82. Jahrgang.

Auflage 2600.

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UoMschs Hlsöerficht.

Die hochpolitische Auslassung derNordd. Allg. Ztg." wird iu den Berliner Blättern lebhaft er­örtert. So sagt diePost": Die offiziöse Auslassung ist von einem Kraftbewußtsein und einer Würde getragen, die an die besten Zeiten des ersten Reichskanzlers erinnert. Die kraftvollen Worte werden sicher dazu beitragen, auch den letzten Rest von Unruhe und Sorge im deutschen Volke zu beseitigen, denn sie geben ihm die Beweise, daß seine Geschicke in festen und starken Händen ruhen, die imstande find, die Interessen der Nationen mit Nachdruck zu ver­teidigen. Jeder Patriot wird dem Fürsten Bülow für sein mannhaftes Auftreten Dank wissen. DieTägl. Rundschau" führt aus: Die Regierung selbst proklamiert iu ihren Auslassungen die Politik entschlossener Wachsam­keit und hofft, dadurch den Frieden zu erhalten. Es ist nicht mehr wie billig, daß au dieser Wrchsamkeit und Ent­schlossenheit auch das Volk teiluimmt. Dazu gehört aber, daß mau ihm die Erkenntnis des Ernstes der Lage nicht durch Ableugneu und Versteckensptelen erschwert und ihm die vorübergehende Wolke bald als ein Wiesel, bald als ei» Kamel anzuseheu befiehlt. DieVossische Zeitung" meint: Der Kern der offiziösen Ausführungen liegt in der offenen Anerkennung der Tatsache, daß die internatioualen Beziehungen augenblicklich nicht die wünschenswerte Klarheit und Sicherheit zeigen. Deutschland wird den Krieg iu demselben Augenvl ck haben, wo seine Gegner glauben, daß es ihn nicht führen kann und daß eS ihn fürchte. Diesem Glauben tritt der Artikel derNorddeutschen Allgem. Ztg." ausdrücklich entgegen. Wir hoffen, daß die diplomatischen Schwierigkeiten, die anscheinend drohen, eine Lösung finden, welche den Völkern eine ruhige und gedeihliche Entwicklung gewährleisten. DerVorwärts" sagt: Wir können vur wiederholen, wenn schwierige diplomatische Auseinander­setzungen bevorstchen, dkse Schwierigkeiten zum sehr großen Teil die Folge einer schlechten auswärtigen Politik find. Weder Marokko, Türkei und Mazedonien find Fragen, die irgendwie Lebensintereffen des deutschen Volkes betreffen und die Knochen eines einzigen Grenadiers wert find.

Die Teil«ehr«er a» der parlamentarische» Ma- rirleiuformarioasreisx besichtigten am Sonnabend in Bremerhaven dm Fischereihafen und die Anlagen des Nord­deutschen Lloyd und später die Festungswerke an der Un­terweser. Gestern waren'sie Gäste des Norddeutschen Loyd an Bord des SchnelldampfersKronprü zeffin Cecilie."

Der schweizerische Nationalrat hat den Antrag Ms Einführung eines Buudesmsnopols für den Handel mit Getreide und Mehl ohne Widerspruch für erheblich erklärt, nachdem der Bundesrat sich mit dem Antrag einverstanden erklärt hatte.

Die Innsbrucker freiheitliche Studentenschaft

hielt eine Versammlung ab, in der einstimmig beschlossen wurde, den Generalstreik bis zur Schließung des Sommer- femesters als Demonstration gegen die Regierung fortzusetzeu.

Die weiße Nelke.

Kriminalroman vou I. «aulbach.

(8«rtfetz«»g.) (Nachdr. verb.)

Beschreiben Sie mir sein Neußeres genau", bat Eli­sabeth,damit ich ihn erkennen kann. Keim Macht der Erde wird mich von dem Gange zurückhalten."

Meta gehorchte und beschrieb di? Erscheinung des Apostels, dann aber brach das Mädchen leidenschaftlich aus:

Sie wagen fast unmögliches. und Sie wagen es um­sonst, ich möchte darauf schwören"

Und wenn ich wem Leben wagen müßte," unterbrach Elisabeth sie mit ruhiger Entschiedenheit,ich folge der Aufforderung. Machen Sie keinen vergeblichen Versuch mich zurückzuhalten. Wenn Sie mir dienen wollen, so sagen Sie mir alles, was Sie über den Apostel wissen."

Gern, ger«, aber es ist nur wenig. Als Modell habe ich ihn hin Md wieder in dm Ateliers getroffen; ich schien ihm zu gefallen, und er hat mir dann in plumper Weise vachgestellt. DaS beweist ja auch das Geschenk des Schmuckes. Km den persönlichen Verhältnissen des Men­schen weiß ich nichts, aber warnen muß ich ^ie immer wieder vor ihm, und wenn Sie durchaus grhen wollen, so gehr« Sie wenigstens nicht allein, lassen Sic mich mit Ihnen den Weg autreten, ich flehe Sir dar»« an, Fräu­lein Seydel."

Ich danke Ihne», Meta, aber es ist besser, wenn ich allein gehe, da er Sie kennt, so könnte ihn das vielleicht

Dienstag den 23. Juni

Die Nachricht von der Ernennung Professor Wahrmunds zum Professor der Kircheugeschichte in Prag ist auf die Be­schlüsse der Studentenschaft ohne Einfluß geblieben. Von München und Graz kamenM Studenten zum Besuch der freiheitlichen Studenten iu Innsbruck au.

I« der sremzöfische« Dep»tterte»ka««er begann die durch neue Interpellationen notwendig gewordene, schon vor Wochen augeküudigte Marokkodebatte. Man wünscht, vachdem das Parlament in allen Phasen des Marokko-Adeu- teuerS die Politik der Regierung gebilligt habe, auch jetzt wieder die Abfichtm der Regierung kennen zu lernen in be­zug auf die militärischen Operationen sowie auf ihr Ver­halten gegenüber den beiden Sultanen. Nach der Begründung von Interpellationen der Radikalen und der Gemäßigten sollte Jamss die sozialistische Interpellation begründen. Er forderte zunächst Auskunft über die neue Instruktion für d'Amade u. a. Minister Pichou entsprach diesem Wunsch. In den neuen Instruktionen für d'Amade wird betont, daß die jetzige Okkupation ihren provisorischen Charakter behalten solle und daß, nachdem dir Angriffe der Eingeborueu ein­gestellt seien, mit der Organisation von Eingebornenposten zu beginnen sei zur Sicherung der Ordnung im Schanjage- biet. Für die Reisen Fälliges uach Rußland, Schweden, Dänemark und Norwegen fordert die Regierung vom Par­lament einen Kredit von 400000 Frank.

Die jüngst in Belgien vorgeno«mene« Wnhle« zu den Prsvinzialausschüssen erbrachten einen weiteren Be­weis fdaför, daß die Klerikalen an Boden verlieren. Die Wahle« ergaben einen Zuwachs der antiklerikalen Stimmen.

Nach englischen Meldungen a«S Perfie« hat der Schah aus das Memorandum des Parlaments noch nicht geantwortet. Sein Hoflager erhalte Verstärkungen von den Stämmen. Der Schah sei nicht geneigt zum friedlichen Ausgleich und augenscheinlich entschlossen den Absolutismus wieder herzustellen. Die Kaufleute iu Teheran erklärten sich für Fortsetzung der Einstellung der Geschäfte. Aus Täbris wird berichtet, daß die Türken den Somalibezirk, 50 W-rst von Urmia, besetzt haben. Eine Kompanie türkischer Infanterie hat die strategisch wichtige Festung Tschakhrinkala besetzt. Die durch Kurden zerstörte Telegraphenverbindung wurde bisher nicht wieder hergestellt. Wegen des persisch- russischen Grenzzwischenfalles ist eine weitere Zahlung von 14000 Rubel an Rußland erfolgt. Die Mörder des rus­sischen Rittmeisters find von persischen Behörden bestraft wor­den. Rußland erachtet somit die Hauptpunkte seiner For­derungen für erfüllt und betrachtet die Strafexpedition als abgeschlossen.

Die chinesische Neziernng hat Frankreich gege­nüber ihr Bedauern über dir Grenzzwischeufälle und ihren Dank für die französische Unterstützung bei der Unterdrückung der Unruhen in China ausgesprochen und schlägt eine Un­tersuchung der Zwischenfälle vor. Wie aus Saigon gemel­det wird, haben zwei starke bewaffnete Banden der aufstän­dischen Reformisten die Grenze bei Laokay überschritten und mehrere Ortschaften gebrandschatzt. Es find französische Truppenabteilungen zur Zerstreuung und Entwaffnung der Banden abgegaugen.

veranlassen, mit feinen Mitteilungen zurückzuhalten; er schreibt ausdrücklich, daß er unerkannt bleiben müßte. Dazu wird er seine Gründe haben, denn sonst hätte er mich doch iu meiner Wohnung ausgesucht."

Meta traten die Tränen in die Augen Welch ein Mädchen war Elisabeth Seydel! Mit welchem Mut, welcher kühnen Uncrschrockenheir kämvfte sie um ihre Sache! Jede Waffe, auch die gefährlichste, ergriff sie, um zum Ziele zu gelangen, jedes Vorurteil, mit dem ihre gesellschaftliche Stellung sie eng umgrenzt hatte, riß sie nieder aus Liebe, aus Opfermut. Elisabeth sah, wie ihr unabänderlicher Ent­schluß Meta nahe ging, und es rührte sie. Während sie des Mädchens Hand in die ihrige nahm und ihr in die blaffen, überwachten Züge blickte, mußte sie unwillkürlich au das leidvolle Leben des jungen Geschöpfes denken. Wie war es hin und her geworfen wsrdeu von einem grausamen Schicksal, von niemand behütet, als von dem wunderlichen Vater, dem es innerlich fremd war. Keine liebende Hand hatte eS vom Abgrund reißen können, in deu die Sünde anderer es gelockt hatte, die Unschuld und Uuerfahrenheit schwächlich mißbrauchend. Elisabeth mußte staunen darüber, daß der Kern dieses Wesen? so edel geblieben war, daß weder die Schuld der Menschen, noch das Elend des LebmS ihn hatten verderben können.

Ich bin Ihnen so dankbar, Meta, liebe Meta, für alle Treue, die Sie mir in der schwersten Zeit meines Lebens beweisen," sagte Elisabeth aus ihrem tiefsten Empfinden heraus.Glauben Sie mir, Meta, das Bewußtsein einer

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Nach Meldnnzerr a«S Marokk» sollte Mulay Hafid am Freitag in Tanger zum Sultan ausgrrufes werden. Der Machseu, der rechtzeitig von diesem Plan in Kenntnis gesetzt worden war, hat 12 Führer der Hafidisteu festuehmen lassen. Durch ein starkes Aufgebot vou Geheimagenten und Polizetbeamten in und vor der Moschee ist die Pro!« lamierung verhindert worden. Es ist dies aber ein Er­eignis, Ms das mau sich jeden Augenblick gefaßt machen muß. Die Djebala-Stämme in der Umgebung von Tanger haben beschlossen, Mulay Hafid als Sultan anzuerkeuuen. und werden den Markt von Tanger verlassen, falls diese Stadt ihrem Beispiel nicht folge. Ferner beschlossen sie, die sechs Meilen vou der Stadt lagernde Mahalla des Abdul Afis avzugreifeu.

Gäbe deS österreichische« H»chsch«Istreiks.

Wie«, 22. Juni. Die gestrige Volksversammlung der freiheitlichen Studentenschaft der Wiener Hochschule, iu der auch Delegierte der freiheitlichen Studenten fast aller übrigen Hochschulen Oesterreichs vertreten waren, Hai sich mit großer Mehrheit für die Einstellung des Streiks und Wiederaufnahme der Kollegien mit dem heutigen Tage aus­gesprochen. In der Versammlung der Innsbrucker Studenten empfahl Professor Wahrmnud selbst eindringlich die Ein­stellung des Streiks, da dieser gegenstandslos geworden sei.

WürLtevrhergifcher Landtag.

In der Freitagssttzung hat unser Laudtagsabgeordneter Schaible zur Beratung der Bauordmuug bei Art. 70 d, Hebung und Schiebung von Gebäuden betreffend, nach dem stenographischen Bericht folgendes ausgeführt:

Meine Herrn! In der seitherigen Bauordnung find die Hebungen und Schiebungen vou Gebäuden eben m ter die allgemeinen Bauvorschriften gefallen, ohne besonders genannt zu sein; iu der neuen Bauordnung dagegen soll nach dem Antrag des Abgeordneten Keßler die Hebung und Schiebung von Gebäuden, eingeschaltet werden, so daß er damit sagen will, daß solchen Hebungen Md Schiebungen besondere Aufmerksamkeit zuzuwcuden ist. Er will dann auch das GeaehmigaugSrecht nicht der Gemeinde übertragen, sondern dem Oberamt. Er hat ans den Fall, der a« 5. April 1906 in Nagold vorgekommen ist, angespielt. Meine Herrn! Ich lege keine so große Bedeutung darauf, wer die Genehmigung zur Schiebung oder Hebung eines Gebäudes gibt. ES wäre in dem betreffenden Falle einerlei gewesen, ob das Oberamt, oder der Ortsvorsteher oder die Polizeibehörde die Genehmigung erteilt hätte; das Unglück wäre doch geschehen. Es ist eben einfach ein Unglück nnd ein solches kann iu Bausacheu immer wieder Vorkommen. Erst vor wenigen Tagen ist iu Mösstngen bei einem Fabrikumbau ein Dachstuhl eiugestürzt. Es hat dort geheißen, der Baumeister habe die Baukonstruktiou nicht gekannt von dem zu renovierenden Gebäude, also können wir und werden wir solche UuglückSfälle nie aosschalteu.

solchen Treue ist mir wie ein Talisman tu mancher Stunde des bittersten Kampfes."

Sie küßte Meta auf die Wangen, von denen die Tränen floffru.

Helfen Sie mir weiter iu der Sache Richards," bat Elisabeth weich. Eine unbestimmte Bangigkeit war trotz alles Mutes über ste gekommen. Meta vermochte nicht zu antworten. Mit leidenschaftlicher Innigkeit küßte ste Eli­sabeths Hände und versicherte ste durch diese Gebärde ihrer schrankenlosen Hingebung.

Fräulein Seydel erkundigte sich noch uach dem alten Henzeu und sprach Meta Trost und Geduld ein. DM» ging fie fort. Mit einem unbeschreiblich wehen, bangen Gefühl blickte das Mädchen vom Fenster aus der jungen Dame nach. Ja, fie, Elisabeth, war die einzige, der ste Richard Claaseu gönnte; für sie wünschte Meta neid­los seine Befreiung, wünschte ste mit heißem, inbrünstigem Verlangen.

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Der verhängnisvolle Dienstagabend, an dem die Be­gegnung Elisabeth SeydelS mit dem .Apostel' stattfinden sollte, war Heraugekommen.

Elisabeth hüllte sich in einen langen, dunklen Abend- mantrl und machte sich fertig für deu kühnen Gang. Jetzt, in entscheidender Stunde, konnte fie das laute Pochen ihres Herzens doch nicht beschwichtigen. Zuweilen ergriff ei» Gefühl namenlosen Grauens ste mit EiseSkälte. Wenn ihr NM wirklich, wie Meta fürchtete, Gefahr drohte? Wenn gar der schwere Gang ein vergeblicher wäre? Noch einmal