64. Jahrgang.

Uro. 43.

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Deutsches Reich.

Stuttgart, 5. April. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer führte eine von dem Abg. Stälin an den Minister des Innern v. Schmid gerichtete Anfrage, wann die Regierung beabsichtige, die in der Thronrede in Au-, sicht gestellte Verwaltungsreform vor das hohe Haus zu bringen, zu einer längeren und erregten Debatte. Minister v. Schmid nahm auf die Stälin'fche Anfrage, die er dahin beantwortete, daß die Regierung den betreffenden Entwurf schon in der nächsten Session dem Landtage vorlegen werde, Anlaß, auch die Grundzüge der Revision sowohl in Absicht auf die Gemeindeverwaltung, die Bezirksbehörden als die Kreis, regierung des Näheren zu beleuchten, worauf der Abg. Haußmann dem Minister erwiderte, er vermisse in seinem Programm Klarheit und Bestimmt« heit. Als er auf die Amtsversammlungen zu sprechen kam, zog Hauß» mann auch die Bewilligungen der Amtsversammlungen zur Jubiläums» stiftung in den Bereich seiner Erörterungen, was ihm aber eine Unterbrechung seitens des Präsidenten zuzog. Weiter erhob Haußmann noch gegen die Regierung den Vorwurf, daß sie die VerfaffungSrevision verschleppe. Minister v. Schmid verwahrte die Regierung energisch gegen die ihr gemachten Vorwürfe, besonders in Bezug auf die Verwaltungsreform und sprach dem Abg. Haußmann jegliche Erfahrung ab. Auch der erst im Laufe der Debatte im Hause erschienene Ministerprästvent Dr. Frhr. v. Mittnacht ergriff dar Wort, um die Haltung der Regierung in der VerfaffungSrevisionsfrage zu verteivigen und dem Abgeordneten für Balingen zu erklären, daß mit Wahl­programmen in einer so wichtigen Frage nicht auszukommen sei. Der Abg. Haußmann solle nur einmal den Versuch machen, mit einem Antrag zur Durchführung der Verfassangsfrage vor das hohe Haus zu kommen, er werde dann sehen, ob er die erforoerliche Zweidrittel-Majorität haben werde. Eingelaufen ist heute auch die Vorlage betr. die Gehaltsaufbesserung für die Geistlichen (etwa 7 pCt.), der Volksschullehrer (Vermehrung der Altersklassen), sowie ein Entwurf betr. die Fürsorge für Beamte bei Betriebsunfällen.

Berlin 6. April. Der Kaiser begab sich heute vormittag in Be. gleitung seines Flügeladjutanten vom Dienst in offener Equipage nach Span- bau, um daselbst den Schießübungen beizuwohnen. Nachmittags kehrte der Kaiser ebenfalls zu Wagen nach Berlin zurück, um mit der Kaiserin um 6 Uhr der Einladung des Fürsten von Pleß zur Mittagstafel zu entsprechen. Die Kaiserin begab sich heute vormittag in Begleitung ihrer Hof. dame und des dienstthuenden Kammerherrn zu mehrstündigem Aufenthalte nach Potsdam. Die Kaiserin Augusta unternahm heute mittag wieder

eine etwa einstündige Spazierfahrt und gedenkt, die Delegierten de« Vater­ländischen Frauenvereins zu empfangen.

Berlin, 6. April. Der Reichstag beendete soeben die Debatte über § 16 der Altersversicherung und nahm die 4 Lohnklaffen nach dem Kommissionsvorschlag mit großer Mehrheit an. Hiefür auch Staatssekr. Bötticher,- welcher die Bemängelung des Gesetzes durch den konserv. Grafen Mirbach, der es für die Landwirtschaft schädlich hielt, scharf und glänzend zurückwies. Zu 18 (Berechnung der Renten) ist ein Antrag aller Frak. tionen (ausgenommen freisinnige und sozialdemokratische) erschienen, der die bisherige Berechnung als irrig nach weist. Auf Antrag Bennigsens wird dieser und die mit ihm zusammenhängenden Paragrafen an die Kom­mission zurückverwiesen. Die Beendigung der 2. Lesung vor Ostern wird täglich stärker bezweifelt.

Die Kaiserin Friedrich ist gestern abend mit ,den Prinzessinnen Victoria, Sophie und Margarethe aus Kiel hier angekommen. Um 9 Uhr fanden sich der Kaiser und die Kaiserin, der Erbprinz und die Erbprinzessin von Meiningen zur Begrüßung auf dem Lehrter Bahnhof ein. Der Kaiser trug Helm und Militärmantel mit Pelzkragen; die Kaiserin hatte einen pelz, gefütterten Radmantel mit prächtigem weißen Pelzbesatz angelegt. Zahlreiche Personen hatten sich auf dem Bahnhof eingefunden; die Zugänge zum Perron waren jedoch abgesperrt und nur einer kleinen Schaar der Zutritt gestattet. Fahrplanmäßig, um 9 Uhr 7 Minuten lief der Zug ein. In dem hell er­leuchteten Salonwagen, der als vierter im Zuge eingestellt war, sah man die Kaiserin Friedrich stehen, umgeben von ihren Töchtern. Als der Zug hielt, trat die Kaiserin zuerst heraus und schlug den schwarzen Witwenschleier zurück. Der Kaiser umarmte seine Mutter, und küßte sie auf die beiden Wangen. Dann umarmten und küßten sich die beiden Kaiserinnen, wobei die Kaiserin der Kaiserin Friedrich ein Bouquet aus weißen Rosen und Fliedern überreichte. Von dem Publikum ehrfurchtsvoll begrüßt, schritten die hohen Herrschaften in lebhafter Unterhaltung dem Ausgange des Bahnhofs zu. Kaiserin Friedrich hat im ehemals kronprinzlichen Palais Wohnung genommen. Die Kaiserin Friedrich hat sich heute Vormittag mit den Prinzesstnnen-Töchtern Victoria, Sophie und Margarethe, sowie der Herzogin von Edinburg von hier nach Potsdam begeben, um dort die Gruft weiland Kaiser Friedrichs Ul. in der Friedenskirche zu besuchen.

Berlin, 5. April. DieNationalzeitung" erfährt bezüglich der Vermächtnisse, welche der Kaiserin Friedrich letztwillig durch die Herzogin von Galliera zugewendet worden sind, daß das Legat von 6 Millionen Franken, welches sich nach Abzug der Steuern und Lasten auf ungefähr 5'/e Millionen stellt, bereits den Bankiers der Kaiserin Fried,

Feuilleton.

Umschlungene Jaden.

Roman aus dem Englischen von Hrrmine Franken st ein.

(Fortsetzung.)

Plötzlich, wie schlaggetroffen, prallte sie zurück; ein Schrei gellte von ihren Lippen, ein Schrei wildesten Entsetzens.

Ich habe ihn gefunden!" rang Jsabella hervor, bebend die Lampe auf den Boden stellend und die Hände verzweiflungsvoll verschlingend.Meine Befürchtungen waren nicht unbegründet, denn hier liegt er, todt!"

Und sie sank zu Boden. Bestürzt eilte Mr. Egerton herzu. In der nächsten Sekunde sah er, daß ihre Worte Wahrheit waren, denn dort auf dem Mose bot sich chm der grausigste Anblick dar, den er in seinem Leben nur jemals gehabt hatte.

Gilbert Farquhar lag der Länge nach auf dem Boden hingestreckt, sein Hut war einige Schritte weit weggeschleudert; die eine Hand war geballt; während die andere krampfhaft ein Mosbündel gepackt hielt, als hätte er es im Todeskampf er­faßt, und aus der Stirn war Blut geflossen.

Es war ein entsetzlicher Anblick, eine starre Gestalt, hingestreckt in der nächt­lichen Stille, das schneeweiße Totengesicht mit den weit geöffneten, verglasten Augen zum Himmel emporgewandt, die Züge leblos, wie in Marmor gehauen, die Glieder erstarrt, im Tode! So hatte sich die Prophezeiung der Zigmnerin erfüllt.

- Mr. Egerton stand einige Minuten regungslos, wie festgebannt; als er wieder sprach, klang seine Stimme hohl und gepreßt.

Er ist nicht tot! Er kann nicht tot sein!" sagte er.

Diese Worte schienen Jsabella, die in Schmerz versunken, auf ihren Knien lag, aufzustacheln; sie sprang auf und rief mit wild funkelnden Augm und heftig wogender Brust:

Er ist tot! Der Schuß den wir gehört haben, hat ihn getötet, und wenn

wir sogleich herbeigeeilt wären, anstatt zu warten, so hätten wir den Mörder vielleicht noch ertappt."

Den Mörder?" wiederholte Mr. Egerton.

Den Mörder oder die Mörderin, wie Sie wollen, ja!"

Aber warum sprechen Sie so? Das," und er blickte schaudernd auf die leb­los hingestreckte Gestalt,das.kann ja auch das Ereignis eines unglücklichen Zufalls sein."

Das ist es nicht: Mein Bruder ist am Vorabend seiner Hochzeit in dem Heim seiner Braut ermordet worden; das steht für mich fest, aber," und sie richtete ihre Gestalt hoch auf,ich werde seinen Tod rächen, das gelobe ich hier bei seinem Leichnam!" Und wie beschwörend streckte sie ihre beiden Arme gen Himmel.Ich schwöre es bei Allem, was mir heilig ist, daß ich nicht ruhen, noch rasten will, so lange ich den Mörder meines Bruders nicht der Gerechtigkeit überliefert habe. Ich will an nichts Anderes denken, von nichts Anderem träumen, auf nichts Anderes hoffen, sondern mit Leib und Seele mich dem Rachewerk weihen. Er war der ein­zige Verwandte, den ich auf dieser Welt hatte," und ihre Stimme klang gepreßt und von Schmerz durchbebt,und er liebte mich, wenn er auch zuwellen hart gegen mich war; jetzt hat ihn die Hand eines feigen Meuchlers hingestreckt und er ist auf immer für mich verloren!"

Wieder sank sie neben dem Leichnam ihres Bruders, den sie aufrichtig geliebt hatte, zu Boden und schluchzte und stöhnte, halb wahnsinnig vor Schmerz und Ent­setzen über seinen jähen, gräßlichen Tod.

Obwohl Mr. Egerton keinen so heftigen Schmerz empfand, wie sie, war sein Entsetzen doch nicht minder groß, und es gelang ihm nur mit großer Mühe, seine Selbstbeherrschung zu bewahren.

Er neigte sich zu Jsabella nieder, ergriff sie beim Arm und versuchte sie aufzurichten.

Kommen Sie fort von hier, Miß Farquhar," sagte er sanft.Ich werde Sie ins Haus führen. Sie dürfen nicht hier bleiben."

Sie stieß ihn fast wild zurück.