«2. Jahrgang.
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Auf Grund drr zweiten höheren Dieustprüfung im Departe« «ent de« Innern ist u. a. der Kandidat Albert Benz von Nagold für befähigt erkannt und zum RrgierusgSafsessor bestellt worden.
Der deutsche Gewerkschaftskongreß.
(Nachd. Verb.) 8. u. 8. Hamburg, 27. Juni.
In der letzten Sitzung am SamStag erhielt das Wort der Reichstagsabgeordnete Rodert Schmidt-Berlin zu dem Thema: „Die Organisation zur Erziehung der Jugend." Der Referent führte eus: Den Anlaß zur Erörterung der Frage gab die Abgrenzung der Tätigkeit der Gewerkschaften und der Partei für die Jugcndbildung, und auf der anderen Seite die Rechtslage, die durch die Reichsverelnkgesetzgebung geschaffen worden ist. Wir habe« uns in der Partei und den Gewerkschaften spät mit der Frage beschäftigt und deshalb ist die Jugendorganisation vielfach in Bahnen geleitet, die uns nicht als richtig erschcinen. Auch wirtschaftliche Fragen sprechen s-hr für eine Fürsorge, um die Aufklärung der Jugend hrrbeizusühreu. Wir hatten nach den Fabrikinspcktionsber^ chtm in Deutschland im Jahre 1906 insgesamt 413 654 jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen in der Industrie beschäftigt; 1896 betrug die Zahl nur 249 248; mithin ist in 10 Jahren eine Zunahme von 65°/° zu verzeichnen. In noch stärkerem Maße ist die Kinderarbeit gestiegen. Die Zahl der beschäftigten Kinder stieg in den genannten 10 Jahrcn von 6312 auf 10 867, al'o eine Zunahme von 104"/°. Die Zahl der Arbeiter im Alter von 16 bis 21 Jahren ist nicht ermittelt, wird aber immerhin auf 290000 zu veranschlagen sein. Die Zahl der Arbeiterinnen von 16 bis 21 Jahren betrug 426 200. — Die außerordentliche Zunahme jugendlicher Arbeiter in der Industrie weist uns mit Notwendigkeit auf die Aufgabe hm, hier unseren Einfluß nach verschiedenen Richtungen hin geltend zu machen. Wir müssen den Lehrlingen Schutz und Unterstützung bieten, vor allen Dingen dm eUrrnloseo, die ohne jede Fürsorge Kästchen. Mit der steigenden Ausnutzung der jugendlichen Arbeitskräfte in der Industrie erhöhen sich auch die Gefahren für Leben uns Gesundheit. Bei diesem stark n Eindringen der Jugendlichen in die Industrie hat die Schule vollständig ihre Aufgabe versäumt. Sie läßt den jungen Menschen ohne Information über die Rechtsverhältnisse, ohne Aufklärung über die Gefahre« des Berufes und der Berufsarbeit. Hier müssen wir naHh^fw und das ersetzen, was die Schule tmsäumt hat. Ein Ansporn, auf diesem Gebiete tätig zu sein, ergibt sich aach aus der großen Zahl der Mitglieder in den evangelischen und katholischen Vereinen. Unsere Organisation der jugendlichen Arbeiter steht gegenwärtig hinter den älteren Einrichtungen der bürgerlichen Parteien weit zurück. Der Redner bespricht dann den Anteil der Jugendlichen au der Kriminalität und meint, daß auch aus diesem Gebiet versuch: werden muffe, im Interesse der Bewegung selbst auf die Erziehung einzuwüken, damit Leute heraugebildet würden, die Halt und Charakter genug hätten, um den Kampf ums Dasein aufzunehmeu. Der Redner wandte sich sodann g-gen die antinulitaristische Agitation in den Jugendorgammtionen, wie ste in Frankreich, Belgien und
Die weiße Nelke.
KriminalrsMan von I. Kanlbach.
(Kortfetzittig) (Nachdr. veid.)
Der Vormittag war noch nicht weit vorgeschritten, als Meta Heuzen schon eintraf und sich beim Staatsanwalt Eeydel melden ließ. Sichtlich erfreut empfing er das Mädchen und giug mit ihr in sein Zimmer. Ihre erste Frage galt natürlich Elisabeth.
„Es geht leidlich," berichtete Scydel, „eine Diakonissin iß fttt heute früh bet ihr; so kann ich wegen ihrer Pflege ganz beruhigt sein, ste ist merkwürdig schwach. Und ich fürchte," sagte er ernster werdend, „daß wir diese große Schwäche vi-l mehr den Aufregungen der letzten Zeit, als der Wunde zuschretöen müssen, die verhältnißmäßig gering ist, wie mir der Arzr versichert."
„Wie gern würde ich Sie um die Pflege Fräulein Seydkls bitten, Herr Staatsanwalt," sagte Meta warm, „doch ich bin meinem Batrr nötig, — er ist schwerkrank seit mehreren Wochen."
Seydel sagte ihr ein paar Worte der Teilnahme, die ihm jedoch nicht von Herzen kamen. Nach allem, was er von Henzen wußte, empfand er eine Abneigung gegen ihn und hatte schon ein paarmal zu seiner Tochter gesagt, daß er Meta aufrichtig beklage.
„Nun aber, Fräulein Henzen, setzen Sie sich dorthin,
Dienstag dm 30. Juni
Holland gepflegt wird und die leider auch in Deutschland I
eine zeitlang in der Organisation drr „Jungen Garde" Anklang gefunden. Es äußert sich hier ein Stich politischer Romantik, die in der Jugend so reichen Anklang findet, aber gerade für Deutschland ein außerordentlich gefährlicher Boden der Betätigung für unsere Jugend ist. Wir wollen die Jugend nicht dahin führen, daß sie sich den Kopf einrenni, au der stählernen Wehr des Militarismus. Die „Junge Garde" soll vielmehr zu überzeugten Anhängern Md Kämpfern für die moderne Arbeiterbewegung erzogen werden, aber nicht sich selbst planlos in den Kampf stürzen. Der Redner empfiehlt eine ganz freie Bewegung ohne BereiuSbildung, vor allen Dinges unter ständiger Aufsicht und Leitaug erwachsener Personen. Zum Schluß legte Schmidt folgende Resolution vor: „Der Kongttß hält die Forderung der Btldungsbestrebungeu der Jugendlichen insbesondere die Einfuhr urig in die politische und gewerkschaftliche Tätigkeit für eine wichtige Aufgabe im Emanzipatiouskampfe der Arbeiterklasse. Diese Aufgabe wird erreicht werden durch die Veranstaltung guter Borträge, durch Veranstaltungen ernsten und auch heiteren Inhalts, durch Sport und Spiel, sofern die Teilnahme hieran nicht za einer Sportsexerei aüsartet. Die Bildnng einer besonderen Jugendorganisation scheint nicht erforderlich, vielmehr werden die Gewerkschaften für ihre jungen Mitglieder in besonderen Veranstaltungen die Bildung und Erziehung der Jugend fördern. Die Teilnahme an den Veranstaltungen soll unentgeltlich gewährt werden. Die wirtschaftliche Interessenvertretung bleibt nach wie vor lediglich Aufgabe der gewerkschaftlichen bezw. politischen Organisationen".
Wokittfchs Hlsverftcht.
Im Reich-schatzamt zn Berti« fanden gestern Besprechungen öder die Reichsstnauzrcform statt, an -denen auch die einzelstaatlichen Muanzminister teilnahmeu.
Der Bnndesrat hat in seiner letzten Sitzung dem Entwurf von Bestimmungen über die Statistik des Verkehrs Md der Wafserstände auf den deutschen Binnenwasserstraßen sowie der Vorlage, betreffend die Abänderung der Verordnung über das Verfahren und den Geschäftsgang des kaiserlichen Asffichtsamts für Privaiverstcherung, die Zustimmung erteilt. Annahme fanden ferner die Vorlage, betreffend die Erhebung von Wechsel- und Scheckprotesten durch die Postverwaituug, und der Entwurf einer Verordnung über die Klasseneinteilung der Militär beamten des ReichsheerS und der Marine. Der Vorlage wegen Zulassung von Börsen- termtngeschäfteu in Anteilen von Bergwerks- und Fabrik- unteruehmuogeu wurde zugestiwmt.
Der dentsche Botschafter in Konstantiuopel Freiherr Marschall von Bieberstein, deutscher Delegierter bei der letzten Friedenskonferenz, ist im Haag eingetroffcn und hat zur Unterfertigung der Akten den holländischen Minister des Aeußern besucht.
Der preußische Landtag ist durch den Minister- , Präsidenten Fürsten von Bülow durch Verlesen einer könig- > lichea Botschaft eröffnet worden. Die Sozialdemokraten feyt-
mir gegenüber Md erzählen Sie mir noch einmal ausführlich die Geschichte von gestern abend. Den Schurken, der mir dies Leid zrrgefügt hat, soll die schärfste Strafe treffen.
„Wenn wir ihn nur finden, Herr Staatsanwalt," meinte Meta zweifelnd. „Es wird sehr schwer sein, ich werde ihn nicht wiedererkeuneu."
„Wie kam eS, daß Sie meine Tochter fanden?"
„Ich wußte aus dem Briefe des .Apostels, daß ste u« acht Uhr am Jsvaltderiparke sein würde. Wie ich Ihnen gestern schon erzählte, hatte Fräulein Seydel meine Begleitung entschieden zurückgewiesen. Als nun der verhängnisvolle Abend kam, — o Gott, und welch ein Unwetter dazu! — da saß ich am Bette meines Vaters in einer fast unerträglichen Unruhe. Ich sprang oft ans, ging planlos hin und her, sah in das tosende Wetter hinaus und setzte mich wieder auf meinen Platz. Meine Stimmung wurde immer verzweifelter; die schlimmsten Befürchtungen quälten mich. Ich sah immer die Gegend vor mir, wo Fräulein Seydel den Menschen treffen sollte; es war, als ob die Angst mir lauter Schreckbilder zeigte. Endlich hielt ich es nicht länger aus, so ruhig fitzen zu bleiben, während Fräulein Scydel einer drohenden Gefahr eutgegeuging. Ich lief hinunter zu Frau Freytag und flehte ste an, bet meinem Vater zu wachen; es könnte spät werden, bis ich zurück- kthrte, sagte ich ihr, aber eS handele sich um einen Gang von größter Wichtigkeit. Die alte Frau Frcytag, dir eS wohl ahnen mag, daß ich in der letzten Zeit häufig für
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teu zunächst, erschienen aber später zur Sitzung des Abge
ordnetenhauses, wo ste sofort zwei Anträge stellten, die Einstellung der Festungshaft des Abg. Liebknecht und die Einstellung eines Privatklageverfahrens gegen den Abg. Leiuert fordernd. Gegen die Lesung der Gehaltsvorlage für die Geistlichen erhoben die Sozialisten auch Widerspruch, fanden aber nicht die erforderliche Unterstützung. Im Herrenhaus wurden gestern zwei Sitzungen abgehalten; tu der ersten wurde das bisherige Präsidium wiedergewählt und in der zweiten das Pfarrer-Besoldungsgesetz einstimmig angenommen. Das Gesetz soll vom 1. April d. I. ab rückwirkende Kraft erlangen. Die Erträgnisse MS den Umlagen sollen zur Besoldungsverbrsserung der evangelischen Geistlichen bestimmt sein und den Alterszulagekassen überwiesen werden mit der Ermächtigung, daraus Gehaltsvorschüsse zu zahlen an bedürftige Geistliche und an solche, die in der sicheren Annahme, daß die Erhöhung der Pfarrbesoldung erfolgm werde, geldersordernde Dispositionen namentlich im Interesse ihrer Kinder, getroffen haben.
Der r«ffische ReichSrat hat mit großer Mehrheit die vor einiger Zeit von der Duma abgelehnteu Kredite für diu Bau von vier neuen Panzerschiffen genehmigt.
Da- norwegische Storthiug hat auf Antrag der Regierung die Einführung einer Abgabe von 25 Oere für jede Registertonne ausgehender Erzschiffe beschlossen.
I» englische» parlamentarischen Kreisen fit es unliebsam ausgefallen und kritisiert worden, daß die Abgeordneten, die sich im Unterhaus gegen die Revaler Begegnung ausgesprochen haben, zu dem letzten Gartenfest in Windsor nicht etngeladen worden find.
I« der spanische« Depntiertenkammer erklärte der Minister des Aeußern, Spaniens Aufgabe in Marokko sei es, dahin zu wirken, daß der Sultan, gleichgültig wer dies ste, die Sicherheit von Leben Md Eigentum der Spanier schütze. Auch habe Spanien mit Marokko völkerrechtliche Verträge abgeschlossen, deren Jnnehaltung und Ausführung es unter Beobachtung striktester Neutralität in dem Kampf der beiden Sultane verlangen müsse. Ja Spanten scheint mau sich also bereits mit dem Gedanken an eine eventuelle Anerkennung Mulay HafidS vertraut gemacht zu haben.
Der Schah hat zum Herrn seiner in Kriegszustand versetzten Hauptstapt den russischen Obersten Liakhow gemacht, dem er freie Hand gab, mit aller Strenge gegen das Volk vorzugehen. Mau glaubt hierin den letzten Beweis erblicken za müssen, daß der russische Einfluß in Persien dte Oberhand gewonnen hat. Die Zahl der Gefangenen im königlichen Lager wächst fortgesetzt. Der Fiuauzminister Md und seine Familie haben Zuflucht in der italienischen Gesandtschaft genommen, einige Mitglieder des Parlaments in der französischen. Die Zahl der Personen, die Zuflucht in der englischen Gesandtschaft nehmen, steigert sich. I» Täbris dauern die Straßenkämpfe mit Unterbrechungen fort. Die Plünderungen nehmen zu, und in der ganzen Stadt herrscht völlige Anarchie.
Nach Meldungen an- Marokko verlautet, daß Bu Hamara in Fez eiugetroffen ist. Ben Hekar ist in Taza angekommen und ist Ms dem Weg nach Fez mit ' einer starken Mahalla. Eine Bewegu ng gegen Mulay Hasid
Fräulein SeydelS Sache beschäftigt gewesen bin, erfüllte meine Bitte. Und so konnte ich gehe».
„Wie endlos mir der Weg erschien, wie lgngsam die Straßenbahn vorwärts kam — für meine Ungeduld, — das kann ich Ihnen nicht auSmaleu. Mir sagte fortwährend eine innere Stimme: du kommst zu spät! Bon der Haltestelle der Bahn, wo ich ausstieg, bis nach dem Invaliden- parke lief ich, — flog ich beinahe. Meine grenzenlose Furcht hatte mich nicht betrogen: ich kam zu spät. Aufgeschrieen hätte ich am liebsten vor Schmerz, als ich Fräulein Seydel so wird erfand. Und als ich umherspähte, ob ich den Verbrecher nicht sehen könnte, bemerkte ich nur einen Menschen in einiger Entfernung, der nach dem Hamburger Bahnhof zu lause.: schien, er eilte so schnell, als ob Feuer hinter ihm wäre; and bald verlor ich ihn aus den Augen.
Sie hielt eine Weile inne. In hastiger Erregung hob und senkte sich ihr Busen, und auf ihren Wangen brannten heiße Flecken.
In sich versunken saß drr Staatsanwalt da. Endlich ergriff er Metas Hand und drückte ste stamm; zu reden vermochte er nicht in diesem Augenblick.
„Es war vielleicht wenig besonnen von mir," fuhr Meta fort, „daß ich nicht au die Verfolgung des Menschen dachte. Aber an wen hätte ich mich wenden sollen? Niemand war auf der Straße zu sehen in dem Wetter, das wie rasend wütete. Hätte ich in dem Augenblicke furchtbarster Bestürzung nachgedacht, dam würde ich auf den