81 . Jahrgang.
Erscheint täglich mit Ausnahme der Tonn« und Festtage.
Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger« ich» 1 . 20 ^,im Bezirks« und 10 icm-Berkehr i.ss im übrige» Württemberg 1.88 StonatSabonnement» »ach KerhSlvriS.
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Mevnfpvechev Wv. LS.
Mevnspvechev Av. LS.
Auflage 2600.
Anzeigen-Gebühr f. d. Ifpalt. Zeile a«S; gewöhnl. Schrift oder deren Raum bet Imal. «nrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Mit dem Plauderstübche» und
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Nagold, Wontag dm 4. November
1907
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Amtliches.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung eines Molkereilehrknrses in Gerabron«.
Mit Genehmigung des K. Ministeriums des Innern wird an der Molkereischule in Gerabronn demnächst wiederum ein vierwöchiger Unterrichtskurs über Molkereiwesen abgehalten werden.
In diesem Kurs werden die Teilnehmer nicht allein in den praktischen Betrieb der Molkerei eingeleitet, sondern fie erhalten auch einen dem Zweck und der Dauer des Kurses entsprechend bemessenen theoretischen Unterricht.
Der Unterricht ist unentgeltlich, dagegen find die Teilnehmer verpflichtet, die vorkommenden Arbeiten nach Anweisung des Leiters des Kurses zu verrichten, auch haben fie für Wohnung und Kost selbst zu sorgen und die sür den Unterricht etwa notwendigen Bücher und Schreibmaterialien selbst anzuschaffen. Unbemittelten Teilnehmern kann ein Staatsbeitrag in Aussicht gestellt werden.
Bedingungen der Zulassung sind: zurückgelegtes sechzehntes Lebensjahr, Besitz der für das Verständnis des Unterrichts notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse und guter Leumund. Vorkenntnifse im Molkereiwesen begründen eine vorzugsweise Berücksichtigung bei der Aufnahme.
Der Beginn des Kurses ist auf Montag, den 18. November ds. Js. festgesetzt. Da jedoch zu diesem Kurs nur eine beschränkte Zahl von Teilnehmern zugelafsen werden kann, so behält sich die Zentralstelle vor, je nach Bedürfnis im Lauf der folgenden Monate noch wettere Kurse zu veranstalten und nach ihrem Ermessen die sich Anmeldenden in die einzelnen Kurse einzuweisen.
Gesuche um Zulassung zu dem Kurs sind bis längstens 9. November ds. Js. an das „Sekretariat der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft in Stuttgart" einzusenden. Den Aufnahmegesuchen sind beizulegeu:
1. ein Geburtsschein;
2. ein Schulzeugnis, sowie etwaige Zeugnisse über Vor- kenntniffe im Molkereiwesen;
3. wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Einwillig- ungserklärung des Vaters oder Vormunds, in welcher zugleich die Verbindlichkeit zur Tragung der durch den Besuch des Kurses erwachsenden Kosten, insoweit solche nicht auf andere Weise gedeckt werden, übernommen wird;
4. ein von der Gemeindebehörde des Wohnsitzes des Bewerbers ausgestelltes Leumundszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß der Bewerber bezw. diejenige Persönlichkeit, welche die Verbindlichkeit zur Tragung der durch den Besuch des Kurses erwachsenden Kosten für den Bewerber übernommen hat, in der Lage ist, dieser Verpflichtung nachzukommen;
5. wenn ein Staatsbeitrag erbeten wird, was zutreffendenfalls immer gleichzeitig mit der Vorlage des Aufnahmegesuchs zu geschehen hat, ei« gemeinderätliches Zeugnis über die Vermögens- nnd Familieuverhält- niffe des Bewerbers und seiner Eltern, sowie ein Nachweis darüber, ob die Gemeinde, der landwirtschaftliche Bezirksvereiu, eine Molkereigenossenschaft oder eine andere Korporation dessen Aufnahme befürwortet und ob dieselben ihm zu diesem Zweck einen Beitrag und in welcher Höhe zugesagt oder in Aussicht gestellt haben.
Stuttgart, den 24. Oktober 1907. ___ I. V.: Krais.
An die Ortspolizeibehörde«.
Es ist zur Kenntnis des Oberamts gekommen, daß 1) die Durchführung der Bekanntmachung vom 4. März 1896, betr. den Betrieb von Bäckereien und Konditoreien (RetchSges.-Blatt S. 55) hinsichtlich der dm
Gehilfen und Lehrlingen zu gewährenden ununterbrochenen Miudestrnhezeiten in einzelnen Betrieben noch zu wünschen übrig läßt;
2) daß die Vorschriften über die Tonntagsrnhe in de« Bäckereien (oberamtliche Verfügung vom 13. April 1895 bezw. 18. Juni 1895, Ges. Nr. 47 bezw. 73 III e) bezüglich der Beschäftigung der Gehilfe« «ud Lehrlinge nicht bezw. nicht genügend beachtet werden.
3) in den Getreidemühlen, sowie in den Bierbrauereien mit Motorbetrieb das nach 8 105 e Abs. 2 R.-Gew.-Ordn. zu führende Verzeichnis über die Sountagsarbeite» nicht pünktlich geführt wird.
Die Ortspolizeibehörden wollen die in Betracht kommenden Betriebe auf die bestehenden Bestimmungen wiederholt Hinweisen und »daneben wachen, daß dieselben genau eingehalten werden, auch die Polizeibediensteten entsprechend instruieren.
Ueber den Vollzug ist Eintrag im Schultheißenamtsprotokoll zu machen.
Nagold, den 2. Nov. 1907.
K. Oberamt. Ritter.
Sein« Königliche Majestät haben am 10. Okt. d. Js aller- gnädigst geruht, die evangelische Pfarrei Gültlingen, dem Pfarrer Wtdmann in Tteingebronn, Dekanat« Münstogen ,u üb ertragen .
WoMische HleSersicht.
Die in Berlin weilende« Finanzminister der Einzelstaate« wurden am Mittwoch vom Reichskanzler Fürsten von Bülow empfangen. Anwesend waren der bayrische Minister v. Pfaff, der sächsische Minister v. Rüger, der württembergische Minister v. Zryer, der badische Präsident des Finanzministeriums Dr. Honsell, der hessische Minister Dr. Gnauth, der mecklenburgische Staatsrat v. Pres- sentin, der braunschweigische Minister v.Otto, der meiningische Minister v. Ziller, der altenburgische Minister v. Borries, der anhaltische Minister v. Dallwitz, der schaumburgische Geheime Regierungsrat Bömers und der lippische Minister Freiherr v Gevekot. In der längeren Besprechung wurden Fragen der Finanzen des Reichs und der Einzelstaaten erörtert.
Ueber Religio» und Politik hat der katholische Pfarrer und liberale Abgeordnete Grandinger jüngst in Paffau, dem Wohnsitz des Zentrumsgewaltigen Pichler, gesprochen und hiebei u. a. die folgenden trefflichen Ausführungen gemacht: „Die Berechtigung des Zentrums ist in der Jetztzeit geschwunden; man sucht durch Ammenmärchen religiöser Gefahren den künstlichen Kulturkampfbazillus in die Flasche zu bekommen. Schon die jungen Kleriker werden politisch ausgepäppelt zugunsten einer einzigen Partei. Die von den Geistlichen geleiteten sozialen Vereinigungen sind nur eiu Feigenblatt für Zentrumsbestrebungen; Zentrum und Katholozismus werden ungerechterweise miteinander identifiziert; Landtag und Zentrum sind kein Weinberg des Herrn, und er (Grandinger) würde gern in den wahren Weinberg des Herrn zurückkehren, wenn seine Herren Konfratres von der Zentrumspartei mitgingen.
Der Bund der deutsche« Industriellen stimmte auf seiner Berliner Tagung der Fortführung der Sozialpolitik zu, indessen nur „unter der sicheren Voraussetzung, daß die Verbündeten Regierungen in Würdigung des Umstandes, daß eine gedeihliche Politik weder in bezug auf die allgemeinen staatlichen noch insbesondere auf die wirtschaftlichen Verhältnisse getrieben werden kann, wenn nicht den Bestrebungen der Sozialdemokratie entgegengetreten wird, kein ihnen zustehendes Mittel unversucht lassen werden, die Sozialdemokratie als die gefährlichste Feindin der wahren Interessen auch des Arbeiterstandes zu bekämpfen und in die gebührenden Schranken zurückzuweisen". Diese Zurückweisung erwartet man in erster Linie auf dem Gebiet der Krankenversicherung. Nachdem sich der Bund noch für Bei- behaltung der Konkurrenzklausel ausgesprochen hatte, erklärte er sich zur Förderung einer reichsgesetzlichen Zwangsver- stcherung der Privatangestellten bereit, sofern sich diese Versicherung in ihrer Höhe in angemessenen Grenzen hält, nur die geringer besoldeten Angestellten umfaßt, und den einzelnen industriellen Betrieben der Fortbestand und die Neueinrichtung von Pensions- und Witwenversorgungskaffen als Ersatzinstilutionen gestattet bleibt. Zu einem unerfreulichen Ansspruch kam es gelegentlich eines Festmahls, daS der geschäftlichen Beratung des Bundes folgte. Geh. Kommerzienrat Kirdorf verwies in einer Ansprache auf die Notwendigkeit eines geschlossenen Kampfes gegen den Umsturz Md sagte: „Der Umsturz gehe nicht nur von den Sozialdemokraten, sondern auch von anderen Arbeiterorganisationen Ms, deren Zweck eS sei, Feindschaft zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern zu säen. Diesen Bewegungen gegenüber
den Herrenstandpunkt gewahrt zu haben, sei nach ihrer Ueberzeugung richtig gehandelt." Handelsmintster Delbrück trat dieser Auffassung entgegen, indem er erklärte, daß die Regierung sich nicht in den Bann von Kirdorfs Anschauungen zwingen lasse. Man müsse nicht nur der Industrie, sondern auch den Arbeitern ein treuer Berater sein. Daß Kirdorf sagte, wir wollen Herren im eignen Haus bleiben, hat in der öffentlichen Meinung mehr geschadet als manche bittere Tat. Fern liegt es jedem Unternehmer, mittelalterliches Herrentum gegenüber den Arbeitern aufzustellen, „fern liegt es uns, den freien Willen zu beschränken, auch wenn eS sich um unsere Arbeiter handelt. Wir wollen die Kameraden unserer Arbeiter sein. Dann wird die deutsche Industrie nicht nur als Industrie groß sein, sondern auch in der Achtung aller Parteien des Vaterlands und auch in der Achtung des Auslands".
In Lachen Kardinal Fischer-Tchroers beschloß der akademische Senat der Universität Bonn, einen scharfen Protest gegen die Boykottierung Schroers durch Kardinal Fischer an das Kultusministerium zu richten. Der Senat erblickt im Vorgehen Fischers als einer außerhalb der Universität stehenden Behörde einen Eingriff in die innere Organisation und den Lehrbetrieb der Universität. Der Minister wird gebeten, gegen solchen Eingriff Schutz zu gewähren. Außer dem Kurator der Universität ist auch Professor Schroers zum Kultusminister nach Berlin abgereist. Wie weiter gemeldet wird, hat Schroers vom Kardinal Fischer die Aufforderung erhalten, sich bei ihm persönlich zu recht- fertigen. Professor Schroers hat aber Vernünftigerwesse abgelehnt.
Nach Meldungen a«s Marrakefch habe die Zusammenkunft des französischen Gesandten Regnaull mit dem Sultan Abdul Afis den größten Zorn des Gegen- sultaus Mulay Hafid hervorgerufen, da er nunmehr überzeugt sei, daß Frankreich auf Seiten Abdul AfiS stehe. Mulay Hafid rüste eifrig zum Kampf, er verfüge über ansehnliche Geldmittel. Man befürchtet, daß Marrckkesch ähnlich wie Casablanca binnen kurzem von räuberischen Bergstämmen überfallen und geplündert werde. Viele jüdische Familien flüchten in die Hafenstädte. — Bei den französischen Truppen, besonders bei der Fremdenlegion, kommen immer noch Desertionen vor. Die Deserteure gehen ins arabische Lager. Wenn sie erklären, Franzosen zu sein, werden fie erschossen; Deserteure anderer Nationalität werden nm vollständig ausgeplündert.
Der Kaiserbesuch in England.
Berlin, 1. Novbr. Außer dem Staatssekretär von Schön wird der Botschaftsrat Graf Hatzfeld, der Sohn des früheren Botschafters in London, den Kaiser auf seiner Englandreise begleiten. Nach der Rückkehr von London wird Herr von Schön, der gegenwärtig noch in Petersburg weilt, sein neues Amt definitiv übernehmen.
Paris, 1. Novbr. Mit einer gewissen Befriedigung bringen hiesige Blätter folgende Nachricht aus London: Die sozialistische Wochenschrift „Justice" veröffentlicht einen äußerst heftigen Artikel, in dem der Verfasser Hydermaun gegen den bevorstehenden Besuch des deutschen Kaisers in London loszieht. Ich sehe nicht ein, so schreibt der Verfasser, weshalb die Bevölkerung Londons den Friedensstörer und Champion der Reaktion in Europa nicht mit Pfeifen und Johlen empfangen sollte. Ich hoffe, daß ihm dies nicht erspart bleiben wird, wenn er die Straßen Londons durchfährt.
Zu de» Klotteuforderuuge«.
Berlin, 31. Okt. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Schon bei den Verhandlungen über das erste Flottengesetz im Jahre 1898 ist vom Vertreter der verbündeten Regierungen darauf hingewieseu worden, daß die Lebensdauer der Linienschiffe mit 25 Jahren möglicherweise zu hoch bemessen sei. Die 26jährige Ersatzfrist rechnet im Sinne des Gesetzes von der Bewilligung der ersten Rate des zu ersetzenden Schiffes bis zur Bewilligung der ersten Rate des Ersatzschisses. Für die Lebensdauer der Schiffe im militärischen Md technischen Sinne kommt ein erheblich größerer Zeitraum in Betracht. Der militärtechnische Geburtstag des Schiffes ist nicht der Tag der Bewilligung der ersten Rate, sondern der Zeitpunkt der endgültigen Festsetzung der der Konstruktion zu Grunde zu legenden militärischen und technischen Anforderungen. Ferner erfolgt die Ausrangierung eines Schiffes nicht, wenn die erste Rate deS Ersatzschiffes bewilligt ist, sondern erst, wenn das Ersatzschiff fertig gestellt ist und in den Frontdienst eintritt. Infolgedessen find die Linienschiffe