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neuen Bremsen versehen wird. Die Reise des Zaren nach Berlin Ende März ist wahrscheinlich.
Berlin, 1. März. Die Kommision des Abgeordnetenhauses zur Vorberatung des Antrages Berling (Schutz der Landwirtschaft gegen Wildschaden) trat gestern zu ihrer ersten Sitzung zusammen. In der Generaldebatte war man ziemlich einig darüber, daß die Eingatterung des Schwarzwildes notwendig sei, doch wurde die Einfriedigung von Not- und Damwild nur durch die Abgg. Schmieder (d..fr.) und Conrad (Centr.) befürwortet. Der Vorschlag, gegen ausgebrochenes Wild absolutes Abschußrecht zu gewähren, wurde nur durch Abg. Schmieder verteidigt. Ueberein- stimmung herrschte darüber, daß der Landwirt gegen Wildschaden zu schützen sei, doch waren die Ansichten geteilt, ob durch Erweiterung des Abschußrech- tes oder durch Bildung von Wildschadenverbänden. Es wurde schließlich eine Subkommission von sieben Mitgliedern eingesetzt, mit dem Aufträge, bis zur nächsten Sitzung der Kommission bestimmte Vorschläge zu formulieren.
Holland.
Amsterdam, 2. März. Nach ärztlichen Gutachten zählt das Leben des Königs nur noch nach Tagen.
China.
— Die Hochzeit des jungen Kaisers von China wurde am 26. Februar mit Ausbietung außerordentlicher Pracht ganz nach dem herkömmlichen, seit alter Zeit festgestetzen Ritus gefeiert. Jedoch bekamen nur die Beamten und die Soldaten etwas von dem Schaugepränge zu genießen. Die auswärtigen Gesandten stellten das Ersuchen, dem kaiserlichen Bräutigam ihre Glückwünsche persönlich darbringen zu dürfen; in aller Höflichkeit wurde diese Bitte jedoch abgelehnt. Um die Sache aber wieder gut zu machen, erhielten sie eine Einladung zu einem Festmahle mit den Ministern des Tsungli-Uamen, des auswärtigen Amtes, und außerdem reiche Geschenke zur Erinnerung. In schmerzlichem Gegensatz zu diesen Festlichkeiten des Hofes steht die Nachricht, daß die Hungersnot in den von derselben betroffenen Distrikten Chinas riesig zunimmt. Die Zahl der von Allem Entblößten beziffert sich auf Millionen, und Leute, welche die Verhältnisse ken- neu, halten es für hoffnungslos, die Not zu bewältigen.
Hcrgss-Weuigkeiterr.
(I Calw, 4. März. Am Samstag abend fand in den Räumlichkeiten des Badischen Hofes die Fastnachtsfeier des Calwer Liederkranzes statt. Das reichhaltige Programm enthielt 2 Chorlieder, worunter „Rrrraus" von Koch v. Langentreu, 3 humoristische, vorzüglich vorgetragene Couplets, 1 Terzett „Die Macht des Gesangs" und mehrere komische Aufführungen, wie einen flott gespielten „Kaffeeklatsch", „Auf der Heimkehr vom Sängerfest", „Die roten Nasen", „Der Besuch des Königs Wau wau von Hinterafrika" und „Die dressierten Gänse". Sämtliche Nummern fanden den größten Beifall bei den überaus zahlreich anwesenden Mitgliedern; hatten doch auch die Mitwirkenden keine Mühe gescheut, um den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Zwischen den einzelnen Stücken lockten die lustigen Klänge der Stadtkapelle das muntere Volk zum Tanz, so daß durch reiche Abwechslung Jung und Alt ein sichtliches Vergnügen bereitet wurde, das die Teilnehmer in heiterster Stimmung lange Zeit beisammen hielt.
— „In auswärtigen, namentlich in bayerischen und badischen Blättern, waren in der letzten Zeit recht beunruhigende Mitteilungen über den Gesundheitszustand Sr. Maj. des Königs zu lesen," so schreibt man dem „Frkf. I." „Wir sind nun allerdings gewohnt, in einem Teil der Presse allerlei Gerüchte über Vorgänge am Hoslager König Karls sporatisch auf- treten zu sehen, die den Stempel der Uebertreibungen an sich tragen und denen deshalb auch hier keine besondere Beachtung zu Teil wird. Die neuesten Gerüchte über das Befinden des Königs haben aber doch auch hier beunruhigt. Glücklicherweise ist der heute ausgegebene Hofbericht die Antwort auf dieselben nicht schuldig geblieben und hat wenigstens die ersteren Befürcht
ungen zerstreut. Der vom 25. ds. datierte Bericht lautet: „Die katarrhalische Erkrankung Seiner Majestät des Königs hat bisher glücklicherweise den in Aussicht genommenen normalen Verlauf gezeigt. Die Symptome sind in allmählichem Rückgang begriffen. Das Allgemeinbefinden ist durch den Katarrh kaum mehr beeinträchtigt. Nur die nervösen Beschwerden lassen die ersehnte Besserung, welche in früheren Jahren der Winteraufenthalt im Süden mit sich gebracht hat, bis jetzt nicht erkennen." Immerhin scheint aber nach der Fassung des heutigen Berichts kein Grund zur Ausstreuung von beunruhigenden Gerüchten über den Gesundheitszustand des Königs vorhanden zu sein. Wäre die Situation in der That ernst, so wären wohl schon längst ebenso wie im vergangenen Jahre noch weitere Aerzte als Obermedizinalrat Dr. v. Fetzer, welchem bis jetzt ganz allein die Fürsorge für die Gesundheit des Königs obliegt, beigezogen worden."
Oberndorf a. N., 27. Febr. Aufs neue werden einzelne Gemeinden unserer Gegend von epidemischen Kinderkrankheiten heimgesucht. In Epsendorf mußte heute, nachdem schon in der letzten Woche wegen Diphtheritis, Krampfhusten, roter Flecken rc. der Unterricht in der Unterklasse der dortigen Schule eingestellt war, auch noch die Klaffe der älteren Schüler geschloffen werden. Besonders die heimtückische Diphtheritis tritt mit einem ganz bösartigen Charakter auf und hat schon manches junge Leben zerstört. Heute sind aus einem Hause zwei blühende Kinder der Seuche zum Opfer gefallen. Auch hört man von allerdings vereinzelten Erstickungsfällen, herbeigeführt durch den qualvollen Krampfhusten. — Am „Stein", der hohen und steilen Bergwand im Westen der Stadt, wurde heute bei Sonnenaufgang wieder die schon früher einmal beobachtete Naturerscheinung des Leuchtens der daselbst angehäuften Schneemaffen wahrgenominen, allerdings nicht in so intensiven Farben wie das erstemal. Da auch diesmal dem Ereignis eine sehr kalte Nacht (— 15» k.) vorherging, so erklärt man sich das Farbenspiel durch eine Brechung der Sonnenstrahlen in den zahllosen Eiskristallen, welche sich auf der Oberfläche des Schnees während der Nacht angesetzt halten.
Eßlingen, 1. März. (Stadtschultheißenwahl.) Nun ist die Wahlschlacht zum zweitenmale geschlagen, das Resultat ist mit geringer Aenderung das gleiche wie das erstemal vor drei Monaten, für den Sieger eher noch etwas günstiger, denn er hat einen Zuwachs von 93 Stimmen (7 Proz.) zu verzeichnen, während der Gegner um 26 Stimmen (3 Proz.) zurückblieb. Von 8 Uhr ab gestern abend versammelte sich die Partei des erwählten Herrn Stadtpfleger Weich in den Nebensälen zum Palmschen Bau, um von den Strapazen des harten und schweren Kampfes sich zu erholen und in gemütlichem Beisammensein ohne Ostentation sich des errungenen Sieges zu erfreuen.
Schwäb. Gmünd, 28. Febr. Schon seit einigen Jahren hat hier die Unsitte Platz gegriffen, daß in der Faschingszeit von unberufener Seite Narrenzeitungen ausgegeben werden, die in schamloser, plumper und unanständiger Weise achtbare Bürger in den Kot herabziehen, Zoten der gröbsten Art zitieren, und in frecher Verhöhnung jugendliche Vergehen junger Leute an den Pranger ziehen, nur um sich Geld zu machen, so daß es einen wunder nimmt, daß diese gemeinen Schmvtzprodukte von der Sittenpolizei nicht geahndet werden. Gegen dieses skandalöse Treiben wird nun ernstlich Front gemacht; eingesendete Artikel in den Tagesblättern fordern die anständigen Bürger auf, solche Gemeinheiten ferner nicht zu unterstützen und die Kolporteure dieser anrüchigen Schandblötter einfach von der Thüre zu weisen. Auch die Wirte werden ersucht, keine Narrenzeitungen zu kaufen und in den Lokalen aufzulegen. W. Ldsztg.
Ulm, 1. März. In den letzten Tagen wurden hier mehrfache freche Kleiderdiebstähle ausgesührt, die der Dieb sofort in den Leihhäusern von Ulm und Neu-Ulm versetzte. So wurden einer Dienstmagd aus ihrem Kasten eine größere Partie Kleider, einem Lehrer 3 Paar Hosen und der Witwe eines höheren Beamten 2 Mäntel gestohlen. Der Dieb, der bessere Kleidung getragen haben und bessere Manieren gehabt haben soll, scheint die Stadt verlassen zu haben.
seine Lippen führend. Lassen Sie diesen unglücklichen Zwischenfall für immer vergessen sein. Wir wollen nie wieder daran denken!"-
Am selben Nachmittag schrieb Otto Lynwood einen Brief an Mr. Phineas Hyam, welchen er nicht dem allgemeinen Briefbeutel anvertraute, sondern selbst ins Dorf auf die Post trug; und dennoch, wenn selbst Jemand den Brief gelesen hätte, so würde er nicht viel Interessantes darin gefunden haben, mit Ausnahme eines Satzes, der jedoch für jeden Nichteingeweihten unverständlich sein mußte. Der Brief lautete wie folgt: „Es sind Umstände eingetreten, welche der Ausführung unserer Pläne so hinderlich gewesen wären, daß ich dieselben ändern mußte; nichsdestoweniger glaube ich, daß uns das Fläschchen eben so nutzbringend sein wird, als wenn wir unsere erste Idee beibehalten hätten. ^ xroxos, wissen Sie Jemanden, der kostbare Edelsteine gut bezahlt?"
Als er aus dem Dorfe zurückkehrte, begegnete er seinem Onkel, der eben von einer Unterredung mit dem Geistlichen des Ortes kam, und sie begaben sich zusammen nach dem Herrenhause.
„Die arme Adrienne wird sich einsam fühlen, wenn sie ganz allein zu Hause ist," bemerkte Sir Ralph, dessen Gedanken stets nur von seiner jungen Frau erfüllt waren.
„Es ist keineswegs anzunehmen, daß sie ganz allein sein wird," entgegnete Otto. „Egerton ist sicherlich bei ihr und da fühlt sie sich gewiß nicht einsam."
Der Baronet warf ihm einen raschen, fragenden Blick zu. Otto's Worte waren weniger bedeutsam, als der Ton, in welchem er sie sprach.
„Höre, Otto," begann er nach kurzem Besinnen, „es ist das nicht zum ersten Male, daß Du Andeutungen über Lionel Egerton's Vorliebe für die Gesellschaft meiner Frau fallen läßst, und ich möchte wissen, was Du damit meinst. Ich kann hinterhältige Reden bei Anderen nicht leiden. Wenn Du mir Etwas zu sagen hast, so kommen mir am besten ohne Umschweife zur Sache. Was also ist es?"
„Lieber Onkel, laß mich schweigen. Ich möchte Dich durch eine offene Sprache nicht beleidigen, indem ich mich in Dinge mische, die mich eigentlich Nichts angehen."
„Aber sie gehen Dich in gewissem Sinne gar sehr an, und was Deine offene Sprache betrifft, so laß es Dir gesagt fein, je offener Du sprichst, desto lieber wird es mir sein. Von keinem Manne aber werde ich dulden, daß er Lady Lynwood irgend wie tadelt," sagte Sir Ralphs nachdrücklich.
„Das würde ich auch gewiß nicht thun, denn ich achte und schätze sie zu sehr," entgegnete Otto. „Wenn ich cs für nötig erachte, Dich auf die gar so häufigen Besuche Egerton's aufmerksam zu machen, so geschieht cs einzig aus Rücksicht auf Adrienne. Er ist fast täglich in Lynwood-Hall."
Diese Behauptung war nicht abzuleugnen.
„Ich habe ihn eingeladen, zu kommen, so oft er wollte," versetzte Sir Ralph.
„Er kommt aber nicht, um Dich zu sehen," begann Otto in überzeugendem , Tone, „daß er aber meinethalben nicht kommt, das ist sicher, denn wir konnten uns niemals recht leiden; seine Vorliebe für Adrienne's Gesellschaft ist jedoch so auffallend, daß sie bereits in der Nachbarschaft besprochen wird, und es ist keineswegs wünschenswert, daß Lady Lynwood ins Gerede komme."
„Wer hat es gewagt, ein Wort gegen Lady Lynwood zu sagen?" rief der Baronet, außer sich. „Bezeichne mir Denjenigen und ich schwöre Dir, daß er seine Verleumdungen nicht wiederholen soll!"
Otto lächelte leicht verächtlich.
„Es ist nichts Bestimmtes gesagt worden, Nichts, woran man sich halten könnte," entgegnete er, „aber es wird gezischelt; man raunt sich höhnische Bemerkungen zu und meint. Du müßtest es vorausgesetzt haben, daß sie nach Unterhaltung verlangen werde."
Obgleich Otto gewußt hatte, daß diese Worte Sir Ralph aufs tiefste treffen würden, hatte er ihre eigentliche Wirkung doch nicht vorhergesehen. Der Baronet wurde aschfahl und seine Lippen zuckten krampfhaft, als wollte er sprechen und könnte es nicht.
(Fortsetzung folgt.)