Ars. 57
64. Jahrgang
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Amts- unä Intelligenzbkatt süe äen Oezirk.
Erscheint Dienstag, L«»«er»tag L Famstag.
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Dienstag, äen 14. Mai 1889.
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Deutsches Reich.
Berlin, 11. Mai. Der Kaiser begab sich gestern nachmittag nach Potsdam, um in der dortigen Umgegend auf Rehe zu pürschen, und kehrte am Abend wieder nach Berlin zurück. Heute früh 9 Uhr traf der Kaiser in Potsdam ein, fuhr nach dem Stadtschloß, stieg dort zu Pferde und ritt nach dem Bornstädter Felds, wo die Besichtigung der drei Bataillone des 1. Garde-Regiments zu Fuß stattfand. Die drei Bataillone waren einzeln in Breit-Colonnen aufgestellt. Der Kaiser ritt die Front ab. Darauf folgte Parademarsch, bei demselben waren die Kompagnie-Chefs zu Pferde vor ihrer Kompagnie. Hierauf fand eine große Gefechtsübung statt und wurden dazu zwei Schwadronen des 1. Garde-Ulanen-Regiments und das ganze Leib-Garde-Husaren-Regiment alarmiert. Am Schluß Parademarsch in Kolonnen. Der Kaiser trug die Uniform des 1. Garde-Regiments; in dem glänzenden Gefolge befanden sich viele fremdherrliche Offiziere. Um 1 Uhr war die militärische Uebung zu Ende. Der Kaiser ritt nach dem Regimentshause des 1. Garde-Regiments, um daselbst im Offizierkasino das Frühstück einzunehmen.
Berlin, 10. Mai. Vom Jnvaliditätsversicherungs- gesetz bleiben nunmehr nur noch die Schluß-, Straf- und Usbergangsbe- stimmungen in zweiter: Lesung zu beraten. Dies soll in der morgigen Sitzung erledigt werden. Unmittelbar nach der Sitzung soll dann der Seniorenkonvent über den Tag des Beginns der dritten Lesung entscheiden. Für den Montag sind Wahlprüftuwen-in Aussicht genommen. Dis dritte Lesung des Jnvaliditätsgesetzes könnte vielleicht schon Ende nächster Woche beendigt werden und alsdann der Schluß des Reichstags erfolgen, da neue Vorlagen nicht mehr erwartet werden. Wie man in Reichstagskreisen annimmt, wird die Zahl derjenigen Centrumsmitglieder, welche schließlich für das Jnvaliden- gesetz zu stimmen entschlossen sind, erheblich größer sein als bisher meistens vorausgesetzt wurde. Manche Gegner des Gesetzes aus dieser und aus anderen Parteien sollen auch die Absicht haben, sich der Abstimmung zu entziehen, so daß vielleicht doch noch eine ansehnliche Mehrheit für das Gesetz zu Stande kommen könnte.
Braunschweig, 11. Mai. Zum Empfang des Kaisers prangt die Stadt bereits im Festschmuck, der seit gestern fertiggestellt ist, heute schon sind Tausende von Fremden anwesend, welche des Kaisers harren; indessen fehlt bis heute abend jede sichere Nachricht über den Zeitpunkt der Ankunft des Kaisers.
Köln, 9. Mai. Immer neue Arbeitseinstellungen im Kohlenrevier werden bekannt. Die Zahl der Streikenden beträgt bislang reichlich 50,000, also die Hälfte aller Bergarbeiter des Oberamtsbezirks
Dortmund. Der Tagesversand aus dem Ruhrgebiet ist von 9500 auf 4500 Doppelwaggons heruntergegangen. Der Kohlenmangel wird jetzt auch für die Eisenbahn fühlbar, wahrscheinlich wird eine Beschränkung der Eisenbahnzüge nötig, worüber laut der „Kölner Ztg." schon Beratungen im Gange sind. Der Generaldirektor der Zeche „Prosper" der Arenbergischen Bergbaugesellschaft stellte einer Streikdeputation möglichste Lohnbesserung nach aufgenommener achtstündiger Arbeitszeit in Aussicht. Die Deputation versprach für die Arbeitsaufnahme zu wirken.
Berlin, 13. Mai. (Dep. d. Calwer Wochenbl.) Der Kaiser konferierte gestern mit dem Kriegsminister und dem Minister des Innern über den Streik im Kohlenrevier, wonach sich ein Ministerrat anschloß. Eine Arbeiterdeputation von Dortmund, welche um Audienz beim Kaiser einkam, ist hier angekommen. Es liegen Anzeichen vor, daß der Streik bedrohlichen Charakter annimmt.
— In Berlin streiken die Bäckergesellen, sie verlangen Herabsetzung der Arbeitszeit auf 12 Stunden und 21 ^ Wochenlohn.
Ausland.
Paris, 12. Mai. Bei dem Bankett des Munizipalrats, das heute im Stadthause zu Ehren Carnot's stattfand, erwiderte Carnot auf die Begrüßungsmorte des Präsidenten des Munizipalrate«: Er danke, daß ihm die Gelegenheit gegeben wurde, alle zu begrüßen, die zu dem Glanze der Ausstellung beigetragen haben, Unter diesen Beteiligten hat die Stadt Paris in hervorragender Weise ihre Bemühungen von bisher unerreichtem Erfolge gekrönt gesehen. Diese bewundernswerte Stadt, worauf wir mit Recht stolz sind, dieser Bienenkorb von Arbeit, läßt sich nicht durch unfruchtbare Agitationen beseitigen, noch von der friedlichen Arbeit abbringen. Die Bevölkerung von Paris darf einen guten Teil unserer Anerkennung beanspruchen. Zwar sei die Arbeit noch nicht beendet, aber die noch übrige Aufgabe sei leicht, denn sie entspreche ganz dem Empfinden der gastfreien Stadt, die alle Gäste willkommen heiße. Alle Völker würden in Paris jene herzgewinnende Liebenswürdigkeit finden, die die Stadt so überraschend schnell für den Fremden in ein neues Vaterland verwandle. Alle Gäste würden Paris nicht ohne die tiefe Ueberzeugung verlassen, daß Frankreich für den Frieden der Welt, für Verbrüderung der Völker schaffe. Carnot trank schließlich auf die Stadt Paris.
Sansibar, 10. Mai. Wißmann stürmte am 8. mit 700 Schwarzen, unterstützt von'200 Marinemannschaften, das befestigte Lager Buschiri«. Buschiri ist entkommen, seine Truppen wurden zersprengt, 80 getötet, 20 gefangen. Deutscherseits sind Unterlieutenant zur See Schelle (von der „Schwalbe") und Matrose Fülle (von der „Leipzig") gefallen; von den
Feuttletsn. «»4^-°«°°..»
Verschlungene Jaden.
Roman aus dem Englischen von Hermine Franke« st ein.
(Fortsetzung.)
Der Detektiv untersuchte sie eingehend, dann sagte er:
„Wollten Sie die Güte haben, mir etwas heißes Wasser zu verschaffen?"
Die Frau willfahrte seinem Wunsche, holte eine Schale voll heißen Wassers und schaute dem Detektiv voll gespannter Neugierde zu als dieser sein Taschentuch darein tauchte und die auf die Schachtel geklebte Eisenbahnnummer damit betupfte. Sie witterte ein Geheimnis hinter alledem, das sie nur zu gern ergründet hätte.
Nach einigen Sekunden ließ sich die Nummer ganz leicht wegziehen, und unter derselben kam ein kleiner, aufgeklebter Zettel zum Vorschein, auf welcher in etwas unsicherer Schrift die Worte standen:
„Miß Joyce Weston,
Passagier nach Laxford."
„Laxford, Laxkord," murmelte Healp in nachdenklichem Tone, „das ist irgend wo in Cambridgeshire, einige Mellen von Cambridge entfernt, glaube ich."
Er notierte sich einige Worte in sein Notizbuch, reichte der Frau, die ihm die gewünschte Auskunft gegeben hatte, das Goldstück und empfahl sich höflichst, ehe sie, die vor Neugierde brannte, im Stande gewesen wäre, irgend eine Frage an ihn zu richten.
Auf der Straße angelangt, zog Mr. Healp eine Fahrordnung zu Rate; dieselbe besagte ihm, daß zufälligerweise bereits in einer Viertelstunde ein Zug gehen würde, den er benutzen konnte. So befahl er dem Kutscher, ihn in größter Elle nach dem Bahnhof zu fahren, wo er sich ein Billet nach Laxford löste.
Die Fahrt dahin dauerte etwa zwei Stunden und da er nur mit noch einer
Frau in vorgerückten Jahren im Koups saß, fing er mit derselben zu plaudern an. Durch geschickte Fragen hatte er bald erfahren, daß sie gleichfalls nach Laxford reise, woselbst sie schon seit zehn Jahren ein Putzgeschäft betrieb.
„Dann kennen Sie wahrscheinlich auch eine Familie, Namens Weston, die dort lebt?" fragte er.
„Weston? Es giebt mehrere Familien dieses Namens in unserm Ott. Welche meinen Sie?"
„Der Taufname des jungen Frauenzimmers, von dem ich spreche, ist Joyce."
„Aha, Joyce! Die Aermste!" versetzte die Frau in bedauerndem Tone. „Wissen Sie vielleicht, was aus ihr geworden ist?"
„Ja, sie ist irgend wo auf dem Lande als Kammerfrau bei einer vornehmen Dame."
„Das freut mich," sagte die Frau, die eine gutmütige Person zu sein schien. „Vielleicht bleibt sie jetzt brav, trotz Allem, was vorhergegangen ist."
Wieder stellte Healp seine Fragen so geschickt an die Frau, daß sie eS gar nicht merkte, wie er sie verhütte, und bald war er von Joyces Vorleben auf das Genaueste unterrichtet: — wie sie mit einem reichen Herrn nach London gegangen sei, wo dieser sie nach einiger Zell verlassen hatte, wie sie zurückgekommen, um einem Kinde das Leben zu geben, und wie sie mehrere Wochen darauf wieder fottgegangen war, das Kind unter der Obhut ihrer Schwester Lucy zurücklaflend.
„Lucy ist das beste, gutherzigste Mädchen, das je gelebt hat," fügte die Frau ihren Erklärungen hinzu.
So viel wissend, wurde es Healp bei seiner Ankunft in Laxford nicht schwer, die Wohnung der Westons aufzufinden. Als er daselbst eintrat, traf er Lucy mit einer Näharbeit in der Vorstube, während neben ihr die Wiege stand, in welcher das schlafende Kind lag.
Sie schaute überrascht auf, als sie des Fremden ansichtig ward, und bot ihm einen Sitz an, welchen er dankend annahm.