetzung des Aus­standes und Beharren auf sämtlichen Forderungen beschlossen worden ist. Im Dortmunder Revier wird auf den ZechenKönigsborn" undWessen" voll gearbeitet, auf «ndern teilweise. Der Eindruck der Ansprache des Kaisers ist augenscheinlich ein tiefer.

Die Kohlenpreise haben eine außerordentliche Höhe erreicht, und einzelne Firmen, die über größere Vorräte verfügen, machen schöne Ge­winne. Ein Kohlenhändler aus Duisburg ließ, lautRh.-Westf.-Ztg." einen mit 16,000 Zentner Kohlen in voriger Woche von Duisburg nach Mannheim abgesandten Schleppkahn von Mannheim nach Köln zurückschleppsn, wohin die Ladung zu 200 der Doppelwagen verkauft ist; Nettogewinn an dieser einzigen Fahrt 8000 Eine Ruhrdorfer Firma soll 1000 Doppelwagen, wovon der Einkaufspreis 60 betrug, für 190 verkauft haben; Reinertrag 130,000 Flammkohlen gelten jetzt in den Ruhrhäfen mindestens 200

Ausland.

Paris, 15. Mai. Die Untersuchung gegen Perrin, der das Attentat auf Carnot verübt hat, ist beendigt, der Untersuchungsrichter hat

die Akten dem Staatsanwalt übergeben. Perrin, welcher einen blinden Schuß abfeuerte, wird nicht vor das Geschworenengericht gestellt: für die Sache ist vielmehr das Zuchtpolizeigericht zuständig.

Hages-WeurgkeiLen.

(Amtliches.) Unter den in das Seminar zu Nagold aufgenommenen Pcäparanden (Staatsanzeiger Nr. 110) ist nachzutragen: B euttler, Georg, von Unterreichenbach.

Stuttgart, 16. Mai. Gestern abend fand Seitens des engeren Komites der städt. Kommission der bürgerl. Kollegien für die Jubiläums­feier (Vors. Kommerz. Reiniger) eine vorbecatende Sitzung bezügl. des Fackelzugs statt. Dem Vernehmen nach soll die Zugsrichtung folg, werden: Sammlung im Hofe der Jnf.-Kaserne l, von da au» durch die Paulinenstraße, Marienstraße, Königrstraße, Königsbau, Kafö Bechtel, ohne Aufenthalt durch den Schloßhof, über die Plante, Charlottenstr., Olgastr., Wilhelmsstr., Wilhelmspl., hier würde sich der Zug auflösen. Nach den bis j<tzt eingelaufenen Anmeldungen von gegen 80 Vereinen und Körperschaften wird der Zug eine mächtige Ausdehnung erlangen.

Stuttgart, 16. Mai. Die Beerdigung des Obersts und Brigade­kommandeurs Frhr. A. v. Röder fand gestern nachmittag mit großen mili­tärischen Ehren statt. Vor dem Trauerhause waren eine kombinierte Schwa­dron des Ulanenregiments König Karl Nr. 19 mit dem Musikkorps und das l. Bataillon des Gcenadierregiments Königin Olga Nr. 119 mit der Fahne und dem Musikkorps in Front aufgestellt. Als der Sarg erschien, präsen­tierte die unter Generalmajor Frhrn. Schott v. Schottenstein stehende Mann­schaft die Trauerparade uni die Musik spielte einen Choral. Im Trauer­hause, der Wohnung der Mutter des Verstorbenen, hatte zuvor Prälat Dr. v. Müller Gottesdienst gehalten, dem neben den Verwandten und den höchsten Offizieren auch Ihre Kais. Hoheit Frau Herzogin Wera mit den Prinzessinnen Olga und Elsa anwohnte. An der Spitze des Leichenzugs ritt Generalmajor v. Schott mit dem Adjutanten. Die Kapelle des Ulanenregiments, den Beet- hoven'schen Trauermarsch spielend, und hinter ihr die ganze Schwadron folgte. An sie schloß sich das Grenadierbataillon, dessen Tambours dumpfe Wirbel schlugen, während die Kapelle ebenfalls den Trauermarsch spielte. Neben dem mit Blumen bedeckten Sarge gingen 8 Wachtmeister der roten Ulanen, der Adjutant des Verstorbenen trug auf einem Kissen dessen Orden nach. Es folgten die Leidtragenden, die drei Brüder, Major im General­stabe Frhr. v. Röder, Rittmeister im gelben Dragoner-Regiment Frhr. v.

DeuMeto«.

Aerschl'ungene Jaden.

Roman aus dem Englischen von Hermine Franke« st ein.

(Fortsetzung.)

Diesen ganzen Tag und auch den nächsten wich der Doktor fast nicht von dem Krankenlager Sir Ralph's und am Abend war er im Stande, zu erklären, daß der Baronet sich bedeutend besser befinde. Die Betäubung war von ihm gewichen, er konnte wieder sprechen und verstand, was um ihn her vorging.

Die Haushälterin, die ihrem Herrn aufrichtig ergeben war, hatte sich als seine Wärterin installiert und war außerordentlich aufmerksam und unermüdlich in seiner Pflege; nichtsdestoweniger schaute sie der Baronet von Zeit zu Zeit mit un­säglich traurigem Blick an und seufzte dabei schwer auf. Er dachte an das hold­selige, junge Geschöpf, das ihm, seit er es zuerst erblickt hatte, so namenlos teuer geworden war. Undankbar, eine Irrende, wie Adrienne sich auch erwiesen hatte, konnte er sie dennoch nicht von dem Platze verbannen, den sie noch immer in seinem Herzen einnahm.

Ehe es Zeit zur Tafel war, ließ Otto den kleinen Kutschierwagen anspannen und sprach seine Absicht aus, nach W*** zu fahren.

»Ich denke, ich kann es wagen, meinen Onkel für eine Welle zu verlassen?" bemerkte er zu Doktor Seaport, welcher zufällig zugegen war, als er den Wagen bestellte.

O, ja. ES ist keine Gefahr vorhanden, daß während des Abends eine Ver­schlimmerung eintritt."

»Ich werde nicht lange ausbleiben, höchstens anderthalb Stunden," sagte der junge Offizier.

Er fuhr nach dem Postamt, stieg vor demselben ab und ließ den Wagen in der Obhut des Reitknechts zurück. Als er das Postamt betreten wollte, ließ ein schlanker, mittelgroßer Mann, der vor ihm eintrat, die Thür auf ihn zufallen.

Ei, zum Henker, warum passen Sie nicht auf, was Sie thun!" rief Otto zornig, ohne die wortreiche Entschuldigung Hsalp's, denn er war der Missethäter, zu beachten. Dann ging Otto hinein, eine Bemerkung vor sich yinmurmelnd, die keineswegs schmeichelhaft für den Detektiv war.

Hauptmann Lynwood scheint nicht in der rosigsten Laune zu sein," bemerkte ein Mann, der in dem Postamt anwesend war und den Zwischenfall beobachtet hatte.

Ist das Hauptmann Lynwood?" fragte Healp leise, voll Interesse, und als er dann neben dem jungen Offizier am Schalter stand, betrachtete er ihn so lange und forschend, als wollte er sich seine Züge unverwischbar ins Gedächtnis einprägen.

Ich möchte dieses Packet aufgeben," sagte Otto, ein kleines, in braunes Papier eingeschlagenes Päckchen hervorziehend, das er nicht aus der Hand geben zu wollen schien, denn anstatt den Beamten die Adresse abschreibcn zu lassen, las er sie demselben laut vor:An Mr. Phineas Hyam, Blankstreet 5, London."

Das Päckchen wird heute nicht mehr befördert, Herr," sagte der Beamte in geschäftsmäßigem Tone.Die Londoner Post ist vor einer Viertelstunde abgegangen."

Wie ärgerlich!" rief Otto, von dieser Eröffnung offenbar sehr unangenehm berührt.

Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ein Recepisse über das Päckchen ausstellen und es morgen früh mit der ersten Post expedieren," fügte der Beamte hinzu.

Hauptmann Lynwood schien einige Minuten nachzudenken, dann sagte er, sich abwendend:

Nein, ich danke. Ich werde morgen selbst nach der Stadt fahren und eS dann mitnehmen."

Hauptmann Lynwood war offenbar zu keinem andern Zweck nach W*** ge­kommen, als um dieses Päckchen zu expedieren, denn als er das Postamt v.rließ, stieg er wieder in den Wagen und fuhr nach Hause.

Der Detektiv schaute ihm eine Welle nach und schüttelte wie mißbilligend den Kopf, als er seinen Blicken entschwunden war.

Wenn Sie auch ein Offizier sind, Hauptmann Lynwood, und Das, was die Leute einen Gentleman nennen," sagte er für sich, »so habe ich doch keine gute