81« Jahrgang.

Auflage 2600.

«rscheint täglich mit Ausnahme der Tonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger« lohn 1.20 ^t,tm Bezirks, und 10 Km-Aerlehr 1. ^t, im übrige» «ürttemberg 1LV MouatSabonnement» nach «erhält»».

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Mernfpvecher Nv. LS.

Jevnfprechev Mv. LV.

Anzeigen-Gebühr

f. d. ispalt. Zeile auS^ gewöhnt. Schrift oder deren Raum bet Imai. Mnrückung 10 g, bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Mit dem Plauderstübch« und

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Magokd, Dienstag dm IS. Aovemöer

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Amllicher.

In No. 45 des Gewerbeblatts der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel, welches auf jedem Rathause etnge- sehen werden kann, ist die Satzung für das K. Württ. Landesgewerbemnsenm in Stuttgart veröffentlicht.

Das Landesgewerbemuseum verfolgt deu Zweck auf die gesamte gewerbliche und die Handelstätigkeit im Lande anregeud einzuwirken und die gewerbliche Ausbildung zu fördern, insbesondere:

1. solche Erzeugnisse des Gewerbes und Kunstgewerbes, welche geeignet find, den Gewerbetreibenden des Landes als Vorbild oder Studienmaterial zu dienen, im Ori­ginal oder in guten Nachbildungen zur Ausstellung zu bringen;

2. neue technische Fortschritte, namentlich auch auf dem Gebiete der Maschinen, Apparate und Werkzeuge, ge- eignetenfalls nach Veranstaltung einer Prüfung ihrer Brauchbarkeit und Nützlichkeit auf dem Wege wissen­schaftlicher Untersuchung oder praktischer Probe, mög­lichst rasch unter den Gewerbetreibenden bekannt zu machen;

3. die neuesten Verbesserungen auf dem Gebiete des ge­werblichen Unfallschutzes und der Gewerbehygiene der gewerblichen Bevölkerung vorzuführen;

4. endlich, soweit dies unbeschadet der vorstehenden prak­tischen Zwecke geschehen kann, durch die Sammlung besonders wichtiger oder seltener Rohmaterialien und Halbfabrikate, sowie von Darstellungen der verschiedenen Stadien bedeutenderer Fabrikationen in Fabrikaten, Modellen und Abbildungen ein möglichst reichhaltiges Material zu technologischen Studien darzubieten.

Der Besuch und die Benützung des Landesgewerbe­museums durch das Publikum soll auf jede Weise erleichtert werden.

Mit Ausnahme der hohen Festtage ist das Museum täglich während der besonderer Festsetzung unterliegenden Stunden dem Publikum unentgeltlich geöffnet.

Auf besonderes Ansuchen ist dasselbe an Werktagen auch außerhalb der gewöhnlichen Stunden (Abs. 2) zugänglich.

Die im Museum befindlichen Motoren und Maschinen werden regelmäßig an einzelnen jeweils zu bestimmenden Tagen und Stunden allgemein, außerdem nach Möglichkeit auf besonderen Wunsch in Betrieb gesetzt. Den Besuchern der Sammlungen wird von den Beamten und Dienern des Museums jede gewünschte Auskunft nach Möglichkeit erteilt; auch werden auf ein an einen Beamten gerichtetes Ansuchen einzelne Gegenstände, insoweit es Zeit und Raumverhältnisse gestatten, aus deu Schränken genommen, und zu näherer Besichtigung an geeigneten Plätzen vorübergehend aufgestellt.

Im übrigen wird auf die Bekanntmachung der K. Zentralstelle in No. 45 des Gewerbeblatts verwiesen. Nagold, den 11. Nov. 1907.

K. Oberamt. Ritter.

Die Ortsbehörden

werden darauf aufmerksam gemacht, daß von der W. Kohl- hammer'schen Buchdruckerei Stuttgart neue Formulare für die Gemeinderats- «. Bürgeransschutzwahleu durch Vermittlung der Zaiser'schen Buchdruckerei in Nagold bezogen werden können.

Nagold, den 11. Nov. 1907.

K. Oberamt. Ritter.

Die amerikanische Ainanzkrists?)

Dem Wunsch der Redaktion derIllustrierten Zeitung", ihr einen kurzen Bericht über die gegenwärtigen, in allen Ländern aufsehenerregenden krisenhaften Vorgänge finan­zieller Natur in den Vereinigten Staaten von Amerika zu geben, komme ich gern nach. Zum Verständnis der Tagesereignisse wird es gut sein, zunächst an den unver­gleichlich gigantischen Aufschwung zu erinnern, den das Wirt­schaftsleben der Vereinigten Staaten in den letzten Jahren genommen hat. Staunend, oft des Neides und einer an Anbetung grenzenden Bewunderung voll, blickte der Euro« päer nach drüben. Der Turmbau zu Babel schien zum erstenmal in der Weltgeschichte zu glücken, und doch war es ein offenes Geheimnis, daß die Fundamente, auf denen dieser Bau errichtet worden, keine haltbaren und tragfähigen

*) Den vorstehenden Artikel auS der Feder eine» Prokuristen de» bekannten Bankhauses S. Bleichröder entnehmen wir der .Il­lustrierten Zeitung-in Leipzig, welche Zeitschrift mit der An­regung zu diesem Aufsatz wieder einmal bewiesen hat, daß fie bestrebt ist, dem modernen Zeitgeist in jeder Beziehung gerecht zu werden.

waren. Die Sünden einzelner Trustmagnaten, die in ver­

wegner Gründertechnik ungezählte MillionenWerte" ge­schaffen Md M den Mann gebracht hatten, die keine Werte, sondern Wasser waren, stammen nicht von heute und gestern und sind nicht erst gestern aufgedeckt worden. Aber wer kümmerte sich um den innern Wert seiner Shares und Bonds, wenn nur die Kurse steigen und der Besitz, wenigstens aus dem Recheupapier, wertvoller wurde! Wer fragte da­nach, ob die Bilanzen der Riesenuntervehmungen solid auf­gestellt waren, wenn er nur gute Dividenden erhielt, und wen interessierte es, ob die Gewinne zum Teil durch gesetzlich verbotene Rabattgewährung erzielt wurden! Auch der Prä­sident der Vereinigten Staaten, der nun schon über sechs Jahre seines Amtes waltet, kannte diese Schwächen des ganzen Wirtschaftsgebäudes seit langem, und wen» er auch gelegentlich zur Kritik ausholte, so ließ er doch im großen und ganzen den Dingen seinen Lauf.

Da brachten im vergangenen Jahr die gegen einzelne große amerikanische Versicherungsgesellschaften eingeleiteten Untersuchungen den Stein ins Rollen; sie ergaben, daß die diesen Gesellschaften nahestehenden Trustmagnaten deren große Mittel in unzulässiger Weise für die Förderung ihrer der Trustmagnaten Spekulationen verwendet hatten, und daß sie ihre hierzu durchaus ungeeigneten spekulativen Werte in Millionenbeträgen in Portefeuilles der Lebens­versicherungs-Gesellschaften geleitet hatten. Mie Recht machte die öffentliche Meinung gegen diese Mißwirtschaft Front. Bald darauf aber setzten die Vorbereitungen für die im März 1909 stattfindenden Prästdentschaftswahlen ein. Mit dem Beginn dieser Vorbereitungen hebt gewöhnlich in den Vereinigten Staaten für das Wirtschaftsleben eine Periode der Beunruhigung an. Denn gigantisch, wie alles dort drüben, sind auch die finanziellen und taktischen Mittel, mit denen sich die politischen Parteien gegenseitig bekämpfen. Niemand vermag den schließlichen Ausgang des Kampfes vorauszusagen, und dieses Gefühl der Unsicherheit erzeugt ganz von selbst Beunruhigung. Sie mußte diesmal um so größer werden, als nunmehr von Roosevelt der Schlacht­ruffür oder gegen die Trusts" offen ausgegeben wurde und bei solcher Parole auf der einen Seite die große Masse des gegen die Plutokratie naturgemäß eingenommenen Volkes stand, auf der andern Seite die Trustmagnaten mit ihren unerschöpflichen Wahlkampfmitieln zur Verteidigung ihrer gefährdeten Interessen Stellung nahmen. Der Reflex dieser Bewegung machte sich zunächst auf dem Effektenmarkt bemerkbar. Die Kurse selbst der besten Eisenbahn« und Industrie-Shares und -Bonds gerieten ins Wanken, teils, weil vorsichtige Besitzer keine Lust hatten, mit ihrem Besitz im Kampsgetümmel auszuharren, teils aber auch, weil die Trustmagnaten selbst an der Senkung der Kurse ein In­teresse hatten, um so den Trustgegmrn zu zeigen, zu welchen Schädigungen des Nationalvermögens die Antitrnst- kampagne führen würde. Und die Kurse wichen um so schneller, als die mehrjährige Hochkonjunktur eine gewaltige Ueber- spekulation erzeugt hatte. Wenn aber die Kurse auf den Effektenbörsen dauernd zurückgehen, pflegt, es mag berechtigt sein oder nicht, eine ungünstige Wirkung auf die gesamte Wirtschaftskonjunktur nicht lange auszubleiben. Die Waren­preise geraten alsdann gleichfalls in eine absteigende Rich­tung, und die Katastrophe tritt naturgemäß am ehesten auf dem Gebieten ein, wo vorher mit künstlichen Mitteln eine ungerechtfertigte Hausse inszeniert worden war. Diese Rolle siel diesmal, und nicht zum erstenmal, dem Kupfer zu. Man hatte es verstanden, Statistiken zu fälschen, durch Käufe in Europa den Anschein zu erwecken, als ob die Produktionskraft des eigenen Landes für den Bedarf zu ge­ring sei; man hatte heimlich große Vorräte durch Lom­bardierungen für den Konsum gleichsam verschwinden lassen, und man hatte so den Preis des Kupfers auf eine schwin­delnde Höhe zu treiben vermocht. In dem Maß aber, in dem sich die Börsensttuation verschlechterte und auch die Aktienkurse der Kupfer produzierenden Gesellschaften sich senkten, wurde es schwieriger, die Lombardierungen durchzu­halten. Denn inzwischen war der Kupferprets auf die Hälfte seiner früheren Höhe herabgesunken, und damit war auch das verpfändete Kupfer so weit entwertet, daß von den auf dieses Pfand gewährten Vorschüssen nach und nach die Hälfte von den Darlehensgebern zurückgefordert wurde. Zur Leistung dieser Rückzahlungen mußten die Besitzer der verpfändeten Kupfermengen andere Wertobjekte ihres Be­sitzes, zum größten Teil Effekten, die aber, wie wir wissen, inzwischen gleichfalls geringwertiger geworden waren, in großen Mengen veräußern, und diese Transaktionen führten unter anderm dahin, daß selbst die finanzielle Position des Präsidenten des Kupfertrusts, des früher auf 100 Mill. Dollar Vermögen geschätzten Rogers, der sich allerdings auch noch in anderen Riesenunternehmungen festgelegt hatte,

kritisch besprochen wurde. Und ein anderer Kupferkönig, Heinze mußte fallieren.

Mt diesem Fallissement aber greift die Krisis deS Kupfermarkts aus das Gebiet der Banktrustkompanien (Diese Banttrustkompanien sind ursprünglich Vermögensver­waltungsgesellschaften, die sich später zu allgemeinen Bank­anstalten entwickelten; also keine Trusts im Sinu monopo­listischer Riesenunternehmungen) über. Die Heinze am nächsten stehende Bank war die Merkantile Bank. Alsbald wird die Untersuchung ihres Statuts eingeleitet, die die Jlliquidität dieser Bank ergibt, da sie mit Heinzeschen un­realisierbaren Werten vollgepfropft ist. Das gesamte Direk­torium muß zurücktreten; die Zahlungseinstellung wird un­abwendbar. Aber Eingeweihte wissen, daß sich die Heiuze- schen Beziehungen auch auf die hochangesehene Knickerbocker Trustkompanie erstrecken. Schnell ziehen fie als die ersten ihre Guthaben von dort zurück, und es hat szunächst den Anschein, als ob ihre Befürchtungen berechtigt wären. Denn obgleich die Natioualbank of Commerce der Knickerbocker Trustkompante Hilfe leistet, vermag diese dem Ansturm der Depositäre, die ihr 70 Mill. Doll. Depositengelder anver­traut haben, nicht standzuhalten; sie steht sich gleichfalls ge­nötigt, die Geldauszahlungen einzustellen. Dieser Vorgang bei einer der angesehensten Trustgesellschaften untergräbt aber vollends das durch die vorangegangenen Ereignisse ohnehin schon wankend gewordene Vertrauen. Alles stürzt an die Kassen der Trust- und Sparbanken, um die Depo­sitengelder zurückzuholen, der Banken-Run wird allgemein! Einem allgemeinen Ruu gegenüber aber versagt jede mo­derne Kreditwirtschaft, mag fie selbst auf noch so soliden Füßen stehen. Das Wort Kredit spricht es aus, daß fie auf Vertrauen gegründet ist. Greift das Mißtrauen so um fich, daß es zum allgemeinen Run kommt, dann be­deutet dies die Kriegserklärung an das System der Kredit- Wirtschaft, und im Kriegschweigen die Gesetze".

Keine Sparkasse, auch die bestgeleitete nicht, kann, wenn ihr alle Spareinlagen an einem Tag abgefordert werden, sie an diesem Tag aus paraten, eigenen Barmitteln samt und sonders zurückzahlen. Um das zu können, müßte sie die Einlagen ihrer Sparer in ihren Tresors verschließen, wie etwa die Bauernfrau das Goldstück in den Strumpf einwickelt; sie könnte fie nicht fruchtbringend anlegen, und doch ermöglicht ihr erst diese Anlage die Gewährung von Zinsen an ihre Einleger. Der einzelnen Kasse kann bei einem plötzlichen Ansturm vielleicht hilfsbereit beigesprungen werden; erfolgt der Ansturm jedoch au allen Kaffen gleich­zeitig, so wird auch eine allgemeine Hilfsaktion zur Un­möglichkeit. Und obgleich der amerikanische Staatsschatz alles mögliche aufbot, um den Banken die Beschaffung von Bargeld und Noten, die infolge der Rückständigkeit des amerikanischen Notenbankwesens besonders schwierig ist, zu erleichtern, so konnte doch die Zahlungseinstellung einer großen Anzahl von Trustgcsellschaften und Sparbanken nicht vermieden werden. Zum Teil handelt es sich hierbei wohl hoffentlich nur um vorübergehende Zahlungseinstellungen für die Dauer einiger Wochen bis eine Beruhigung in der gesamten finanziellen Situation eingetreten sein wird; auch sucht man in eiuigeu Staaten der Union die Erklärung der Suspension dadurch zu vermeiden, daß man während der kritischen Tage einen Tag nach dem andern zum gesetzlichen Feiertag deklariert. Und schließlich ist man auch wieder, wie in kritischen Perioden früherer Zeit, zur Schaffung von Geldfurrogaten durch Ansgabe von sogenannten Clearing- House-Zerttfikaten (Gutscheinen der im Clearinghouse vereinig­ten großen Banken und Bankiers unter deren solidarischer Haftnng) geschritten. Immerhin schätzt man die Summe derjenigen Depositen, die die Einleger in den kritischen Tagen zurückerhalten haben, auf 200300 Millionen Dollar, und diese Summe ist einstweilen der nutzbringenden Verwendung in der Volkswirtschaft entzogen. Damit find wir aber an dem Punkt angelangt, wo die aus den geschilderten Vor­gängen sich ergebende Geldknappheit in den Bereinigten Staaten von Amerika auch ihre Schatten auf die alte Welt wirft. Amerika versucht Gold an fich zu ziehen, Europa benötigt es dringend selbst und wehrt sich gegen dessen Her­gabe. Das letzte Berteidigungsmittel gegen die Ausfuhr von Gold ist die Erhöhung der Diskontsätze der europäischen Zentralnotenbanken, die denn auch bereits in Deutschland und England iu der letzten Ottoberwoche erfolgte. Ein Bankdiskontsatz von 6 Prozent in England und von 6'/» Prozent in Deutschland legt aber Handel und Wandel schwere Opfer auf und schädigt das gesamte Wirtschaftsleben iu erheblichem Maß. Und so muß im Zeitalter des Ver­kehrs auch die alle Welt büßen für die Sünden der ameri­kanischen Epigonen!

Berlin. Neander Müller.