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N-rnfpv-ch-v M». »S. 8». Jahrgang. Movnfpvcho» Nr. »».
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Mit dem Plauderstübchen, Jllustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
L SSL
Samstag den IS. Dezember
UoMische Hleberficht.
I« der FtKK»zk»««isfio» deS Reichstsg-
wsrde sei -er Beratung der Frage, ob die gestundeten Matrikularbeiträge auf das Reich übernommen werden sollen, von freistnuiger Seite zunächst eine „Veredelung" der Matrikularbeiträge gefordert. Der Schatzsekretär erwiderte hierauf, daß sich der Buvdesrat damit ernstlich beschäftigt habe, aber mit negativ:m Erfolg. Er sehe aber Anträgen aus dem Hans geru entgegen. Schließlich sprach die Kommisstou sich einstimmig dahin aus, daß die aus den Rechnungsjahren 1906—1908 hrrrührrudeu gestundeten Matriknlarbeiträge in Höhe von 144753000 ^ aus der Bedarfsrechrmng auszuscheideu seien. Doch ließ mau einstweilen »»entschieden, was mit ihnen geschehen soll. Die freisinnige Forderung betrkffcvd die Veredelung der Ratri- kularbriLäge wurde angenommen.
Die i« Wie« geführte» Brich a«dl««ge« des akademischen Senats der Prager deutschen Universität mit der Regierung find ergebnislos verlausen. — Die Professoren find uach Prag zurückgekehrt. Wie verlautet, wird mm auch der Senat der Prager deutschen Technik seine Demission geben.
A«S de« Hasg wirb gemeldet: Die Professoren des interuatwnalm Rechts und Mitglieder der italien scheu Deputiertmkawmer Fustnato und Majsrana find zu Mitgliedern des ständigen internationalen Schiedsgerichts i« Haag ernannt worden.
Nach englische« Meld««ge« ««- Marokko find in F z mehrere hervorrsgend: Einwohner jestgenommm, gefoltert und iaS G.fängais geworfen worden, infolge der Entdeckung eines Komplotts, das Mnlay Mohnmes auf de» Thron zu setzen bezweckte.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 10. Dez.
Etat. — Haußmann (südd. Vp.): Es wäre erst. wenn der Reichskanzler den Sitzungen der Bndget- komimsfim beiwohnen würde, um dort über die auswärtigen Beziehungen vertrauliche Mitteilungen zu machen. Andernfalls sollte man sich zur Information die Blaubücher von Paris kommen lassen. Wenn hier der Wunsch ansgeiprochm worden ist, daß die ausländische Presse reichlicher tusorm- iert werde, so Möchte ich seststellen, daß das Interview ein für alle Mal als ein recht ungewöhnliches Mttttl erscheint. Der Auffassung drS Reichskanzlers über- Leu japanisch- russischen Vertrag stimme ich bei. Die Casavlanca-Affüice ist erfreulicherweise nun in den SHiedssMcht?hasen eiuge- lanfen. Das Haage: SchiedSg^ cht soll sich ja auch «it der Frage der Fremdenlegion, dieser Reminiszenz anS der Landsknechlsze t, die in uvstre sittliche Auffassung nicht mehr paßt, beschäftigen. Ich lege entschieden Verwahrung dagegen ein, daß Herr von Holstein, dieser kleine Delcafsc, je wieder «ktto oder beratend au unserer äußeren Politik beteiligt wird. (Der Reichskanzler betritt den Saal). Selbstverständlich geui,ßm alle parlamentarisch regierten Länder wett «ehr das Vertrauen bei oer jungen Türket als Deutschland, diese konstitutionelle Monarchie mit despotischem Einschlag. Eine Konferenz ist sehr nützlich, wenn mau vorher einig ist, daun braucht man aber keine Konferenz. In dem Vorgehen Oesterreichs liegen mehrfache Bedenken. Die einseitige Aushebung eines Vertrages ist desh. besonders anfechtbar, werl di- Balkanstaa- te» nicht zu der Auffassung kommen dürfte», daß Verträge dazu da find, gebrochen zu werden. Nach den Tage» von Reval hat sich die Gruppierung der Mächte geändert. England kann zur Zeit nicht ein Objekt einer Annäherung für Deutschland sein. Wohl aber wäre unser Verhältnis zu Frankreich sehr ins Auge zu fassen. Die Spannung zwischen Deutschland und Frankreich ist wesentlich geringer geworden. In den letzten Jahren leider ist die uaiürltche Annäherung unterbrochen worden durch die unselige Marokko-Angelegenheit. Unser Scheinkoustitutioualismus schädigt uns den freien Stamm gegenüber. Ich weiß nicht, ob es nur eine Wendung oder ein Grundsatz war, den der Reichskanzler ausgesprochen hat, er könne nicht regieren, wenn er nicht das Vertrauen einer Mehrheit genieße. Den Gewerkschaften müßte bei rein gewerkschaftlichen Angelegen- heilen der Gebrauch der polnischen Sprache gestattet sein, nm Mißtrauen und Mißmut zu hindern.
Reichskanzler Fürst v. Bülow: Die Frage der internationale« Einschränkung der Rüstaugeu zur See ist von vielen Rednern berührt worden. Nur ist ein solcher Vorschlag au uns nicht herangetreteu. Wir haben die Einschränkung an sich stets für wünschenswert gehalten; nur au ihrer Durchführbarkeit haben wir gezweifelt. Allein
die technischen Schwierigkeiten erscheinen groß. Es handelt sich nicht nur um rein zahlenmäßige Abmachungen. Wo find die Kriterien? Würde es möglich sein, berechtigte und unberechtigte Jutereffen zu scheiden? Wir stehen aus dem strategisch ungünstigsten Platz in Europa. ES ist im Laase der Debatte gesagt worden, unsere äußere Lage ließe zu wünschen übrig. Sie würde in dem Augenblick, wo wir unsere Rüstungen beschränken, noch schlechter werden. Unsere Seerüstmmen stad gesetzlich festgelegt. Unsere Finanzlage schließt es völlig aus, daß wir über das Maß des gesetzlich Fchgelegten, und deS Notwendigen htuansgeheu. Herr Haußmann hat von eine« Manne gesvrochen, dessen Begabung, Treue v»d Patriotismus unter 4 Kanzlern sich bewährt hat. Ich weise die Angriffe gegen den Geh. Rat v. Holstein Zurück. Auch die Angriffe gegen das Auswärtige Amt weise ich zurück. DaS Auswärtige Amt ist ein mir unterstelltes Ressort, in dem ich keine Uuterströmunge« dulde. Oesterreich-Ungarn ist uns Jahrzehnte lang ein treuer Bundesgenosse gewesen. Erschweren wir ihm die Lage nicht! Lassen wir ihm keinen Zweifel über die Unerschütterlichkett unserer Büvdnistreue und 'über den Ernst, mit dem wir dieses Bündnis betrachten.
Staatssekretär v. Schön: Eine Fortsetzung des Weißbuchs von Marokko ist in Arbeit. Sie wirv dem Reichstag »och vor, jedenfalls aber kurz »qch dm Weihuachisfrriru zugeheu. D-e Emtgnug mit Frankreich erfolgte unmittelbar, nachdem der Bericht des frauz. Psltzeikommissärs in unseren Händen war. Augenblicklich würde eine Zurückziehung der Truppen aus China nur zu weitere; Unrnhender dorttgmBe- völkerungbeitragen. Frhr. vonMarschallhatseinenUrlaub nicht unterbrochen, um nicht den Anschein zu erwecke», als ob er tm Interesse der Ansrechierhaltnug des alten Regiments zurück- kehre. Deutschland wer die erste Macht die der Türkei ihre Sympathie ouLsprach. Der Vorwurf, die deutschen Schiffe hätten am Tage der VrrfassaugSerklärung nicht geflaggt, ist unbegründet. Ich hoffe, daß die unfreundliche Bmrteiluug, die unsere Diplomatie in letzter Zeit erfahr, sich wieder in das Gegenteil verwandeln wird. Eine BlutSauffrischuvg scheint auch mir erwünscht. Bezüglich der Geschäftsführung des Auswärtigen Amtes werden Reformen ansgearbeitet und wir hoffen, praktische Neuerungen ein- und durchführen zn können.
Zim nermaun (Rfp), bet dessen Erscheinen auf der Tribüne sich das Haus rasch leert — auch Fürst Bülow verläßt den Saal — geht ein auf die Besoldungsvorlage nnd empfiehlt wäter eine Mahlen-Umsatzsteuer.
Dröscher (k.) spricht über die Besoldungsvorlage, die eine Notwendigkeit sei. Die Beamten sollten aber ihre Forderungen auch nicht überspannt«. Die Besoldnngsrrform muffe mit einer grundsätzlichen organischen Reform verbanden sein. Der Hauptwert sei aus eine erhebliche Aufbesserung der Unterbeamten z« legen. Wir Konservative haben den ehrlich:« Willen, die Finauzvorlage und die von ihr abhängende Besoldnugsreform zu Staude zn bringen. Sollte die Ftuanzvorlage scheitern oder in einer Form zu Stande kommen, welche eS nicht gestattet, die Hoffnungen der Beamten in der gewünschten Höhr zu erfüllen, so mögen stch die Beamten dafür bet denen bedanken, die der Finanz- Vorlage unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten.
Beckh-Heidelbrrg ( -all.) bedaaert, daß die Besoldungs- reform in eine Zeit ungünstiger Finanzen fällt, die dazu zwingt, sich ans das notwendigste zu beschränken. Auch die Beamten würden Ansehen, daß sie sich mit ihren Forderungen einschränken müßten mit Rückficht ans die Steuerzahler. Jedenfalls aber muffe mau trotz der schwierigen Finanzlage dafür sorgen, daß den Beamten geholfen werde. Was den Wohnungsgeldzuschnß aulauge, so dürfte dieser nur ein Z aschaß zur Miete, nicht aber ei« Ersatz dieser sein. — Morgen Fortsetzung.
WtktteWtergifcher Landtag.
In der 1. Sitzung (Donnerstag) des wiederzufammeu- getretenen Landtags wurde, wie schon berichtet, eine Eingabe des Beteraueubundes Wülttemberg beraten; hiezu führte unser Herr Abgeordneter Schaible folgendes anS:
Meine Herren, wer schon längere Z:it im KrtegervereinS- wesen tätig ist, und wer schon seit Jahren die Unterstütz- ungSgesuche der Veteranen au die verschiedenen Ueterstütz- ungskaffen des Landes etnzuretcheu hat, drr ist wohl von drr Richtigkeit dessen überzeugt, was der Berichterstatter, der Herr Abg. Keil, gesagt hat, nämlich, daß die Mehrzahl der Veteranen den ärmeren Volk Massen augehöreu. Reine Herren, schon diese Urberzeugung genügt mir und veranlaßt mich, jede» Antrag zuzusttmmen, drr darauf .hiuanszielt, derijentgcu Männern, die seinerzeit für Deutschlands Ehre etugetcetm find und jetzt ergraut an der Schwelle des Alters stehen, für ihr Los Erleichterung za schaffen. Meine Herren.
1908
der Antrag des VeteranmbuudeS Wülttemberg zielt darauf
hinaus, und ich begrüße ihn lebhaft. Früher war es ja etwas schwer, die Beihilfen herauSzubekommeu, solange noch die Bestimmung getroffen gewesen ist, daß der Gesuchsteller vollständig vermögenslos and erwerbsunfähig sein müsse. M. Herrn, wenn einer völlig vermögenslos und ganz erwerbsunfähig ist, dann kann ihm auch eine Beihilfe von 120 ^ jährlich kaum «ehr helfen. Daß das in dm letzten Jahren milder geworden ist, ist von den Veteranen sehr gut ausgenommen worden. Aber der Umstand, daß fie sehen, der oder jener bekommt diese 120 ich bekomme sie nicht, und ich bin doch entschieden ärmer als der andere, ist geeignet den Glauben zu er- weckm, daß eS doch bei den Behörden vorkoAmen muß, daß die Sache bei der einen Behörde etwas leichter durchzeführt, oder leichter genommen wird als bei der anderen, und diese Ungleichheit führt zu vielen Mißstäudeu. M. Herren, die Veteranen find dankbar für allrs, was Ihnen gereicht wird. Wenn Sie aber abgew lesen werden, und eS heißt bei einem, er hat zu viel Vermögen und er steht stch daun um, nnd findet einen Kameraden-der mehr Vermögen b fitzt und der schon längst im Genüsse einer Beihilfe steht; daun kommt er eben wahrscheinlich zu der Urberzeugung, und das ist mir schon sehr oft gesagt worden, daß hier mit zweierlei Maß gemcffen werde. Wie das nun kommt, daß man sehen muß: der eine, der noch ein paar Stück Vieh im Stalle stehe» hat, der noch verschiedene Grundstücke hat und nicht viel Schulden auf seinem Anwesen, der bekommt diese Beihilfe, während ein armer Taglöhuer, von de« man überzeugt ist, daß er nichts hat, abgewiesm wird, gibt eben zn denken. Mir find derartigeFüle viel bekannt und da möchte ich insbesondere an S. Sxcellenz den Herrn Krtegsmiuister die Bitte richten, bei den BezirkSkommaudos dahin zu wirken, daß dort nicht zu viele Gesuche von der Hand abgewiesen werden, denn gerade bet diesen Stellen wandern viele Gesuche in den Papierkorb. Aber auch dort kann einmal eine Irrung Vorkommen, und ich möchte den Herr» Keiegsmtutster bitten, möglichst vieles an die höheren Stellen gelangen und dort untersuchen zu lassen, ob fie abzuweisen find oder nicht. Ich will absolut nicht die LezirkskommaudoS mit einem schwarzen Strich anstretchcu, aber tu der Prox S hat mau erfahren, daß eS oft so geht, ja in der Praxis steht «au oft: Ein Armer bekommt diese Retchsbeihilfe nicht, er ist schon wiederholt abgewiesen worden, während ein anderer, von dem mau weiß, daß er begüterter ist, st. seit Jahren bekommt. Ich bitte in dieser Beziehung Wandlung zu schaffen. Wen« nun die Eingabe des VeteranenbundeS Württemberg, wie fie in der Kommission beraten worden ist, darauf hinausgeht, die Eingabe der köutgl. Staatsrcgierung zur Berücksichtigung zu überweisen in dem Sinne: Die kövigl. S1aatkrcgi?rung möge im Bindesrat eiotreteu für eine baldige Revision des Art. 1 Ziff. 3 drS Gesetzes vom 22. Mai 1895 in der Richtung, daß die Gewährung der Veteranevbethilse nicht mehr von der Erwerbsunfähigkeit der Bedürftigen abhängig gemacht wird, so möchte ich mich hiefür vollständig aussprecheu, and mich dem anschließeu, aber nicht nur für diesen Absatz, sonder« ich befreunde mich auch für die nächsten beiden. Da nun ein Antrag gestellt worden ist von den Herren Abgeordnete» Liesching, Krant, Hteber, der die formellen Bedenken noch zu zerstreuen in der Lage ist, so möchte ich «ich in erster Linie dafür aussprecheu, für diesen Antrag zu sttmmm, und erst, wenn dieser keine Mehrheit finden würde, würde ich mich mit de« Kommisstonsbeschluß abftnden und für denselben stimmen.
Tages-Msuigkeilen.
Aus Stadt rmd Laud.
Na,vld. den IS. Dezember 1908.
Bortrag. Am letzten Dienstag abend hielt Stadt- Pfarrer Merz im evaugel. Arbeiterverein einen Bortrag mit dem Thema: „über Bismarcks Christentum". Der Redner zeichnete Bismarcks Entwicklung, den Eicflaß seiner Eltern, den Eindruck, dm Schleiermacher in Berlin aus dm Konfirmanden «achte. Der Religion?- und Koufirmavdm- unterricht den der große Theologe ihm gab, blieb unverstanden. Seine Studentenzeit war ein Dmchtreibm durch die Anschauungen aller und neuer Philosophen, besonders Spinozas; er blieb tu der Sackgaffe des Zweifels. Der mächtige Eindruck anS benachbartem Freundeskreise, eine edle kindliche Frömmigkeit, die sich tu ihrer Heiterkeit und Zuverficht auch im Sterben einer glücklichen jungen Frau anS diesem Kreise erprobte, und anderes, was Bismarck nicht offenbart, erschütterte seinen inneren Menschen. Er fand die Wahrheit i» Sturm nnd Kampf, durch seine kraftvolle Natur ging dennoch eine Umstrmung oder Umkehr hindurch, das Christentum gab ihm die Heiligung der Pflichterfüllung und das Beitraum in die Vollendung seines Lebens und
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