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Jahrgang.
Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
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Auflage 2600 .
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Mit dem Plauderstübch» und
«chwäb. La»d»irj.
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Kagold, Samstag den 2. Aovemöer
WoMischs HleSerficht.
Die Verhandlungen Preußens mit Mecklenburg haben den Anschluß Mecklenburgs an die preußisch- hessische Wagengemeinschaft ergeben. Der Anschluß erfolgt vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags am 1. April 1908.
Der Zar empfing am Dienstag den bisherigen deutschen Botschafter von Schön in Abschiedsaudienz und überreichte ihm den Alexander Newski-Orden. Am Mittwoch fand zu Ehren von Schöns eine Tafel beim Zaren- paar statt. — Der finnische Landtag stimmte zur Vermeidung von Konflikten der geforderten Bewilligung von 20 Millionen Mark aus finnischen Staatsmitteln an die russische Staatskasse zu.
Der deutsche Gesandte in Marokko, Dr. Rosen,
äußerte zu einem Berichterstatter der Tribuna, er sei noch unentschlossen, ob er sich gleich den Bevollmächtigten Frankreichs und Spaniens nach Rabat begeben solle, um dem Sultan den Willen Europas Mitzuteilen. Seine Hinreise sei nicht notwendig; denn der Sultan könne nicht daran zweifeln, daß Deutschland die loyale Anwendung der Al- gecirasakte erstrebe. Allerdings sei in Rabat etwas im Anzug, was Europa überraschen werde. Marokko werde der Diplomatie noch große Verlegenheiten machen, schließlich werde man sie jedoch überwinden. Europa schlage ein langsames Tempo ein, weil es genötigt sei, gleichzeitig an der Lösung viel schwierigerer Fragen zu arbeiten. Rosen betonte sein Einverständnis mit dem französischen Gesandten Regnault. — Nach Meldungen aus Mogador sammelt der Kaid der Anflus die Stämme der Gegend und bewaffnet sie, um die Truppen Mulay Hafids anzugreifen. Man steht dem Kommenden mit Besorgnis entgegen. Die zu Schiff dorthin gebrachten eingeborenen Truppen, die außerhalb der Stadt lagern, machen jetzt Anstalten, den Anflus zu Hilfe zu kommen. Die dort befindlichen französischen Kreuzer Desaix, Galilee und Amiral Aube sind gefechtsbereit, um eventue; einzugreifen. Es herrscht große Aufregung und man befürchtet eine Wiederholung der Vorgänge von Casablanca. — Bucht« ben Bagdad! hat sich nach Berichten aus Tanger Casablanca auf etwa 50 Kilometer genähert. Er verfügt über ungefähr 4000 Mann und beabsichtigt, beim Schaujastamm die Ordnung wieder herzustellen. Die Ma- halla Mulay-Hafies ist immer noch untätig bei Sidi Aissa.
Zurr» Prozeß Moltke-Harde«.
Berlin, 1. Nov. Der Vertreter des Grafen Moltke, Justizrat v. Gordon, teilt mit, daß er gegen das frei- sprechende Urteil Berufung einlegen wird. Er gedenkt, in der Berufungsinstanz folgende Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen: Die Kamarilla-Artikel Hardens lassen drei Auslegungen zu: 1. Harden hat den zur sog. Kamarilla gehörenden Grafen v. Moltke überhaupt keines strafbaren Deliktes oder einer anormalen Veranlagung beschuldigt. In diesem Falle wäre es mangels eines Vorwurfes über
haupt nicht zu einer Privatklage gekommen. 2. Graf Moltke hat wie alle Leser und auch die gesamte Presse den Vorwurf aus den Artikeln herausgelesen, daß er sich homosexuelle Handlungen habe zu schulden kommen lasten. Das Gericht hätte, wenn diese Auslegung Gegenstand der Verhandlung gewesen wäre, Harden auf Grund des § 186 verurteilen muffen, da Moltke homosexuelle Handlungen nie begangen hat und ein Beweis nach dieser Richtung überhaupt nicht versucht worden ist. Harden hat es vielmehr verstanden, eine dritte Auslegung seiner Artikel zum Gegenstand seiner Beweisaufnahme zu machen, nämlich, Graf Moltke sei geschlechtlich anormal veranlagt. Das Schöffengericht hat dies für erwiesen erachtet und Harden freigesprochen. Der Privatkläger ist nun der Meinung, daß ein Gericht überhaupt nicht im stände ist, auch nicht mit Hilfe von Sachverständigen, die, wie Dr. Hirschfeld, doch nur eine Theorie vertreten, eine rein psychische Anlage zu beurteilen. Wenn aber ein Gericht nicht im stände ist, sich Gewißheit darüber zu verschaffen, ob derjenige homosexuell ist, gegen den irgend eine Tatsache nicht vorlieg!, so bleibt im Falle Moltke nur eine Beleidigung des Privatklägers durch Harden übrig. Harden hat Moltke homosexuell genannt, die Tatsachen, die es erweisen, hat er nicht erbracht. Die Annahme an sich kann durch die Beweisaufnahme nicht ermittelt werden, also ist Harden nach § 185 zu bestrafen.
Der „Kreuzzeitung" zufolge hat der erste Staatsanwalt am Landgericht l in Berlin durch eine Erklärung vom gestrigen Tag die Strafverfolgung in Sachen des Grafen Kuno Moltke wider Maximilian Harden übernommen.
Berlin, 1. Nov. Dadurch, daß der Erste Staatsanwalt am Landgericht I Berlin gestern dem Amtsgericht Berlin Mitte die Erklärung hat zugehen lassen, daß er die Strafverfolgung im Prozeß Moltke-Harden übernehme, wird eine fast allgemeine Forderung der nationalen Presse erfüllt. Die Angelegenheit tritt damit in ein völlig neues Stadium. Das Amtsgericht wird das Privatklageverfahren einzustellen haben. Die Staatsanwaltschaft wird, wie in jedem anderen offiziellen Verfahren, die erforderlichen Ermittelungen einzuleiten, demnächst Anklage zu erheben und die Sache zur Entscheidung vor die mit 5 Richtern besetzte Strafkammer als erste Instanz zu bringen haben. Die Strafkammer als Berufnngsinstanz gegen das schöffengerichtliche Urteil dagegen würde nur mit 3 Richtern besetzt gewesen sein.
Berlin, 1. Nov. Zu dem Eingreifen des Staatsan- anwalts in den Prozeß Moltke-Harden bemerkt die Vosstsche Zeitung: Aus Opportunitätsröckstchten war die Erhebung der öffentlichen Klage unterblieben. Da jetzt die Verfolgung der Sache durch die Staatsanwaltschaft nachträglich übernommen wird, so liegt darin das Zugeständnis, daß der frühere Beschluß ein Fehler war. Hinsichtlich der juristischen Behandlung der Angelegenheit teilt dieMn Harden inspirierte B. Z. am Mittag im Gegensatz zu anderen Auffassungen folgendes mit: Die Staatsanwaltschaft legt gegen das schöffengerichtliche Urteil ganz einfach Berufung ein.
Der Fall Moltke-Harden wird also in zweiter Instanz vor dem Landgericht verhandelt, das mit drei Richtern besetzt sein wird. Der bisherige Privatkläger Graf Moltke, der „Verletzte" im Sinne des Gesetzes, kann sich als Nebenkläger dem Staatsanwalt anschließen. Der Nebenkläger kann im Gegensatz zum Privatkläger nach einer Entscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts als Zeuge vernommen werden. (Mpst.)
Berlin, 31. Okt. Harden hat sich interviewen lasten und zwar von dem Berliner Korrespondenten des Petit Parisien. Er erklärte, wie aus Paris gemeldet wird, er werde bei einer etwagen zweiten Verhandlung seines Prozesses nicht nur alle in der ersten Verhandlung nicht verhörten Zeugen wieder vorladen, sondern noch weit mehr. Er habe nichts dagegen, wenn Graf Moltke sich dieser Eventualität aussetzen wolle und sei von einem neuen Freispruch überzeugt. Daß er keine gute Presse habe, kümmere ihn wenig. Die deutsche Presse lobe ungern, kritisiere aber umso lieber. Lob oder Tadel mache ihm nichts aus, da er die beabstchtiate Wirkung erreicht habe. (Mpst.)
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Folge« des Prozesses Moltke-Harde«. In einer Versammlung hat der Reichstagsabgeordnete Dr. Böhme angekündigt, daß der Prozeß Moltke-Harden der wirtschaftlichen Vereinigung Veranlassung geben werde, im Reichstage die Vorgänge im Gardekorps zur Sprache zu bringen und von der Regierung zu verlangen, daß ohne Rücksicht auf Rang und Stand aufS schärfste eingeschritten werde gegen alle, die sich derartige Verfehlungen zu Schulden kommen lassen._
Gages-Meuigkeiten.
Aus Stadt md Land.
Nagvld, S. Novemder.
Viehzählung. Am 2. Dezbr. wird in Deutschland wieder eine allgemeine Viehzählung und in Verbindung damit eine Zählung der vom 1. Dez. 1906 bis 30. Nov. 1907 erfolgten Hausschlachtungen, bei denen die amtliche Fleischbeschau unterblieben ist, erfolgen.
Calw, 1. Nov. Auf bis jetzt unaufgeklärte Weise verunglückte am letzten Mittwoch der mit seinem Fuhrwerk die Straße von Oberreichenbach nach Hirsau herabsahrende 27 Jahre alte verheiratete! Martin Hammann von Rötenbach. H. wurde ins hiesige Krankenhaus verbracht und verstarb, wie festgestellt wurde, infolge Schädelbruchs.
r. Calw, 1. Nov. In der Nähe von Martinsmoos gerieten zwei junge Bauern aneinander, wobei der Revolver ein Rolle spielte. _
Eisenbahnsache. (Amtl. Mitteilung.) In der Zeit vom 5. November vormittags bis 8. November nachmittags können infolge von Umbauarbeiten in Stuttgart Hbf. die Züge in der Richtung von und nach Feuerbach, sowie von der Gäubahn nicht an Bahnsteig III abgefertigt werden. Hierdurch werden über diese Zeit größere Aende-
Anfang nächster Woche beginnen wir an dieser Stelle mir dem Abdruck eines Romans aus der märkischen Geschichte
Are Kosen des Kerrn von Medow
von Wilibald Alexis.
Der Verfasser hieß eigentlich Wilhelm Häring (1799— 1871) und entstammte einer in Breslau ansässig gewordenen Hugenottenfamilie. Sein Meisterwerk, das ihn bis heute überlebt hat, ist dieser Roman aus der bewegten Zeit des brandenburgischen Kurfürsten Joachim.
Abendteuer
öes Kntfpeklev Wvcresig
von Fritz Reuter.
(Schluß.)
Sehn Sie, als der Gewisse mir seinen Gruß in Gegenwart von die gebildeten Dokters und junge Av- katen sagte, wurde mir inwendig doch so steinpötttg zu Sinn und ich kuck ihn grad in die Fisasche und sage: „„Freund? Freund? — Dieses noch lange nicht) - Und for das Gewesene gibt der Jude nichts."" — Da sah er mir mit ein hellisch langes Gesicht an und frug: „Wo so? Wo ans?" — Da stand ich hinter mein Bifstück auf und sagte: „„Jeder gebildete Oekovomiker befleißigt sich
, mit seiner hochdeutschen Muttersprache und wenn mir einer
von meine Mitkollegen — und wer' er auch man so so — in einer gebildeten Gesellschaft von anwesende Herrn Dokters und Avkaten mit plattdeutsche Redensarten unter die Augen geht, denn taxiert er mir for einen Hawjungen und ich ihn wieder. — Und Freund? Freund?"" — da drehte ich mir zur Gesellschaft um — „„Meine Herrens, nennen Sie das einen Freund, for den man sich vor dem Herrn Polczeipresendentcn in Berlin schanierev muß? Esti- miereu Sie das for einen Freund, der einen durch seine Bürgschaft in offenbaren, heimlichen Königsword verwickeln kann? — Grh'n Sie,"" sag' ich und dreh' mir wieder zu dem Judas um — „„Sie passen nich mit Ihre Freundschaft und erst recht nich mit Ihre plattdeutschen Redensarten in diese anwesende gebild'te Gesellschaft, Sie sünd hier das föft Rad an'n Wagen!""
Da grifflacht mich dieser Gewisse so venynschen in das Gesicht hinein und gung im begossenen Zustand aus der Türe und ich sah ihm das deutlich an, daß er mich hinterrücks einen Lack anhängen würde — was er auch mit dem Affenkasten und dem Grün-Anmahlen getan hat — aber die Herren Anwesenden freuten sich über meiner Geistesgegenwart und der eine sagte: „Der hat seinen richtige» Tappen!" und der andere sagte: „„Schaden schad't ihm das nichts,"" und der dritte sagte: „Wo zog er Pahl!" und ich sagte: „„Dor rück an!"" — Und dauert nich lange, da stießen fie mit mir an und wir wurden alle eine Herzlichkeit und eine Seligkeit und als ich zu Bett gung, hatte ich stats dieses einen falschen Freundes sieben richtige und
zwarsten lauter gebildete, hochdeutsche und ein heimlicher Königsmörder war da nich mang.
Nun fitze ich wieder auf meinem hochgräflicheu Wohnsitze in dem alten Müller zu Hauhnerwiem und lese in den Herrn Pastor seinen Staatskalender von anno 37; aber indem ich nun so viele Schosen erlebt habe, ist mir dabei nicht mehr so interessant zu Sinn; ich lege männigmal das Buch beiseite und rufe mir die mannigfachen freudigen Ereignisse aus der Reise und in Berlin in meine Besinnung oder beseh, mir mein Portrett, was an der Wand hängt und zu meinen Geburtstag mit einen Eva-Kranz von meine olle Mariken frisch aufgeziert is. Es is dies ein teures Angedenken, indem daß ich Uhr und Geld nicht wieder gekriegt habe. — Die Kerls sitzen aber.
In die laugen Winterabenden habe ich dies ausgeschrieben, als würkliche Begebenheiten. — NM tun Sie mir den Gefallen und machen Sie's bekannt; aber so, daß sich ein Gewisser grimmig drüber ärgert.
Zu Dienst und Gegendienst bereit
Ihr
ergebenster
Zacharias Bräsig, immeritierter Entspekter.
Hauhnerwiem, den 1. Mai 1861. — Was 'ne hellisch schlechte Jahreszeit for diese Temperatur is.
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