Aro. 54.

64. Jahrgang

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Erscheint Sieustag, As»»er»t«g L Samstag.

Die EinrückungSgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12

Dienstag, äen ?. Mai 1889.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

Deutsches Reich.

München, 2. Mai. Der Prinz-Regent hat als Geschenk für den Fürsten Bismarck seine Büste in Mnmor von dem Bildhauer Prof. Rümann in München ausführen lasten.

Ausland.

beginn verdächtig macht. Dieses ist nicht die Art und Weise, in welcher man englische Gastfreundschaft erwiedert." Deroulsde pflog heute eine Unter­redung mit dem General Boulanger. Am Abend reiste der Präsident der Patriotenliga nach Paris zurück.

Gcrgss-Weuigkeiterr.

Luxemburg, 3. Mai. Die Kammer erklärte heute die Regent­schaft für aufgehoben, so daß die Regierung nun wieder auf König Wil­helm lll. übergegangen ist. Darnach beschloß die Kammer eine Glückwunsch- adreste an den König wegen der Wiederherstellung seiner Gesundheit. Eine zweite Adresse der Kammer an den Herzog Adolf spricht ihm den tiefge­fühltesten Dank für die dem Lande geleisteten Dienste aus und hebt hervor, öaß die Geschicke seines Hauses nunmehr für alle Zeiten unlöslich mit Luxem­burg verbunden seien. Die Adresse wird dem Herzog durch eine Abordnung von 6 Kammermitgliedern überreicht werden. Viel besprochen wird die That- sache, daß die Adresse an den König mit tiefem Schweigen ausgenommen wurde, während die Adresse an den Herzog von der Kammer und den Tribünen mit Beifall überschüttet wurde. Die peinliche Erregung wegen der Abreise des Herzogs ergreift immer mehr alle Bevölkerungsgeschichten. Für heute abend wird dem Herzog ein großer Fackelzug gebracht. Die Abreise nach Frankfurt ist auf morgen festgesetzt.

Paris, 5. Mai. (Dep. d. Calwer Wochenbl.) Der Magazins­verwalter bei der Marine Psrrin feuerte in Champs ElysöeS zwei Rsvolver- schüsse auf den Präsidenten Carnot ab, der nach Versailles fuhr. Der Arretierte erklärt, nur mit Pulver geschossen zu haben, um die Aufmerksam­keit auf ihn zu lenken, wozu er sich durch gegen ihn verübte Ungerechtigkeiten veranlaßt sah.

Paris, 6. Mai. (Dep. des Calwer Wochenbl.) Perrin giebt an, daß er vom Gouverneur von Martinique ungerecht behandelt und nun mit Familie subsistenzlos sei.

London, 1. Mai. General Boulanger zog gestern aus dem Bristol Hotel in das von ihm auf sechs Monate gemietete Haus 51 Portlandplace. Der Verkehr des Generals mit den irischen Abgeordneten hat nicht verfehlt, in konservativen Kreisen peinliches Aufsehen zu erregen. General Boulanger", schreibt dieSt. James Gazette",ist auf dem besten Wege, ohne Zweifel, weil er es nicht besser weiß, sich recht unbeliebt in Eng­land zu machen. Er speiste am Montag im Hause der Gemeinen mit vier Parnellitischen Abgeordneten den Herren Justin M'Carthy, O'Kelly, A. O'Connor und Molloy. Die Freunde des Generals sollten demselben offen Mitteilen, daß diese überströmende Freundschaft für Leute, welche sich bemühen, ihr Land zu ruinieren, daß es nicht wieder gut zu machen ist, ihn von An«

Calw, 6. Mai. Der hiesige Gemeinderat hat anläßlich der Er­rettung Ihrer Majestät der Königin aus Lebensgefahr am 29. April an Ihre König!. Majestäten eine Glüäwunschadreffe erlassen, auf welche heute folgende Antwort eingelaufen ist:

Kabinet

Sr. Maj, des Königs von Württemberg.

Euer Wohlgeboren

bin ich auf die an Ihre Majestäten den König und die Königin gerichtete Adresse vom 29. v. Mts. mitzuteilen beauftragt, daß Ihre Majestäten durch die in derselben dargebrachten Glückwünsche des Gemeinderats Calw zu der glücklichen Errettung Ihrer Majestät der Königin aus Lebens­gefahr aufrichtig erfreut worden sind und den Vertretern der Stadt Calw für die durch die herzliche Anteilnahme aufs Neue bewiesene treue An­hänglichkeit gnädigst danken lassen.

Indem ich dieses mir erteilten Allerhöchsten Auftrags zu entledigen mich beehre, ersuche ich Euer Wohlgeboren, von Vorstehendem auch den übrigen Mitgliedern des Gemeinderats Kenntnis zu geben und beharre

hochachtungsvoll rc.

Stuttgart, Für den Kabinetts-Chef

den 4. Mai 1889. Geh. Legationsrat:

Hermann.

Seiner Wohlgeboren dem Herrn Stadtschullheißen Haffner in Calw.

-j- Calw, 6. Mai. Die jährl. Generalversammlung des Calwer Liederkranzes fand am Samstag abend im Badischen Hof statt. Der Vor­stand begrüßte die Erschienenen und gab einen Rückblick auf das zurückgelegte Vereinsjahr, er gedachte der Mitglieder, die der Verein durch den Tod ver­loren, hob die Fortschrittte des Sängerchors hervor, dankte allen Freunden und Gönnern des Vereins für die vielfache Unterstützung und besprach noch eingehend die Gründe, die die Sänger zur Anmeldung und Beteiligung an dem Wettgesang des Schwäbischen Sängerbundes in Göppingen veranlaßt hatten. Der Kassier trug sodann die Einnahme- und Ausgabeposten pro

1888 89 vor: ein Anstand ergab sich hiebei nicht, und einstimmig erteilte die Gesellschaft dem Ausschuß Entlastung; ebenso wurde der Etat pro

1889 90 genehmigt. Der Schriftführer gab einige Notizen über die Be-

Jeuilleton. N-chdn.-

Verschlungene Mden.

Roman aus dem Englischen von Hermine Franken st ein.

(Fortsetzung.)

Ah, dann ist das Zeugnis also eine Fälschung, was ich mir gleich gedacht habe, bemerkte der Detektiv für sich, das Telegramm in seine Brieftasche legend. Was das zweite Zeugnis betrifft, so ist Mrs. Selby vielleicht eine persönliche Be­kannte von Warren und ich will daher bei dieser keine Erkundigungen einziehen. Vorläufig weiß ich genug."

Er brachte den Rest des Abends damit zu, bei den Dienstleuten des Hauses alle erdenklichen Erkundigungen einzuziehm. Er befragte sie um die unbedeutendsten Kleinigkeiten und hörte voll Geduld die verschiedenen Meinungen an, die sie selbst über den traurigen Vorfall äußerten. Ohne sich irgendwie zu verraten, daß er eigentlich wegen Warren alle diese Fragen stellte, gelang es ihm doch. Alles über sie zu erfahren, was er wissen wollte. Es wurde ihm bald klar, daß sie bei der ganzen Dienerschaft nicht beliebt war. Alle erklärten sie einstimmig für sehr sonder­bar, weil sie nie irgend welche Gemeinschaft mit ihnen gemacht habe. Er erkundigte sich auch nach ihrem Anzug und erfuhr, daß sie sich immer schwarz kleidete, was je­doch nicht auffallend sei, well dies die anderen Dienerinnen auch thaten.

Ehe es Schlafenszell geworden war, kam Mr. Egerton noch einmal in das Zimmer des Detektivs, um zu sehen, ob es ihm an Nichts fehle

Ich danke Ihnen, mein Herr; ich benötige Nichts weüer," sagte Healp. Ich habe übrigens nicht die Absicht, heute nacht zu Belle zu gehen."

Wirklich? Und warum wollen Sie aufbleiben?" fragte der Squire überrascht.

Ich kann Ihnen meine Gründe hierfür jetzt noch nicht erklären, Herr; viel­leicht wird es später möglich sein."

Der Squire drang nicht weiter in ihn, sondern begab sich in die Bibliothek hinab, wo Hugh ihn erwartete. Die Beziehungen der beiden Männer hatten durch das Unglück einen freundschaftlichen Charakter angenommen. Mr. Egerton fühlte, daß Niemand sich mehr um Natalie's Befreiung bemühen konnte, als der junge Künstler es that, und es wurde daher alles früher zwischen ihnen Vorgefallene von beiden Sellen schweigend ignoriert, und Hugh nahm den Platz ein, den Lionel ein­genommen hätte, wenn er dagewesen wäre.

Der Squire gedachte seufzend Hugh gegenüber seines Sohnes.

Wohin er immer diese irregeleitete junge Frau gebracht haben mag, er wird von der Lage seiner Schwester hören und zurückkommen," sagte er, denn wie alle Anderen, deutete auch er Lionel's und Adrienne's gleichzeitiges Verschwinden als eine gemeinschaftliche Flucht. Natalie war die Einzige, die unerschütterlich an Lionel's Ehrenhaftigkeit und Lady Lynwood's Reinheit glaubte.

Auf Healp's ausdrücklichen Wunsch war ihm ein Zimmer auf demselben Korridor und ganz nahe von dem Warren's angewiesen worden. Nachdem im ganzen Hause sich Alles zur Ruhe begeben hatte und tiefste Stille herrschte, schlich er sich an ihre Jchür und schaute durchs Schlüsselloch hinein. Sie saß, den Rücken gegen die Thür gekehrt, vor einem Tisch, mit einer Näharbeü beschäftigt; was sie aber nähte, konnte er nicht erkennen. Der Detektiv beobachtete sie eine halbe Stunde lang, dann kehrte er in sein Zimmer zurück, ließ aber die Thür halb offen, damit er Alles hören konnte, was draußen vorging, setzte sich an einen Tisch und fing an, emsig zu schreiben.