Der neue Moltke-Hardeu-Prozefi.

(Unber Nachdr. Verb.) 8.n.L Berlin, 16. Dez.

Vor der vierten Strafkammer am hiesigen Landgericht I spielt sich heute der Schlußakt des großen Skandals ab, der mit dem Namen des bekannten Berliner Schriftstellers Maximilian Harden und des früheren Stadtkommandanten von Berlin, des Grafen Kuno v. Moltke verknüpft ist. Die Verhandlung findet in demselben Schwurgerichtssaale statt, in dem s. Zt. der Prozeß des Reichskanzlers Bülow wider den Schriftsteller Adolf Brand verhandelt wurde. Den Vorsitz im Gerichtshöfe führt Landgerichtsdirektor Lehmann. Als Beisitzer fungieren: der Landtags abgeord- nete Laudgerichtsrat Dr. Peltersohn und die Landgerichts­räte Dr. Fritzschen, Göhr und Kretzschmar. Die An­klage vertritt der Oberstaatsanwalt am Landgericht I, Dr. Jseubiel. Maximilian Harden wird wieder durch Rechts­anwalt Bernstein, München, verteidigt, währeud dem als Nebenkläger zu dem Verfahren zugelafsencn Grafen Moltke der aus dem Sternberg- und anderen Sensationsprozefsen her bekannte Justizrat Dr. Sello zur Seite steht. Als Sachverständige hat die Staatsanwaltschaft den Medizinalrat Dr. Hoffmann und Sanitätsrat Dr. Zwingenberg geladen. Auch die Verteidigung hat einen Sachverständigen in Vorschlag gebracht. Unter den Zeugen befinden sich der Oberstleutnant und Klostervrobst von Moltke, Frau Lilli v. Elbe, gefch. Gräfin Moltke, General v. Wartensleben, Fürst zu Euleuburg-Hertefeld, der Schriftsteller Graf Reventlow, der Direktor des Hamburger Schauspielhauses Frhr. v. Berger, der Ber­liner Vertreter der Leipziger Neuesten Nachrichten, Dr. Paul Lima«, die Mutter der Frau v. Elbe, Frau v. Heyjden u. a. m. Die Geschworenenbank ist ebenso wie die vor- homdcnen Preßplätze von 63 Journalisten aus aller Herren Länder mit Beschlag belegt worden. Es befinden sich darunter Vertreter desNew-Iork Herald", desNew- Jorker Sun", desAllgemeenen Handelsblad" Amsterdam, derAssociated Preß", der Wiener Blätter, einer russischen Zeitung, desDaily Telegraph" London, mehrerer Pariser Organe und aller größeren deutschen Zeitungen.

Tages-Weuigkeiten.

Au- Stadt imd Land.

Nagold, 16. Dezember.

Investitur. Gestern ist Herrn Stadlpfarrer Merz zum erstenmale vor feine neue Gemeinde getreten, um ihr im Anschluß an Röm. 1,16 17 das Evangelium zu verkünden, voa dem schon Paulus sagt, es sei eine Gotteskrast. Nach der Predigt fanddie Amtseinsetzung durch HerrnDekan wer statt. Als geistliche Zeugen wünschten die HH. Rektor Dieterle Md Repetent Kieser, als weltliche die HH. Stadtschultheiß Brodbeck und Hauptmann Reinhardt dem neuen Seelsorger eine mit reichem Segen gekrönte dauernde Frucht schaffende Wirksamkeit, welchem Wunsche sich gewiß alle Gemendeglieder von Herzen anschließen.

Mil.- ». Vet.-Vereiu. (Mitgeteilt.) Laut Be- schluß des Ausschusses hält der Verein seine Weihnachts­feier verbmden mit Lotterie, gesangl. und theatralischen Vorträgen diesmal im Gasthof zumRößle" am Stepanus- fetertag 26. Dez. ab. Es mußte Heuer von der Benützung der Turnhalle Abstand genommen werden, weil das Wirt­schaften, Aufstellen der Tische rc., mit zu viel Unkosten verknüpft ist und sich somit für den Wirt bei nur ein­maliger Benützung nicht rentiert.

Gegen die Güterzertrümmeruug. Um der Güter- zertrümmerimg noch weiter zu begegnen, werden durch die Oberämter Erhebungen veranstaltet. DieSchultheißen- ämter haben nach Rücksprache mit dem Grundbuchbeamten auf Grund der oberamtlichen Anweisung über die in Betracht kommenden Fälle über die Größe des zertrümmerten Grund­stücks und ferner darüber zu berichten, durch welche Personen die Zertrümmerung erfolgt ist.

Wildberg, 14. Dez. (Korr.) Der Bauer I. W. 59 Jahre alter Witwer von Sulz hat sich mit seiner 30jährigen Tochter gegen § 173 des Strafgesetzbuchs ver­gangen Md find beide durch den Landjäger von Wildberg am 13. d. Mts. sestgenommen und an das K. Amtsgericht Nagold eingeliefert worden. Die Tochter wurde nach ihrer gerichtlichen Vernehmung und in Anbetracht ihrer Umstände auf freien Fuß gesetzt, dagegen ist W. in Haft behalten worden.

Aohrdors, 16. Dez. (Korr.) Am gestr-Sonntag nach­mittag hielt der Bienenzüchterverein Nagold im Gast­haus zur Sonne hier seine zweite Herbstversammlung ab. Vorstand, Schullehrer Reichert, Pfrondorf, hielt nach der üblichen Begrüßung einen freien Vortrag überdie Kinder­stube im Bienenhaushalt". Der Redner führte in überaus interessanter Md lehrreicher Weise die Entstehung und Er­nährung der Bienen vom ersten Stadium bis zum Schwarm vor, wie es nur ein erfahrener und zugleich belesener Prak­tiker im stände ist. Allgemeiner Beifall lohnte den Redner für seine Ausführungen. Nachher zeigte Oberlehrer Weiumar-Rottenburg, wie mau mit einfachen Mitteln und geringen Selbstkosten für jeden Kasten paffende Strohmatten Herstellen kann, die einen vorzüglichen Schutz vor Kälte bieten und doch den Vorzug der Luftzirkulation haben, was dem Ausstopfen der Kästen mit Papier, Stroh, Lumpen oder Oehwd weit svorzuziehen sei. Herr .G. Klaiß, Nagold führte die Drahtung der Kunstwaben vor, nachdem er, vorher die Vorzüge der Drahtung eingehend besprochen u. be­leuchtet hatte. Der Vorstand dankte den beiden Herren für

ihre praktische Vorführungen. Er betpnte dabei ganz richtig, daß solche praktischen Vorführungen mehr Wert haben, als umfangreiche, schwerfällige, unverständliche Ab­handlungen in Büchern, und daß es besser und jedenfalls auch billiger sei, wenn sich der Imker selber zu helfen wisse. Er schloß die Versammlung mit dem Wunsch, die Besprech­ungen und Vorführungen möchten der Imkerei zum Segen gereichen. Die Versammlung war trotz des schlechten Wetters ordentlich besucht.

Altenstcig, 15. Dez. (Korr.) Ganz bedeutende Schnee- maffen müssen auf demhintern Wald" gestern gefallen sein. Die Post von Enztal hteher blieb bei Simmersfeld in den Schneewehen stecken und waren 6 Pferde nötig, um sie durchzubringen. Sie kam daher auch mit stark einstündiger Verspätung hier an, so daß den Mitreisenden die Weiter­fahrt mit dem Zug 932 nicht mehr möglich war.

Stuttgart, 15. Dez. Heute abend geriet im Hof- theater während der Vorstellung auf der Bühne ein Stück Leinwand in Brand, doch gelang es, das Feuer sofort zu löschen. Die Feuerwehr, die sofort alarmiert worden war, konnte wieder abrücken. Eine Panik wurde dadurch ver­mieden, daß der Kapellmeister ruhig weiter spielen ließ.

Stuttgart, 13. Dez. Die Volkspartei hält ihre LandeZvrrsammlung am 6. Jan. in der Liederhalle.

r. Grotzsachseuheim, 14. Dez. Am 10. ds. nach­mittags zwischen 4 und 5 Uhr verübte der 49 Jahre alte, nicht gut beleumundete Franz Gittinger von hier Selbst­mord durch Erhängen in einem Wäldchen im Klingenberg.

. Wimpse«, 13. Dez. Die retchgefüllte, zum Hospital- gut gehörige Scheuer brannte nieder.

r. Oggeuhause« OA. Heidenheim, 14. Dez. Der 30jährige Arbeiter Robert Schmid von hier brachte sich beim Holzhauen im Wald Seim Stephanhof versehentlich mit der Axt einen kräftigen Hieb in den Fuß bei, so daß er schwerverletzt in das Krankenhaus Giengen gebracht werden mußte.

r. Tuttlingen, 13. Dez. Durch die Donauverkopf- ung bei Fridtngen, wegen der die badischen Wafscrwerk- besitzer an der Aach, Klage auf Schadenersatz erheben, ist, wie der württ. Sachverständige Dr. Endriß glaubt, die Frage lcr Regelung der Donauversinkung zwischen Baden und Württemberg wesentlich erschwert worden. Ausgehend von der Anschauung, daß Württemberg an der Jmmendinger Donau Rechte erwerben müsse, leitete der genannte Gelehrte Schritte ein, um das Vorhaben zur Verstopfung zu ver­hindern. Das Störende der Verschließung der Fridinger Verstukungsstellen für eine praktische Behandlung der Frage zur Hebung der Wasserwerke im oberen Donautal werde immer mehr zutage treten. Deshalb sollten sich die Re­gierungen von Württemberg und Baden der neuen Sach­lage energisch annehmen. Nach Endriß wäre aber die Lösung nur möglich, durch eine gütliche Uebereinkunft mit den Bachwerkbefitzeru.

r. Michelbach OA. Gerabronn, 14. Dez. Ein frecher Gauner macht fett einigen Tagen die hiesig^ Gegend unsicher. Er operierte in der Uniform eines Eisen, bahnschaffners und ließ sich, da ihm gerade das Kleingeld fehlte, in Reubach und hier Geld leihen. Dem hiesige^ Landjäger gelang es, den Schwindler dingfest zu machen Es stellte sich heraus, daß er die Uniform nur zum Zwecke- der Verübung von Gaunereien trug, und daß er ein arbeits­scheuer Bursche aus Berghos war.

Deutsches Reich.

Berlin, 14. Dez. Der Reichstagsabgeordnete Bebel schreibt seine Memoiren.

Berlin» 13. Dez. Dem Reichstag ging eine Resolution des Grasen Kanitz zu, den Reichskanzler zu ersuchen, die feit dem 1. Okt. d. I. eingezogenen Taler, soweit sie nicht zur Umprägung verwendet wurden, wieder in Umlauf zu setzen, ferner der Regierung einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach der für den Kopf der Bevölkerung entfallende Gesamt­betrag an Silber von bis jetzt 15 auf 25 erhöht wird.

r. Karlsruhe, 13. Dezbr. Die Sozialdemokratie Badens plant eine Protestbewegung gegen das neue Vereins­gesetz.

Würzbnrg, 12. Dezbr. Bei dem Fallissement des Bankgeschäfts Lippert L Stein dahier verliert der durch Selbstmord gestorbene Kaufmann Badmann ca 80000 ein Bruder und eine Schwester des Stein fast ihr ganzes Vermögen in der gleichen Höhe. Eine Bilanz ist nicht vorhanden, wieviele Depots unterschlagen find, wird erst durch die Aufstellung des Status sich ergeben. Bei dem Zusammenbruch fiud hauptsächlich mittlere und kleinere Kaufleute und Geschäftsleute geschädigt. Die Verhafteten haben dos Geld verspekuliert. Ueber das Geschäft ist der Konkurs verhängt worden.

Frankfnrt, 10. Dez. Aus Nürnberg sendet man der Frkf. Ztg. einen der bekannte» spanischen Schwind­le rbriese, der in üblicher Weise dem Adressaten die Schwindler wissen ganz genaue Adressen 800000 Franken in Aussicht stellt, wenn er den Schatz heben Hilst. Der Adressat hat den guten Humor gehabt, an die angegebene Adresse zu schreiben, von dem Anerbteteu könne er zu feinem lebhaften Bedauern keinen Gebrauch machen, da es ihm die größte Verlegenheit bereiten würde durch die Frage, was er mit dem in Ausficht gestellten großen Profite ansangen solle.

Die Königin-Witwe von Sachse»

Dre-de», 15. Dez. Die Kövigiu-Witwe Carola ist heute nacht 3.40 Uhr sanft entschlafen.

Königin Carola von Sachsen, die hochbetagte Witwe

des im Sommer 1902 verstorbenen Königs Alberts war schon vor mehreren Wochen nicht unbedenklich erkrankt. Wenn sich ihr Zustand inzwischen auch wieder etwas ge­bessert hatte, so war doch anderseits das hohe Alter der Erkrankten in Bettacht zu ziehen, so daß die Gefahr noch nicht für beseitigt galt. Ein neuer Anfall in den letzten Tagen führte schließlich den Tod herbei.

Königin Carola ist der letzte Sproß des alten schwe­dischen Königshauses der Wasa, das mit ihr erlischt. Sie war eine Enkelin des letzten schwedischen Königs aus dem Geschlechte der Wasa Gustav IV. Adolf der 1809 abge­setzt wurde. Ihr Vater war der 1877 verstorbene Prinz Gustav, der letzte männliche Träger des Namens Wasa. Königin Carola ist am 5. August 1833 geboren und hat sich am 18. Juni 1853 mit dem damaligen Kronprinzen Albert von Sachsen vermählt.

Ausland

Paris, 13. Dez. Aus Madrid wird berichtet, daß auf der Station Gras-Valencia ein Güterzug von vier Räubern angegriffen wurde, die die Bediensteten des Zuges mit Revolvern bedrohten und eine Kasse mit 12 000 Pese­tas entwendetm.

Paris, 13. Dezbr. Der Zustand des seit längerer Zeit schwer erkrankten Dichters und Akademikers Francois Coppee gibt nach dem heutigen Bulletin der ihn behan­delnden Aerzte zu den lebhaftesten Besorgnissen Veranlassung.

Stockholm, 13. Dcz. Seit heute morgen hat das Publikum Zutritt zu der feierlich aufgebahrten Leiche König OSkars. Er liegt im Sarge mit gefalteten Händen, ein Hermelinmantel ist über den Sarge gebreitet, der von Hof­würdenträgern und einer großen Ehrenwache umgeben ist. Das Reichsbanner und die Banner des Serafime-Orden find beim Kopfe aufgestellt, die Reichsrcgalien befinden sich auf einem Tische zu Füßen, die schwedischen Orden auf einem anderen. An den Seiten des Sarges erheben sich Kandelaber mit brennenden Kerzen. Das Volk zieht stumm und bewegt vorbei.

Br«««, 13. Dez. Auf dem Schloßtcich in Trebisch brachen 8 Gymnasiasten auf der dünnen Eisdecke ein. 2 find ertrunken.

Amsterdam, 14. Dez. In ihrem Trinkspruch bei der Galatafel hieß die Königin den Kaiser willkommen und bezeichnte den Besuch als einen neuen großen Beweis der kostbaren Freundschaft des Kaisers für sie und ihr Volk. Die Königin erinnerte weiter au die dauerhaften Bande, die zwischen den Häusern Orsnieu und Hohenzollern geknüpft seien und fuhr fort: wir bewundern de« hohen politischen Weg Eurer Majestät und Ihre Tätigkeit als Souverän, womit Sie das Wohl und Glück Ihres Volkes sichern.

Belgrad, 14. Dez. Bei Untersuchung in der Obli- gationendiebstahlsangelegenheit der Hypothekenbank wurde Poltzcikornmiffar Gcorgewitsch verhaftet. Dieser verfolgte mit zwei Detektivs die Spuren der angeblichen Diebe bis nach London, dabei ist er selbst an dem Diebstahl beteiligt. Einer der beiden Detektivs wurde auch verhaftet.

Zur amerikanische« Krise. Das Verl. Tageblatt meldet aus New-Kork: Aus Detroit wird berichtet, daß tu den dortigen Automobilzentren, namentlich hinsichtlich der Lieferung von Luxusaukvmobilen, eine starke Krisis ausge­brochen ist. Gegen 32 000 Arbeiter find arbeitslos. In New-Aorker Finanzberichten der Times wird auf die abnehmenden Aussichten für die baldige Wiederaufnahme der Barzahlungen htngewiesen.

Eine Verschwörung gegen Abdul Hamid?

Die jungtürkische Bewegung scheint wieder mit größerer Intensität eingesetzt zu haben. Diesmal ist aber nicht Paris der Hauptsttz der revolutionären Agitation, sondern Athen, wohin sich in letzter Zeit zahlreiche kompromittierte Türken geflüchtet hatten. Wie in früheren Fällen sollen sich die Flüchtlinge auch diesmal mit hohen staatlichen Würdenträgern in Konstantinopel in Verbindung gesetzt haben, um Sultan Abdul Hamid zu entthronen. Es wird dazu gemeldet:

Athen, 13. Dez. Hiesige türkische politische Flücht­linge sind mit einer Anzahl hoher staatlicher Funktionäre in Konstantinopel in ein Komplott zur Entthronung des Snltans Abdul Hamid verwickelt. Kurz vor Aus­führung des Planes wurde die Verschwörung in Jildis entdeckt. Es sollen mehrere hohe Würdenträger stark kom­promittiert sein, sogar hohe Herren ans der nächste« Umgebung des Snltans. In Jildis und Konstanti­nopel wird vorläufig strengstes Stillschweigen über die An­gelegenheit gewahrt.

Landwirtschaft, Handel nvd Verkehr.

Nagold, 16. Dez. Metzger Maier Wwe. Bahnhofstn hat ihr Haus um 17 860 an Metzger Traf verkauft.

28 137 147 406 ,320

' IS ,00 SS 406 964

Zugetrieben Verkauf!:

Erlös aus '/, kx Schlachtgewicht.

Pfennig j Pfennig

Ochsen

von

II

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Kühe

von

86 bis 88 .

68

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Bullen

6«

69

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78 .

80

66

67

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Jungrinder

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62

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61

73

76

Berlauf des Marktes: Kälber lebhaft, sonst mäßig belebt.

Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchdruckers, (Emil Zaiser) Nagold. Für die Redaktion verantwortlich: K. P aur.