82. Jahrgang.
Auflage 2H»0.
Erscheint täglich Lül Ausnahme der TsNn. und Festtags.
Preis vierteljährlich hie» 1 ^k. mit Träger» ,4hn ISO im SeztrU« iirch 10 W»-B«r!ehr ttLS ^», M übrige» Württemberg 1.SS MouatSabonnnsrntL »sch «erhält»».
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Mit de» Plauderftübchen nnd
«ch»Sb. Landwirt.
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Amtliches.
Beka»utmach«»g der Direktion der K. landwirtschaftliche» Anstalt in Hoheuhei«, betreffend die Aufnahme t« die Gartenbanfchnle.
Auf den 1. Oktober werden in die hiesige Garten- banschule wieder zwölf Schüler zur Unterweisung in der Theorie und Praxis des Gartenbaus auf IZJahr ausgenommen.
Die Aufzuuehmenden muffen;
1. das 16. Lebensjahr znrückgelegt haben,
2. vollkommen gesund und körperlich entwickelt sein,
3. im Lesen, Rechnen und Schreiben gute, im Zeichnen wenigstens einige Fertigkeit, auch genügende Befähigung zum Auffaffen von gemeinverständlichen Lehrvorträgen besitzen,
4. eine gärtnerische Lehrzeit durchgemacht haben.
Jeder Bewerber hat eine Aasnahm P rüfung in den
Schul- und gärtnerischen Fächern abzulegen. Die 6 besten und bedürftigsten Bewerber werden als ordentliche Schüler, die folgenden 6 als außerordentliche ausgenommen.
Die Anstalt gewährt freie Wohnung und Verköstigung; die ordentlichen Schüler erhalten auch freien Unterricht, während die außerordentlichen htefür eine Gebür von 70 ^ zu entrichten haben.
Die Bewerber werden aafgefordert, unter Darlegung ihrer bisherigen Laufbahn, sowie unter Anschluß einer Geburtsurkunde, eines Impfscheins, eines ärztlichen Zeugnisses über ihren Gesundheitszustand, das sich auch über etwaige frühere, der Aufnahme hinderliche Erkrankungen zu äußern hat, gemrindrrätl'cher Zeugnisse über Heimrtrecht, Leumund und Vermögen, einer Urkunde über Einwilligung des Vaters oder Vormunds, auch, soweit sie im militärpflichtigen Alter stehen, unter Rachweisuug ihres MilitärverhältniffeS, sich spätestens
bis zum 11. Juli d. I.
schriftlich hier zu melden und sich sodann, wenn sie nicht ausdrücklich vorher zarückgewiesen werden, zur Aufnahmeprüfung am
Montag, den 20. Juli d. I., vormMags 7 Uhr,
hier eruzufiadm.
Hohenheim, den 13. Juni 1908.
Direktor Strebe!.
Bei der ersten Staatsprüfung im Baufach find u. a. Kandidaten für befähigt erklärt worden: Finckh, Erich, von Nagold, Staudenmeyer, Erwin, von Calw.
Die weiße Nelke.
Kriminalroman von I. Ka»Ibach.
(Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)
Heuzm versuchte, sich emporzurichten, seine Augen starrten mit einem Ausdruck entsetzlicher Qual in die leere Luft. Mit Todesangst sah Meta, daß die schrecklichen Zustände der Nacht ihn wieder bedrohten. Doch er war zu schwach; kraftlos sank er zurück, und zu Metas unendlicher Erleichterung schloß er die Augen. Sie hatte schon in der Nacht den Arzt holen wollen, doch mit wahrer Hast und fieberhafter Erregung hatte ihr Vater es ihr verboten. Nun graute ihr davor, allein und ohne Beistand mit ihm zu sein, wenn feine letzte Stunde herarmahte. Eben war fie noch mit diesem angstvollen Gedanken beschäftigt, als die Glocke an der Entreetür ertönte. Meta sprang vom Stuhle auf uud eilte fort, um zu öffneu. Wer konnte das sein — zu so früher Stunde? Es war erst nenn Uhr vorüber!
Sprachlos vor Ueberraschung stand fie nach wenigen Augenblicken vor Elisabeth Seydel.
Schrecken, Verlegenheit, Furcht kämpften in ihr; fie hatte Fräittein Seydel seit jenem verhängnisvollen Tage, au dem diese ihren Vater und fie selbst so namenlos erregt hatte, noch nicht wiedergesehen. Was konnte sie heute zu so früher Stunde hergeführt haben?
. - ?Eese angstvolle Frage malte sich in ihren Zügen, ohne daß sie fie asssprach. Uud nun stand Elisabeth vor ihr, a-emlos, mit hochklopfendem Herzen und in einer ihr sonst
Montag den 22. Juni
Eine offiziöse Regienmgserlliinmg zur politischen Lage.
Berlin, 19. Juni. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt in einem Artikel „Zur Lage":
„In der Beurteilung der politischen Lage macht sich vielfach Beunruhigung bemerkbar, die sich weniger ans greifbare Tatsachen berufen kann, als in der weitverbreiteten Unsicherheit darüber ihren Ursprung hat, ob sich etwa eine neue Konstellation bilden und die friedliche Lösung der schwebenden Fragen erschweren könnte.
„Es wäre verfehlt, wollte man leugnen, daß sich schwierige diplomatische Auseinandersetzungen ergeben können. Doch sollte man darüber nicht vergessen, daß man durch ängstliche und übertreibende Ausmalung möglicher Gefahren nicht den gesunden und sachlichen Lösungen vorarbeitet, die herbeizuführen ein allen Staaten gemeinsames Jutereffe gebietet.
„In den Zeiten der Erwartung, die wir gegenwärtig durchleben, drängen sich erfahrungsgemäß Elemente in den Vordergrund, die mit Lust Unheil stiften Wörden. Solche Zeiten find der geeignetste Nährboden für die haltlosesten Gerächte.
„Es bedarf nur einer flüchtigen Lektüre der Zeitungen, um sich zu überzeugen, mit welchem Eifer die Ausstreuung bösartiger Erfindungen betrieben wird. Die deutsche Politik hat aber besonderen Grund zur Wachsamkeit, da sich fast all; diese Gerüchte gegen fie als Angriffsobjekte richten.
„S^t Jahren fiud wir gewohnt, in Preßäußerungen als die Urheber des rusfischen-japanischen Krieges hingestellt zu werden. Es ist kein Wunder, daß mit dieser abgestandenen Geschichtslüge gearbeitet wird, deren dokumentarische Widerlegung ei» Leichtes Wäre.
„Sobald Fragen de? näheren Orients hervortreten, kann man hören, daß deutsche Ratschläge in Koustantinopel wirksam fiud, um das türkische Volk in kriegerische Stimmung zu versetzen. Von da ist es nicht weit zu Behauptungen, wie, daß die anarchistischen Zustände in Persien das deutsche Konto belasten, daß deutsche Unteroffiziere als Instrukteure nach Afghanistan geschickt wurden, daß wir unsere Stellung dadurch zu verbessern suchen, indem wir die islamitische Welt gegen Europa aufregen. Auch sollen wir eine Intervention in Russisch-Polen vorbereiten, heimliche Verbindungen mit Mnloy Hafid unterhalten rc. — alles Unwahrheiten, zu deren Unterstützung auch nicht die geringste Tatsache beigebracht werden kann.
Leider wird diesem Dreibund da uud dort auch in Deutschland durch Sensationslust Vorschub geleistet. In dem Augenblick, da die Frage des näheren Orients besondere Bedeutung hat, gehört eine erhebliche Leichtfertigkeit dazu, die gänzlich unbegründete Behauptung in die Oeffentlichkett zu werfen, daß der deutsche Botschafter in Koustantinopel, Frh. v. Marschall, abberusen werde uud durch General- iuspekteur Frh. von der Goltz ersetzt werden soll.
, völlig fremden Aufregung, so daß Metas Bestürzung sich j ! steigerte.
„Erschrecken Sie nicht, Meta," begann Elisabeth, „daß ich so früh schon hierhergeeilt bin, aber ich muß Sie sprechen, muß Sie um etwas fragen."
Unter diesen hastig herdorgestoßenen Worten folgte sie Meta in das Wohnstübchen.
„Was ist geschehen, — um Gottes willen?" brach Meta aus, die nicht mehr an sich hielt; die furchtbare Spannung drückte auf ihre Brust wie ein eisernes Gewicht.
„Nichts, was Sir beunruhigen könnte) Meta, aber hier, — sehen Sie hier diesen Brief, den ich heute morgen bekommen habe!" —
Mit bebenden Fingern entfaltete fie das Schreiben und las mit fliegendem Atem die folgenden Worte:
„Wenn Ihnen daran gelegen ist, sehr wichtige Mitteilungen über die Angelegenheit zu erhalte», die Ihnen am meisten am Herzen liegt, so finden Sie sich am Dienstag abend um 8 Uhr am Jnvalidenparke ein; das, was der Schreiber dieses Briefes Ihnen zu sagen haben wird, kann vielleicht zur Rettung des Mannes beitragen, den Sie befreien wollen. Der Unterzeichnete ist ans manchen Gründen gezwungen, Ihnen einen dritten Ort zur Besprechung voizuschlagen, weil er unerkannt bleiben muß. Ist Ihnen also Ihre Sache ein Opfer wert, daun erscheinen Sie am Bestimmungsorte. Der Apostel."
Meta erfaßte die beiden Hände Elisabeths mit schmerzhaftem Druck uud sah fie mit ihren großen, heißen Augen flehend an. „Um Gottes willen, Fräulein Seydel!" rief
1808
„Schlimmer noch als dies ist der Unfug, daß Aeuße-
ruugen, die der Kaiser im Kreise der Offiziere getan hat, in unbeglaubigter willkürlicher Form in die Presse gebracht worden find.
^oMische MeVerstchl.
Die Nevaler Mouarcheubegegu«ug hat, wie jetzt bestätigt wird, die Grundlagen für eine endliche Äerständi- gung in der mazedonischen Reformsrage gebracht. Rußland und England haben ihre gegenseitigen Reformvorschläge ausgeglichen und fiud untereinander zu einer Verständigung gelaugt, auf Grund deren, wie offiziös versichert wird, ein Zusammengehen der Mächte gesichert erscheint. Als nächste Etappe auf dem Wege zn einer allgemeinen Verständigung ist eine Konferenz der europäischen Mächte in Koustantinopel geplant.
Der österreichische Hochschulkouflikt ist ein täglich wiederkehrendcs Gesprächsthema auch für das österreichische Abgeordnetenhaus. Vor einigen Tagen fühlte sich bet einer solchen Gelegenheit der oft genannte Gras Sternberg veranlaßt, die Studenten „Lausbuben" zu neunen. Bon den schlagenden Studentenverbindungen wird ihm diese „Au- rempelung" einige Forderungen eintrageu. In der Kammer selbst führte die Entgleisung am Mittwoch zu stürmischen Szenen. Von mehreren Seiten protestierte man gegen die „unerhörte Beschimpfung der Studenten" und dagegen, daß fie vom Präsidenten nicht gerügt wvrden ist. Graf Sternberg suchte seine Unvorsichtigkeit durch einige Schmeicheleien für die Studentenschaft wieder gut zu machen. In derselben Sitzung interpellierten die Sozialdemokraten wegen der angeblichen Kaiserworte über die Rektoren. Sie fragten, welche Schritte getan seien, um den schlecht informierten Kaiser besser zu informieren uud der Studentenschaft wie den Rektoren für die Acußcrung die notwendige Genugtuung zu verschaffen. In derselben Angelegenheit begaben sich übrigens am Mittwoch die Rektoren ins Ministerium uud erbaten sich Aufklärung. Der Minister gab eine beruhigende Darstellung, worauf die Rektoren von einer geplanten Ge- samtdemtssion abstandeu. Wie weiter gemeldet wird, erklärte« Regierungskreise, der Kaiser habe sich zwar energisch gegen den Hochschülerstreik ausgesprochen und zum Unterrtchts- minister gesagt: „Machen Sie der Sache ein Ende!", aber daun »Nr gegen jene Rektoren eine unfreundliche Bemerkung gerichtet, welche sich seinerzeit mit den Studenten identifiziert hätten. Als der Minister hierauf Aufklärungen über dm Verlauf der Rektoreukonserenz gegeben hatte, habe der Kaffer seine Befriedigung über die Haltung der Rektoren ausgesprochen. — Professor Wahrmund wurde vom nächsten Wintersemester aber zum Professor des Kircheurechts au der Prager deutschen Universität ernannt.
Ei« Mitglied der italie«ische» Deputierte«. ka««er hat der Ruhm des deutschen Reichstagsabgeordneten Gröber nicht schlafen lassen. ES provozierte in einer Sitzung einm ähnlichen Konflikt, wie ihn seinerzeit Gröber im deutschen Reichstag heraufbeschwor, indem eS dm Jovr-
fie aus, „Sie werden doch nicht daran denken, dorthin zu gehen? Der Brief ist mit verstellter Handschrift geschrieben, das siebt man ja auf den ersten Blick."
Mit fest entschlossene» Ausdruck erwiderte Elisabeth: „Sicherlich werde ich hingeheu. Soll ich vor dem erste« Opfer feig zurückschrecken, durch das ich Richard vielleicht retten kann, — ihn retten, Meta, o denken Sie doch, was das für mich bedeutet! Nein, über das, was ich zu tun habe, bin ich keinen Augenblick t» Zweifel."
Meta rang die Hände. Sie konnte es gar nicht fassen, daß Fräulein Seydel diesen gefährlichen Weg gehen wollte.
„Tun Sie's nicht, — ich flehe Sie an, — tun Ste'S nicht Fräulein Seydel, ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich Sie nicht mit aller Macht davon zurückhielte. WaS könnte ein Mensch, wie der Apostel, — wenn der Brief wirklich von ihm stammt, — Ihnen zu enthüllen haben? Ein Mensch, der, — der, — o, liebes Fräulein Seydel, hören Sie doch nur ein etuzigesmal auf mich!"
„Was wissen Sie Näheres über diesen Mann? DaS zu hören, bin ich hierhergekommen," fragte Elisabeth statt aller Antwort.
„Ein Mensch ans den untersten Volksschichten, Modell von verrufenem Lebenswandel, das sich bald hier in Berlin, bald anderswo aufhält, wo es sich gerade vor der Polizei verbergen kann. Was könnte dieser Mensch Ihnen zu sagen haben?"
„Sehr viel," gab Elisabeth ruhig und bestimmt zur Antwort. „DaS wissen Sie selbst so gut wie ich. Bon diesem Mensch« haben Eie dm Schmuck erhalten, uud be-