82 . Jahrgang.
Auflage 2800 .
»rsch »int tiftltch «U «ur»ah«r drr »v«u> v»tz grfltagr.
Prri» vi«trljLH«ltch tztr« 1 «tt LrS,rr« krhn 1,20 ^S. i« »»ttrS« «»d 10 kw-»«!khr 1.2V t« «brigr» «ürtirmbne l.,v «ouatr»bor»«««mtr «ach «rrhSltus,.
Der Geskllsihllstrr.
Ms- M Mti-t-M str den Ommts-SeD WM
I-vnfpxech-* M». »«. I«knfp»ech« M». »».
»n,rigeu<U«VLH»
f. d. Ispalt. grilr «»» »ewöhnl. Gchrift ^rr deren Rau» dri l»«l. Ginvücknn, lg bri m»tzr«altvrr entspreche»- Siabatt,
Mit du» Plaudrrßkdchr» »xd
«chwäd. 2a»d«irt.
14S Mittwoch den St. Zuni 1»0«
Amtliches
Vekarrutmachrmg
betr. die Vornahme einer freiwillige«
Maß- ««d Gewichtsvifitatio».
Von Anfangs Juli au findet in den Gemeinden: Beihingen, Berncck, Böfiugen, Ebershardt, Effciage», Egenhausen, Emmingen, Gaugenwald, Gültlingeu, Haiterbach Iselshauseu, Mudersbach, Oberschwandorf, Obertalheim, Rotfelden, Schietiugen, Schönbronv, Spielberg, Sulz, Unterfchwandorf, Untertalheim, Walddorf, Wart und Wenden
eine freiwillige Maß- ««d Gewichtsvifitatio« statt.
Dir Ortspolizeibehörde« werden veranlaßt, die in Betracht kommenden Gemeindeaugehörigen — Kanfleute, Wirte, Handwerker — zur Teilnahme an der Visitation aufzufordern.
Nagold, den 23. Juni 1908.
K. Oberamt: Mayer. Reg.-Aff.
Politik der Regierung doch in immer weiteren Kreisen auf skeptische Betrachtung stößt. Tatsächlich ist auch durch die neue Erklärung PtchouS größere Klarheit über die Abfichten der Regierung nicht geschaffen worden. Es verlohnt daher auch nicht, näher ans die zum Teil sehr erregten Vorgänge während der Debatte und auf die einzelnen Reden einzu- geheu, die ja doch über kurz oder laug eine Wiederholung finde« werden.
Die Bereinigten Staate« v»« Amerika find der Pariser Konvention über dir Unterdrückung des Mädchenhandels vom Mai 1901 beigetreten. — Nachfolger Tafts als Staatssekretär des Kriegs wird Luke Wright von Tennessee, der früher Botschafter in Tokio war. — Auf einem Schlachtschiff sandten die Vereinigten Staaten 400 Martue- soldaten und sechs Feldgeschütze nach Panama, um während der Wahlen in Panama die Ordnung aufrecht zu erhalten. Damit find bereits 800 Marinesoldaten nach dem Isthmus unterwegs. Vielfach hegt man wegen dieses großen Aufgebots Mißtrauen. Man befürchtet, daß die Vereinigten Staaten Armexionsgelüste haben.
Rach Meidnnge» a«- Marvkko hat St Aiffa beu Omar, der Minister des Aeußeren Mulay HasidS, an die Gesandten der fremden Mächte ein neues Schreiben gerichtet, in dem er den Einzug Mulay Hastds in Fez au- zeigt »cd ersucht, daß die fremden Mächte Mulay Haftd als einzigen und wahren Sultan anerkennen möchten. Die Gesandten haben fich darauf beschränkt, dieses Schreiben ihren Regierungen zu unterbreiten. — Wie General d'Amade meldet, find bet Paironillenritten von Settat und Berreschtd bis zwei Meilen vor Azemmur die Reiter tu dem ganzen durchrittenen Gebiet ausgezeichnet empfangen worden. Was will mau also noch mehr?
sprechen. Der Minister erwähnte zunächst, daß in dem von Liesching vor acht Tagen übergebenen Material auf drei Vorwürfe, nämlich der Versündigung gegen den Schönheitssinn, des schablonenhaften Vorgehens bezügl. der Straßen- steignugSvrrhältuiffe und der Straßenbreiteverhältuiffe, aus guten Gründen nicht mehr zmückgekommen werde. Liesching werde fich inzwischen von der Unhaltbarkeit dieser Vorwürfe überzeugt haben. Der Minister besprach dann eingehend die ihm mitgetellten 5 Fälle. 1. Baugesuch eines Tübinger Bierbrauereibefitzers vom Jahre 1896. Der Minister kam zu dem Ergebnis, daß das ganze Verfahren eine Unkorrekt- heit nicht erkennen lasse. Bon einer Einwirkung des Prinzen Weimar sei selbstverständlich nicht die Rede. Sollte der Bierbrauer eine hierauf bezügliche Aeußeruug getan haben, so sei das bedauerlich nnd auf Unkenntnis der Verhältnisse zurückzuführeu. Wenn aber ein angesehener Abgeordneter, wie Liesching, eine solche angebliche Aeußerung wenn auch unter gewissen persönlichen Verklausulierungen in diesem Hause öffentlich weitertrage und das als allgemein verbreitete Ansicht und als zutreffend bezeichne, so iei eine solche Diskreditierung und Herabwürdigung der obersten Baupolizeibehörde und des Ministeriums eine ebenso schwere, als jeden Schattens einer Begründung entbehrende. Ehreu- kränkung. 2. Fall: Ballgesuch an der Neckarhalde in Tübingen. Ein Blick in die oberamtlicheu Akten hätte genügt, um zu zeigen, daß die schriftlich eiugekommeuen Einsprachen den Gemeindekollegien mitgeteilt worden find und daß eine Aeußeruug der bürgerlichen Kollegien über die Einsprache verlangt worden war. Im 3. Fall wurde die am 14. April 1903 erfolgte Ablehnung eines DiSpen- sationSgesuchs betr. ein HauS der Hohenstaufia in Tübingen nicht von Liesching, sondern von eine« dritten in einem gewissen Zusammenhang »tt der von der Kammer abgelehnten am 2. April 1903 beschlossenen Ablehnung der Verwandlung einer Ratsstelle bei der Hochbauabtetlung in eine Oberraisstelle gebracht worden. Wenn ein solcher Vorwurf, — wenn die Ablehnung aus diesem Grunde erfolgt, so wäre das erbärmlich — den Liesching fich nicht zu eigen macht, gegen die höchstgestellte Baupolizeibehörde und das Ministerium erhoben werde, so sei das ein Vergehen, für dessen Bezeichnung ein parlamentarischer Ausdruck fehle. In diesem Falle hat Liesching unter Umgehung des Oberamts ein Dispensatiousgesuch direkt an das Ministerium gerichtet, das das Gesuch an die zuständige Behörde überwiesen hat. Dieses Gesuch ist abgelehnt worden und zwar scheint dem Minister das heute noch begründet, daß ihm kein Fall bekannt geworden sei, in dem unter solchen Verhältnisse« eine Dispensation erteilt worden wäre. Wäre das Gesuch genehmigt worden, so hätte man das dem Einfluß Lieschings zuzuschreiben. Auch hier liegt nicht der Schatten einer Unkorrektheit vor, die Sache habe nun auch noch den schon erwähnten politischen Hintergrund, indem man wegen der Ablehnung der Oberratsstelle der Hochbauabteilung bezüglich ihrer Ablehnung des Dispensations- gesnchS den Vorwurf gemacht habe, daß fie nicht ans sachlichen Gründen, sondern aus Haß und Mißgunst dieses Gesuch abgelehnt habe. Wer solche Motive, sagte der
UoMischs Hl-Verflcht.
Ei«e Vorlage über die Haftung de- Reiche-
für die Versehen sttver Beamten beschäftigt zurzeit den Bundesrat. Die entsprechende preußische Vorlage ist bekannt- lieh durch den Schluß der Session unerledigt geblieben, wird aber wieder eingebracht werden.
Der Brmdesrat hat dem Beschluß des Reichtags vom 8. Januar d. I. betreffend die Einführung von Handelsinspektoren keine Folge gegeben. Zustimmung fanden die Ausschußanträge zu dem Entwurf von Vorschriften, betreffend den Verkehr mit Essigsäure, zu der Vorlage, betreffend die Unfallversicherung der Seefischer und zu der Vorlage, betreffend Aeuderungeu verschiedener Bestimmungen über die Schlachtvieh-und Fleischbeschau. Die Reichstagsbeschlüsse vom 28. April dieses Jahres zu Petitionen um Aufhebung der Fahrkartensteucr und Einführung einer Steuer auf Zündhölzer sowie betreffend die zweite Haager Friedenskonferenz wurden dem Reichkauzler überwiesen.
Eine Eingabe «« Herbeiführung völliger Sonntagsruhe ist an den Reichst-g gerichtet worden. Neben dem deutschnationaleu Handlungsgehilfen-Verband in Hamburg, der die e Eingabe veranstaltete, haben auch Kreisvereine und Mitgl eder des Verbandes Deutscher Handlungsgehilfen in Leipzig Unterschriften gesammelt. Es Unterzeichneten 103408 Gehilfen, 15880 weibliche Angestellte und 9187 selbständige Kaufleute.
Die Marokko-Debatte i» der französische« Deputicrte«ka«mer hat wie vorauszusehen war, wieder mit einem Vertrauensvotum für die Regierung geendet. Bemerkenswert ist jedoch, daß üb er 250 Deputierte teils gegen die Tagesordnung gestimmt haben, teils sich der Abstimmung enthielten. Es ist das e n Zeichen dafür, daß die Marokko-
Pirli»«tirischt Nachrichten. WSrttembergifcher Landtag.
r. St«ttaart, 23. Juni. Der Zweite» Kammer
ist heute eine Eingabe der bürgerl. Kollegien von Reutlingen zugegaugeu, die fich gegen eine Fortsetzung der Ermstalbahn von Urach nach Münfiugen ausspricht, bevor die Zahnradbahn Hovau—Lichtcnstein in eine Adhäfionbahu umgebaut ist.
In der fortgesetzten Beratung der Bauordnung wurden zunächst eine Unzahl von Abstimmungen uachgeholt, die eine halbe Stunde in Anspruch nahmen. Sie ergaben die Annahmen der in unserem Bericht über die SamStag- fitzung aufgesührten Anträge des Zentrums zu dem Art. 79 vnd des Antrags Kraut zu Art. 82 betr. die staatliche Bau- aufficht und die Ueberwachuug der Einhaltung der Anordnungen zum Schutz der Bauarbeiter. Bei Art. 83a nahm daun die Verhandlung eine unerwartete Wendung.
Minister v. Pischek, der schon zu Beginn der Sitzung eine Unterredung mit dem Abg. Liesching (Vp.) gehabt hatte, in deren Verlauf man die beiden Herren lebhaft gestikulieren sah, kam auf. die. von Liesching gegen die Hochbauabteilung des Ministeriums erhobenen schweren Vorwürfe zu
Die weiße Nelke.
Kriminalroman von I. Ka«lbach.
(8«rtsrtzung.) (Nachdr. »erb.)
Mit erneuter Gewalt sausten die Windstöße durch die Straße und zwangen Elisabeth, im Gehen innezuhalten und Atem zu schöpfen. Dann schritt sie wieder eine Strecke weiter. Ganz nahe klang nun das heulende Rauschen der Bäume des Parkes au ihr Ohr. Angstvoll suchten ihre Augen den Mann, dessen Brief ihren Gedanken, ihren Ver- mulunmn, ihrer Hoffnung ein neues Ziel gegeben hatte. War sie töricht gewesen, seinem Rufe zu folgen? — Ach, der heißeste Wunsch ihres Herzens, des Geliebten Unschuld ans Licht zu bringen, war ja viel mächtiger in ihr, als alle Bedenken und Zweifel gewesen. Jetzt erst, in dieser dunklen Stunde, da sie' wehrlos allen möglichen Gefahren preisge- geben war, gewannen die Gespenster einer namenlosen Furcht Gewalt über sie. Wenn der Mann str dennoch betrog! Allmächtiger Gott! Wenn Metas Befürchtungen recht behielten! Die Knie wollten ihr brechen, so furchtbar traf sie der bloße Gedanke an einen Betrug, — au eine Vernichtung ihrer so schwer erkauften Hoffnung! Noch einmal ging fie vom Parke aus nach der Richtung der Jnvaliden- Straße zu. Da war eS ihr, als hörte ste Schritte hinter stch; und zu gleicher Zeit st st der Schatten eines MauueS in den Lichtkreis einer Laterne. Elisabeth wandte fich um, denn fie glaubte fest, daß der.Apostel' ihr nun endlich gegenübersteheu werde. Da — fie versuchte vergeblich, das
Gesicht zu erkennen, fie wollte sich de« Manne nähern, aber mit der Schnelligkeit eines Gedankens war er hinter fie getreten, und noch ehe fie von der Erschütterung eines ver- zweiflungSvsllen Entsetzens hatte ergriffen werden können, sank fie, von einer blitzenden Waffe getroffen, zur Erde nieder; nur noch ein leises, ächzendes Stöhnen — und fie lag ganz still, ganz regungslos auf dem nassen Straßeu- pflaster, nahe am Eingang des vom Sturm durchrauschten, dunklen Parkes.
-i- *
Um neun Uhr kam der Saatsanwalt Seydel nach Hause; er war tagsüber mit Berufsarbeit überhäuft gewesen und sehnte fich nun nach einem gemütlichen Abend mit seiner Tochter.
Seine erste Frage galt natürlich ihr, als er ins Wohnzimmer trat und fie dort nicht fand.
„Fräulein Seydel ist noch nicht zurück," berichtete die Magd; „es war sieben Uhr vorüber als ste fortgtng."
Unwillig runzelte Seydel die Stirn.
„Wohin ist meine Tochter gegangen?" fragte er scheinbar gelassen, während er Unruhe und Sorge in sich aufsteigen fühlte.
„Ich weiß es nicht."
Er wandt- fich um, damit das Mädchen seine Verstimmung nicht bemerkte.
„In solchem Wetter! Allein, — diese verwünschte Selbständigkeit!" stieß er heraus, nachdem die Magd gegangen war. Er sah aus de« Fenster; ein Gemisch von Besorgnis und Aerger erfüllte ihn. Draußen war immer
noch dasselbe düstere Bild: Regenschauer und Sturm, die von Wasser überschwemmte Straße, die unruhig flackernden Flämmchen der Laternen, die der nasse Asphalt widerspiegelte.
Seufzend setzte fich Seydel in seinen Lehnstuhl an de« Tisch und versuchte, die Zeitung zu lesen. Wohl dreimal laS er einen Absatz, ohne ihn in sich aufzunehmen. Nach jeder Spalte, die sein Auge überflog, zog er die Uhr. Endlich warf er die Blätter auf den Tisch; er stand vom Sessel auf und ging im Zimmer auf und ab, dessen Stelle ihm unerträglich wurde. ES war jetzt zehn Uhr, und Elisabeth noch immer nicht daheim. Seine Augst hatte den anfänglichen Zorn auf seine Tochter allmählich bestegt. Wo war ste? Es sah ihr gar richt ähnlich, daß ste ihm keine Nachricht über ihren Aufenthalt h'.nterlaffen hatte; so weit war ihre Eigenmächtigkeit nie gegangen. Noch einmal rief er die Magd herein.
„Haben Sie denn keine Ahnung, wohin meine Tochter gegangen ist? Hat fie Ihnen gar keine Bestellung an mich hinterlaffen?"
DaS Mädchen, das selbst eine große Bestürzung ü!>er Elisabeths Fernbleiben zeigte, erwiderte: „Fräulein Seydel sagte mir nur, daß ste notwendig etwas zu besorgen habe; denn ich wunderte mich, daß sie so spät noch bei dem Unwetter ausgehen wollte, ich habe fie gewarnt, Herr Staatsanwalt."
„Wo ist fie, wohin ist fie gegangen?" brach er endlich, von aller Beherrschung verlassen, angstvoll aus.
Ratlos stand die Magd au der Tür. „Wenn ich