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Notiz zu nehmen, der „Deutsche Bürgerfreund" in Eßlingen, das „Wochenblatt der Nationalgesinnten Württembergs", wie er sich selbst nennt, es über sich gewinnen konnte, diesen Artikel nicht blos dem vollen Wortlaut nach ab- zudrucken, sondern denselben auch noch mit giftigen Bemerkungen gegen die Person des einstigen Mitbegründers der deutschen Partei zu versehen und damit, trotz gegenteiliger heuchlerischer Versicherungen, dessen Inhalt sich voll und ganz zu eigen zu machen.
Die Deutsche Partei Württembergs und speziell die Parteileitung hat, das hoffen und wünschen wir, mit diesem sich selbst richtenden Gebühren des Herrn G. Schlör in Eßlingen, welcher vor 23 Jahren noch die Schulbänke drückte, nichts zu schaffen.
Möge eine baldige und unzweideutige Kundgebung den Reihen der Deutschen Partei dem genannten Herrn Schlör energisch den Weg weisen, den er als Redakteur eines „Wochenblatts der Nationalgesinnten Württembergs" zu gehen hat und ihn lehren, daß der Undank im politischen wie im gewöhnlichen Leben gleich verabscheuungswürdig ist!" —r—
Deutsches Reich.
Berlin, 18. März. (Dep. d. Calwer Wochenbl.) Die Demokratische Volkszeitung wurde auf Grund des Sozialistengesetzes unterdrückt.
Berlin, 17. März. Die „Börsenzeitung" erklärt, die deutsche Emin-Expedition werde direkt die Wituküste aufsuchen; Schwierigkeiten seien nicht sowohl von der englischen Regierung als von englischen Privatinteressenten versucht. — Das „Tagebl." will wissen, der englische Botschafter Malet habe in London einen Vorschlag Bismarcks wegen Abschlusses einer Allianz Deutschlands mit England überbracht. — Der Prinz von Wales hat eine Einladung Kaiser Wilhelms angenommen und kommt nach Ostern nach Berlin.
Ausland.
Washington, 13. März. Der „Star" veröffentlicht den Inhalt einer mit Admiral Porter über die Samoa-Angelegenheit gepflogenen Unterredung. Der Admiral soll sich folgendermaßen geäußert haben: „Wir sind gegenwärtig schwach zur See, es giebt jedoch einen Plan, wie wir uns helfen können, nämlich Deutschland lahm zu legen, bis wir.fertig sind. Wir haben genug Ueberschüsse bei äußerst geringen Steuern, um einen Guerillakrieg zu führen, bis wir gerüstet dastehen, und wir können deutsche Industrie- Produkte jederzeit von den Vereinigten Staaten ausschließen. Sollte Deutsch, land eine Blockade versuchen, so würden wir in weniger als zwei Monaten die britische Flotte an unserer Küste finden zum Schutze des britischen Handels. Frankreich würde auch ein Interesse an der Sache haben." Porter schlug ferner vor, 50 Mill. Dollar zum Ankauf von gezogenen Geschützen in Frankreich und England zu verwenden. In 60 Tagen könne er dann — so renommierte der Admiral — mit einer improvisierten Flotte den deutschen Handel vernichten.
Tages-Weirigkeiten.
Stuttgart, 15. März. Seine Königliche Majestät haben am letzten Mittwoch den K. Badearzt Geheimen Hofrat Dr. v. Renz von Wildbad, welcher mit seiner Familie einen Teil des Winters in Nizza zubrachte, vor dessen Rückkehr in die Heimat in Audienz zu empfangen geruht.
Schorndorf, 15. März. Die Verteilung des seitens der K. Zentralleitung dem hiesigen Bezirk in wohlwollender Weise für die Hagelbeschädigten zugewendeten reichlichen Beitrags von 6000 und der vom gem. Oberamt ersammelten Gaben fand heute unter Leitung des Oberamtmanns und Dekans, sowie unter Mitwirkung des Amtsversammlungsausschusses und der Vertreter
und Geistlichen der betr. Gemeinden an die hagelbeschädigten Gemeinden Buhlbronn, Miedelsbach, Schorndorf. Schornbach, Weiler und Winterbach statt.
Heilbronn, 13. März. Wie die Blätter berichten, ist Dr. Lipp aus der Haft wieder entlassen worden. Der „Frkftr. Ztg." schreibt man über die Sache: „Es ist gegen Lipp Anklage wegen Meineids erhoben. Er soll sich desselben in der Hauptverhandlung vor dem K. Schöffengericht dahier vom 5. d. M. in der Privatklagesache des csnck. zur. Rosenthaler in Heilbronn gegen den Redakteur der „Neckarzeitung", Hermann Schell dahier, schuldig gemacht haben. In der „Heilbronner Zeitung" sind mehrfach Berichte über geheime Versammlungen der Deutschen Partei erschienen, als deren Urheber der Gemeinderat Huber bezeichnet wurde. Auf Grund einer Mitteilung des Redakteurs Fehleisen der „Heilbronner Zeitung" wurde der Verdacht auf den der demokratischen Partei angehörigen csnck. zur. Rosenthaler von hier gelenkt und diesen hat die „Neckarzeitung" zu anfang Januar d. I. als den Spion bezeichnet. Rosenthaler erhob deswegen Privatklage gegen Schell und in der hierauf angesetzten Hauptverhandlung vom 5. d. M. hat Dr. Lipp eidlich erhärtet, daß Rosenthaler den betr« Berichten gänzlich fern stehe. Diese Berichte seien ihm anonym zugegangen, er kenne den Verfasser derselben nicht und wisse nur, daß derselbe kein Demokrat sei.
Ob derselbe der Deutschen Partei angehöre, wisse er nicht." Durch diese Aussagen soll sich Lipp des genannten Vergehens verdächtig gemacht haben.
Künzelsau, 13. März. Betreffs des Eisenbahnprojekts Walden- burg-Künzelsau wird die Eingabe der bürgerlichen Kollegien von hier und der beteiligten nächstgelegenen Orte demnächst an die Ständeversammlung abgehen, damit die Sache noch in der ersten und zweiten Kammer zur Beratung kommt. In der Eingabe ist namentlich hervorgehoben, daß sich der Mangel einer Eisenbahn je länger je mehr fühlbar mache, indem das Sinken der Häuser- und Güterwerte und der Mietpreise mehr und mehr zunehme, daß sehr viele Wohnungen leer seien, und mehrere Häuser zum Verkaufe stehen, die Bevölkerung mit jedem Jahr abnehme und überhaupt schon größere gewerbliche Unternehmungen erloschen, beziehungsweise ihre Niederlassungen an anderen Plätzen aufgesucht haben. Denn wenn wir eine Eisenbahnverbindung hätten, durch welche der Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte nicht mehr mit so großen Schwierigkeiten verbunden wäre, auch die Preise derselben wieder viel bessere werden würden, könnte die früher so schwunghaft gewesene Ge- werbsthätigkeit der hiesigen Stadt wieder in die beste Blüte kommen, so daß wir unser Künzelsau mit Freuden wieder Klein-Nürnberg nennen dürften, welchen Namen es früher schon hatte.
Ulm, 14. März. In vergangener Nacht wurde in einem hiesigen ! Gasthause ein Doppelselb st mord ausgeführt. In daselbe war gestern um die Mittagszeit ein einfach gekleideter Mann mit seiner angeblichen Frau gekommen und hatte Nachtquartier verlangt. Nachmittags beschäftigte sich das Paar mit Briefschreiben, trug die Briefe selbst zur Post und kehrte gegen Anbruch der Nacht wieder in das Gasthaus zurück, um sich gegen 8>/s Uhr auf sein Zimmer zu begeben. Heute früh um 4Vs Uhr sollte das Paar, welches gestern Nacht seine Zeche bezahlte, „damit heute morgen alles in Ordnung sei", geweckt werden. Auf mehrmaliges Klopfen erfolgte aber keine Antwort und es schickte der Wirt deshalb auf die Polizei, welche die Thüre sprengte. Auf dem Boden lag halb angekleidet, mit einer Schußwunde in der rechten Schläfe, in einer Blutlache der Mann, während die Frau mit einem Schuß ebenfalls in der rechten Schläfe, entseelt im Bette lag. Eine leere Champagnerflasche stand auf dem Nachttisch. Der noch mehrfach geladene Revolver lag beim Nachttisch. Nach einem hinter dem Waschtisch aufgefundenen Zettel sind die Lebensüberdrüssigen der Bäcker Fr. Lichtenberger von Tübingen und die Dienstmagd Marie Strohäcker von Unterjettingen, Oberamt Herrenberg. In dem Briefchen bittet Lichtenberger den Wirt um Verzeihung wegen der diesem gemachten Unannehmlichkeiten, er führe einen schon längst gefaßten Beschluß aus. Ihr einziger Wunsch sei der, neben ein
natürlich für mich eine höchst wichtige Sache. Ich war recht besorgt, so lange ich Sie nicht kannte; jetzt aber sind alle meine Zweifel beseitigt und ich bin überzeugt, daß Sie mir nicht nur dem Namen nach, sondern in Wirklichkeit eine Schwester sein werden. Und wie schön Sie sind!"
Und während diese liebevollen Worten von ihren Lippen flössen, schrie es in ihrer Seele laut auf: „Ich hasse Dich! Ich hasse Dich! Du bist schöner als ich und er liebt Dich eben so heiß, wie Du ihn liebst!"
Natalie zog sich etwas kühl von ihr zurück. Sie fühlte sich keineswegs so sehr zu ihrer künftigen Verwandten hingezogen und war eher geneigt, deren plötzliche Vertraulichkeit zurückzuweisen.*
„Sie sind sehr gütig," bemerkte sie. „Ich hoffe, Sie werden diese gute Meinung in der Zukunft nicht ändern müssen. Sind Sie jetzt bereit, sich mit einer Tasse Thee zu erfrischen?"
„O, ja; ich werde dann hoffentlich noch Zeit haben, mich für die Tafel anzukleiden."
Natalie beruhigte sie über diesen Punkt und führte sie in das Frühstückszimmer hinab, wo Alles zum Thee bereit stand. Miß Farquhar that ihr Möglichstes, um liebenswürdig zu erscheinen. Selbst Lionel, der anfänglich keineswegs für die Fremde eingenommen gewesen, war genötigt, sich einzugestehen, daß sie etwas ungemein Fesselndes hatte, und der armen Natalie wurde trüber und immer trüber zu Mute dabei, während sie daran dachte, daß Hugh der Versuchung des Verkehrs mit ihr ausgesetzt sei.
„Du bist sehr still," bemerkte Farquhar, welcher neben seiner Braut saß und sie fortwährend beobachtete.
„Wirklich? Ich wüßte nicht daß ich stiller als gewöhnlich wäre."
„Natalie hat jetzt eben an gar Vieles zu denken," sagte Jsabella, das förmliche ,Miß Egerton* hinweglassend. „Du kannst nicht erwarten, daß sie fortwährend so plaudert wie ich, die an gar Nichts zu denken hat."
„Ist das wahr?" versetzte ihr Bruder lächelnd. „Ich glaube doch, daß Du doch wenigstens immer an Deine Toilette zu denken hättest?"
„Das ist wahr; aber daran bin ich gewöhnt. Bereiten Ihnen die Schneiderinnen auch so vielen Verdruß?" wandte sie sich fragend an Natalie.
„Ich habe bisher nicht viel mit ihnen zu thun gehabt," lautete die Antwort derselben, „da meine meist sehr einfachen Kleider von meiner Kammerfrau angefertigt wurden."
„Haben Sie eine gute Kammerfrau?"
„In gewisser Hinsicht, ja; sie ist recht geschickt, aber im Allgemeinen besitzt sie ein etwas selsames, geheimnisvolles Wesen."
„Ja, darin hast Du Recht," versetzte Lionel halb lächelnd. ^Sie kommt mir in ihrer Vorliebe für die Finsternis wie eine Eule vor, denn ich begegne ihr oft, wenn ich Abends meine Cigarre rauche, wie sie die Terrasse entlang schleicht, und ich muß gestehen, daß sie immer einen unheimlichen Eindruck auf mich macht. Diese großen, blauen Augengläser obendrein geben ihr einen frappant eulenhaften Anstrich."
„Oder vielmehr ist es Deine Phantasie, die Dir ganz gewöhnliche Dinge in einem romantischen Lichte erscheinen läßt," sagte Natalie, während Jsabella lächelnd zu ihm hinüberschaute.
„Sind Sie romantisch angehaucht?"
„Nein, ich glaube nicht."
„Also ein wenig Phantast?"
„Keineswegs. Ich war es vielleicht einmal, aber mit den Jahren habe ich eS abgestreift."
Jsabella seufzte.
„Ist es nicht traurig, daß wir gar so prosaisch werden, wenn wir älter werden?" sagte sie. „Ich glaube, zum Beispiel, jetzt nicht mehr daran, daß es Treue und Beständigkeit in der Welt giebt, und vor fünf oder sechs Jahren hätte ich selbst einem Engel vom Himmel selbst widersprochen, wenn er mir gegenüber so Etwas behauptet hätte.
(Fortsetzung folgt.)