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verbreitete sich heute Mittag mit Blitzesschnelle in der Stadt und erregt in allen Kreisen die tiefste Erschütterung. Im Laufe des Vormittags war die Bestätigung der Meldung des Reuter'schen Bureaus hier eingegangen und dem Kaiser vorgelegt worden, welcher seinerseits alsbald den Prinzen Heinrich in Kiel auf telegraphischem Wege von dem beklagenswerten Ereignis in Kenntnis sitzte. Seit dem Verluste des „Großen Kurfürsten" bei Folke- stone und der „Augusta" im indischen Ocean hat Deutschlands Flotte derartige Schicksalsschläge nicht erlitten.
Berlin, 30. März. Das Unglück bei Samoa hat, so berichtet man dem „Frkf. I." hier in allen Kreisen große Erregung hervorgerufen. Der Kaiser erhielt die Unglückrbotschaft schon heute morgen um 10 Uhr. Er empfing alsbald den Grafen Moltke, den Kriegsminister und andere höhere Militärs, denen gegenüber der Kaiser seine tiefe Betrübnis über dieses Unglück ausgesprochen hat. Im Reichstag wurden die Telegramme im Vorsaal um die Mittagsstunde angeschlagen. — Bezüglich der verlorenen Schiffe tragen wir Folgendes nach: Die Kreuzercorvette „Olga", vom Stapel gelaufen am 14. Dezember 1880, ist 69 Mir. lang. 13 Mtr. breit, hat einen Tiefgang von 5,6 Mtr., eine Maschinenkraft gleich 2100 Pferdekräften, sie führt 15 Geschütze (acht 15 Clm. und zwei 8,7 Ctm. Geschütze, neben einem leichten Geschütz und vier Revolvergeschützsn), die Fahrgeschwindigkeit beträgt 14 Seemeilen, die Besatzung bestand 267 Mann. Die „Olga" kostet 2'^ Mill. M.; für Reperaturen wurden bis Ende März 1887 insgesammt 306,115 Mark ausgegeben. S. M. Kreuzer „Adler" war am 3. Oktober 1883 vom Stapel gelaufen, das Schiff war 54 Mtr. lang und 10 Mtr. breit, hatte Maschinen gleich 650 Pferdekräften, vier Geschütze (zwei 15 Ctm. und zwei 12 Ctm. Geschütze) und eine Fahrgeschwindigkeit von 11 Seemeilen; die Besatzung war 127 Mann stark. Er hatte 881,000 M. gekostet; an Reparaturen erforderte er bis Ende März 1887 229,650 M. Das Kanonenboot „Eber" zählte 3 Geschütze, 700 Pserdekraft, 570 Tonnen. Das Kanonen- „Eber" ist ein ganz neues Schiff. Es ist vom Stapel gelaufen am 15. Februar 1887 und kostete 652,000 M. Die verlorenen Schiffe hatten bekanntlich seit Monaten Station in Apia, wohin sie befohlen waren, um nach Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen dem König Tamasese und dem Rebellenführer Mataafa, der deutsches Eigentum und Leben gefährdete, den Schutz der deutschen Interessen zu vertreten. Noch in frischer Erinnerung ist, wie wacker sich unsere Seeleute im Dezember vorigen Jahres bei dem Gefecht gegen die von dem amerikanischen Abenteurer Klein geführten Horden schlugen. Es wurde ihnen dafür die besondere Anerkennung ihres oberstm Kriegsherrn zu Teil.
Berlin, 28. März. Der Kaiser, der während des Winters nicht zu Pferde gestiegen war, hat seit einigen Tagen wieder seine regelmäßigen Ritte ausgenommen, die er zum Teil wett ausdehnt; so war er gestern Nachmittag im Grunewald und heute Morgen längere Zeit auf dem Tempelhofer Felde; später empfing er den heute Morgen hier eingetroffenen Erbgroßherzog von Baden, der hierhergekommen ist um feinen Dank für die Ernennung zum Obersten und Regimentskommandeur obzustatten. Der erste Besuch des Erbgroßherzogs, der im niederländischen Palais abgestiegen ist, galt der Kaiserin Augusta; später nahm der Erbgroßherzog das Frühstück bet dem Kaiserpaare, welches abends auf der britischen Botschaft speiste.
— Das Befinden der Prinzessin Heinrich. Der „Reichs-Anz." enthält nachstehende Mitteilung: „Die Fortschritte in der Genesung Ihrer königlichen Hoheit der Prinzessin Heinrich von Preußen und das gute Befinden des jungen Prinzen versprechen in erwünschter Weise anzudauern. Auf Höchsten Befehl werden daher regelmäßige Bulletins fortan nicht mehr veröffentlicht werden. __
Herges-Wertigkeiten.
Hemmingen, 30. März. Unter zahlreicher Beteiligung der ganzen Umgegend fand heute das Leichenbegängnis des Freiherrn von
Varnbüler statt. Aus Stuttgart waren gekommen Prinz Hermann von Weimar, die Minister und viele Würdenträger. In der Hemminger Schloßkirche, wo der mit Kränzen, u. A. vom deutschen Kaiserpaar, dem württembergischen Königspaar und dem Fürsten Bismarck, geschmückte Sarg aufgebahrt war, ward der Gottesdienst abgehalten, worauf die Beisetzung auf dem Familienfriedhof erfolgte. Am Grabe wurden noch Kränze namens der Kammer und der Ritterschaft niedergelegt.
— Vom Sägmühlebesitzer Waidelich von Waldenbuch wurde dieser Tage im Revier Einsiedel ein Eichenstamm von seltener Größe käuflich erworben. Derselbe hat auf eine Länge von 7 Meter einen Meßgehalt von 14,07 Festmeter; der Stamm hat einen solchen Durchmesser, baß zwei große Männer, welche auf beiden Seiten der Eiche sich aufstellen, noch eine Erhöhung von 0,60 Meter brauchen, um einander sehen zu können. Der Stamm ist durchaus gesund.
Stuttgart. Ein gräßliches Unglück hat sich Freitag nachmittag 5 Uhr in der Calwerstraße bei der Lindenstraße zugetragen. Das 11jährige Söhnchen des Baumschulbesitzers Gaucher, Enkel des bekannten Gartenbauinspektor» Wagner wollte in einen im Lauf befindlichen Straßenbahnwagen springen, fehlte den Tritt und stürzte mit den Schläfen so unglücklich auf den Kandel, daß der Tod sofort eintrat.
Eßlingen, 29. März. Ein Drama L I» Meyerling hat sich gestern abend in Mettingen abgespielt. Der von dort gebürtige 20jährige M. machte den Versuch, seine Geliebte und sich selbst mittelst Revolvers zu töten. Beide sind noch am Leben und M. wurde heute früh ins Krankenhaus verbracht. ES soll wenig Hoffnung vorhanden sein, ihn am Leben zu erhalten, da die Kugel bis jetzt noch nicht aufgefunden werden konnte. Beide waren in die Schläfe geschaffen.
Besigheim, 29. März. Der für seinen kränklichen Vater Dienst thuende und hierauf beeidigte Sohn des Postboten von Großingersheim ließ es sich beigehen, den Inhalt der Briefe und Packete, welche ihm zur Beförderung übergeben wurden, zu erforschen. Aber, als er eben im Begriffe stand, ein Eierkistchen näher zu untersuchen, wurde der Bursche von einem Landjäger ertappt, und alsbald machte sich unser Postverwalter daran, in Groß- und Kleiningersheim weitere Beweise über die Untreue dieses Postdieners zu erheben. Derselbe ist in Haft gebracht.
Freudenthal, 28. März. Am vergangenen Sonntag hielt der Bienenzüchterverein de» Oberamts Besigheim seine Frühjahrsversammlung in Bönnigheim ab. Nach dem vorgelegten Rechenschaftsbericht ist der Stand der Kaffe ein guter und wurde daher beschlossen, mit der Herbstversammlung eine Lotterie für die Mitglieder zu verbinden. Als Redner für die Versammlung war Herr Oberlehrer Rumpel von der K. Weinbauschule in Weinsberg gewonnen und hielt derselbe einen sehr interessanten Vortrag über: „Die Auswinterung der Bienen im Frühjahr". Mit dem Wunsche, daß dieses Jahr ein reiches Honigjahr werden möchte, trennte sich die zahlreiche Versammlung. — Der hiesige israelitische Metzger kaufte dieser Tage in Kirchheim am Neckar ein paar Ochsen für den Preis von 1300 Dieselben wurden lebendig gewogen und hatten das ansehnliche Gewicht von 40 Ztr.
Heilbronn, 29. März. Ledermarkt. Unser diesjähriger März>Markt war recht stark befahren, und es fanden sich viele untergeordnete Sortimente darunter. Das sogenannte Vorgeschäft nahm einen ruhigen Verlauf, doch gestaltete sich der Verkehr am Markte selbst, wo weitere Käufer erschienen waren, zu einem lebhafteren, ohne indessen gegen früher eine wesentliche Veränderung herbeizusühren. Bessere Wildoberleder gingen, wie gewöhnlich, rasch ab, geringere Sorten lagen schwerfällig und waren zum Teil nur mit Conzessionen anzubringen. Schmalleoer in den für Militärzwecken passenden Sorten gesucht. Zeugleder unverändert bei schwachem Angebot. Sohlleder war gut Vertretern, und konnten sich die Preise mit Rücksicht auf die jetzige Trocknung nur mühsam behaupten. Ka l bieder, wenig zugeführt, räumte sich rasch zu den seitherigen Preisen. Schafleder
Len ganzen Tag absichtlich ausgewichen, so daß sie keine Gelegenheit gehabt hatte, ihm ihren Wunsch mitzuteilen.
Nun stand sie allein da und zum letzten Mal als Natalie Egerton; — morgen schon sollte sie einen anderen Namen tragen und in ein neues Leben ein- treten, von dem jetzigen durch ihre Heirat getrennt. Ihr Geschick war besiegelt. Wie sie so dastand im abendlichen Dunkel, faßte sie den feierlichen Entschluß, die Pflichten, die ihrer warteten, mit Geduld und Ergebung zu erfüllen und, wenn sie ihren Gatten schon nicht lieben konnte, wenigstens Alles zu seiner Zufriedenheit beizutragen.
Sie wußte es selbst nicht, wie lange sie so in Sinnen verloren dagestanden hatte; als sie sich ihrer Träumerei endlich entraffte, bemerkte sie mit Schrecken, daß es zwischen den Bäumen unterdessen bereits wollig dunkel geworden war.
Mit raschen Schritten wandte sie sich ab und eilte den Pfad entlang, der an das Gitter führte, wo sie ihren Verlobten treffen sollte. Sie ging nicht an der Brücke vorüber, bei welcher sie ihn zurückgelassen hatte, weil dies ein Umweg gewesen wäre, sondern schlug den kürzesten Weg ein.
Plötzlich im eiligsten Gange blieb sie heftig erschreckt stehen; ganz in der Nähe fiel ein Schuß, dessen lauter Knall durch die Sülle der Nacht drang.
Natalie war ein keineswegs furchtsames Mädchen, aber ihre Nerven warm von den Aufregungen, die der Tag gebracht hatte, angegriffen; so war sie nicht so ruhig, wie sie sonst zu sein pflegte. Vielleicht erschrak sie aus diesem Grunde heftiger über den unerwarteten Schuß, als es unter anderen Umständen der Fall gewesen wäre.
„Vielleicht hat Lionel einen überflüssigen Schuß aus seiner Flinte abgefeuert," sagte sie für sich, denn sie wußte, daß ihr Bruder an diesem Morgen im Wildpark gejagt hatte. „Es ist nichts Ungewöhnliches an einem Septemberabend, einen Schuß zu hören; es war thöricht von mir, mich davon erschrecken zu lassen."
Nichtsdestoweniger hatte sie sich doch beunruhigt und sie konnte des unangenehmen Eindrucks nicht ledig werden. Sie schritt, so schnell sie konnte, nach dem Gitterthor am Eingang des Gehölzes. In ihrer Elle sah sie nicht zwei Personen, die, offenbar auf sie wartend, dort standen. Erschreckt zurücktanmelnd, well sie sie zu spät erst bemerkte, erkannte sie Jsabella Farquhar und ihren Vater.
„Was ist geschehen?" rief Miß Farquhar, offenbar erstaunt über die unverkennbare Hast und Erregtheit bei der sonst so ruhigen Natalie. Diese aber war von ihrem Lauf so atemlos, daß sie nicht sofort zu antworten vermochte, und Jsabella fuhr neugierig fort: „Ist Ihnen nicht wohl?"
„O, doch, mir ist ganz wohl; aber ich bin heftig erschrocken," antwortete Natalie noch immer atemlos.
„Worüber? Vielleicht über den Pistolenschuß, den auch wir soeben hörten?" fragte ihr Vater.
„War es ein Pistolenschuß?" fragte Natalie. „Ich wußte nicht, was es war."
„Wo ist Gilbert?" erkundigte sich Miß Farquhar etwas hastig.
„Ich glaubte, er sei hier!"
„Aber er verließ doch mit Ihnen das Haus?"
„Ja, und wir waren auch bei einander bis vor etwa zehn Minuten oder einer Viertelstunde; da verließ ich ihn und versprach, ihn hier beim Gitterthor zu treffen."
„Sie versprachen, ihn hier beim Gitterthor zu treffen?" wiederholte Jsabella argwöhnisch. „Wie kam es dann, daß Sie so heftig erschraken, als Sie uns sahen?"
„Ich weiß eS nicht; ich glaube, der Schuß hat mich beunruhigt."
„Ist mein Bruder noch hier im Gehölz?"
„Ich weiß eS nicht. Als ich ihn verließ, sagte er, daß er mich hier erwarten würde. Vielleicht blieb ich länger aus, als er warten wollte, und ist ins HauS gegangen."
„Das ist sehr unwahrscheinlich," versetzte Jsabella entschieden „Es ist viel eher anzunehmrn, daß er ins Gehölz und Ihnen entgegenging."
Natalie gab das zu.
„Aber es nützt Nichts, ihn jetzt hier zu suchen," fügte sie hinzu, „denn es ist so finster unter den Bäumen, daß man keinen Weg findet. Er wird gewiß bald zurückkommen!*
Mr. Egerton stimmte dieser Ansicht bei und die Drei gingen ins HauS, woselbst sie Otto Ltzinvood fanden.
(Fortsetzung folgt.)