«1. Jahrgang.
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Echwäb. Landmtrt.
350
Kagokd, Donnerstag den 24. Hktoöer
1907
Zweiter deutscher Arbeiter-Kongreß.
(Unber. Nachdr. Verb.) III. 8. u. 8. Berlin, 21. Ott.
Stegerwald-Köln führte zur allgemeinen sozialpolitischen Lage weiter aus:
Von den Forderungen des Frankfurter Kongresses ist bisher noch keine verwirklicht. Die vorjährige Vorlage betreffend die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine befriedigte keineswegs. (Sehr richtig.) Hoffentlich kommt man uns bei den nunmehr angekündigten Vorlagen, betreffend daS Reichsvereinsgesetz und die Frage der Arbeitskammern mehr entgegen. Die preußischen und sächsischen Vereinsgesetze, die ganz veraltet sind, dürfen bei dem Reichsvereinsgesetz nicht als Muster vorschweben (Zustimmung). Hinsichtlich des Koalittonsrechtes müssen die Frankfurter Forderungen nochmals unterstrichen werden. Auch gegen den Koalitionszwang, wie er in dem Chemigraphen und Buchdruckergewerbe in Erscheinung tritt, muß Front gemacht werden. Danach müßten schließlich christlich-nationale Arbeiter, um ihr Brot weiter verdienen zu können, Organisationen mit sozialdemokratischer Tendenz beitreten. Entweder müssen aus den Verträgen in den betreffenden Gewerben die Bestimmungen über den Organisationszwang entfernt, oder aber alle Organisationen, die die Verpflichtungen einer Vertragsgemeiu- schaft auf sich nehmen, in diese einbezogen werden.
Für die Arbeiter und Angestellten des Staates und der Gemeinden forderte der Frankfurter Kongreß das uneingeschränkte Organisationsrecht, damit diese loyal ihre öffentlichen Interessen wahrnehmen und Selbsthilfe pflegen können. Sie sollen unbehindert sein in der Ausübung des Koalitions- und Beschwerde-, wie auch des Versammlungsrechtes. Die Vertreter dieser Verbände verlangten also für ihre Angehörigen nicht das Streikrecht. Das uneingeschränkte Organisationsrecht darf ihnen indessen nicht vorenthalten bleiben (Beifall).
Die christlich-nationale Arbeiterbewegung muß daher gegen alle Maßnahmen protestieren, die darauf Hinzielen, den Angestellten im Reich und den Bundesstaaten eine Organisation tm obigen Rahmen zu erschweren. In Bayern und anderen Bundesstaaten existieren solche Organisationen schon seit einem Jahrzehnt, die zumteil schon dem Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften angeschloffen find, ohne daß die in solchen Betrieben unentbehrliche Disziplin beeinträchtigt wurde. Was in dem zweitgrößten Bundesstaate Deutschlands und anderweitig den Eisenbahn- und Postunterbeamten erlaubt ist, kann das Reich und der größte Bundesstaat Deutschlands Preußen seinen Angestellten nicht dauernd verwehren (Beifall).
Gegenwärtig liegen dem Reichstage Gesetzentwürfe vor zum Hilfskaffengesetz für gesetzliche Regelung der Zigarren- Hausindustrie, sowie die Novelle zum Unterstützungswohnfitz. Ferner kündigte der ehemalige Staatssekretär Graf Posa- dowsky in seiner Rede vom 11. April folgende Vorlagen an: Regelung der Vereins- und Versammlungsfreiheit, Kodifikation der Sozialverstcherungsgesetzgebung, Nachtruhe der Frauen nach Maßgabe der Berner Konvention, Revision der
Bestimmungen über die Sonntagsruhe, zehnstündiger Ar
beitstag der Frauen, Witwen- und Waisenverstcherung. Der Verschmelzung der drei Arbeiterversicherungsgesetze stehen große Schwierigkeiten und auch Bedenken im Wege. Anstatt Verschmelzung wird man zweckmäßig Vereinfachung zur Forderung erheben. Insbesondere erweist sich eine größere Zentralisation der Krankenkassen, eine Mitwirkung der Arbeiter an der erstinstanzlichen Rentenfestsetzung bei der Unfallversicherung als notwendig. Die Invalidenversicherung leidet an einer zu bureaukratischen Organisation. Der zehnstündige Maximalarbeitstag ist nicht mehr bloß auf die Frauen zu beschränken, nachdem bereits alle modernen Kulturstaaten einen gesetzlichen Maximalarbeitstag auch für Männer eingeführt haben. Eine gründliche Aufbesserung der Gehälter der Beamten und Staatsangestellten, insbesondere der niedrig entlohnten ist eine unumgängliche Notwendigkeit. Für das große Heer der Privatbeamten ist eine größere Sicherstellung unabweisbar (lebh. Beifall).
Ueber die nächsten Aufgaben der gesetzlichen Sozial- resorm sei das Folgende hervorzuheben: der deutschen Arbeiterschutzgesetzgebung fehle eine einheitlicheZusammenfassung; sie ist zudem mit der Wirtschastsentwicklung nicht fortgeschritten. Seit Jnaugurierung der Arbeiterschutzgesetzgebung hat in Deutschland, insbesondere in der Montanindustrie, eine gewaltige Kapitalkonzentration stattgefundeu. Die deutsche Montanindustrie befindet sich auf dem besten Wege zum Trust. Die dem Stahlwerksverbande angeschloffenen Werke verfügen heute schon über ein werbendes Kapital von über einer Milliarde Mark. Dazu kommt noch das gewaltige Kohlen- und Roheisensyndikat. Diese großen Wirt- schaftsverbäude drohen ein Staat im Staate zu werden. Seit der verunglückten Hibernia-Affäre hört man nichts mehr, daß der Staat Einfluß auf diese gewaltigen Verbindungen zu erlangen sucht. Die Vorgänge in Amerika sollten für Deutschland ein warnendes Beispiel sein. Der amerikanische Präsident Roosevelt kämpft zurzeit geradezu einen Verzweiflungskampf gegen die Auswüchse der Trusts. Zur Regelung des Arbeitsverhältnifses in diesen Betrieben genügt die Arbeiterschutzgesetzgebung keineswegs. Dazu ist die Ein« schlagung neuer Wege erforderlich. Der Sozialpolitik an sich entständen Schwierigkeiten insofern, als zuviel über sie geredet würde. In Mittelstands- und Handwerkerkretsen würde dadurch die Meinung erweckt, alles Gesprochene sei oder werde demnächst gesetzgeberisch verwirklicht. Regierung und Reichstag sollten sich auf ein gemeinsames, mehrere Sessionen umfassendes sozialpolitisches Programm einigen und dann energisch für dessen Verwirklichung sorgen. Im speziellen seien folgende mue Forderungen zu erheben: Die Schaffung einer modernen Gesindeordnung, entsprechend unserer heutigen Rechtsanschauung; für die Hunderttausende in Deutschland tätigen Ausländer müßte ein Fremdenrecht gefordert werden, das diese bei Streiks und Ausschreitungen vor behördlicher Willkür schütze; bei den sozialen Wahlen sei allgemein das Proportionalsystem in Anwendung zu bringen und für die Kontrolle der Betriebe des Handelsgewerbes, Handelsinspektoren einzuführen. (Beifall).
Ausgabe der auf dem Kongreß vertretenen Korpora
tionen sei es, für ihre weitere Ausbreitung energisch bedacht
zu sein. Damit steigere sich der Einfluß derselben ganz von selbst. (Sehr wahr). Innerhalb der bürgerlichen Parteien, zu denen sich die christlich-nationale Arbeiterwelt bekennt, sei eine energische Betätigung derselben notwendig. Die Erfahrung der letzten Jahre habe gezeigt, daß sich die Arbeiterschaft auch außerhalb der Sozialdemokratie Geltung zu schaffen vermöge. (Beifall). Bon den Mitgliedern der auf dem Kongreß anwesenden Korporationen gehören heute 7 Vertreter dem Reichstage, 6 dem preußischen, bayrischen und württembergischen Landtage an, und wohl an 150 aus der christlich-nationalen Arbeiterbewegung hervorgegangene Abgeordnete sitzen in den Kommune- und Gemeindeverwaltungen. Welch ein Umschwung in den letzten Jahren. Dieses Ergebnis wurde nicht wie verschiedentlich behauptet wird, von oben künstlich befördert, indem geschickte Parteiführer Arbeitervertreter mit Mandaten bedachten, um sich deren Anhänger zu sichern, sondern es wurde im Gegenteil von unten heraus betrieben. Die gleichberechtigte Eingliederung des Lohnarbetterstandes in die bürgerliche Gesellschaft vollzieht sich also zusehends. (Beifall). Kleinlicher Parteizank findet auf dem Kongreffe keine Stätte, obwohl die Delegierten sich zu den verschiedenen politischen Parteien be« kennen. (Beifall). Von diesem Geist muß auch die praktische Wirksamkeit getragen sein, dann wird die Kultmmisfion gelingen die der christlich-nationalen Arbeiterbewegung Deutschlands harrt: Die Arbeiter materiell, geistig und sittlich emporzuheben und sie zu lebensfrohen deutschen Staatsbürgern zu machen. (Lebhafter Beifall). Die Losung muß sein: Gegen Herrenmenschentum von oben, gegen Klaffenkampf von untm, für sozialen Fortschritt! (Lebhafter LeifaD.
An den Vortrag Stegerwald's Mer die allgemeine sozialpolitische Lage schloß sich eine lebhafte Diskussion an. Von Interesse war die Einbringung eines Antrages Bartsch- Saarbrücken zu dem dritten deutschen Arbeiterkongreffe, die Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaften einzuladen. Der Antragsteller wies aus den Staatsminister a. D. Frhr. v. Berlepsch hin, der für eine Einheitlichkeit der ganzen nationalen Arbeiterbewegung eiugetreten sei. Fischer- Reutlingen erklärt hiezu: Im Namen des Landesverbandes der evangelischen Arbeiter-Vereine Württembergs könne er sich dem Vorredner nur anschließen. Im Interesse der Arbeiterbewegung müsse dahin gewirkt werden, daß sich die Hirsch-Dunkerschen Vereine der nationalen Arbeiterbewegung anschließen. Alle Parteistreitigkeiten müßten außer acht bleiben. Die Versammlung stimmte dem Anträge aber nicht zu, sondern ging zur Tagesordnung über. In der weiteren Diskusston wurde die Notwendigkeit eines einmütigen Vorgehens betont. Hervorgehoben wurde, daß die Hirsch- Dunkerschen durch die katholische Presse zum Abseitstehen gereizt worden seien. Lebhafte Klage wurde über manche Arbeitgeber geführt, die ihre Arbeiter strengen Vorschriften unterwerfen. Bedauert wmde auch, daß dem Borfitzenden des Telegraphenarbeiterverbandes nicht der nötige Urlaub zum Besuche des Kongresses gewährt wurde. Durch solche Maßnahmen werde viele Mißstimmung in die Arbeiter-
Abendteuer
des Kntfpekter Wraesig
von Fritz Neuter. lFaetfetz«»,.)
In dieser geschilderten Art unterhalten wir uns den uu miteinander und kommen in die Stadt und gehen hiei hin und dahin, und endlich sagt mein Mitkollege zu mir „Wollen ein Glas Bier trinken." Und ich sage: „„Ma zu!""
Wir gehen denn also in einen Keller; aber — höre Sie 'mal! — wie ich darin meinen Eintritt nehme, da i mir denn doch auch grade, als wenn mir einer mit de Axt vor den Kopp schlägt, so verschrak ich mich, denn - sehen Sie — vor mir an den Tisch saß der offenbare Ha! lunke von Bundesbruder, der Meister vom Postwagen ii Osten und Westen und Ritter von der Eiserbahn dritte Klasse und trank sein Bier wie die unschuldigste Seele.
"" uaürlich auf ihm los und sag Entfamtiger Karnallje ....!"- Ach so,"" fiel m hier mit ein ziemlich langes Gesicht der Herr Entspekt. Bohmöhler m die Rede, „„die Herren kennen sich?"" - „Er was!" sag' ich. „Was hier von Kennens Dieser al gefeimter Hallunke hat mich schön in die Tinte gebracht' und ich erzähle die ganze Geschichte, wobei alle die Uu stehenden um mich herumstanden und lachten: bloß diese heimtückische Attentäter sagte kein Wort und trank ruhi sein Bier. *
Als ich mn von meiner langen Verzählung Md vor Bosheit Ms der Pust war, sagt er ganz ruhig: „„Sünd Sie »u fertig?"" — „Ja," ruf'ich. — „„Na,"" sagteer, „„denn zeigen Sie mich 'mal, woans Sie's gemacht haben, als Sie wieder nach Berlin retuhr wollten."" — „So Hab' ich's gemacht," sag' ich und pfeif' dreimal und kloppe mir mit dem Zeigefinger der rechten Hand dreimal auf die Nase. — „„Ja,"" sagt er, „denn bedaure ich sehr, denn haben Sie's falsch gemachtj; wenn Sie wieder retuhr wollten, denn hätten Sie mit der linken Hand sich in der Zeichensprache ausdrücken muffen."" — „Ja," sagt der Herr Ent- spekter Bohmöhlen, „denn haben Sie's falsch gemacht." — „»Ja,"" sagt ein sehr nobel aussehender Herr, „„denn haben Sies falsch gemacht, denn — sehen Sie — wir alle gehören zu diesem wohltätigen Verein und hier werden unsere Sitzungen gehalten und wir müssen'? doch wohl wissen.""
Was sollte ich dazu sagen? — Ich schwieg, gruns'te mir aber inwendig Md endlich sagte ich giftig zu diesen uobeln Herrn: „Wenn Sie denn doch allens so genau wissen, denn werden Sie auch woll wissen, wo meine Taschenuhr geblieben ist."
Sehen Sie - da stand mein erster Bundesbruder in der Höhe, drückte mir mit ernsthafter Zutraulichkeit die Hand und sagte: „„Ich weiß eS und hier is sie" und damit überreichte er mir herzlich meine langjährige Taschenuhr.
„Herr," sage ich, „wo kommen Sie zu meiner Taschenuhr?"
„„Das ist ein Geheimnis,"" sagte er, „„und wenn Sie noch länger mit unserm wohltätigen Verein verkehren,
dann werden Sie noch die verschiedenen Geheimnisse kenneu lernen. Fragen Sie jetzt nicht darnach. Vorläufig gereicht es mir zu 'ner besonderen Ehre, daß ich eine« Ehrenmann sein ehrenwertes Eigentum restatuwteren kann,"" und dabei wischte sich dieser Krokodill eine feuchte Träne aus seinem Auge.
Na, nu wäre es gegen alle christliche Besinnung gewesen, wenn ich nun noch an meine Bundesbrüder Zweifel hätte hegen wollen; aber bei die vielen Geschichten, die mir passiert waren, war ich doch was koppscheu geworden Md ich setze mir also vorsichtig hinter einen langen Tisch mit dem Rücken gegen die Wand, wodurch ich ihn mir klugeweise zu decken dachte, was sich aber nachher als eine ausgesuchte Dämlichkeit auswies. Neben mir saß mein Vundesbruder und auf der andern Seite setzte sich der benannte noble Herr und mir gegenüber «ein Mitkollege, der Herr Entspekter Bohmöler. Wir tranken also unser Bier und sprachen von dies und das und darauf ließ sich mein nobler Herr Nachbar Karten geben und spielte mit seinem Fisawih Sechs und sechzig. Ich kuckte zu.
„Spielen Sie auch Sechs und sechzig?" fragte er. — ,,„OH, woll!"" sag' ich. — „Na," sagt er, „denn sehn Sie 'mal. Soll ich decken?" — „„Natürlich!"" sageich, denn er hätte eine Marriasche und die beiden öbbersten Trümpfe und eine starke Garantion in Piek.
(Fortsetzung folgt.)
Naiv. Baun (einen -»füllten Luftballon betrachtend): „Ealra, da -'hört a Luna'l dazu«, bis «a so van aufblast I"