46.

64. Jahrgang

Amts- und InteHuzenMutl für den Aezir^.

Erscheint Menstag, Aannerstag L Samstag.

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Dienstag, äen 16. Kprik 1889.

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Deutsches Reich.

Stuttgart, 13. April. Die Kammer der Abgeordneten hielt gestern zwei Sitzungen, eine von 9'/z1'/, Uhr, die zweite nachmittags 48 Uhr abends. In der Vormittagssitzung wurde mit der Beratung des Etats des Departements des Innern fortgefahren. Es handelte sich dabei zu­nächst bei Kap. 39 um die Ausführung des Reichsgesetzss vom Mai 1886 über die Unfallversicherung landwirtschaftlicher Arbeiter, wobei einige Ageordnete Sachs, Freiherr v. Her man, Hans v. Ow, Leemann, Bemerk­ungen und Wünsche formulierten und der Herr Staatsminister des Innern v. Schmid in längerer Ausführung teils zustimmend teils berichtigend erwiderte. Bei dem Kap. 40 Straßsnbauverwaltung brachte Na st die Ueberbrückung des Neckars in der Richtung von Cannstatt nach Stuttgart zur Sprache, und erhielt von dem Herrn Minister die Antwort, daß die Sache nicht bloß technische Bedenken habe, sondern daß die Frage der Baulast ebenfalls Schwierigkeiten mache. Er werde indes die Sach« mit Aufmerksamkeit ver­folgen. Nachdem noch über eine Eingabe von Straßenwärtern um Ge­währung einer Dienstkleidung verhandelt worden war, wurden von ver­schiedenen Rednern Wittich, Haffner, Leibbrand, v. Schall, Schnaidt, Rathgeb Wünsche zur Unterhaltung der Staats- sowie der Nachbarschaftsstraßen ausgesprochen. Schnaidt bittet in solchen Fällen, wo die Straßen in der Nähe von Steinbrüchen vor­beiführen, Kalksteine zur Beschotterung zu verwenden. Haffner dankt der Straßenbauverwaltung dafür, daß sie den Gemeinden zu Einwalzung der Ortsetterstraßen die Dampfstraßenwalzen leihweise zur Verfügung stelle. Die Erfolge seien sehr günstige, die Straßen dauernd bessere und der Auf­wand kaum größer als bei der früheren Beschotterungsweise. Er bedaure, daß Heuer kein Betrag für Anschaffung neuer Walzen eingestellt sei, damit sie von den Gemeinden öfter oder wenigstens im Frühjahr und Spätjahr benützt werden können, dadurch würde ihr Gebrauch sehr verallgemeinert. Bei Kap. 42 Flußbaufonds regte Leibbrand die Frage der Flößerei und der durch sie angerichteten Schäden an und sprach sich dafür aus, daß derselben über kurz oder lang überhaupt ein Ende bereitet werden sollte. Es entspann sich eine Debatte, in welcher sich noch Haffner, v. Luz, Schosser, Baur, Bleyer, Nußbaumer, Ege, v. Ellrichshausen beteiligten. Haffner spricht für die Aufhebung der Flößerei auf der Enz und Nagold und ihren Seitenbächen, wo 106 Wasserwerke in Thätigkeit seien, welche durch den Flößereibetrieb große Störungen und Schaden erleiden. Wenn der Wasserstand knapp sei. rufe jeder durchpassierende Floß bei den Wasserwerken eine Störung hervor, und wenn die Flöße in der Floßgasse

hängen bleiben, was auch nicht selten vorkomme, so müssen die Werke Stunden, oft halbe Tage lang stille stehen und die Arbeiter seien unbeschäftigt. Das in den Enz- und Nagoldthälern anfallende Holz werde zum allergrößten Teil von den dort befindlichen Wasserwerken verarbeitet, die Flößerei habe deshalb nicht mehr die volkswirtschaftliche Bedeutung wie früher und sei ganz ent­behrlich, wenn die für die Eisenbahnverfrachtung erforderlichen Holzabfuhr­wege hergestellt seien, für das obere Nagoldthal sei die Erbauung der Eisen­bahn von Nagold nach Altensteig die Voraussetzung. Er bitte den Herrn Staatsminister, diese für die Industrie des nordwestlichen Schwarzwaldes so hochwichtige Frage in Erwägung zu ziehen. Staatsminister v. Schmid versichert, daß Erwägungen wegen Aufhebung der Flößerei bereits angestellt worden seien. Die Flößerei auf der Nagold habe nicht ab-, sondern eher zu­genommen; es gehen im Jahr 54 Floße bis nach Heilbronn, 36 bleiben liegen, ehe sie nach Heilbronn kommen. Es müsse zugegeben werden, daß die Industrie erheblich durch die Flößerei geschädigt werde; auf der anderen Seite müsse man doch sagen: die Flößerei habe die Priorität für sich. Der Schaden, welchen die Industrie erleide, werde sehr verschieden berechnet. Eine Handels­kammer habe 109,000 im Jahr angenommen, ein anderer Sachverständiger aus dem Enzthal habe gesagt, man könne ruhig eine Null in dieser Rechnung streichen. Haffner dankt dem Herrn Staatsmtnister, daß er weitere Be­handlung der Frage wegen Aushebung der Flößerei in Aussicht gestellt habe und erwidert auf die Ausführungen des Herrn Ministers, daß die Flößerei auf der Nagold nicht ab- sondern zugenommen habe, daß diese von den Verheerungen, welche der Schneedruck 1886/87 verursacht habe, herrühre. Die Abnahme der Flößerei auf der Enz rühre davon her, daß in den dort gelegenen Forsten genügende Holzabfuhrwege hergestellt seien, welche in den Bezirken Calw und Nagold noch fehlen. Ueberrascht habe ihn die Bemerkung des Herrn Staats­ministers, daß der Besitzer eines der bedeutendsten Holzindustriegeschäfte des Enzthals gesagt habe, wenn die Handelskammer Calw den den Wasserwerken durch den Flößereibetrieb jährlich zugehenden Schaden auf 109,000 Mk. be­rechne, so könne man an dieser Summe füglich eine Null streichen. An dieser Berechnung haben zuverlässige Industrielle des Enz- und Nagoldthals mit­gewirkt, derjenige, welcher dem Herrn Minister die von ihm erwähnte Mit­teilung gemacht habe, habe die Berechnung der Handelskammer Calw entwe­der nicht geprüft oder nicht verstanden. Mit der Genehmigung der Exi- genzen für das Konradihaus in Schelklingen und die A. H. Wernerschen An­stalten in Ludwigsburg war der Etat des Ministeriums des Innern erledigt.

Berlin, 11. April. Reise des Kaisers nach England. Londoner Blätter wissen zu erzählen, der Kaiser werde zwar die Königin

AeuilleLan. «-4»-,.-

Werschlungeue Iäden.

Roman aus dem Englischen von Hermine Franken st ein.

(Fortsetzung.)

35. Kapitel.

Während diese Dinge sich in Kings-Dene zutrugen, saßen Sir Ralph und Dr. Seaport in Lynwood-Hall am Fenster des Studierzimmers, bis es so dunkel war, daß sie einander nicht mehr sehen konnten, und als nach einer Weile ein Diener eintrat und Lichter anzündete, ließen sie die Vorhänge zuziehen und setzten sich vor den großen Tisch, der in der Mitte des Gemaches stand.

Wo bleiben meine Frau und Otto nur?" Was kann aus ihnen geworden sein?" murmelte der Baronet endlich aufgeregt.Ich glaube, ich werde nach Kings- Dene gehen, vielleicht begegne ich ihnen."

Thun Sie es lieber nicht," wiederriet ihm der Doktor.Da von hier zwei Straßen nach Kings-Dene führen und nicht besprochen wurde, auf welchem Wege sie zurückkommen wollten, könnten Sie sie leicht verfehlen."

Sir Ralph sah die Richtigkeit dieser Bemerkung ein und ließ sich zum Bleiben bereden. Und wieder warteten die beiden Männer in schier athemloser Spannung, während Viertelstunde um Viertelstunde verrann.

Endlich, als es Mitternacht geworden war, sprang Sir Ralph in höchster Aufregung von seinem Sitz empor.

Ich kann nicht länger warten, diese Ungewißheit ist zu qualvoll« Ich muß nach Kings-Dene, selbst auf die Gefahr hin, sie zu verfehlen!" rief er aus.

Still!" sagte Dr. Seaport.Wenn ich mich nicht täusche, so. höre ich das Geräusch von Wagenrädern!"

Das Geräusch kam näher und näher; der Wagen schien offenbar sehr schnell zu fahren. Einige Minuten später wurde die Thür heftig aufgeriffen und Otto stürmte ins Zimmer.

Was hast Du? Was ist geschehen?" rief sein Onkel aus, der aus seinem bleichen Gesicht und verstörten Aussehen sofort erkannte, daß er sich in heftiger Aufregung befand.

Er beantwortete diese Frage mit einer anderen:Ist Adrienne hier?"

Adrienne?" wiederholte Sir Ralph in bestürztem Tons.Sie ging ja mit Dir; ist sie jetzt nicht mit Dir zurückgekommen!"

Nein. Wir gingen wohl zusnmmen nach Kings-Dene, aber während ich dort Etwas mit einem Reitknecht besprach, verschwand sie und ich habe sie seitdem nicht gesehen. Ich glaubte, sie wäre vielleicht allein hierher zurückgekehrt."

Das hat sie nicht gethan. Sie muß noch in Kings-Dene sein," sagte Sir Ralph, aber er sprach in eigentümlich schwankendem Tone, als wisse er selbst nicht recht, was er sagte.

Otto schüttelte den Kopf und warf sich, wie von Zweifeln gepeinigt, auf einen Stuhl.

Nein, sie ist nicht in Kings-Dene!"

Es enstand eine Pause, Sir Ralph schien buchstäblich erstarrt zu sein. Otto befand sich offenbar in heftigster Aufregung, und selbst Dr. Seaport, obgleich ihn die Sache persönlich nicht berührte, fühlte, daß dies eine Krisis für die Familie Lynwood bedeutete.

Aber was kann aus Lady Lynwood geworden sein?" fragte er.Es muß doch eine natürliche Erklärung für ihre Abwesenheit geben."

Ich weiß keine," versetzte Otto in leisem Tone.Ich hoffte gegen alle Wahrscheinlichkeit, daß sie einer plötzlichen Laune nachgegeben habe und allein nach Hause zurückgekehrt sei, wie unwahrscheinlich das auch gewesen wäre. Aber vielleicht," sprang er von seinem Stuhle auf,hat sie es doch gethan und ist in diesem Augen­blick in ihrem Zimmer. Ich will gehen und Nachsehen."

Und ohne abzuwarten und zu hören, was die Anderen sagen würden, verließ er die Bibliothek, kehrte aber in einigen Minuten mit einem Schmuckkästchen zurück, dessen Deckel aufgeschlagen und welches leer war.

Sie ist nicht dort," sagte er,aber ich fand dieses Kästchen offen dastehen