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angenommen, daß die Aerzte erklärten, sie wären außer stände, für sein Wohlergehen irgend eine Garantie zu übernehmen, wenn nicht sein Heimweh nach der Mutter durch deren Gegenwart gestillt würde. Exkönig Milan macht selbstredend alle Anstrengungen, um die Rückkehr der Königin zu ver­eiteln und wirkt in diesem Sinne auf die Regentschaft. Ristic erklärte darauf­hin denn auch, daß er alles thun werde, um die Zukunft Alexanders nicht zu kompromitieren; mit Gewalt werde er jedoch nicht Vorgehen können.

Gages-Weirigkeiten.

Calw. Da» Rotgerber Kappler 'sche Anwesen in der Bahnhof­straße wird nach eingeholter Genehmigung bezüglich der Baulinie, sofort in Angriff genommen werden. Trotz des bedeutenden Abschnitts, welcher zur Erbreiterung der Straße gemacht werden muß, wird das Gebäude immer noch ein ansehnliches bleiben. Die Kosten des Umbaus belaufen sich auf ca. 5000

Stuttgart. Durch Allerhöchste Entschließung Sr. Maj. des Königs vom 1. Okt. v. I. wurde angeordnet, daß alljährlich bei der Infanterie ein PreiSschietzen der Offiziere und ein solches der Unteroffiziere stattfinden soll und daß auf Grund der Schießergebniffe je der beste Schütze im Namen Sr. Maj. des Königs einen Ehrenpreis erhalten soll. Geschossen wird nach der Jnfanterieringscheibe mit 24 Ringen auf 150 in Entfernung 7 Schuß und zwar 3 stehend aufgelegt, 4 stehend freihändig. Bei den hiernach erst­mals in den Monaten Oktober bis Dezember vor. Jahrs bei den 8 württ. Jnfanterieregimentern stattgehabten Preisschießen hat von den Offizieren Premierlieutenant Moser des 8. Jnf.-Reg. Nr. 126 die meisten Rmge 147, von den Unteroffizieren Unteroffizier Ulmer (von Calw) des Grenadier-Reg. Königin Olga Nr. 129 die meisten Ringe 148 erzielt. Während mit Rücksicht auf das zur Zeit noch nicht festgestellte Modell des neuen Seitengewehrs für Jnfanterieosfiziere von Ueberweisung des Ehren­degens für den Offizier noch Abstand genommen werden mußte, kam der Ehrenpreis für den Unteroffizier Ulmer am Tage des Allerhöchsten Geburts­festes von dem Regimentskommandeur vor versammeltem Regiment in feier­licher Weise zur Uebergabe. Er besteht in einer schweren silbernen Remontoir- Taschenuhr mit doppeltem Deckel. Auf dem äußeren Deckel ist der ver­schlungene Namenszug des Königs mit der Königskrone darüber eingraviert, der innere Deckel trägt das Bild des Königs, von einem Lorbeerkranz und der Inschriftdem Unteroffizier Ulmer im Grenadierregiment Königin Olga (1. Württ) Rr. 119 als bestem Schützen 1888" umgeben.

Stuttgart. Wohlthätigkeits-Stiftung. Mit der Einleitung einer Sammlung für wohlthätige Zwecke auf das Re­gierungsjubiläum des Königs ist die Zentralleitung des Wohl- thätigkeitsvereins vielseitigen Wünschen entgegengekommen; liegt doch der hilfbereite Gedanke an die Armen gerade an einem solchen Freudentag unseres im Wohlthun unermüdlichen Königshauses besonders nahe. Fast zu gleicher Zeit mit der Bekanntmachung der Zentralleitung ist eine Einladung zu Bei­trägen behufs der Gründung eines Frauenheims in Stuttgart für An­gehörige besserer Stände erfolgt, ein Unternehmen, das gewiß einem unleug­bar vorhandenen Bedürfnis entspricht. Wie wir hören, ist die Ansicht auf­getaucht, als ob die Gründung eines solchen Frauenheims auch von der Zent- tralleitung des Wohlthätigkeitsveceins bei ihrer Sammlung in das Auge gefaßt sei; dieser Meinung können wir bestimmt widersprechen: die Samm­lung der Zentralleitung ist vielmehr auf eine Stiftung für die Armen im Lande, nicht in der Hauptstadt gerichtet. Im Jahre 1871 wurde zur Feier der silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten auf Anregung der Zentral­leitung durch die Wohlthätigkeit des Landes eine Summe von etwa 70,000 Gulden zusammengebracht; das Haus der Barmherzigkeit in Eßlingen ist die segensreiche Frucht dieses Jubiläums. Die Sammlung damals war die einzige, und natürlich kann jetzt auf einen solchen Erfolg nicht gehofft werden. Allein auch jetzt werden viele im Lande in einer Stiftung für allgemeine Wohlthätigkeitszwecke das schönste Angebinde für das Regierungsjubiläum des Königs, von welchem die Sammlung genehmigt ist, erkennen. Ein be­stimmtes Ziel der Stiftung kann, da die Verfügung über die eingehenden Gaben der Entschließung Ihrer Majestäten Vorbehalten bleibt, nicht bezeichnet werden; doch glauben wir beispielsweise auf einige Unternehmungen Hinweisen zu können, welche in das Auge zu fassen sein dürften; der Zudrang zu den Häusern der Barmherzigkeit hat in den letzten Jahren so zugenommen, daß neuestens in Eßlingen ein zweites Gebäude für 80 weitere Pfleglinge errichtet worden ist; der Aufwand wird etwa 90,000 betragen; wenn dieses Haus um die Zeit des Jubiläums eingeweiht wird, wäre da nicht mittelst der Samm­lung der Zentralleitung eine treffliche Hilfe für denselben Zweck bereitet, welchem im Jahr 1871 die Sammlung bei der silbernen Hochzeit diente? Ein anderes solches Unternehmen wäre die von berufener Seite angestrebte Gründung einer zweiten Arbeiteckolonie im Neckar- oder Jagstkrsis, welche bis jetzt nur wegen Mangels an dem erforderlichen Kapital nicht bewerkstelligt werden konnte. Mögen alle diejenigen an der Sammlung der Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvereins sich beteiligen, welche des alten Spruchs gedenken Vergiß der Armen nicht, wenn du den fröhlichen Tag hast!"

Stuttgart, 13. März. (Landgericht.) Gestern vormittag saß der 46jährige Zimmermalergehilfe Herm. Hch. Louis Schäfer von hier wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Gasexplosion vor der II. Straf­kammer auf der Anklagebank. Derselbe hatte die am 18. Januar d. Js. im Rauscher'schen Institute stattgefundene Explosion verschuldet. Er gab selbst zu, daß er den Tag über bis 4 Uhr abends die Decke des betreffenden Zimmers gemalt habe und zu diesem Zwecke den Gaslüster adschrauben mußte. Da er nach 4 Uhr sehr eilig das Geschäft verließ, vergaß er, den Arm wreder anzuschrauben oder einen Verschluß anzulegen, so daß sich, als der Haupthahnen geöffnet wurde, das Zimmer bald mit Ga« füllte. Gegen 6 Uhr bemerkte man vom Nebenzimmer aus den Gasgeruch, und öffnete, als man den Schaden entdeckt hatte, die Fenster und Thüren, um das Ga« ent­

weichen zu lassen. Den Verschluß anzulegen gelang noch nicht, da dem Haus­knecht übel wurde, so oft er sich mittelst einer Leiter dahin begab; erst nach einer halben Stunde konnte er den Gasarm selbst einschrauben. Nun roch es nicht mehr im Zimmer und der Hausknecht wurde aufgefordert, nachzu­sehen, ob der Verschluß jetzt gut sei. Kaum war dieser aber mit einem Licht hinaufgestiegen, um zu untersuchen, da gab es einen Knall; der Hausknecht fiel herab, seine Kleider brannten, Gesicht und Hände hatten schwere Brand­wunden, die ihm Vorgesetzte Wirtschafterin war ebenfalls an den Händen verbrannt, alle Fenster, welche durch den Luftdruck geschloffen wurden, waren zertrümmert, Möbel verbrannt, Lampen zerstört, kurz, es war eine furchtbare Explosion entstanden. Der Hausknecht brauchte 5 Wochen, die Wirtschafterin 14 Tage zur Wiederherstellung von den Brandwunden, welche Folgen Rechts­anwalt Herrschner straferschwerend gegen den Angeklagten ansah, so daß er eine dreiwöchentliche Gefängnisstrafe beantragte. Das Urteil lautete dem­entsprechend.

Die Metollwaarenfabrik, Gravir- und Prägeanstalt von W. Mayer in Stuttgart hat eine Reihe von Münzen und Denkmünzen, bestimmt für das Regierungsjubeljahr des Königs, hergestellt. Es sind Prägungen von großer Reinheit:Zur Erinnerung an die segensreiche 25jährige Re­gierung Sr. Maj. des Königs Karl und Ihrer Maj. der Königin O l g a", mit dem Lorbeerkranz umschlungen. So zeigt sich die Rückseite. Auf der Vorderseite sehen wir das Profil von König und Königin in gleicher Größe neben einander oder in kleinem Format einander gegenüber. Dann ist das württembergische und russische Wappen symmetrisch verwendet. Die Aehn- lichkeit der Bilder ist auch beim kleinsten Maßstab eine große.

Stuttgart, 14. März. Wie aus Heilbronn berichtet wird, ist gestern nachmittag 3 Uhr der wegen Meineidsverdacht in Untersuchungshaft befindliche Dr. Li pp auf seine Berufung hin vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Die abgelaufenen Wintermonate

Dezember, Januar, Februar hatten ein merkwürdig verschiedenes Wesen: Der Dezember und Januar waren mäßig kalt und ziemlich heiter, hauptsächlich aber sehr trocken, dagegen der Februar (und auch noch der Anfang des März) kalt und sehr schneereich. An Niederschlägen, d. h. Regen und Schnee, hatte es schon im November gefehlt, wo nur die Hälfte der in diesem Monat gewöhnlichen Niederschläge gefallen war. Noch viel weniger lieferte der Dezember, nämlich nur 6 mm, das ist nicht ganz der 12te Teil der für diesen Monat gewöhnlichen Niederschlagssumme. Die Niederschlags­mengen von Regen und von Schnee, von letzterem natürlich in geschmolzenem Zustand (Schneewasser), werden in einem offenen, hinlänglich weiten Gefäß aufgefangen und mittelst eines Glaszylinders nach Millimetern (mm) gemessen und genau verzeichnet. Darnach werden von einer längeren Reihe von Jahren, und zwar von wenigstens 20 Jahren, die Durchschnittsmengen für das Jahr und für jeden einzelnen Monat berechnet. So ergiebt sich für Calw die durchschnittliche Jahresmenge an Niederschlag: beinahe 790 mm, d. h. wenn das Regen- und Schneewasser das ganze Jahr aufgesammelt und weder verlaufen noch verdunsten könnte, so würde es den Erdboden überall 790 mm oder 2°/^ Fuß hoch bedecken. Die einzelnen Monate sind hierin einander gar nicht gleich: am wenigsten Niederschlag hat der Januar: durchschnittlich 43 mm, auch der Februar hat sonst nur 52 mm, dis regenreichsten Monate sind der Juni und Juli mit 87 und 86 mm. Diesmal hatte der Januar nur 10 mm, also kaum den vierten Teil der in diesem Monat gewöhnlichen. Ganz umgekehrt verhielt sich der Februar: er lieferte die Gesammtsumme von 101 mm (nämlich Regen 37, Schneewasser 64 mm), also nahezu das Doppelte der durchschnittlichen Niederschlagsmenge; ja in einer einzigen Nacht, vom 14./15. Februar, fiel die Masse von mehr als 16 mm, mehr als die beiden vorausgegangenen Monate Dezember und Januar miteinander ge­liefert hatten.

Auch in der Wärme zeigen die Monate dieses Winters merkwürdige Unterschiede. Der Dezember war im Monatsdurchschnitt ein klein wenig zu kalt, der Januar umgekehrt und nahezu 1» zu warm, dagegen der Februar um nahezu l'/e" zu kalt. Es waren zwar nicht viel sehr empfindlich kalte Tage; der kälteste Tag, der 13. Februar, hatte 18° Celsius oder 14Vs° Röaumur, aber nur an 7 Tagen war es kälter als 10° C. oder 8° R. unter Null. Dagegen waren nur 9 Tage ohne Frost, umgekehrt 8 Tage, wo das Thermometer auch um Mittag nicht über 0 stieg. Das winterliche Wesen des Februars setzte sich noch in den März hinein fort, wo die ersten 6 Tage weit unter der Durchschnittswärme blieben und wenigstens die ersten 4 Tage noch eine ziemliche Menge Schnee lieferten.

Jetzt, da mit dem 8. März, von kurzem (?) Rückschlag unterbrochen, Tau« und Frühlingswetter eingetreten ist und das Barometer einen mehr normalen Stand einnimmt, während es in der ersten Hälfte Februars außer­ordentlich rasche und starke Wechsel von Fallen und Steigen gezeigt hatte, wollen wir hoffen, daß ein günstiges Frühjahr uns zu einem guten Sommer hinüberführe. H-

Schnell-Stenographie. Die st eno-ta chy gr aphis ch e Gesell­schaft zu Berlin benutzt, lehrt und verbrettet die in wenigen Stunden selbst von Damen und jüngeren Schülern ohne besondere Vorkenntnisse leicht zu erlernende Tachy- oder Schnellstenographie. Der Erfinder beschäftigte sich früher schon 8 Jahre Gabelsberger, Stolze und Arends, weshalb er berufen war, Mängel älterer Systeme sorgfältig zu vermeiden; 13 Jahre lang arbeüete er eifrig, aufopfernd und unermüdlich an seiner Steno-Tachygraphie, bis es ihm .nunmehr gelungen ist, vermittelst weniger Regeln und 10 Schriftzeichen eine Schnellstenographie für die Schule und das Parlament zu bearbetten, womit man über 300 Silben in der Minute schreiben kann. Trotz dieser wunderbaren Beschleunigung ist kein Verstoß gegen die pädagogischen Gesetze der Grammatik geduldet; die Einfachheit, leichte Erlern- und Lesbarkett, Lauttreue, vollkommene Bezeichnung, Zeilenmäßigkett, Formenschönhett der h andbequemen Züge, find rühmenswert. Die Stenographie ist bedeutend, die gewöhn-