Petersburg, 12. Dez. Die heutige Verhandlung des Port-Arthur-Prozesses war der Vernehmung des Zeugen General Kuropatkin gewidmet. Dieser sagte für den General Fock ungünstig, für General Stöffel günstig aus, da letzterem die notwendige Initiative, sowie der Er­laß von Direktiven an den Verteidiger der Kin-Tschau- Pofitionen nicht abgesprochen werden könne. Der Staats­anwalt beantragte die Verlesung der Depeschen des Generals Stöffel, in denen dieser dem General Fock seine Direktiven erteilte.

London, 11. Dezbr. Der Kaiser sagte in seiner Ansprache an den Lordmajor von London beim Ab­schied auf der Charing-Croß-Station:Ich wünsche, durch Sie der großen Befriedigung Ausdruck zu geben, welche ich bei dem Empfang empfand, der mir in der Guild-Hall zuteil wurde, und durch Sie den Bürgern von London meine aufrichtige Freude über den entzückenden Empfang zu übermitteln, welcher der Kaiserin und mir bei dieser Gelegenheit bereitet wurde." Der Kaiser fügte, auf eine Anfrage des Lordmayors antwortend hinzu:Meine Ge­sundheit hat sich sehr gehoben. Mein Besuch in Lon­don hat mir große Freude gemacht."

Sofia, 12. Dez. Boris Sarafow, der bekannte Baudenführer, sowie der Gymnasiallehrer Garwanow, beide offizielle Vertreter der mazedonischen Revolutions- Organisaton, wurden heute nacht im Hause Sarafows vom Bandenführer Panitza erschossen.

Sofia, 12. Dez. Man nimmt an, daß Sarafow nnd Garwanow als Opfer der mazedonisch-revolutionären Strafjustiz gefallen find. Sarafow und seine Fraktion waren für eine eine erneute Bandenaktion in Mazedonien, die aber von der Gegenfraktion mit dem Bandenchef San- danski an der Spitze auf das schärfte bekämpft wurde. Der Mörder Panitza ist in Tirnovo geboren. Er war bisher ein Anhäuger Sandanskis und schloß sich erst in den letzten Tagen an Sarafow an, offenbar nur zu dem Zwecke, um dessen Ermordung durchzuführen.

Die starke Rückwanderung aus Amerika er­weckt übertriebene Besorgnisse. Es mag durchaus richtig sein, daß diese Rückwanderung in den Herbstmonaten dieses Jahres sehr viel kräftiger ist als in anderen Jahren, aber die bisher mitgeteilten Ziffern lasten einen Vergleich mit früheren Jahren gar nicht zu. Dieser Vergleich wäre aber besonders deshalb wichtig, um die Steigerung in diesem Jahr beurteilen zu können. Rückwanderungen finden all­jährlich in den Herbstmonaten in ziemlichem Umfang statt, genau so, wie wir es in Deutschland bei den Italienern ge­wohnt sind. Um wie viel stärker die Rückwanderungen in diesem Jahr gegenüber früheren Jahren find, darüber wird geschwiegen. Es wäre sehr wertvoll, wenn die großen Reedereien ihren Paffagierverkehr monatlich angeben würden. Die Gefahren der Rückwanderung bedrohen aber, und da­rauf ist schon aufmerksam gemacht worden, den deutschen Arbeitsmarkt nur in ganz minimalem Grad. Dagegen soll nach den neuesten Nachrichten Italien diesen Winter 300000 solcher Rückwanderer mehr zu ernähren haben. Sicherlich ist diese Zahl viel zu hoch; auch ist dabei wieder übersehen, daß Italien jeden Wtnter ein großes Kontingent Rückwan­derer bet sich beherbergt hat und vielfach recht gern beher­bergt. Denn alle diese Rückwanderer bringen als Erspar­nisse bares Geld mit, das mit hundert Dollar für den Kopf nicht zu hoch berechnet ist. Die 300 000 Mgeblichen Rückwanderer würden also Italien mindestens 120 Mil­lionen Mark bares Geld eintragen, das in der Hauptsache zum Verbrauch wichtiger Lebensmittel und für Miete aus­gegeben werden müßte. Eine besonders kritische Situation würde aus dieser Rückwanderung für Italien wohl kaum entstehen. Eher wäre die Frage aufzuwerfen, ob die Ab­wanderung den Amerikanern so gleichgültig fein kann. Denn die Abwanderung bedeutet einen nicht ganz unerheblichen Verlust von barem Geld, das fremden Ländern zugut kommt.

Vermischtes.

Das liebe Kleingeld. Von den verschiedensten Seiten find tu letzter Zeit Klagen darüber laut geworden, daß das Kleingeld zu Lohnzahlungen außerordentlich knapp sei. Diesem Uebelstand dürfte schon tu naher Zeit abge­holfen werde». Die nächsten Ausweise über die Auspräg­ungen auf den deutschen Münzstätten werden, nachdem der Bundesrat in feinen letzten Sitzungen die Prägung von Kronen und Fünfmarkstückcn im Betrag von je 20 Milli­onen Mark beschlossen hat, gerade für diese beiden Münz­sorten, die bei den Lohnzahlungen die größte Rolle spielen, bedeutende Summen auszuweisen haben. Es darf aver noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß mit den neuen Zehnmarkscheinen in der gleichen Richtung Für­sorge getroffen ist. Hier handelt es sich übrigens um eine mehr als doppelt so große Summe, wie bei den Kronen und Fünfmarkstücken zusammengenommen. Gewiß machen sich, nachdem die nmen Zehnmarkstücke in den Um­lauf gelangt find. Stimmen geltend, die ihnen eine größer Bedeutung und die Geeignetheit absprechen wollen, man sollte aber erst die Entwicklung der Tatsachen abwarten, ehe man ein Urteil fällt. Vielleicht kann man einer etwa­igen Unbeliebtheit auch durch häufigere Erneuerung der Scheine Vorbeugen. Auf alle Fälle ist durch die in Aus­sicht genommenen Maßnahmen die Gewähr gegeben, daß den tatsächlich bet den Lohnzahlungen bestehenden Miß­ständen und dem Mangel an Zahlungsmitteln in Bälde ein Ende bereitet werden wird.

Ueber Zylinder und Frack, die beidenzahm ge­wordenen Revolutionäre", macht der bekannte Kulturhisto­riker Prof. Dr. Ed. Heyck im Novemberheft von Velhagen und Klastngs Monatsheften in einem Aussatz über die Herrenmode des XIX. Jahrhunderts die treffende Ausführ­ung. Es wird nicht allzu viele Deutsche geben, die fich nicht verpflichtet fühlen, über den Frack und über den Zy­linder, der in diesem Falle Schlot oder Angströhre genannt wird, schlechte Witze zu machen. Man kann daraus auf die einfachste Weise entnehmen, daß beide Frack und Zy­linder, als etwas Höheres betrachtet werden, denn so ist der Deutsche einmal: es gehört zu seiner bürgerlichen Männ­lichkeit, man kann sagen, zu seiner kulturellen Vormärzlich- keit, daß er über alle Dinge, die ihm im ehrlichen Grunde Respekt oder irgendwie ein feierliches Gefühl abnöttgen, vom Kaiser bis zu der Schwiegermutter, mit einer Art schamhafter Selbstverleugnung spötteln muß. Man stöhnt über eine ungerechte Zumutung, wenn mau den Frack an- ziehen muß, und bei eben diesen Gelegenheiten, etwa einem Tanzfest, wäre es doch ganz gewiß schrecklicher, im warm zugeknöpften Bratenrock zu fein. Ich will damit nichtalS Ritter der Schönheit des Fracks auftreten, amwentgstu eines schlecht sitzenden. Das steht auf einem anderen Blatt. Noch mehr aber gilt von dem Zylinder, daß die tnerische Abneigung gegen ihn nichts als ein metnungsloses Mitreden, und daß sie, wenn ehrlich, etn empfindlicher Mangel an Kuliurgefühl ist. Ohne Frage ist der Zylinder ästhetisch gar nichts so Uebles, und außerdem hat er nicht geringe Kulturwerte, erzieherische sowohl, wie anzeigende. Er ist wie kein anderer Hut ein Taxameter der Persönlichkeit, die ihn trägt. Jeder andere Hut schafft Kategorien, läßt den Menschen an sich in einen Stand nnd Beruf hinein versinken. Mit Schlapp­hut, Brille und etwas länglichen Locken stellt genau so gut, wie der Theaterfriseur, auch die Täglichkcit ans beliebigem Material einen Gelehrten her, mitSchlapphnt umwehendem Schlips bringt sie den Künstler zurecht; mit kleinem Strohhut, ein recht buntes Bändchen drum, macht sie einen Greis zum Bonvivant; mit dem steifen, schwarzen Kürbishut proklamiert ste die Gesinnung des just« milion, die Mimicry des Ver­schwindens in die anständige Uebiichkeit, weil momentan kein Wunsch ist, aus ihr herauszutrcten. Aber der Zylinder hebt bis zur Schonungslosigkeit die Kategorien und die An­passung aus. Er verlangt, genau wie der Lakai, daß ein wirtlicher Herr zu ihm gehört; unerbittlich zeigt er an. wer in ihm zu Unrecht stolziert, und auch die Menge solcher, die ihn mißbrauchen, überwindet ihn nicht. Dieser lautlos feine

Kritiker erhebt, wie das Monokel, das Schafsgesicht in seinen eigenen Superlativ, er stellt der modegekleideten Nichtigkeit das zuverlässigste Zeugnis aus, und wiederum ist er es, der einen wirklich guten Kopf, ein bedeutendes oder vornehmes Gesicht am reinsten zur individuellen Geltung brirgt. Sodann gehört er zu den bequemstfitzenden Hüten. Und vor allem, er verstärkt den vertikalen Eindruck der Erscheinung, er strecktste, macht ste länglicher, anstatt breiter, und erfüllt eine Aesthetik, die nicht nur den kräftigen Figuren zugute kommt, sondern die auch für die schmalen wiederum das Logische ist. Kurzum man sollte, statt zu räsonieren, bekennen: daß er uns wohl­wollend regiert. Zu dem Regierenden, Herrschenden, dem Tonangebenden gehört er ja in der Tat. Und ebenso der Frack. Ste tun es beide in ihrer Eigenschaft als soziales oder kulturelles Symbol.

Untertan" oderStaatsbürger". In der

Donnerstagsfitzung der Zweiten sächsischen Kammer gab es eine kurze, nicht uninteressante Zwtesprach' zwischen dem nationalliberalen Abgeordneten Zoephel Leipzig und dem Staatsminister Grasen Hohental. Elfterer bat nämlich die Regierung, bei ihren Kundgebungen nicht von Untertanen zu sprechen, sondern das WortStaatsbürger" zu gebrauchen. Das sächsische Volk werde auswärts wegen des von ihr gebrauchten WortesUntertan" lächerlich gemacht. Graf von Hohental erwiderte, daß die Regierung len Ausdruck Untertan" nicht anwende. Als er vorhin das Wort ge­braucht habe, habe er aus der Thronrede zitiert; und so lange im dritten Abschnitt der Verfassung vonallgemeine« Rechten und Pflichten der Untertanen" die R,de sei, müsse er dem König das Recht wahren, vonseinen Untertaum" zu sprechen.

LarrdwirtschasL, Handel mrd Verkehr.

Nagold, 12. Dez. Bus den heutigen Biehmarkt waren zu« geführt: 46 Paar Ochsen, 186 Kühe, 60 Kälber und 69 Stück Schmalvieh Verkauft wurden 22 Paar Ochsen mit einem LilöS von 20167^, 80 Kühe mit 13 522 22 Kälber mit 2 220^e und 30

St Schmalvieh mit 6870 - Aufden Schweinemarkt wurden

226 St. Läuferschweine und 813 Saugfchweine zugeführt, wovon 104 St. Läuferschweine mit einem Erlös von 4132 und 76 St. Saugfchweine mit 931 ^ verkauft wurden. Preis pro Paar Läuferschweine 6696 Preis pro Paar Saugfchweine 3036^

r. Stuttgart, 13 Dez. Dem Ka toffelgroßmarkt auf de« Leon­hardsplatz wurden in der Zeit vom 13. Juli bis 30. November rund 30 000 Ztr. zugeführt gegen 21060 Ztr. im Boijabr. Dir Preise betrugen im Juli 3 106 im August 2.603.60 i« «ept. 3.20-4.30 ^ im Okt 2 4 '4.20 im Nov 2 804.30^,

für 50 Kilo Dem FilderkrauNnarkt auf Sem Marktplatz wurden rund 45 000 St. -«geführt, gegen 70 000 St. im Vorjahr Preis im Nug. 20-40^1, Eept 16-23 Okt. 1018^, Noo. 81t Mark fiir 100 Stück.

r Niederstetten OA. Serabronn, 10. Drz Der gestrige Vieh­markt hatte geringe Zufuhr. Bei allen Virhgattungen stellten fich die Preise wie bisher. Der Umsatz war nicht bedeutend. Am Schwrinemarkt überstieg die Nackmage, das Angebot. Beigebracht waren 110 Stück. Das Paar kostete 26 38 ^ Segen den Bor» markt beträgt der Aufschlag 10-/^ F.tte Schweine wurden heute zu 4S14 ^ pro Pfund Lebendgewicht aufgekauft.

Answärttge Todesfälle.

Karoline Maier, geb. Wüst, 88 J Horb.

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OA. Calw.

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Am Montag de» 23. Dezbr. vorm. L« Uhr

im Bären in Stammheim aus Staatswald Reutehau, Kastanien­weg, Lindenrain, Vorderer Teich, Unt. Jägerwiese: Fichten: Bau­stangen St. 35 !a, 310 N), 140II., 5 III. KI., Hagstangen: 85 I., 570II., 195III. Kl., Hopfenstangen: 900 I., 550 II., 415IV., 265 V. Kl.. 170 Rebstecken I. Kl. Tannen: Baustangen: 20 ls., 475 Ib, 670II., 70 III. KI., Hagstangen: 25 I., 515 II., 20 IN. KI., Hopfenstangen: 120 I., 15 II. Kl. Losverzeichniffe durch's Forstamt.

Sodann 43 Flächenlose Reinig- ungsreifig aus Distrikt Tickemer Wald geschätzt zu 5650 Nadelreis­wellen, teils Stänglesretfig, teils zur Streu geeignet.

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