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Fesseln zu schmieden." ... Die russische Polizei stellt eifrige Nachsuchungen an, die jedoch noch zu keinem Ergebnis geführt haben.
London, 27. März. Lord Charles Beresford gab gestern Abend im Unterhause ein Mahl zu Ehren des Grafen Herbert Bismarck, der von dem Marineattachö Schröder begleitet war. Unter den Anwesenden befanden sich Fergusson, General Hamley, Viscount Cranborne, der Sohn Salisbury's, Balfour; Smith, Goschen und Marineminister Hamilton.
London, 26 März. Die Hungersnot in China wächst immer mehr. Der Shantung-Distrikt wird durch Hunger und Fieber allmählich entvölkert. Täglich begehen Hunderte von armen Bauersleuten Selbstmord, um dem langsamen Sterben zu entgehen.
Gcrges-Werrigkeitsn.
— Das Begräbnis des verstorbenen Staatsministers a. D. Frhr. v. Varnbüler findet am Samstag, 30. März, zu Hemmingen um 1 Uhr mittags statt.
Stuttgart. Einen seltsamen Durchfall erlebte in den letzten Tagen hier ein Telephonarbeiter. Derselbe war damit beschäftigt, auf dem Dache einer hiesigen Lehranstalt neue Leitungsdrähte zu befestigen. Das Dach hatte Oberlicht und die Arbeit war infolge dessen nicht ganz ungefährlich. Es passierte denn auch, daß der Arbeiter einen Fehltritt that — die Oberlichtscheiben brachen und — Krach! setzte der Mann durch die Decke und gelangte plötzlich mitten unter vie nichts ahnende, ruhig arbeitende Schülerschar. Da sich der Durchfallende an den Telephondrähten festzuhalten suchte, wurden ihm durch die Drähte Schnittwunden an der Hand beigebracht.
Tettnang, 26. März. Heute nacht brannte das dem Oekonomen Ehrle gehörige Anwesen in Iglerberg ab. Leider sind mitverbrannt 3 Kinder im Alter von 8, 10 und 14 Jahren, sowie 2 Pferde, einige Kühe und 1 Schwein. Der Brandstifter ist verhaftet. Nachdem ihm gestern früh gekündigt wurde, rächte er sich auf diese Weise. Er zündete die Streu hinter dem Hause an und nachdem er eine zeitlang zugesehen, ob es richtig brenne, klopfte er den Schlafenden und rief: ,/s brennt". Mann, Frau und Magd konnten sich noch retten. Die Frau erkannte den Thäter an der Stimme und es erfolgte seine Verhaftung. Auf dem Transport gestand er seine That ein.
— Die Venus erglänzt jetzt jeden Abend 3 Stunden vor Untergang in wunderbarem Licht am westlichen Himmel. Schon wenn die erste lichte Dämmerung eintritt, blitzt sie auf wie ein feuriges Auge. Bis gegen neun Uhr beherrscht sie den Abendhimmel. Wenn man die Lichtstärke ihrer Strahlen richtig beurteilen will, muß man sie mit dem stärksten Fixstern des Himmels vergleichen, der jetzt noch uin dieselbe Zeit über dem südlichen Horizont zu sehen ist. Unter besonders günstigen Umständen kann man die Venus selbst am Tage sehen. Ihr Glanz wächst bis zum 25. März und dann wird sie sich der Sonne nähern, an der sie am 1. Mai Vorbeigehen wird. Am 21. April hat sie noch eine Verspätung von 1 Stunde 46 Minuten hinter der Sonne. Von Mitte Mai an hört sie auf, Abendstern zu sein und wird Morgenstern. '
Berlin, 26. März. Ein Aussehen erregender Selbstmord ist an Bord des Norddeutschen Lloyddampfers „Rhein" von dem Schiffsarzte Dr. Lichtenberg verübt worden. Als der „Rhein" unlängst die Weser herauffuhr, ließ Dr. Lichtenberg, ein Rostocker von Geburt, den Kapitän Kuhlmann in seine Koje bitten. Da letzterer keine Zeit hatte, schickte er den ersten Offizier, der den Arzt bereits im Todeskampse vorfand. Inzwischen war die Reede erreicht worden, das Quarantäneboot legte, da der Dampfer von Brasilien kam, an, und Dr. With aus Bremerhaven kam an Bord. Zu dem Sterbenden geführt, versuchte er alles Mögliche zur Rettung und
ließ ihn schließlich mit dem ersten Dampfboot an Land und ins städtische Krankenhaus bringen, wo der junge, erst 29jährige Schiffsarzt noch im Laufe des Nachmittags an den Folgen einer Vergiftung, wie man annimmt, starb. Ein bei ihm Vorgefundener Zettel enthält die Bitte, seinen Leichnahm keiner Oeffnung zu unterziehen. Uebrigen« sprang Dr. Lichtenberg schon bei Buenos Ayres in selbstmörderischer Absicht über Bord, wurde damals jedoch gerettet.
Hamburg, 25. März. Eine sozialdemokratische Kundgebung fand dieser Tage auf dem Venloer Bahnhof statt. Ein von hier ausgewiefener Tischler wurde, als er sich zur Abreise dort einstellte, von Tausenden seiner Parteigenossen mit lautem Hurrahrufen begrüßt. Der Bahnhof selbst war von einer starken Polizeimannschaft besetzt. Um sich die Möglichkeit zum Betreten der Abfahrtshalle, das nur mit Fahrkarten versehenen Personen gestattet war, zu schaffen, kauften Hunderte der Sozialdemokraten sich Karten nach der nächsten Station und umdrängten in dichten Scharen den Zug, den abfahrenden Genoffen mit fortdauerndem Zuruf feiernd. Als der Zug den Bahnhof verlassen, ging die Menge singend auseinander. Verhaftungen wurden nicht vorgenommen.
Flensburg, 23. März. Eine Hexengeschichte, welche im Alsener Dorfe Brandsbüll spielt, macht dort viel von sich reden. Auf verschiedenen Höfen traten erhebliche Viehkrankheiten auf. So starben einem Hufner in kürzester Zeit ein Pferd und drei Kühe an einer unerklärlichen Krankheit. Ein zugezogener sogenannter Privattierarzt erklärte, die erkrankten Tiere nicht kurieren zu können, weil ihnen — was angethan sei. Glücklicherweise erinnerte man sich einer „klugen Frau", welche im Dorf wohnt. -Diese wurde nun bei Nacht geholt, und sogleich begab sie sich unter allerlei Beschwörungsformeln in die Viehställe, wo sie längere Zeit bei den Tieren verweilte. Am kommenden Morgen, als der Tierarzt zur Besichtigung seiner Patienten erschien, konnte er zur großen Beruhigung der Besitzer erklären, daß die Gefahr jetzt vorüber sei und die Kreaturen seiner Fürsorge wohl ferner nicht mehr bedürfen. Die „kluge Frau" aber erzählte überall, wohin sie gerufen wurde: am folgenden Tage werde der Schuldige selbst erscheinen mit einer Bitte oder einem sonstigen Anliegen, dem man indes nicht willfahren solle, überhaupt sich in acht nehmen, daß die Person ihren Willen nicht durchsetze. Und in der That erschien in einigen Stellen ein wohlbekannter Ortseingesessener, um von diesem ein Brot, von jenem etwas anderes zu erbitten. Doch die Ungehorsamen traf die prophezeite Strafe: das Vieh derselben erkrankte plötzlich von neuem, einige Exemplare verendeten sogar. Dies ist geschehen im Jahre 1889 im Dorfe Brandsbüll auf Alsen. Uebrigens interessiert sich das Gericht gleichfalls für diese geheimnisvolle Geschichte und so wird dieselbe wohl demnächst vor der Strafkammer zu Flensburg eine gründliche Beleuchtung erfahren.
Standesamt Kakw.
Geboren-
19. März. Friedrich, Sohn des Friedrich Kübler, Taglöhners.
22. „ Karl Eugen, Sohn des Georg Hämmerle, Zimmermanns.
Gestorben:
24. März. Johann David Bubeck, Steinbrecher, 88 Jahre alt.
26. „ Julius August Fuchs, 15 Tage alt, Sohn des Martin Fuchs, Stein
brechers.
28. „ Frank, August, Steinhauers Ehefrau, Creszentia geb. Kratzer, 36.
Jahre alt.
Gottesdienste am Sonntag, den 31. März 1889.
Vom Turm: 134. Vormittagspredigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Tüchern. 5 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Herr Helfer Eytel.
Gotteräieaste in äer Metkioäisteakapekke am Sonntag, den 31. März 1889, morgens l/,10 Uhr, abends 5 Uhr.
In der Bibliothek fanden sie Air. Egerton, dessen abgehärmtes Gesicht von freudiger Erregung gerötet war, während seine Augen leuchteten. Natalie entging es nicht und ihr Herz zog sich schmerzlich zusammen.
Das Unterzeichnen des Ehevertrages war schnell geschehen und der Rechtsanwalt empfahl sich. Gleich nachdem er sich entfernt hatte, zog Gilbert Farquhar ein zusammengefaltetes Pergamentblatt aus seiner Tasche und reichte es seiner Braut.
„Ich habe lange darüber nachgedacht, welches Hochzeitsgeschenk ich Dir geben könnte, das Dich am meisten freuen würde," sagte er in innigem Tone, denn welche immer seine Fehler sein mochten, seine Liebe zu Natalie war zum mindesten wahr und tief. „Alles erwägend, kam ich zu der Ueberzeugung, daß die Besitzesurkunde von Kings-Dene Dir zweifellos das liebste sein würde; ich habe daher in diesem Schriftstück das ganze Pfandrecht auf Dich übertragen lassen und entsage allen meinen Ansprüchen auf die Besitzung zu Deinen Gunsten."
„Du meinst — Du meinst das in Wirklichkeit?" fragte das junge Mädchen, zitternd vor Aufregung.
„Ja. Die Hypothek ist jetzt Dein unbeschränktes Eigentum; Du kannst damit thun, was Du willst, — Du kannst sie Deinem Vater schenken, wenn es Dir Freude macht."
Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen, so war Natalie auch schon vor Mr. Egerton auf die Knie gesunken. „Nimm es, Papa, — nimm es hin!" rief sie in krampfhaftem Tone, ihm das Schriftstück entgegenstreckend, während ihre Brust in heftiger Erregung wogte. „Kings-Dene ist wieder frei. Du bist wieder sein einziger und unbeschränkter Herr. O, dem Himmel sei Dank, — dem Himmel sei Dank!"
„Dem Himmel und Mr. Farquhar!" fügte der Squire hinzu, fast eben so erregt, wie sie selbst eS war.
Das erinnerte Natalie an die Thatsache, daß sie ihrem Bräutigam für dieses in seiner vollen Bedeutung wahrhaft fürstliche Geschenk noch gar nicht gedankt hatte. Sie stand auf, trat auf ihn zu und bot ihm zum ersten Mal die Wange zum Kusse dar.
„Ich kann Dir nicht dankm," sagte sie einfach. „Deine Großmut ist zu weitgehend, als dH ich sie Dir mit Worten vergelten könnte!"
„Ich verlange keinen Dank," sagte er, sie küssend und hoch entzückt über die Art und Weise, wie sein Geschenk ausgenommen wurde. „Ich wollte Dir eine Freude bereiten; wenn mir das gelungen ist, so ist mein Zweck erreicht und ich bin überreich belohnt."
„Du hast wahrlich ein schrankenloses Vertrauen in Deine künftige Gattin," flüsterte Jsabella ihrem Bruder einige Minuten später zu, nachdem sie ihn in eine Fensternische gezogen hatte; „jeder andere Mann hätte zum mindesten bis nach der Trauung damit gewartet, ehe er seiner Braut ein so großartiges Geschenk überreicht hätte."
Farquhar lächelte voll Zuversicht. „Ich kenne Natalie und weiß, was ich von ihr zu erwarten habe!" Er trat auf seine Braut zu und bat sie, mit ihm ins Freie hinauszugehen. Jsabella war dadurch ganz allein mit Mr. Egerton, denn Lionel hatte unverzüglich nach der Tafel das Haus verlassen und war seitdem unsichtbar geblieben.
Mr. Egerton schlug Jsabella vor, gleichfalls einen Spaziergang in den Park zu unternehmen, und so kam es, daß, als Adrienne und Otto in Kings-Dene eintrafen, sie Niemanden von der Familie zu Hause fanden.
Farquhar wanderte mit Vorliebe durch das Gehölz und so lenkte er mit seiner Braut auch dieses Mal wieder dahin seine Schritte. Bei derselben Brücke, wo sie auch bei einer früheren Gelegenheit schon gerastet hatten, blieb er stehen.
„Morgen um diese Zeit werden wir bereits einen Teil unserer Hochzeitsreise zurückgelegt haben," sagte er, seinen Arm um sie legend. „Ich kann eS kaum glauben, daß Du in wmigen Stunden mein Weib sein, mir fürs Leben angehörm sollst!"
Natalie machte eine gewaltige Anstrengung, das Schaudern zu unterdrücken, das sie bei diesen Worten unwillkürlich durchrieselte; aber sie sagte Nichts.
„Bist Du bereits mehr damit einverstanden, mich zu heiraten?" fragte er, sie verlangend ganz nahe an sich ziehend. „Liebst Du mich mehr als früher, Natalie?"
„Ich bin Dir wett dankbarer, als ich eS zu sagen vermag," versetzte sie ausweichend. (Fortsetzung folgt.)