82. Jahrgang.
Erscheint täglich «U Envnatz«, der Gönn« «nd Festtag«.
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Württemberg l.Sb Monatrabvrmkment» »ach Verhältnis.
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Jevnfpvechev M». RS.
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Auflage 2600.
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Es wird biemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht,
daß die diesjährige Aushebung a« Montag de» SV. Juli und DieuStag de» S8. Juli d. Js. statt» findet.
Nähere Weisung wird seiner Zeit noch erfolgen. Nagold, den 1. Juni 1908.
K. Oberamt. Ritter.
Die Herren BerroaltuugSaktuare
werden unter Bezugnahme auf den oberomtl. Erlaß vom 14. März d. Js. — Gesellsch. Nr. 63 — brtr. die Umlage der Beiträge zur landwirtschaftliche» Berufs» geuoffeufchaft pro 1SVV, aufgefordert, über den Vollzug dieser Umlage alsbald Bericht anher erstatten zu wolle». Nagold, 1. Juni 1908.
K. Oberamt. Ritter.
Bekanntmachung.
Die von der Amtsversammlung am 11. April d. Js. ausgestellte Bezirkssatzuug» wonach die Mitglieder des Verwaltungsausschusses der Brzirkskraukenpflegeverficherung, sowie die Mitglieder der verstärkten Ersatzkommisfion «ud die Ortsvorstehrr für Anwohneu bet den Musterungen, Pserdeaushebrmgeu und ähnliche Verrichtungen für Zwecke der Amtskörperschaft dieselben Taggelder, Diäten und Reisekosten erhalten sollen wie die Milglieder des Bezirks- rats und der Amtsversammlung, ist durch Erlaß der K. Kreisregierung Reutlingen vom 8. v. Mts. für vollztehbar erklärt worden, was hiemit zur allgemeiaen Kenntnis gebracht wird.
Nagold, den 2. Juni 1908.
K. Obcramt. Ritter.
Bkocmfchs Möbsrflcht.
Da- Weiugesetz wird, einer Meldung der „Köln. Ztg." zufolge, voraussichtlich in kurzer Frist mit eingehender Begründung vom Reichsamt d-8 Innern dem Bnudcsrat vorgelegt werden. Es kann daher erwartet werden, daß der Bundesrat bald nach der Sommerpause über den Gesetzentwurf Beschluß fasten wird, so daß der Entwurf dem Reichstag gleich Set besten Zusammentritt im Laufe des Oktober vorgrlegt werden wirb.
Der Buudesrat hat am Freitag dem Gesetzentwurf über die Anwendung des § 63 des Handelsgesetzbuchs (Anrechnung des Krankengelds) in der vom Reichstag beschlossenen Fassung, wie vorausgesagt war, die Zustimmung versagt. Angenommen wurde eine Vorlage über die Beaufsichtigung der inländischen privaten Rückverficherungsuriter- nehmungen, die Vorlagen wegen Aenderung der Anlage d zur Eisenbahnverkehrsordnung, der Entwurf von Aussüh- rungsbestimmungeu zum Gesetz über die Stempelabgabe von Erlaubnisscheinen für Kraftfahrzeuge ausländischer Besitzer und der Entwurf eines Nachtrags zum Besoldnngs- und Penstonsetar der Retchsbcamten.
Mittwoch dm 3. Juni
I« Bad»» ist als Beirat des Ministeriums des In
nern in Angelegenheiten die den Ausbau der bestehenden und die Anlage neuer Wasserstraßen, sowie die wirtschaftliche Ausnutzung der öffentlichen und nichtöffentlichen Ge- wäffer betreffen, ein Wasserwittschaftsrat errichtet worden. Dieser ist zusammengesetzt aus Vertretern der interessierten Behörden, Lehrern der Volkswirtschaft und Vertretern von öffentlichen Korporationen, wie Laudwirtschafts- und Handwerkskammern, städtischen und Kreisausschüffeu usw.
Ein frauzöfischer Miuisterrat stimmte zu, daß Präsident FalliSreS, der von seiner Londoner Reise ganz entzückt ist, in der zweiten Hälfte des Monats Juli die skandinavischen Höfe besucht. Am 27. und 28. Juli gedenkt dann Fälliges auf der Rückreise mit de« Zaren in Reval zusammen zu treffen.
Aus Samos erhielt die türkische Regierung vom Konter-Admiral Hallil-Pascha die Meldung, daß er den Fürsten Kopasfis befreit und das RegiernugSgebSnde in Besitz genommen habe. Die Hauptstadt beginne sich zu beruhigen; die Läden seien wieder geöffnet. Der Fürst hat eine Proklamation erlassen, in der er die Bevölkerung zur Ruhe auffordert und verspricht, ihre Privilegien unangetastet zu lassen. Die Lage ist unverändert, die Bevölkerung scheint dem Fürste» zu mißtrauen.
Di» Uuruheu auf Samos haben nach einer Meldung der deutschen Kaöelgramm-Gesellschaft ans Smyrna dadurch ein Ende gefunden, daß ein türkischer Kreuzer das Fort beschoß, worauf die Rebellen ins Innere l er Insel flüchteten.
Aus Marokko. Die Mahalla Bagdadis lagert bei Mehduya. Bagdadi wird dort 600 Mann zurück!affen und mit dem Rest seiner Truppen nach Rabat zurückkehren. Die Plünderungen in Fez haben auf den Maghzeu starken Eindruck gemacht.
Vage»-Meuigketten.
A«» vtsttt »Uh LM.
Nagold, de» S. Juni lSVS.
Drr Domaturm b»i Stammhrim. Bei günstigem Wetter bietet sich von der Plattform (635 m ü. d. M.) des am 24. Mai vom Calroer SchwarzwaldbrztrkSverei» eröffneteu AusstchtSgcrüstes eine Rundschau von überwältigender Schönheit. Zwar die Stadt Calw verbirgt die gegen den Bahnhof vorgeschobene Bergzuuge des „Häfle" mtt seinen wallsörmigen Erdaufwürfeu auf der Spitze, aber aus der Tiefe des Tales winkt der Hirsauer „Eulenturm" von einigen Häusern umgeben und hinter ihm hebt sich vom grünen Lergeshaug der rotbraune Turm der Liebenzeller Burgruine ab. Gegen Westen schweift der Blick über die Gefilde des „Hecken- vnd Schleheugäus" mit ihrem Wechsel zwischen Feldgruvdstückeu und Waldparzellen, dazwischen malerisch eingebettet die vielen Weiler, die Städte Zadel» stein mtt seiner stolzen Ruine und das bergbauberühmte Bulach. Dahinter quer vor dem Enztal liegend, die lang- gezogene dichtbewaldete Meistern-Ebene. Ueber die Berge
1808
der Schopflocher Gegend wandert der Blick gegen Süd«
und heftet sich staunend auf den gewaltigen Höheazug der Alb von Schafberg und Lochen an, welche über Oberjettiug« weg zu uus herüberwiuken, in ummterbrocheuem Zuge, überragt von dem Kaiserberge Hohenzollern, der sich gerade von dieser Sette besonders malerisch abhebt. Wer zählt die Gipfel, nennt die Name«? Wir führen nur de« trotzig« Neuffen au, am Ende der Kette die Teck mtt ihrem zierlichen Turme. Ganz links aber zeigt sich losgelöst wie eine vorgeschobene Hochwacht der Hohenstaufen und schließt den Reigen in blauer Ferne. Wetter im Vordergründe erscheint das hochgelegene stattliche Deckeupfrorm, dahinter der Höhenrücken des Schönbuchs mtt dem scharfen Profil des Herreubeeger Schloßbergs. Wetter gegen Osten liegt Böblingen in ganzer Brette vor uus, sein« Gewrrbefleiß durch himmelanstrebeude Kamme bezeugend, deren Opfer das hellstrahlende Sanatorium zu heilen verspricht. Ueber die langgestreckten Höhen der Stuttgarter Berge und die fernen Hügelzüge des StrombergS kehren unsere Blicke wieder in das Nagoldtal zurück. — Die hiesige MusemuS- gesellschast plant für Pfingstsonntag einen Ausflug auf dm Doma. (Siehe Anzeigenteil).
Die diesjährige Hauptversammlung des Württ. LaudeSfifchereivereiuS (XVI. Württ. Fische- rettag) findet am Sonntag, 28. Juui d. Js. vormittags V»11 Uhr im Hotel Textor in Stuttgart statt. Am Samstag, 27. Juni abends 6 Uhr findet im Kursaal in Cannstatt eine öffentliche Fischereiversammlung statt. In derselben wird über die Fischeretansstellung in Cannstatt, die vom 25.—30. Juni stattfindet, gesprochen werden. Die Tagesordnung zur Hauptversammlung ist mtt Rücksicht daraus Md um Zeit zum Besuch der Ausstellung zu gewinnen auf das Notwendigste beschränkt worden. Außer den üblichen geschäftlichen Mitteilungen, Md den Berichten werden Neuwahlen und endlich Besprechungen verschiedener Fragen auL dem Gebiet der Fischerei stattfinden. Die Mitglieder des Bezirksfischereivereins „oberes Nagoldtal" werdm zu zahlreichem Besuch hiemit aufgefordert.
' Vom Tage. LU Zeichen der vorgeschrittenen Vegetation gilt die Tatsache, daß auf de« Acker von Gärtner Gchuster im Ziegelrain jetzt schon Kartoffeln gehäufelt «erden konnten.
Emminge«, 31. Mat. I« Austrage des „Württ. Haudwerkerlaudesverbaudes" veranstaltete Bauschuldirektor Fr. Schilteuhelm (Wildberg) auch hier eine öffeutl. Hand- werkerversammluug. Am Somttag nachm, gegen 4 Uhr wurde von Eugelwirt Groll-Nagold die Versammlung für eröffnet erklärt, worauf Direktor Schitteuhelm einen lehrreichen Borttag über das „Zunftwesen" hielt. Nachdem der Redner vom Ursprung der Zünfte ausgehend hauptsächlich den Zunftzwang, den Befähigungsnachweis, die damit bedingte Handwerksfertigkett, die Zunftversammlnugeu Md ihre Einrichtungen, die geistliche Bruderschaft, die Zunft» kämpfe und die Blüte der Zünfte in lebhaft« Farben uud in leichtverstäudlicher Art und Weise schilderte, ging er auch aus dm i« 19. Jahrhundert erfolgt« Untergang der Züufte über, der hauptsächlich durch die viel« verheerend« Kriege
Die weiße Nelke.
Kriminalroman von I. Saulbach.
(Fortsetzung.) (Nachdr. vrrb.)
„Du lieber Gott, — was ist das, armes Kind?" fragte Elisabeth mit steigender Teilnahme. „Du sprichst so verworren, daß ich mir daS alles gar nicht erklären kann. Komm, — beruhige dich, vertraue mir deinen ganzen Kummer. Ach, Kind, du bist es nicht Allein, die von Schmerz und Enttäuschung gequält wird! Glaube wir, — gerade ich kann dein Leid mtt dir fühlen, weil ich selbst viel, viel zu tragen habe."
Thea trocknete sich die Tränen und lehnte sich wie ein hilfesuchendes Kind an Elisabeths Schulter.
„Ich will dir alles sag«," fing sie nach einer Weile an, „wenigstens alles, was ich selbst von der Geschichte weiß; der ganze Zusammenhang ist auch mir gar nicht recht klar. Also, du hast doch meinen Vater gekannt, du weißt, daß er ein bischen, — nuu, — iu manchen Dingen ein bischen eigentümlich war; es mochte wohl davon kommen, daß er viel schweres erlebt hatte, wenigstens deutete er das häufig au und sagte manchmal, daß er seinem Schwager Glanbitz viel schuldig sei; weshalb eigentlich, — das weiß ich nicht, davon hat er nie gesprochen. Nun war er sparsam bis zur Aeugstlichkett, so daß man ihn allgemein für geizig hielt. Meine Mutter begriff ihn oft gar nicht, er hatte sich doch drüben in Amerika ein hübsches Bermögm erworben. Als ich mich vor zwei Jahren", — hier wurde
die Stimme der kleinen Erzählerin unsicher, — „mtt dem Leutnant Steinberg verloben wollte und meinem Later sagte, wie schrecklich lieb wir uns hätten, da machte er ein furchtbar strenges Gesicht, — so streng, wie noch nie, und erklärte mtt, daß daraus niemals etwas werden könnte, ich dürfte nie mehr daran denken und davon sprechen."
„Armes kleines Ding!" rief Elisabeth teilnahmsvoll aus und streichelte die Wangen Theas, über die wieder ein paar schwere Tränen rollt«.
„O, eS war schrecklich," klagte sie, „ich wußte gar nicht, was ich anfaug« solltel Ich schrieb au meinen Hans, daß wir heimlich doch fest Zusammenhalten wollten, und als er mtt iu demselben Sinne antwortete, war ich ein wenig getröstet und hoffte viel von der Zukunft. DaS schlimmste sollte aber noch kommen: Nach Papas ziemlich unerwartetem Tode, — du weißt ja, — im vorigen Jahre, — wurde Mamas Bruder, Onkel Oskar, zu meinem Vormunde eingesetzt. Und er, vor dem ich immer solche Furcht habe, weil er so streng Md kalt ist und aassteht, wie ein Zelot, erklärte wir nach der Eröffnung von VaterS Testament, daß der Rechtsanwalt Glaubitz, mein Vetter, zu «einem Verlobt« bestimmt sei. O, ich dachte, die ganze Well verfinsterte sich um mich her mit einemmale. Kein Fleh« half mtt, kein Weinen, kein Widerstand; Onkel OSkar blieb wie et» Marmorblock, und Mutter befahl mtt, daß ich mich fügen sollte. Noch immer hoffte ich, daß Alfred Glaubitz mich freiaebeu würde, wem ich ihm meine Abneigung zeigte. Aber auch darin irrte ich mich. Noch jetzt bildet er sich fest ein, daß seine Liebe zu mtt «ein Herz allmählich er
ring« würde. DaS redet er mtt täglich vor. O, du ahnst nicht, wie verzweifelt ich bin! Und nichts, nichts kann ich tun; ich bin ja unmündig, noch drei Jahre unmündig; ste könnt« mich zum Schaffst schleppen, weunjste wollt«, ich müßte mir'S ohne Widerspruch gefall« laffeu. Aber — am Altar, Elisabeth, am Altar sage ich laut: nein!, statt ja! daun vernichte ich alle Pläne. DaS habe ich auch meinem Hans geschrieben."
„Und du hast keine Ahnung, was dein« Vater zu der eigentümlichen Bestimmung bewog« haben kann?"
„Er wollte, daß Alfred Glanbitz, als der einzige Sohn seiner Schwester, sein Mitrrbe wurde, ohne daß edre Teilung unseres Vermögens nötig war; und das konnte nur geschehen, wenn Alfred und ich uns heirateten."
„Aber das ist doch sonderbar," beharrte Elisabeth. „Wenn er Alfred Glaubitz zu« Miterbeu einsetzte, war doch daS kein Grund zu einer so grausamen Bestimmung, die das ganze Lebensglück durchkreuzte!"
„Das ist'S ja eben, dahinter komme ich nicht; da lag ja meines Vaters Sonderbarkeit, liebste Elisabeth! Ach, mtt tausend Freuden könnte er das ganze Geld bekomm«, wenn ich ihn nur nicht zu heiraten brauchte! Mein Bater und Glanbitz' Later waren lange Jahre in Kalifornien zusammen. Bon dort brachte mein Bater sein Bermögm mit, --- mein Onkel Glaubitz aber ist drüben geblieb«, er ist auch dort gestorben."
(Fortsetzung folgt.)