82 . Jahrgang.

Erscheint tLgltch «it L«S»ah»r der Eio««- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1 ^k, «it Träger«

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Auflage 2soo.

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Für dir ordentlichen Sitzungen der Schwurgerichte der III- BierteljahrS 1908 wurde bet dem Schwurgericht in Tübingen de« LandgerichtSdirektor Dr. Kaps zum Vorsitzenden ernannt. Dis ordentlichen Tchwurgertcht-fitzungen daselbst wrrden am Montag den 6. Juli d. I, vormittag- 9 Uhr eröffnet.

Am b Juni ist von der Evangelischen Oberschulbehördr dir 1. Schulstell» in Stammhe im, Bez. Calw, dem Schullehrer K b m p f 1« Simmozheim desselben Bezirk- übertragen worden

UoMfche Hleverstcht.

Rach de» Ergebnissen dev preußischen La«d- tags-(Wahlmäu«er ) Wahlen dürfen als gewählt gelten: 140 Konservative, 58 Frcikonservalivt, 65 Natio- »allii>rraie, 22 frcistisige Lolkspartei, 7 Kreis. Bereistsuug, 100 Zcstra«, 15 Pole», 6 Ssz'aldemokcaten uod 5 Frak tton-sesk. JnsgesaAt find 25 Stichwahlen erforderlich, au denen beteiligt find: die Konservativ:« 6mal, die Frei- konservativen 4mal, die Nationalliberalen 16mal, die freis. Volkspartei 5Aal, die Freifinuige Bereinigung 3mal, das Zeutrusl 8mal, die Sozialdemokraten 6mal und die Frak- ttonslosen 2mal. Darnach kann als feststehend betrachtet werden, daß eine nennenswerte Verschiebung in dem Besitz­stände der Parteien nicht etntritt, wenn nicht die 25 Stich­wahlen noch lleberraschungen bringen. Die beiden konser­vativen Md die beiden freifinnige» Parteien haben ihren Besitz­stand ungefähr behauptet, die Nationalliberalen werden voraussichtlich eine Einbuße erleiden, während Zentrum, Sozialdemokratie und Polen mit Gewinnen aus der Wahl heroorgehen.

Der außerordeutlichemeckleubnrgischeLaudtag,

der sich mit der Verfassungsänderung zu beschäftigen hat, nahm gestern durch Abgabe von Erklärungen der Stände prinzipiell Stellung zu der Regierungsvorlage. Die Land­schaft erklärte, aus der allgemeinen Grundlage des Re- gterungsevtwnrfs weiter verhandeln zu wollen. Die Ritterschaft enlschied sich mit 291 gegen 65 Stimmen zu­gunsten des Vorschlags der 16 Kommissions-Mitglieder für das Festhalten an der landftändischen Basis und erbittet von der Regierung eine entsprechende neue Vorlage.

Der Hochsch«lstreik i» Oesterreich ist tatsächlich fast ein allgemeiner geworden, da sich in Prag selbst die Hörer der tschechischen Hochschule dem Streik angeschloffen haben. Nur in den beiden Hochschulen in Galizien ist der Lehrbetrieb noch im Gang, an den übrigen Hochschulen find die Vorlesungen unter der Einwirkung der freiheitlichen Studentenschaft eingestellt worden. Der Senat der Inns­brucker Universität wendet sich in einer einstimmig be- schloffmeu Kundgebung gegen die Auffassung des Unter­richtsministeriums, wonach das Seminar WahrmrwdS nicht ein von seinen Vorlesungen getrennter selbstständiger Be­standteil seiner Lehrtätigkeit wäre. Ec erhebt ferner Vor­stellung gegen die ministerielle Verfügung betreffs Sistierung der Vorlesungen. Er erfordert Maßnahmen zur Wahrung der Lern- und Lehrfreiheit. Auch politische Gruppen be­schlossen Proteste und bezeichnen die Haltung der deutsch­freiheitliche« Minister Md Abgeordneten als Verrat.

Dienstag den 9. Juni

Im englische» Unterhaus kam in den letzten Sitz­ungen die Reife König Eduards nach Reval von neuem zur Sprache. Thorue (Arbeiterpartei) fragte am Mittwoch au, ob Sir Edward Grey dem König anraten wolle, daß der Besuch in Rußland keinen amtlichen Charakter tragen möge. Der Junior-Lord des Schatzes, Peafe erwiderte, Grey könne den König nicht in solchem Sinne beraten. Als Thorue darauf fragte, ob dies so zu verstehen sei, daß die Regie­rung dm brutalen Mordm in Rußland zustimme, griff der Sprecher ein und bemerkte, diese Sprache sei einem befreun­deten Staat gegenüber nicht angemessen. Am Donnerstag beantragte sodann ein anderes Mitglied der Arbeiterpartei bei der Beratung des Etats des Auswärtigen Amts einen Abstrich als Protest gegen dm offiziellen Besuch des Königs Seim Kaiser von Rußland. Auch Nationalisten wandten sich gegen die.-.igsreise und bestritten den rein höfischen Charakter der Zusammenkunft. Den diplomatischen Charakter des Besuchs beweise die Tatsache, daß Unterstaatssrkretär Hardinge den König begleite, und die Anwesenheit FisherS und Frenchs zeige dm Zusammenhang des Besuchs mit der Flotte und der Armee. In dm Augm Europas bedeute der Besuch, daß England die Wechsel Rußlands indossiere und den Kredit des letzteren wiederherstrlle. In der sehr stürmischen Debatte vertrat Staatssekretär Grey die Haltung der Regierung und des Hofes und erklärte nochmals, daß der Besuch keinerlei diplomatische Bedeutung habe. ES nicht die geringste politische Wirkung der Begegnung zu er­warten. Hieraus wurde der Antrag auf Abstriche abgelehut.

Eiae schwere Niederlage der russische» Re- gier««g. Die Duma hat in ihrer letzten Sitzung, wie ein Telegramm ans Petersburg meldelt, bei der Beratung des Etats des Mariueministerimns den von der Regierung geforderten Kredit von rund 11 Millionen Rubel für den Bau neuer Panzerschiffe mit 194 gegen 78 Stimmen ab- gelehnt. Diese Ablehnung kann nach den Verhandlungen der letzten Tage nicht überraschen; niemand hatte etwas audeces erwartet, die russische Regierung selbst eiugeschloffen.

Nach Meld«»ge« a«S Marakko ist der französische KreuzerDesaix" auf der Reede von Mogador vor Anker gegangen. I« Mogador werden zweihundert Mann vom Wachsen aus Kriegsfuß gebracht, um die nach Marrakesch bestimmte Mahalla zu vervollständigen. AuS Rabat wird berichtet, daß am 30. Mat unter dem Vorfitz Abdul Afis eine Sitzung des Wachsen stattfaud, welcher der fran­zösische Major Farau beiwohnte. Es wurde beschlossen, die irregulärm Truppen der zurückgekehrten Mahalla Bagdadis zu ihren Stämmen zurückzuschtckm und die regulären Truppen zur Verteidigung Rabats und Mehedjas zu ver­wenden. Irgendeine Expedition wird bis auf weiteres nicht unternommen. Alle Anstrengungen des Wachsen werden darauf gerichtet sein, durch sorgfältige Ueberwachung der Häfen die Versorgung Mulay Hafids mit Waffen, Munition und Geld zu verhindern.

Die letzte» Meld»»ge» »»- Marokko über Mulay Hafid lassen nicht völlia klar sehen. Eine Nachricht lautet: Mulay Hafid ist am 2. d. M. von Mekiues auf- gebrochen und trifft am 6. in Fez ein. Andererseits wird

1»08

gemeldet: Die letzten aus Fez und Mektnes in Tanger an gelangten Nachrichten besagen, daß der Marsch Mulay Hafids nach Fez auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben ist. Dem Minister Pichon in Paris wurde durch ein Schreibe« der Gesandten Mulay Hafids vom 4. Juni mitgeteilt, daß dieser in kurzer Zeit seinen feierlichen Einzug in Fez halten werde, nachdem er seine Herrschaft über ganz Marokko durch die Niederlage der Mahalla von Buchta Ben Bagdad! bestegelt habe. Die Gesandten erneuern das Anerbieten Mulay Hafids, in freundschaftliche Verhandlungen mit der französischen Regierung eiuzutreten und betonen von neuem seinen Wunsch, alle mit den Mächten abgeschlossenen Ver­träge zu erfüllen. Nach eine: halbamtlichen französischen Meldung haben die Kabinette von St. Petersburg, Madrid Md London die französische Regierung verständigt, daß sie die dem General d'Amade erteilten Weisungen vollkommen gutheißen. Auch von den anderen Siguatarmächtrn der Algeciras-Akte sei die Bekanntgabe dieser Weisungen günstig ausgenommen worden.

Zwischen japa«ifche« Trappe» «ad koreanische» Insurgenten haben in den letzten Tagen zahlreiche Gefechte stattgefunden, bei denen 372 Insurgenten getötet Md 55 gefangen genommen wordm find. Die japanischen Verluste find nicht bekannt.

Gagso-Hleuigkeiten. na <i«»t «a Lm».

Nagold, de« s- Juni 1008.

Mnse«« Nagold. Zu einer herrlichen Wanderung auf den Daumeuberg bei Stammheim hat die hiesige Museumsgesellschast ihre Mitglieder eiugelade». Trotz des zweifelhaften Wetters fanden sich mehrere Wanderlustige, darunter auch 5 Damen, auf dem Bahnhof Nagold ein um mit Zug 10.41 Uhr nach Teinach zu kehren Rasch traten wir in den Wald hinein, stiegen nach Ueberwtudnng einiger Tanueurteseu, die sich MS quer über den Weg legten, hinaus znm geheimnisvoll gelegenen Dickemer Schlößchen. Hier begrüßte uns Herr Oberförster Wurm aus Stammheim. Derselbe hat in liebenswürdiger Weise die Führung bei der Tom übernommen. Weiter gings durch den von Wald um­schlossenenHof Dicke", vorüber am Georgi-Deukmal zum Fuße des Daumenbcrges. Schon hier bot fichetue herrliche Fernsicht die aus de» neaerrtchteten Domaturm großartiger zu werden versprach. Ju kurzer Zeit waren wir auf dem höchste» Punkt augelaugt, wo uns Herr Schullehrer Letsch auS Stammheim iu dankenswerter Weise empfing. Mit geringer Mühe wurde der Domaturm bestiegen von dessen luftiger Kanzel sich MS eine großartige Rund­schau bot. Das Interesse für die Schönheiten wurde noch reger durch die Erklärungen der Herren Oberförster Wurm und Schullehrer Letsch. Herrlich war der Blick hinein in die Täler und hinüber auf die Berge. Der Blick iu die weitere Ferne war aber leider getrübt. NM gings hinunter zu« schön gelegenen Stammheim wo dann auch im geräumigen Waldhorn das Vesper trefflich

Die weiße Nette.

Kriminalroman von I. «»»wach.

(Fortsetzung.) (Nachdr. vsrb.)

Fluch hatte mit richtigem Scharfsinn vermutet, daß er den Gewichtigen bei seiner Beamtenehre fassen mußte, um ihn zum reden zu bringen.

Der LandgerichtSdirektor machte ein bedenkliches Gesicht. Endlich sagte er mit Würde:

Mein werter Herr, Herr Fluth nicht wahr, so ist Ihr Name? Sie werden doch wohl nicht daran zweifeln wollen, daß man den fraglichen Prozeß mit aller Gewissenhaftigkeit und allem Scharfsinne geführt hat? NM gut; mau hat die Sache ruhen lassen muffen, weil der Täler nicht zu ermitteln leider . .

Ich erlaube mir nicht, an irgend etwas zu zweifeln," warf Fluth ein wenig sarkaätsch ein;ich bin nur von meinem vielleicht recht törichten Instinkt getrieben, der mir immer sagt: bet rätselvollen Lorgäugm der Gegenwart leite den Faden weiter zurück, bis du dahin gelangst, wo der Ursprung liegt, uud suche den Anfang des Fadens; fast niemals bin ich fehlgegangen. So sage ich auch hier: iu der Vergangenheit finde ich die erste Spur der Ursachen zu der Katastrophe der Gegenwart. Urteilen Sie doch selbst: der damals von einem nicht entdeckten Verbrecher ermordete Kommerzienrat Bruns war der Bater de» Mannes, der heute des Morde- au der Schauspielerin Goladtka verdäch­tigt ist."

Jetzt begann die Geschichte auch den LandgerichtSdirektor zu interessieren; außerdem wollte er hinter dem Eifer uud der Klugheit des jungen Detektivs nicht zurückstehen. Mit Befriedigung bemerkte dieser, daß die hochmütige Miene El- burgs allmählich verschwand und de« Ausdruck sinnenden Ernstes Raum gab.

Was Sie da sagen, ist mir bekannt," eutgeguete El- burg noch immer herablassend; daun fügte er viel freund­licher hinzu:Es ist mir heute leider nicht möglich, die Einzelheiten des damaligen Prozesses mit Ihnen zu bereden; ich muß mich dazu wieder in die Akten vertiefen; Sitte, kommen Sie morgen vormittag wieder zu mir, dann werde ich Ihnen über daS, was Sie wünschen, Auskunft erteilen."

Zu FluthS Verdruß war er hiermit bis auf weiteres entlassen.

Ihre Bemühungen find anerkennenswert," sagte El« bürg sehr gnädig, indem er sich gleichzeitig mit Fluth erhob; doch fürchte ich, daß sie vergeblich sein werden; ich erinnere mich ganz genau; daß in jene» Prozeß die denkbarste Mühe angewandt worden ist, um den Täter m ermitteln. Wie sollte daS jetzt nach so und so viel Jahren möglich sein?"

Ihn zu entdecken, kümmert mich weniger, als eine» Anhaltspunkt für die Vorgänge des heutigen Mordes zu gewinne». Also, wenn Sie erlauben, ans morgen!"

Der Empfang, der August Fluth am folgenden Tage von Elbnrg zu teil wurde, war viel zuvorkommender, als der erste. Der Laaogerichtsdirektvr kam ihm gleich mit der Nachricht entgegen, daß er bis nach Mitternacht über den alten Allen gesessen Md darüber gegrübelt habe. Er nahm

NM die Sache äußerst wichtig; denn es vertrug sich nicht mit seine« Gewissen als hoher Beamter, daß ein viel Kleinerer, als er war, ihm au Tätigkeit nud Scharffiuu überlegen sein könnte.

Vor allen Dingen," begann er im Tone eines er­fahrenen Juristen, der einem Anfänger einen guten Rat geben will,würde ich Ihnen dringend empfehlen, noch ein­mal daS alle KanfhMtz Bruns gründlich zu untersuchen, nämlich-"

Ist bereits geschehen," fiel ihm Flnth mit ruhiger Sicherheit ins Wort.

Elbnrg machte ein so verblüfftes Gesicht, daß Fluth sich Ms die Lippe« biß, um nicht laut aufzulachrn.

So, so, schon geschehen, hm, also, aber nicht« Besonderes gefunden, wie?"

Erinnern Sie sich der Räumlichkeiten des Hauses Bruns, Herr LandgerichtSdirektor?" fragte Fluth statt der Antwort.Ich bin der Meinung, daß irgend eine geheime Lerbindnngstür vorhanden sein muß, die von dem Mord« -immer direkt iu das Hintergebäude führt . ."

Das wollte ich Ihnen eben sagen," warf Elbnrg ein, der immer erstaunter wurde, daß der junge Mam iu jeder Beziehung orientiert war.Mau hat diese Berbiuduvsstör vergeblich gefacht, und doch muß sie da sein, well der Schlüssel iu dem verschlossenen Zimmer des Toten von innen steckte. MM hatte das Schloß aufgebrocheu Md fand die Leiche deS Kaufmanns dl halbsitzender Stellung auf eine« Sessel vor de« Bett; die Mordwaffe steckte du Rücken, ein fichereS Zeichen also, daß der Mörder ihn heimtückisch über-