81. Jahrgang.

Erscheint täglich mit Ausnahme der »onn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger. !shu 1.2V ^t,tm Bezirks« und 10 dm-Berkehr 1.28 im übrigen Württemberg 1L8 ^l. VlonatSabonuementS «ach BerhältntS.

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M«enspv«ch<v Hkv. SV.

Auflage 2600.

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Mit dem Plauderstübchen und

«chwäb. 8a»b»trt.

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Magotd, Mittwoch den 20. Aovemöer

1S07

AmUiches.

Bekanntmachung

betr. Sachverständige für Kraftfahrzeuge. Ernst Misol, Ingenieur und amtlich anerkannter Sachverständiger für Kraftfahrzeuge, seither in Cannstatt, Höfenerstraße wohnhaft, hat seinen Wohnsitz nach Stuttgart, Lndwigsbnrgerstraße 27, Telef. 7800 verlegt.

Dies wird zur Kenntnis der Interessenten gebracht. Nagold, den 19. Nov. 1907. K. Oberamt.

Mayer, Reg.-Afs.

Bekanntmachung

betr. den Ansbruch der Hühnerpest.

In dem Gehöft des Bauers Christian Wurster in Ebershardt ist die Hühnerpest ausgebrochen.

Nagold, den 19. Nov. 1907. K. Oberamt.

Mayer, Reg.-Asf.

Die

Blockpolitik iu der nächsten ReichstagSsession.*)

Bon

Freiherrn von Zedlitz und Neukirch,

Mitglied deS Hauses der Abgeordneten.

Vom allgemeinpolitischen Standpunkte ist unfraglich die Fortführung und dauernde Sicherung der Blockpolitik die wichtigste Aufgabe der Regieruugsstrategie im Reiche. Wenn auch, wie Herrn Spahns Ausführungen über die Entwicklung der Flotte erkenney lassen, das Zentrum um den Preis des Verzichts auf diese Politik wohl bereit sein Wörde, zunächst die Regierung ohne Inanspruchnahme andrer Gegenleistungen zu unterstützen, so wäre das doch nur ein kurzer Uebergangszustand. Sobald das Zentrum mit dem Auseinanderfallen des Blockes wieder im Reichstage un­entbehrlich geworden wäre, würde es schon zur Revanche für 1907 der Reichsregierung und den alten Kartellparteien um so empfindlicher sein Joch auferlegen. Die bürgerliche Linke aber würde dann wieder in eine ganz aussichtslose Opposition gedrängt, bet der sie zumeist nur die Sozial­demokraten zu Bundesgenossen hätte und durch die sie jeder Möglichkeit positiver Mitarbeit an der Reichspolitik und jeden Einstusses auf diese beraubt werden würde.

Die konservativ-liberale Paarung, welche die Voraus­setzung für die Aufrechterhaltung und den festen Zusammen­schluß des Blocks bildet, ist natürlich eine Ausgabe von größter Schwierigkeit. Sie wird einigermaßen dadurch er­leichtert, daß auf dem Gebiete der Zoll- und Handelspolitik, auf dem die Gegensätze zwischen dem rechten und dem linken Flügel des Blocks am schärfsten find, mit dem Ab­schluß der Handelsverträge und dem Inkrafttreten des

*) Mit Erlaubnis des Verlegers entnommen auS der Halb« Monatsschrift für das öffentliche L^benNeue Revue", Berlin.

Geschichte von Marokko.*)

(Fortsetzung.)

Marokko war indessen durch innere Wirren in Teil­staaten zerfallen, Spanier und Portugiesen setzten sich dort fest und die Selbständigkeit des Staates schien in Frage gestellt.

Um das Jahr 1550 übernahmen die sog. Scherife die Herrschaft über Marokko; sie stammen aus der Oasengruppe Tafilet und gaben sich als direkte Abkömmlinge des Pro­pheten aus. Die erste scherifische Dynastie war die der Saaditen, während deren Herrschaft sich vorübergehend so­gar die Osmanen von Algier aus in die Geschicke Marok­kos einmischten. (1553 wurde von ihnen die Stadt Fez besetzt) Der erste Herrscher Achmed starb 1557, ihm folgte Abdallah 15571574 und diesem Muhamed 1574-1578. Sein Nachfolger Mulei Achmed (1578-1603) gab dem marokkanischen Reiche die größte Ausdehnung, da nicht nur das westliche Algerien erobert wurde sondern marokkanischer Einfluß südwärts durch die Sahara bis an die Negerländer des mittlere» Sudan reichte und 1588 sogar die Stadt Tim- buktu besetzt wurde. Auch wurden die Portugiesen aus Marokko vertrieben, und unter diesem zweifellos bedeutenden Herrscher fand 1578 jene große Schlacht bei Alkafsr statt, in der König Sebastian von Portugal blieb und wo auch 3000 deutsche Söldner unter dem Grasen Thalberg vernichtet wurden.

Zolltarifs ein gewisser Beharrungszustand eingetreten ist.

Umgekehrt aber wird die konservativ-liberale Paarung sehr erschwert durch die sicher zu erwartenden Gegenschachzüge des Zentrums. Auch die Sozialdemokraten werden es nach den Verhandlungen des Essener Parteitages an solchen nicht fehlen lassen, vor allem aber wird das Zentrum alle Minen springen lassen, um einen Keil zwischen den rechten und den linken Flügel des Blocks zu treiben. An Gelegenheit wird es ihm nicht fehlen.

Um ein sicheres Urteil darüber zu gewinnen, welche Taktik am zweckmäßigsten zur Erreichung des Zieles der konservativ-liberalen Paarung zu wählen sein wird, muß man sich vergegenwärtigen, welche gesetzgeberische Aufgaben dem Reichstage in feiner nächsten Tagung gestellt werden, sowie daß die unerläßliche Voraussetzung der Blockpolitik das gegenseitige Entgegenkommen aller Teile ist. Dies gilt namentlich von den beiden äußersten Flügeln des Blocks, von denen keiner auf seinem Schein bestehen darf, jeder vielmehr von seinen grundsätzlichen Forderungen so weit zurücktreten muß, daß der Antipode sich mit dem Gange der Dinge noch abfinden kann. Natürlich, um mit dem ersten Nachfolger Dr. Windthorsts, Dr. Lieber, zu reden: pro boo st nunc, unter voller Wahrung des grundsätzlichen Standpunktes.

Der Reichskanzler hat im Interesse des festeren An­schlusses der drei linksliberalen Gruppen an den nationalen Block die Vorlegung der Entwürfe eines Reichsvereinsgesetzes und eine Novelle zum Börsengesetze zugesagt. Den Natio­nalliberalen ist mit beiden Entwürfen gedient. Die Reichs­partei wird sicher mit dem Verzicht auf die aus dem Arsenal des Polizeistaats entlehnten Kautelen gegen Mißbrauch der Vereins- und Versammlungsfreiheit einverstanden fein. Aber bei einem Teil derselben begegnen Erleichterungen deS Bör­senverkehrs über das Maß der Kommisfionsbeschlüsse zu der ersten nicht zustandegekommenen Vorlage hinaus erheblichen Bedenken. In noch höherem Maße ist dies bei den Deutsch­konservativen und der wirtschaftlichen Vereinigung der Fall. Die Konservativen haben bisher auch den Standpunkt ver­treten, daß mit der Beseitigung lästiger Polizeivorschriften aus dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrechts Hand in Hand gehen müssen wirksame Schutzwehren gegen den Mißbrauch desselben zu revolutionären Zwecken, dies Wort im weitesten Sinne verstanden. Man braucht gerade kein Seher zu sein, um vorauszusehen, welcher Taktik sich das Zentrum in beiden Fällen befleißigen wird. Es wird gegenüber dem Reichsvereinsgesetze zweifellos sich auf den radikalsten Standpunkt stellen, um die Liberalen und namentlich die Linksliberaleu zu bestimmen, im Verein mit ihm und den Sozialdemokraten die Vorlage so umzuge­stalten, daß sie den konservativen Fraktionen unannehmbar wird. Umgekehrt wird es bestimmt gegenüber der Börsen­gesetznovelle die Opposition des Bundes der Landwirte noch übertrumpfen und so dieser Vorlage eine Gestalt zu geben suchen, durch die sie ihren Wert sür die Liberalen verlieren würde. Gelingen diese Manöver, so hat das Zentrum seinen Zweck, den Block zu sprengen, erreicht, und es ist nur noch eine Frage kurzer Zeit, daß es mehr denn je im

Nach Mulei Achmeds Tode folgten Bürgerkriege, bis es schließlich seinem ältesten Sohne Mulei Sidan gelang, die Herrschaft über das ganze Reich, wenigstens nominell, zu erlangen. Unter diesem Herrscher kamen die 1610 aus Spanien vertriebenen Mauren in das Land, die dann in den Städten später als Handelsleute einen großen Einfluß gewannen.

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts bemächtigte sich die zweite scherifische Dynastie des Thrones, deren Nach­kommen noch jetzt in Marokko herrschen. Ihr Ahnherr soll Mulei Ali sein (daher auch Aliden oder Hofeint genannt), der aus der Hafenstadt von Medina, Jambo am Roten Meer, stammt und sich in der Oase Tafilet niederließ; da­her auch der Name Filali für diese Herrscherfamtlie. Erst nach und nach konnten sich die Glieder dieser Dynastie des ganzen Reiches bemächtigen, insbesondere eroberte Mulei Arschid zwischen 1649 und 1665 einen großen Teil des Landes, und besonders bekannt in der Geschichte ist sein Bruder und Nachfolger Mulei Jsmael (1672 bis 1727) der als einer der grausamsten Tyrannen geschildert wird.

In diese Zetten fallen einige Ereignisse, bei welcher europäische Mächte beteiligt waren. Als sich 1640 Portu­gal wieder von Spanien trennte, blieb von den früheren portugiesischen Besitzungen in Marokko nur Ceuta bei Spa­nien, und zwar bis auf den heutigen Tag. 1641 verließen die Portugiesen die Hafenstadt Saffi, und 1662 kam durch eine Heirat die wichtige Hafenstadt Tanger an England, das aber schon 1684, nach Sprengung der Befesttgungswerke, diesen Ortaufgab und dafür 1704 Gibraltar besetzte. 1769

Reiche Trumpf wird. Diese Manöver zu durchkreuzen, ist

daher die erste taktische Ausgabe der Regierungspolitik. Sie muß verhüten, daß sich der linke Flügel des Blocks zu einer Gestaltung der Vereinsgesetznovelle bestimmen laßt, der gegenüber dem rechten selbst das tolsrari xosse unmög­lich ist. Sie muß ferner umgekehrt den agrarischen Flügel des Blocks bestimmen, in bezug auf die Novelle zum Börsen­gesetze so weit entgegenzukommen, daß diese den Liberalen, insbesondere den Linksliberalen noch recht wertvoll bleibt.

Die Vorlage, betreffend das Vereins- und Berfamm- lungsrecht, wird zwar sicherlich mit den Traditionen des Polizetstaates gründlich aufräumen, aber doch, wie Graf Posadowsky im Reichstage nachdrücklich betont hat, Schutz­wehren gegen das Gemeinwohl ernstlich gefährdenden Miß­brauch dieses Rechtes enthalten. Die Konservativen dürften unter der Voraussetzung der Berücksichtigung ihrer Interessen auf anderen Gebieten wohl mit sich reden lassen, wenn ihnen wenigstens die volle Ausrechterhaltung dieser Schutz­wehren gewährleistet wird. Hier muß die Regierung ein- greifen und kann es mit Aussicht auf Erfolg Lun. Sind die Liberalen darüber völlig außer Zweifel, daß das Reichs- vereinsgesctz nur unter der Voraussetzung der Aufrechter­haltung dieser Schutzwehrev zustande kommt, so werden sie instandgesetzt werden, der Versuchung durch Sozialdemokraten und Zentrum zu widerstehen.

Was ferner das Börsengesetz anlangt, so wird man den ehrlich zur Blockpolitik haltenden Konservativen aller Richtungen die Zurückstellung ihrer Bedenken wesentlich er­leichtern, wenn man ihnen auf dem verwandten Gebiete des Bankwesens entgegenkommt. Und zwar handelt es sich da­bei vorerst noch gar nicht um positive Maßnahmen, sondern um eine Enquete Wer die Einrichtung und die Leitung der Reichsbank. Graf Posadowsky hat in der Budgetkommts- sion des Reichstages eine solche bereits zugesagt. Die an­dauernde ungewöhnliche Höhe des Reichsbankdiskonts weist an sich schon ausreichend nachdrücklich genug auf eine solche Untersuchung vor der Erneuerung des Reichsbankprivilegs hin; zu diesen Gründen tritt die erwähnte Rücksicht allge­meinpolitischer Natur hinzu. In die auch im übrigen durch­aus unparteiisch zusammenzusetzende Enquetekommisfion würden auch sachkundige Mitglieder der Rechten des Reichs­tages, wie Graf Kanitz, Frhr. von Gamp, Graf Schwerin u. a. zu berufen sein. Andrerseits empfiehlt es sich aus sachlichen und persönlichen Gründen von Gewicht, sorgsam alles zu vermeiden, was auch nur den Schein einer Spitze gegen den Reichsbankpräfidenten hätte. Das ließe sich am sichersten erreichen, wenn Exzellenz Koch, wie einst die Lei­tung der Börsenenquete, so auch jetzt wieder die der Bank- enqnete übertragen würde. Dadurch wäre auch zugleich am besten dafür gesorgt daß alle zur Beurteilung der Frage dienlichen Aufklärungen wirklich erlangt werden.

Ob der Block der schwersten Belastungsprobe durch den Abschluß der Reichsfinanzreform schon in der nächsten Session unterworfen wird, erscheint aus dem einfachen finanz- technischen Grunde, weil der dauernde Ertrag der neuen Zölle und Steuern sich noch nicht mit Sicherheit schätzen läßt, mindestens fraglich. Immerhin empfiehlt es sich, für

wurde auch die letzte portugiesische Ansiedelung, der Hafen Masagan verlassen.

Spanien besaß noch den stark befestigten Hafenplatz Larache (seit 1610), den es 1690 räumen mußte auf Grund französischer Drohungen, denn Mulei Ismail hatte eine marokkanische Gesandtschaft nach Paris geschickt, um die Gunst des französischen Königs zu erwerben. Auch Ceuta wurde viele Jahre hindurch von den Marokkanern bedrängt und konnte erst seit 1720 als dauernder spanischer Besitz angesehen werden.

Nach dem Tode dieses Tyrannen stritten sich dessen Söhne um die Herrschaft, welche 1729 Mulei Abdallah er­hielt; er regierte bis 1757.

Ihm folgte 17571789 sein Sohn Mulei Sidi Mu­hamed, der milder regierend, mit abendländischen Siaaten in freundschaftlichen Verkehr trat. Handelsverträge mit Frankreich, Spanien, Portugal, Holland und England wur­den abgeschlossen; ein Krieg mit Spanien wegen der sogen. PresidioS endigte erst 1780. Die europäischen Staaten, die Handel in Marokko treiben wollten, mußten aber wegen der Seeräuberei im westlichen Mittelmeer den marokkanischen Herrschern Tribut zahlen, um vor den Piraten geschützt zu werden.

Nach dem Tode dieses Sultans entstanden die üblichen Thronstreitigkeiten, bis sich 1794 sein jüngerer Bruder Mulei Soliman behauptete, der bis 1822 im großen uud ganzen reformfreundlich herrschte. Er hob in feinem Reiche die Christensklaverei auf, uud suchte vor allem auch der Seeräuberei der Rifioten das Handwerk zu legen; er er-