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64. Jahrgang
Amts- unii
Inteüigenzbkatt für «len llezirü.
Erscheint Dienstag, Dannerstag L Samstag.
Die Sinrückungsaebühr beträgt 9 ^ p. Zelle im Bezirk, sonst 12 H.
Donnerstag» öen 21. März 1889
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70
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Red. ä- Crped. des Calwer Wochenblattes.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 18. März. Der württembergischeLand- tag wird am 3. April wieder zusammentceten. Die Tagung wird mehrere Monate in Anspruch nehmen, so daß die Kammern noch über die Z:it der aus Anlaß des Regierungsjubiläums des Königs Ende Juni abzuhaltenden Festlichkeiten beieinander sein werden.
Kiel, Mittwoch, 20. März. (Dep d. Calwer Wochenbl.) Prinzessin Heinrich wurde heute vormittag 11 Uhr von einem Prinzen entbunden.
Berlin, 18. März. Das fernere Erscheinen der „Volkszeitung" wurde auf Grund des Sozialistengesetzes verboten. Die „Volkszeitung" hat dagegen bei der Reichsbeschwerdekommission Rekurs eingelegt, der Erfolg gilt jedoch für unwahrscheinlich. Einem Gerüchte zufolge steht die Ausweisung zweier Redakteure der „Volkszeitung" aus Berlin bevor.
Berlin, 18. März. (Die „V o l k s z e i t u n g".) Der Unterdrückung dieses Blattes war bekanntlich eins Beschlagnahme vorausgegangen, über welche die „Post" folgendes erfährt: gestern nachmittag um Ve3 Uhr erschien Kriminalkommissar v. Tausch mit sechs Beamten der politischen Polizei in dem in der Lützowstraße belegenen Gebäude der „Volks-Zeitung". Die Beamten kamen mit einem Schlosser, der jedoch nicht in Thätigkeit zu treten brauchte, da der Portier des Hauses die Schlüssel besitzt und sich bereit fand, die gewünschten Räume zu öffnen. Während sich zwei der Beamten zur Vornahme einer Hausdurchsuchung in die Wohnung des Redakteurs Dr. Franz Mehring begaben, verblieben 5 im Dcuckereigebäude, vernichteten Platte und Satz des Leitartikels und belegten in den Redaktionsräumen
Manuscripte und Akten mit Beschlag. Die Thätigkeit der Polizei nahm I 1/2 Stunden in Anspruch. Die im Vorderhaus belegene Expedition, in welcher die noch vorrätigen Exemplare der konfiscierten Nummer lagerten, blieb unbetreten, doch wurden während des gestrigen Tages und die ganze Nacht hindurch die verschlossenen Räume durch Schutzmannsposten derartig bewacht, daß Niemand hineingelangen und nichts entfernt werden konnte. Heute früh um i/gio Uhr erfolgte unter Leitung eines Polizeioffiziers die Beschlagnahme der Nummer, worauf der Schutzmannsposten zurückgezogen wurde. Den Setzern, welche heute früh erschienen, wurde alsdann der Zutritt zu den Arbeitsräumen nicht verwehrt. Man plant, die Leute, dis inzwischen mit Accidenzsatz beschäftigt werden sollen, bei der Herausgabe einer Zeitung unter anderem Titel zu verwenden. In den Restaurants und Caf'ös, sowie bei den Zsitungshändlern wurde die Nummer gestern nachmittag ebenfalls konfisciert. Die „Volkszeitung" zuletzt Eigentum einer Aktiengesellschaft, besteht unter diesem Namen über 36 Jahre. Ihre Anfänge reichen bis in das Jahr 1848 zurück; damals führte sie den Namen „Der Urwähler".
Berlin, 18. März. Die „V 0 l k s z e i t u n g", deren Weiterer« scheinen auf Grund des § 11 des Sozialistengesetzes verboten wurde, ist heute abend bereits wieder unter dem Titel „Der A r b e i t s m ar k t" erschienen. Das neue Blatt wird hauptsächlich Anzeigen enthalten und über die wichtigsten Ereignisse unterrichten. Die meisten hiesigen Blätter bezweifeln übrigens, daß sich das Verbot ausrecht erhalten lassen wird.
Berlin, 18. März. Nachdem auch die Fortsetzung der „Volkszeitung" unter dem Titel „Der Arbeitsmarkt" polizeilich beschlagnahmt ist, erscheint das Blatt nunmehr unter dem Titel „Die Arbeit" und bringt lediglich Inserate.
— (Die preußische Staatsschuld.) Nach dem Bericht, welchen dis Staatsschuldenkommisston über die Verwaltung des Staatsschuldenwesens im R'chnungsjrhre vom 1. April 1887/88 erstattet hat, betrug die Staatsschuld am 31. März 1887 4,184,643,807 62 Der Betrag,
welcher an laufenden und rückständigen Zinsen im Betriebsjahre zu zahlen war, beläuft sich auf 184,014,849 ^ 17 ^>. Davon sind rückständig geblieben 12,394,776 37 H. Von den auf dem Etat stehenden Schulden
sind durch Tilgung abgegangen 19,788,987 47 Am 31. März 1888
stellte sich die Staatsschuld auf 4,416,201,070 vtL 15 H. Der Zuwachs ist aus der konsolidierten 3V2prozentigen Anleihe erwachsen. Seit Erstattung des letzten Berichts find an 3>/zproz. Konsols neu angefertigt und auf Grund des Gesetzes vom 26. April 1886 zur Beförderung deutscher Ansiedelungen
DeUlllsiSU. Nachdruck v«b°kn.
Verschlungene Kaden.
Roman aus dem Englischen von Hermtne Franken st ein.
(Fortsetzung.)
Während sie so sprach, warf sie einen verstohlenen Blick auf Natalie, deren dunkle Augen eine düstere Traurigkeit verrieten.
Wer war der am meisten Schuldige, sie oder Hugh? Welches Recht hatte sie, eine Treue von ihm zu fordern, die sie selbst ihm — wenigstens scheinbar — nicht gewährte? Konnte sie erwarten, daß er ihr treu bleiben sollte, nachdem sie ihm mit eigenen Lippen gesagt hatte, daß er sie verlassen und vergessen müsse, weil sie einem Andern ihre Hand zu reichen entschlossen sei? Der kühle, nüchterne Verstand, der alle Illusionen zerstört und die Dinge so zeigt, wie sie in Wirklichkeit sind und nicht, wie wir sie gern hätten, antwortete ihr mein' und er sagte ihr auch, wie thöricht und unvernünftig die Eifersucht war, welche sich in ihrem Herzen gegen Jsabella regte.
„Ist Lynwood-Hall nicht ganz nahe von Kings-Dene?" fragte Miß Farquhar nach einer minutenlangen Pause plötzlich.
„Ja," antwortete Lionel. „Kennen Sie die Lynwoods?"
„Ich kenne den Hauptmann Otto Lynwood," versetzte sie, „der, wie ich glaube, jetzt hier weilt."
„Ja, er weilt in Lynwood-Hall, seit Sir Ralph seine junge Frau mit nach Hause gebracht hat."
„Welche Enttäuschung diese Heirat für ihn gewesen sein muß!" rief Jsabella aus.
„Wohl dürste sie es gewesen sein und dennoch wird sie vielleicht keinen so großen Unterschied für ihn ausmachen, denn sein Onkel ist so leidend, daß er vielleicht gar nicht mehr lange leben wird."
„Wirklich? Was fehlt denn Sir Ralph?"
„Das scheint Niemand genau zu wissen. Ec leidet an großer Erschöpfung und Hinfälligkeit und kann nicht wie sonst seiner thätigen Lebensweise nachgehen.
Aber er ist eigensinnig. Er will sich seinen Zustand nicht eingestehen, sondern zwingt sich sogar, vielmehr Dinge zu thun, die ihm geradezu schädlich sind."
„Wird er nicht zur Hochzeit kommen?" fragte Gilbert Farquhar.
„Doch, er hat es wenigstens versprochen, denn Natalie war sein besonderer Liebling von jeher, und er hat erklärt, daß Nichts ihn verhindern sollte, ihrer Trauung beizuwohnen."
„Er hat Recht," sagte der Banquier galant, „denn nur selten wird einem Manne das Glück zu Teil, eine so schöne Braut sehen zu können, wie sie eS sein wird!"
„Niemand als Jsabella bemerkte das widerwillige Schaudern, welches Natalie durchbebte, während Derjenige, dem sie binnen Kurzem als Gattin angehören sollte, diese Worte sprach, — Worte, deren Mittelpunkt das Eine bildete, daran sich alles Andere reihte, wie eine endlose Kette von Leid und Jammer, — das Eine, das ihr näher rückte mit jeder verrinnenden Minute, wie ein unabwendbares Verhängnis, — der Gedanke an die Stunde, welche sie auf immer verbinden sollte mit dem Manne, den sie nicht liebte und den sie nie und nimmer würde lieben können . . .
29. Kapitel.
Sir Ralph Lynwood kämpfte gegen sein überhandnehmendes Leiden mit der eigensinnigen Beharrlichkeit eines Menschen, der die Kraft des Gegners, mit dem er es zu thun hat, nicht kennt. Er wollte einfach nicht nach geben, zwang sich, seiner gewohnten Thätigkeit zu leben, und hörte weder auf Otto's Warnungen, noch auf die Bitten seiner Frau.
Adrienne selbst ging, bleich und leidend aussehend, einher; sie hatte all ihre sonstige Frische und Heiterkeit verloren. Ihr Gatte bemerke diese Veränderung sehr wohl, aber in seiner eifersüchtigen Verbitterung schrieb er sie dem Umstand zu, daß sie sich in ihrer Ehe unglücklich fühle.
„Ich hätte sie nicht zu meiner Frau machen sollen," sagte er immer und immer wieder. „Jugend und Alter passen einmal nicht zusammen und obwohl ich sie mit der größten Liebe und Sorgfalt umgebe, kann ihr das docy jene Liebe nicht ersetzen, nach der ihr junges Herz verlangen muß. Sie wird mir treu fein. Ja, ich möchte mein Leben für ihre Treue und Reinheit einsetzen, denn sie ist ein edles, gutes Wesen, das nie anders als recht handeln könnte; — ich werde sie vor meinen