82 . Jahrgang.

Erscheint titzlich «-it Au-nahwe der Kenn« «rrd Festtage.

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140 Donnerstag den 18. Juni Id08

Amtliches.

Unterrichtsknrs für Schneider in praktische« Arbeite«.

ES ist beabsichtigt, im Juli d. I. in Stuttgart einen dreiwöchigen Kurs abzuhaltev, in welchem Schneidern, Zu­schneidern und älteren Schmidergehilfen Gelegenheit gegeben wird, bewährte Arbeitsmethoden der Maßschneiderei kennen zu lernen. Im Fall genügender Beteiligung findet ein zweiter Kurs im Monat August statt.

In dem Kurs wird insbesondere folgender Lehrstoff behandelt werde«:

1. Belehrung über Stoffeinteiluvg und korrekte Stellung der Stoffmuster in den Schnitteilen bei gestreifter und karrierter Ware, sowie über die notwendigen Reserven,

2. Aufzeichnen und Herausschnriden der Schnitteile und Einrichtung derselben mit Futter und sonstigem Zu­behör,

3. Aufertigeu von Anproben und Belehrung über die ganze innere und änßereBearbeitnng der Kleidungsstücke,

4. Vornahme der Anproben am Körper und Beseitigung vorkommender Sitzfehler,

5. Richten der Anproben und Weiterbehandlung derselben bis zum fertigeu Kleidungsstück,

6. Belehrung über geschmackvolle Md stilgerechte Stellung der Fassons, der Kanten und der Nähte,

7. Belehrung über Idealisierung unregelmäßig gewach- sener Figuren und die Anwendung von Hilfsmittel» zur Verdeckung uafchöner Köcpersormcn,

8. Belehrung über Harmonie der Farben bet zusammen- gestellten Anzüge» aus verschiedenen Stoffen und über Zujammenstellurig von Stoff und Futter.

9. Faffonierüduageo,

10. Belehrung über Qualifikation der Stoffe.

Der Unterricht in dem Kurs ist unentgeltlich; eS wird jedoch vorausgesetzt, daß jeder Teilnehmer aus eigene Rech­nung Stoff und Zutaten zu eiuem Anzug für sich sebst zum Zweck der Verarbetluag im Kms mirbrmgt. Miuder- bemitt lten Teilnehmern können auf Ansuchen Reisekosten­beiträge in Höhe des Eisenbahnsahrpreises 4. Klaffe für eine eiamalige Reise vom Wohnort nach Stuttgart und, zurück gereicht werden. Weiterhin kann aus Ansuchen solchen auswärtigen Kursteilnehmern, welche in besonders dürftiger Lage sich befinden und hierüber einen Nachweis erbringen, ein Beitrag zu dem Mehraufwand für den Aufenthalt in Stuttgart gereicht werden.

Zur Teilnahme an dem Kurs werden nur solche Schneider und ältere Schuerdergehilfe» zugelafseu, welche das Zuschanden schon erlernt haben und einige Uebuug in demselben besitzen. Anmeldungen zur Teilnahme an dem KnrS wollen durch Vermittlung der Ortsbehörde oder des Vorstandes einer örtlichen gewerblichen Bereinigung bis spätestens 1. Juli d. I. eingrreicht werden. In den Anmeldungen ist anzugeben, ob der Angemeldete Stoff und Zutaten zu einem Anzug für sich selbst «ttbriugen wird Md ob er das Zuschneiden schon erlernt hat; i« übrigen

sollen aus den Anmeldungen Namen, Beruf, Berufsstellung (ob selbständig oder Geselle), Alter und Wohnort ersichtlich sein.

Die Ortsbehördeu und die Vorstände der gewerblichen Bereinigungen werden ersucht, die Anmeldungen der Zentral­stelle für Gewerbe und Handel vorzulegen und bei der Vorlage sich darüber zu äußern, ob die Angemeldeten nach ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten in der Lage find, mit Erfolg an dem Kars sich zn beteiligen. Wird von eiuem Angemeldeten eine Unterstützung erberen, so wolle die Aeußerung auch auf die Vermögens-, Einkommens-, und Familtenverhältuiffe des Gesuchstellers ausgedehnt werden.

Stuttgart, den 18. Mai 1908. Mosthaf.

Dieser Umstand ist eS ja gerade gewesen, der den Sultan und die türkische Regierung veranlaßt hat, daS großartige Unternehmen, von dem die Türkei vielleicht der­einst eine innere Wiedergeburt erhoffen kann, in deutsche Hände zu legen. Man weiß in Konstautinopel genau, daß niemand in Deutschland daran denkt, zu versuchen, dem Bau der Bahn etwa deutsche Bauernkolouisattoueu folgen zu lassen, um so allmählich die Türken ans Men alten Sitzen in Kleinafien zu Verdi äugen ebenso wie jeder, der die dortigen Gegenden aus eigener Anschauung kennt, die An­sicht vertreten wird, daß unsere deutschen Bauern stch schwer­lich in jenen heißen, baumlosen Steppen wohlfühlm werden. Auch haben wir in unserer deutschen Ostmark ein uuS wett uäherliegendrs Kolonisationsgebiet, dessen Besiedlung für unS gleichzeitig eine nationale Notwendigkeit ist.

Gerade dadurch, daß man nicht nur in der Türkei, sondern in der ganzen Welt weiß, daß Deutschland in jenen Gebieten keine politischen Zwecke verfolgt, sondern nur wirt­schaftliche Eroberungen machen will, gewinnt dieses deutsche Unternehmen der mtt der anatolischen Bahn verbundenen Bagdadbahu auch wieder eine politische Bedeutung, als eine Kolonisation, die nicht aufgebaut ist ans der Unterdrückung der politischen Selbständigkeit des betreffenden Landes, son­dern Ms der freundlich nachbarlichen ehrlichen Hilfe, die beiden Teile» zum Vorteil und zur Ehre gereicht.

Die Aagdadöayn.

Die Bagdadbahn, deren Weiterbau um rund 840 dm durch die soeben erschienene Jrade des Sultans gesichert ist, stellt eine Fortsetzung der ebenfalls von deutschen Inge­nieuren und größtenteils mit deutschem Gelbe gebauten anatolischen Bahn dar, die von Haidar-Pascha, gegenüber von Konstautinopel ausgehend, Kleinafien durchquert und die Hauptstadt des türkischen Reiches einerseits mit der alten Stadt Angora anderseits Md dem aufblühendeu nicht weit von der syrischen Grenze gelegenen Konta verbindet. Konta ist gleichzeitig auch der Ausgangspunkt der eigent­lichen Bagdadbahu, die bis jetzt in einer Länge von 200 km fertig und bis dicht an den Laurus durchgeführt ist, der Kleinafien von Syrien trennt, eine Gegend, für die wir Deutsche seit Hunderten von Jahren ein Interesse haben, weil einer der größten Kaiser unseres Mittelalters, Friedrich Barbarossa, ans seinem Kreuzzuge dort seinen Tod gefunden hat. Der Weiterbau der Bahn, dessen Kosten für die be­willigte Strecke auf 227 Millionen Mark berechnet find, wird zunächst die Aufgabe haben, das gewaltige Gebirge des LaurnS zu durchbrechen und in seinem weiteren Ver­laufe das Gebiet des Euphrat und Tigris wirtschaftlich zu erschließen, Landstriche, die einst eine für ihre Zeit unüber­troffene Blüte gezeigt haben und die hoffentlich auch jetzt wieder, infolge ihrer Erschließung durch die Eisenbahn, einer neuen Kultur eutgegmgeheu werden.

Ist dieser gewaltige Ban, der sich den größten Eiseu- bahndammternehmMgen an die Seite stellen kann, auch ein privates Unternehmen und zwar der Deutschen Bank, so hat es doch Anspruch auf weitgehende Beachtung in Deutschland, weil es gleichzeitig trotz dieser privaten Eigenschaft eine deutsche Knlturtat darstellt und ein Beweis ist von der LeistsngSsährgkeit der deutschen Industrie und dem Zutrauen, dessen ste sich im Morgeulande erfreut. Außerdem aber ist das Unternehmen gleichzeitig ein treffliches Beispiel deutscher Kolonisation, die sich von der Kolonisation der meisten an­deren Völker dadurch unterscheidet, daß Deutschland nicht daran denkt, die wirtschaftliche und politische Selbständig­keit der Länder, denen es mit seiner fortgeschrittenen In­dustrie und seiner fortgeschrittenen Bildung zu Hilfe kommt, auzutasteu.

UoMisHe Meberftcht.

An de« dentscheu Flottenverein richtet Prinz Heinrich von Preußen nach beendigter Danztger Tagung An Telegramm, in dem eS u. a. heißt: Ferner bin ich sehr dankbar und hocherfreut über das glänzende Ergebnis des heutigen Tages, welches die Gesamttutereffen des Vaterlandes über Souderintereffen stellt. Mit de« Wunsch, daß es dem Flottenverein gelingen möchte, in Mer ein­mütiger Arbeit das deutsche Volk von der Notwendigkett der Erstarkung eines nationalen Werkes aufklärend zu überzeugen, verspreche ich, dem Flottenverein auch ferner ein treuer Schützer sein zu wollen.

An der parlamentarische« Mariue-Jaforma- tion-reife nehmen 62 ReichStaasabgeordnete teil, unter ihnen auch wieder Herr Dr. Müller Meiningen. An der Reise im vorigen Jahr haben nur 21 Abgeordnete teilge- uommen. Die glückliche Ankunft in Kiel ist am Sonntag abend erfolgt. Gestern wurden mehrere Schiffe der Hoch­seeflotte bestchtigt Md dann die Fahrt durch den Kaiser Wilhelm-Kanal nach der Nordsee augetreten.

Die sozialdemokratische» Jngendorgantfatione« Dentschlanb» haben stch, wie in einer öffentlichen Ver­sammlung am Sonntag in Berlin mitgeteilt wurde, mit de« Bereiusgesetz abgefundev. Nur einige SatzMgsLuderuvgm hat mau vorgeuowmeu, um dem Verband der jugendlich« Arbeiter den Charakter einer politischen Organisation zu nehmen. Tr führt jetzt den Namen:Vereinigung der freien Jugendorganisationen Deutschlands". An die Vor­stände der Gruppen find genaue Instruktionen gegeben worden.

Die weiße Nelke.

Kriminalroman von I. Kanlkach.

(Fortsetzung.) (Nachdr. »erb.)

Dreizehnte» Kapitel.

Mitternacht war vorüber, und noch immer hatte Eli­sabeth Seydel keinen Schlaf gefunden. Bei jedem Geräusch, das durch die Stille und Dunkelheit verschärft an ihr Ohr drang, fuhr sie heftig zusammen, so erregt waren ihre Nerven.

Am Abend hatte Fluth ihr geschrieben, seine neue- steu Erfahrungen ans Leipzig. Dieser Brief hatte zumeist die schlaflose Nacht verschuldet; er hatte ihre Unruhe fast bis zum Fieber gesteigert. Sie war im tiefsten erschüttert durch die Mitteilung über Metas trauriges Schicksal, über ihre nahe Beziehung zu dem ermordeten Vater Richards. Zugleich aber meinte sie auch, einen festeren Anhalt für ihre hisherigen Vermutungen gefunden z« haben; wenn Heuzen wirklich den Kaufmann BruuS getötet hatte, so kannte sie jetzt auch sein Motiv. Das von ihm nachgewiesene Alibi freilich schien zu widersprechen. Doch war eS dies alles nicht, was Elisabeth am lebhaftesten beschäftigte. Was Fluth ihr außerdem noch geschrieben hatte, das war wie ein Feuerbrand in ihre Seele gefallen und hatte wechselnde Empfindungen in Helle Flammen versetzt. Bald bangte sie stä ker, als je zuvor, sm de» Geliebten, bald wachte ein KampseSmat in ihr aus, durch den sie sich zum Größten befähigt fühlte. Solange sie den Brief im ruhigen Scheine

der Lampe vor sich gehabt hatte, war dies kampfesfreudigc Gefühl sieghaft gewesen; jetzt aber beschwor die schweigsame Finsternis, die fie umgab, allerlei schrecken-volle Bilder vor ihr inneres Auge, Bilder, die fie quälten und ängstigten, daß die Schweißtropfen ans ihre Stirn traten. Sie zündete endlich Licht au. Da wurde sie allmählich ruhiger und begann klarer über die Sache nachzudenken, bis ihr zuletzt doch der Schlaf kam.

Am folgenden Morgen erschien Elisabeth am Früh- stückstische zugleich mit ihrem Vater. Der Staatsanwalt, obwohl er keinen Menschen auf der Welt so liebte, wie seine Tochter, empfand doch seit einiger Zeit eine leise Mißstimmung gegen ste. Er, dessen Berns es schon bedingte, die Menschen uvd Dinge mtt scharfem Auge zu betrachten und ohne Vorurteil zu prüfen, fand Elisabeths Beharren Ms der Unschuld Richard Claasens eigensinnig und töricht. Wenigstens hätte er es richtiger gefunden, wenn sie ruhig das Resultat der Schwurgerichtsverhaudlnug abgewartet hätte, anstatt sich eigenmächtig in eine Sache zu mischen, der ste seiner Meinung nach so unerfahren, wie ein K.nd, gegenüberstaud.

Ein weinig kühler, als sonst, klang sein Morgengruß; er ließ sich in der Sofaecke nieder und zündete stch seine Pfeife au. Dabei sah er nach seiner Tochter hinüber, die schon die Spiritusfiamme unter der Kaffeemaschieoe ange­zündet hatte. Unwillig schüttelte er den Kopf. Wie blaß und schmal das Mädchen wurde! Und diese tiefe Schatten unter den Augen! Dazu der Ausall. am gestrigen Tage, diese halbe Ohurächt bei seiner sonst so kräftigen Tochter!

Und das alles um einen Menschen, um einen Menschen, der,-o, eS war licht zn begreifen! Er nahm ver­

stimmt die Zeitung vom Tisch und begann zn lesen, während Elisabeth schweigend die Taffen füllte Md de« Bat« alles Nötige zurechtrückte. Des Staatsanwalts Mime wurde im«er bedrohlicher, je öfter sein Auge von der Zeitung hinweg das Geficht seiner Tochter streifte. Endlich hielt er nicht «ehr an stch. Gerade ihre ergebnugsvolle Ruhe reizte ihn; ste gab ihrem Wesen etwas Bestimmtes, das zu erklären schien:Ich laste mich nicht beirren aus dem Wege, den ich mir voraeschriebeu bade."

Seydel warf das Blatt Ms den Tisch zurück, weil sein Verdruß ihn nicht zum Lesm kommen ließ.

Du stehst wieder schlecht aus, Elisabeth," sagte er vorwurfsvoll.

Lächelnd begegnete ste seinem Blick.El braucht dich nicht zu ängstigen, Vater," erwiderte ste freundlich.

Aber es ärgert, es bekümmert mich," fuhr Seydel Ms;glaubst du, ich wäre von Stein und könnte ungerührt bleiben, wenn ich sehe, wie du dich absorgst und abhärmst um vergebliche Dinge und um einen, einen verlorenen Menschen?"

Sie wurde noch bleicher bei diesen grausamen Worten die ihm in der Heftigkeit Wer die Lippen gekomnren waren; unwillkürlich griff fie Mt der Hand nach dem Herzen, das ihr weh tat, wie von eine« Messerstich getroffen. Aber mtt seltener Kcastaustreuguug bewahrte fie Me Ruhe, die ihr unerschütterlicher Glaube au ihre Sache ihr gab.

(Fortsetzung folgt.)