82. Jahrgang.

Auflage 2600 .

Erscheint tL,lich Atz Ausnahme der rvna» und Festtage.

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U 97 Montag dm 27. Aprit

1908

Auf Grund der Ergebnisse? der am 30. März und den folgenden Lagen abgehaltenen Prüfungen sind u. a. nachstehend» Präparanden in da? Tchullehrerfrminar Saulgau ausgenommen worden: Lang, Karl, von Bieringen OA. Horb, Mayer, Balentin, von Vollmaringen, OB. Horb, Rudolf, Joseph, von B.erinzen, Oil. Horb. Der Liutrilt in da? Seminar hat am 11. Mai zu erfolgen.

Mehr kaufmännischer Geist in behörd­liche Verwaltnugen.

Die Bestrebungen, da? Schreibwerk bei den Behörden za vereinfachen, find nicht neu. Einsichtsvolle Minister und Resisrtchefs haben in diesem Sinn Verfügungen erlaffe», um das mit der Zeit immer umfangreicher gewordene Schreibwerk zu reduzieren. In der Tat wird auch beiden Behörden viel zu viel geschrieben und es ist erfreulich, wenn von LvLn herab eine Vereinfachung befürwortet wird. Aber nicht das Schreibwerk allein, sondern der ganze Geist bedarf in zahlreichen Verwaltungen einer grüadlrchen Reform. Denn oft steht die aufgewenoets Arbeit und Zeit in gar keinem Verhältnis za der Wichtigkeit der Angelegenheit. Kürzlich beanstandete z. B. eine Stadtverwaltung die Z nsberechmmg eines BankausMgs, der einen bedeutenden Umsatz umfaßte. In einigen Fällen bestand die Differenz in einer einzigen Zchszahi, schließlich ergab sich eine D siiirvz von 8^/» --Z, nach oben abgerundet von 10 zugunsten der betreffenden Berwaüuo», wobei sich «och üb r die R chligkeit der avge- wendeien Rechnungsmelhode gegenüber dem. kaufmännischen G-brauch streiten ließ. Nun vergegenwärtige man fich, wel­cher Apparat Zn diesem zwei Seiten umfassenden Schrift­stück in Bewegung gesetzt werden mußte. Zuerst wird dem zuständig.'» Chef über den Gegenstand Vortrag grhalteu, dann wird das Schreiben kr nziptert, zur Unterschrift vorge- lrgt, adgeschrieSen für 30 oder 40 --Z und kommt dann all­mählich zur Berserdung. Dir Bank muß es natürlich be­arbeiten, und schickt dann die Antwort unter Belastung des Portos der Verwaltung zu. B könnt sind euch genügend Fälle, wo wegen «och geringerer Betrag: ein unverhältnis­mäßig großer Apparat in Bewegung gesetzt worden ist.

Dem Sinn der Verfügungen, welche die Vereinfachung der behördlichen Verwültungsarbeit bezwecken, scheint es uns durchaus zu entsprechen, wenn die Arbeit der Beamten nicht in Kleinigkeitskrämerei ausartet und wenn auch im übrigen Einrichtungen getroffen werden, die eine möglichst glatte und schnelle Erledigung ser Geschäfte ermöglichen. Man sollte fich in dieser Beziehung an dem Kaufmann ein Beispiel nehmen. Wohin würde er kommen, wenn er zur Beant­wortung seiner Eingänge auch nur einen Tri! der Zeit und des Apparates einer Behörde gebrauchen würde? Er muß schon mit Rücksicht auf den Wettbewerb so schnell und so billig wie möglich arbeiten. Die Bebörse verlangt vom Privatmann pünktliche Beanworwug ih .r Schriftstücke, lut aber nicht desgleichen. Es ist bekannt, wie in einzelnen Bureaus oft recht wichtige Sachenschlummern". Nun so ohne weiteres zugegeben werden, daß der Kaufmann mehr selbständig disponieren kann, während Wider Behörde alles an bestimmte Verfügungen gebaaden ist. Dennoch könnte

manche Vereinfachung geschaffen werden, wenn einzelnen Beamtengattungen eine etwas größere Selbständigkett ein­geräumt würde, sodaß sie in der Lage sind, minder wichtige Gegenstände selbständig zu bearbetten, damit nicht jede Kleinigkeit, auf die Verfügung des Reffortchefs zu warten hat. Wenn die bearbeiteten Sachen dann zur Unterschrift vorgelegt werden, ist das Verfüguügsrecht des Vorgesetzten genügend gewahrt. Bor allen Dinge« sollten fich die Vor­gesetzten zum Prinzip machen, alle Eingänge möglichst so­fort erledigen zu lassen und nicht in die Akten zu vergraben mit der Verfügungnach acht Tagen wieder vorzulegm". Denn gerade dadurch häuft fich die Arbeit und die Erledig­ung wird um so unangenehmer, je öfter man sich mit einer unerledigten Sache beschäftigen muß. Das Beispiel des Vorgesetzten wirkt auf die Untergebenen. Bei einer Behörde, deren Chef keine Reste duldet, werden sich dir Beamten selbst wohler fühlen und sie werden weniger über Ueberbüronng klagen wie da, wo der Bmeankratiswus zu HauS ist. Wie oft werden da rein kaufmännische Angelegenheiten in der unzweckmäßigsten Weise erledigtl'

Erfreulicherweise gibt es schon große Verwaltungen, die fich die kaufmännischen Hilfsmittel der Kspiereinrichtung, Schreibmaschine nswi zunutze gemacht habe«. In der Regel steht dort ein Manu mit kaufmännischem Blick au der Spitze und zwar zu Nutz und Fromme« aller, die mit der betreffen­den Verwaltung zu tun haben, sowie der Beamten selbst. So ist die Anwendung gedrückter Formulare für häufig wiederkehrende Angelegenheiten, z. B. für Anzeigen über Eintragungen in das Genoflenschaftsregister zu empfehlen. Wir können aus Erfahrung sagen, daß dorr, wo für dergl. Angelegenheiten gedruckte Formulare Vorhand:« find, die Bearbeitung in der Regel viel schneller erfolgt, als dort, wo jede Benachrichtigung weitschweifig, handschriftlich ange- sertigt wird. Man soll das Gate nehmen, wo mau es findet und eS ist kein Zweifel, daß die Verwaltungen zur Verein­fachung des Betriebes ans Mancher kaufmännischen Etnricht- nngNutzen ziehen können. Der Staat verlangt von feinen Bürgern zum Nachweis richtiger Steuereinschätzung bis zn einem ge­wissen Grab kaufmännische Einrichtungen, so wollen wir Steuerzahler andererseits wünschen, daß Zum Zweck einer pünktlichen, vereinfachten und sachgemäßen Weise ein mehr kaufmännischer Geist bei den Behörden wallen möchte.

UoMische/MoberOcht.

Der bisherige preußische Gesandte in Hamburg, Dr. Frh. von Heyking, der Gatte der Verfasserin der Briese, die ihn nicht erreichten", bat jenen Posten wegen schwerer Erkrankung aufgeben müssen. Er ist jetzt durch den Grafen Götzen ersetzt worden, der gestern in Hamburg fein Beglaubigungsschreiben und gleichzeitig das Abbe- rufungsschreiben für Frhrn. von Heyking überreichte. Der endgültig aus dem diplomatischen Dienst geschiedene Frhr. von Heyking, der-seinerzeit durch den Fürsten Bismarck vom Redaktionsstühl hinweg in diese Karriere übergeführt wurde, war lange Jahre Gesandter in Pecktng und später der erste deutsche Gesandte am Hof des durch blutigen

Staatsstreich auf den Thron gelaugten Königs Peter von Serbien.

Der U«m«t der P»le« über Lpracheupara- graph nnd Enteignung beginnt, sich nach russischem nnd Lemderger Muster Luft zu machen. Wie aus Posen be­richtet wird, svid dem Oberprästdeute« der Provinz, dem Regierungspräsidenten und dem Vorsitzenden der Änsted« lungskommisstou eine Reihe Drohbriefe polnischer Einwohner zugegaugen, in denen ihnen das Schicksal des galizischeu Statthalters wegen der Unterdrückung angedroht wird. Schon bald nach dem Lemderger Attentat benutzte die polnische Presse in den Ostmarkeu den Mord zn heftigen Angriffen gegen das Deutschtum.

Durch per» deutsch-frarrzöfischer» Kameruuver- trag soll Frankreich, wie die Presse, selbst die halbamt­liche und offiziell von der Regierung gespeiste Presse dieses Landes, erklärt, große Opfer gebracht und Deutschland viele bedeutende Bortelle eingeräumt haben. Diese Fest­stellung wird gemacht, um die Erwartung auSzusprecheu, daß Deutschland setverseits Frankreich in der Marokkofrage mit «och größerem Wohlwollen als bisher begegnen wird. Hoffentlich bleibt mau in Berlin die Antwort nicht schuldig; denn wenn man auch zugebeu muß, daß die Neuregelung der Kameruugreuze für Deutschland nicht gerade ungünstig ausgefallen ist, so kann vonOpfern" Frankreichs, die eine Belohnung in Marokko verdienen, doch in keiner Weise die Rede sein.

Z«m Tod des frühere« e«glischen Premier­ministers Campt» rllBanuermau schreibt die Nordd. Allg. Ztg. in einem offiziösen Nachruf:In die Zeit der drei Jahre, in denen er an der Spitze des Ministeriums gestanden halte, fällt die Anbahnung freundschaftlicher Be- Ziehungen zwischen England und Deutschland, für die er persönlich gewirkt har. Auf dem Gebiet der inner« Politik hat er nur einen Teil der Pläne verwirklichen können, die er dnichzusetzm fich vorgenommeu hatte. Immerhin Hst er für seine Absichten mit Tatkr aft und Zähigkeit fich eingesetzt nnd das Interesse der Nation durch entschlossene Vertretung der Grundsätze, die er für die richtigen hielt, zu försern ge­sucht." Der Kaiser beauftragte den deutschen Geschäftsträger in London mit seiner Vertretung bei der Trauerfuer für Campbell-Bannerman.

Eine türkische Milttärabteiluug griff in Bauitza (Kreis Florina) eine bulgarische Baude an. Diese, verstärkt durch bewaffnete Bauern, trieb das Militär zurück. Zwei Soldaten wurden getötet. Der Bau der Aekka-Bahu begegnet finanziellen Schwierigkeiten. Infolgedessen hat der Mdiz an alle Wilajets eine Depesche gerichtet, weiche be­sagt, daß die Bah» bis Medina Mitte Juni fertiggestellt sein werde und am 1. September, dem Jahrestag der Thron­besteigung des Sultans, eröffnet werden solle. Dtt bis­herigen Arbeiten kosteten 3*/» Millouen Pfund. Für die Fortsetzung des Baues von Medina nach Mekka müßte das Material in Europa gekauft werden. Für die Strecke bis Medtua sei alles bezahlt und für die wettere Linie sei nur eine zehnprozeuttge Anzahlung gegeben worden. Das groß­artige Werk könne nicht unvollendet gelaffen werde«. Es

Die weiße Nelke.

Kriminalroman von I. Ka«lbach.

(Fortsetzung.) (Nachdr. Verb.)

Mein armes Kind." fing Seydel endlich an,ich muß di: deine freudige Zuverficht rauben, muß dir ge- stehen, daß für die Richter die Sache deines Verlobten noch kritischer werden wird durch die Enthüllung seiner Ver­gangenheit."

Wie ist das möglich, Vater?" fragte Elisabeth aus­blickend; alle Farbe war plötzlich ans ihrem Gesicht gewichen.

Min wird ihn aufs neue furchtbar belasten können; denke doch, daß er keine Beweise für seine U -schuld an der Unterschlagung erbringen kann, daß vielmehr all: Tatsachen seines früheren Schicksals neue Glieder sein können zu einer langen Kette von Berdachtsgrönden. Bedenke, daß die Schauspielerin, die ihm vorgeblich eine Fremde war, schon vor so langer Zeit in Beziehung zn ihm gestanden, ihn so­gar geliebt hat!"

Elisabeth war zu Mute, als würden mit ciuemmale jählings alle Blüten zerrissen, die vorhin die frohe Hoff­nung ha te aufke'men lassen. Sie legte die Arbeit aus den Tisch, und von ihrer gewohnten Beherrschung ganz verlassen, begann sie bitterlich zu weinen.

Ihr Vater litt mehr unter dem Schmerz seines Kindes, als es den Anschein hatte; doch hielt er es für seine Pflicht, keine vergeblichen Illusionen in Elisabeth zu nähren.

Sieh, Kind," fuhr er fort,die Richter und Ge­

schworenen wägen objektiv die Schuldbeweise ab und über­sehen die Sachlage mit klaren, geübten Augen; keine per- söMchen Gefühle trüben ihren Blick. Und so fürchte ich, daß sie kein günstiges Bild von ClaasenS Vergangenheit ge­winnen können. Mache es dir selbst doch nur einmal recht klar. Vergiß aas kurze Zeit, daß du ihn liebst, und denke dir ans, man würde dir von einem ganz Fremden dasselbe erzählen: Eine uurerdrückre Unterschlagung, ich betone absichtlich: unterdrückt, denn wenn er sich frei von Schuld fühlte, hätte er schon damals alles anibieteri müssen, dm wahren Täter zu ermitteln. Statt dessen folgt Wetter ein Zerwürfnis mit dem Vater und seine Flucht aus dem Vater- Hanse; dann was fast ars Schwerwiegendste ist die Annahme eines fremden Namens! Zu alledem kommt dann die rätselhafte, niemals ergründete Ermordung des Vaters, mit dem der Sohn verfeindet gewesen war und «nur Nun kommt sogar zutage, daß die jetzt ermordete Schau­spielerin Marietta Goladtka im engen Zusammenhänge mit dm Ereignissen der Vergangenheit stand. Claasen hat wohl gewußt, daß die Kenntnis seines früheren Lebens noch ver­hängnisvoller für ihn werden konnte, deshalb schwieg er so hartnäckig bei der ersten Vernehmung Tröste dich über sein Geschick, mein Kind, gib es auf, mit deinen schwachen Waffen für seine Freiheit zu kämpfen, du umßt unterliegen, und deine Enttäuschungen und Schmerzen werden «pch größer sein."

Elisabeth trocknete endlich ihre Tränen; nach dr« Ausbruch ihres Kummers fand sie ihre Fassung und ge­wohnte Festigkeit wieder. Sie emgegnrte entschlossen:

Zürne mir nicht, Vater, wenn ich nicht die Waffen strecke! Ich werde alles tun, alles anfbieten, um Ri­chards Unschuld ans Licht zn bringen. Der gerechte Gott wird mir schon den Weg zeigen, den ich etuschlagen muß. Glaube Air, Vater, das Bewußtsein allein, daß ich um seine Freiheit ringen kann, ist eS, was mir meinen schweren Kum­mer tragen Hilst. Wenn ich ihn jetzt tatenlos verloren geben müßte, ich weiß nicht, ob ich dabei nicht twr Weh zu Grunde ginge. Dn ahnst nicht, Later, wie heiß ich ihn liebe!"

Seufzend vernahm der Staatsanwalt dieses uner­schütterliche Bekenntnis ihrer Liebe und ihres Vertr ueuS. Er kannte die Uubeugsamkeit Elisabeths! Sie war nicht lenksam wie die meisten Mädchen ihres Alters; sie li-tz fich nicht bestimmen in ihren Gefühlen und ihrem Urteil, wenn str es nicht mit ihrer eigenen, ttesinnerstm Ueberzenguuz in Einklang bringen konnte. Ihr Vater versuchte daher nicht mehr, sie vor dem Scheitern ihres Plaues zu warnen. Doch seine Stirn blieb umwölkt, als sie ihm den Gutenachtkuß gab. Sie aber sann und grübelte unaufhörlich darüber nach,

wie sie ihr schweres Wer! zum Gelingen bringen könnte.

* *

Sobald das Gericht den wahren Namen Marietta Go- ladikaS erfahren hatte, wurde ein zweiter Aufruf erlassen, ob Verwandte der ermordeten Maria Normaun fich meiden könnten. Abu auch diesmal wartete mau vergebens auf einen Menschen der seine Zugehörigkeit za dem armen Mäd­chen bekannte. Und nach wie vor bewahrte das Gericht die wenigen Habseligkeitea und Papiere der Verstorbenen.

(Fortsetzung folgt.)