schäften können ohne ihe Zustimmung ihres Amtes enthoben werden, wenn sie wegen eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen und geistigen Kräfte dienstunfähig geworden sind oder durch Krankheit länger als ein Jahr von der Versehung ihres Amtes abgehalten worden sind." Das Disziplinarverfahren, das auf Grund dieses Artikels eingeleitet wurde, beruhte auf einer 195 Seilen langen Entscheidungsschrift der Kreisregierung, die dem Schultheißen Mangel an Arbeitslust und Pflichtgefühl, Verschleppungen, Erschwerungen usw. zum Vorwurf macht. Neigung zum Alkoholismus spielt eine Hauptrolle. Steck ist u. a. auch einmal zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt, die Strafe wurde aber im Gnadenwege in Geldstrafe um- qewandelt. Steck hat sich immer mit Krankheit zu ent­schuldigen gesucht, aber stets vor Ablauf des oben erwähnten Jahres seine Dienstgeschäfte wieder besorgt. Nach langer Verhandlung erging folgendes Urteil: Unter Zurückweisung der Beschwerde der bürgerlichen Kollegien von Nattheim wird die auf Grund des Gesetzes von 1894 geforderte Amtsenthebung abgelehnt. In der Begründung heißt es, das Gericht habe lediglich angenommen, daß der Nachweis für die Voraussetzung deS Art. 1 des Gesetzes vom 25. Juni 1894 nicht vorliegt. Es sei weder bewiesen, daß Steck dauernd dienstunfähig ist, noch daß er über ein Jahr lang an der Versehung seines Amtes durch Krankheit gehindert worden ist. Deshalb mußte die Beschwerde abgewiesen und konnte die Amtsenthebung nicht ausgesprochen werden.

Hochverratsprozetz gegen Dr. Liebknecht.

In der Begründung zu dem gestern gemeldeten Urteil wurde ausgeführt: Der Gerichtshof hält die Tat­bestandsmerkmale der Vorbereitung des Hochverrats für gegeben. Es handelt sich in der Schrift Liebknechts nicht nur um das Aussprechen einer politischen Gesinnung. Wäre das so, so hätte eine Verurteilung nicht erfolgen können, denn politische Gesinnungen können nicht ein Gegenstand gerichtlicher Verurteilung sein. Der Tatbestand ist aber ein anderer. Als Mittel zum Hochverrat hat der Ange­klagte nicht die Jugendorganisation als solche angesehen, aber er wollte den Jugendvereinen als Zweck und Ziel den Kampf gegen den Militarismus geben.

Weiter ist erforderlich zur Bestrafung, daß eine Aen- derung der Verfassung beabsichtigt war. Auch das ist der Fall gewesen. Der Angeklagte will nicht die ganze Ver­fassung ändern, aber einen wesentlichen Teil. Nämlich er will, daß die Rechte des Kaisers beeinträchtigt werden. Das Objekt, gegen das sich die vorbereitende Handlung des Angeklagten richtet, ist die gesamte verfassungsmäßige Wehr­verfassung. Und diese ist ein fundamentaler Teil der Ver­fassung.

Weiter ist zur Bestrafung nötig, daß eine gewaltsame Beseitigung der Verfassung gefordert wird. Dazu ist nicht nötig, daß man die gewaltsamen Unternehmungen in allen Einzelheiten schildert, sondern es genügt, wenn man ein Gesamtbild gibt, von dem, wie die Beseitigung in einzelnen Fällen sich gestalten soll. Der Gerichtshof meint, daß Ms oer historischen Entwicklung nur geschlossen werden könne, daß die Konsequenz dessen, was Liebknecht will, nur die gewalfame Umwälzung fein kann.

Weiter ist zur Bestrafung nötig, daß eine solche Ge­walt auch in absehbarer Zeit gefordert wird. Auch diese Erfordernis hält der Gerichtshof für gegeben. Nach Ten­denz und Inhalt der Schrift steht Liebknecht auf dem Stand­punkt, daß die heutige Weltpolitik Kriegsmöglichkeiten in sich birgt, und daß sie so schnell wie möglich, wenn nötig mit Gewalt, beseitigt werden muß.

Die Frage, ob eine ehrlose Handlung vorliegt, hat der Gerichtshof aber verneint. Er ist der Uebcrzeugung, daß Liebknecht aus politischer Gesinnung heraus seine Schrift verfaßt hat. Ob diese verkehrt sei oder nicht, daraus er­gabt sich noch nicht die Voraussetzung der Ehrlosigkeit.

Dem Ersuchen des Reichsanwalts auf sofortige Ver­haftung wird ebenfalls nicht entsprochen.

Als Liebknecht heute mittag das Gerichtsgebäude ver­ließ, wurde er von Tausenden von Arbeitern, die sich in der Mittagsstunde vor dem Reichsgericht angesammelt hatten, mit Hochrufen empfangen und nach dem Hotel geleitet. Ein starkes Polizeiaufgebot sorgte für die Aufrechterhaltung der Ordnung.

Pretzftimme» zn dem Urteil.

Die nationalliberaleNatioflalzeitung" meint, Herrn Liebknecht sei vielleicht die Krone des Mär.yrerluws sehr erwünscht, und führt dann aus:Handelt es sich hier nur um eine juristische Frage, so wäre über den Prozeß weiter kein Wort zu verlieren. Leider aber hat er auch eine politische Seite, und die ist nicht weniger leicht abgetan. War es zweckmäßig, Herrn Liebknecht jr. die Ehre eines Prozesses vor dem Reichsgericht anzutuns Die Frage ist

mit einem runden Ja oder Nein nicht zu beantworten. Man wird die Wirkung des Urteils auf sie Ocffentlichkeit, inner­halb wie außerhalb der sozialdemokratischen Partei, ab- warten müssen; wir fürchten aber, dei'.-^Maßeedknden" hat für die Bedeutung der Peinlichkeit des Angeklagten das richtige Augenmaß gefehlt. Wenn cs die Absicht war, von Staatswegen dafür zu sorgen, daß eine Mittelmäßigkeit wie Liebknecht jr. in Zukunft von der eigenen Partei, auch von den verständigen Leuten der eigenen Partei, ernst ge­nommen werden muß, daß er in Zukunft auf sozialdemo­kratischen Parteitagen nicht mehr der Lächerlichkeit verfallen kann, so dürfte diese Absicht zuverlässig erreicht sein. So war es aber doch jedenfalls nichi gemeint, und darum soll man froh sein, daß des alten Liebknecht hoffnungsvoller Sprößling nur zu Festung und nicht, wie die Anklage wollte, zu Zuchthaus verurteilt wurde. Ein Philosoph auf dem Throne würde den Verurteilten vielleicht sogar begnadigen, ehe er Zeit hätte, sich zum Märtyrer auszuwachsen."

Die demokratischeFrankfurter Zeitung" schließt ihre Auseinandersetzungen mir den Worten:Man hat kein Recht, die subjektive Ueberzeugung der Richter in Frage zu ziehen. Aber daß hier ein schwerer Justizirrtum vorliegt, ist uns klar, und Tausende werden derselben Ueberzeugung sein. Man stelle sich nur die Konsequenzen dieses Stand­punktes vor! Es gibt unzählige Schriften, in denen sich Aeußerungen finden, die nach der vom Reichsgericht geübten Methode die Verfasser auf die Anklagebank gebracht hätten oder bringen würoen, und zwar nicht ttwa nur in Schriften revolutionärer" Autoren, sondern auch sehr bürgerlicher. Man prüfe z. B. einmal die Werke Treitschkes unter jenem neuen Gesichtspunkte der Vorbereitung strafbarer Handlungen, und man wird finden, daß er leicht in eine üble Lage hätte kommen können. Unter dieser Methode des Reichsgerichts ist es ja überhaupt nicht mehr möglich, ohne Rücksichten Theorien zu entwickeln, denn man muß sonst stets befürchten, auf irgend eine Denunziation hin die Theorie in eine straf­bare Handlung verwandelt zu sehen. Dr. Liebknecht ist das erste Opfer dieser neuen Rechtsauffafsung, und Dr. Lieb­knecht ist Sozialdemokrat und sogar ein radikaler. Man wird sich nicht wundern dürfen, wenn das Volk an diese Tatsachen Kommentare knüpft, die für die deutsche Recht­sprechung nicht gerade schmeichelhaft sind. Aber auch, wenn sie davon nichts zu eigen macht, hat man allen Anlaß, den Prozeß Liebknecht und seinen Ausgang zu beklagen. Diese Affäre ist wieder eines drr bedauerlichen Vorkommnisse, die den Gegensatz zwischen Juristenrecht und natürlichem Em­pfinden verschärfen. Es ist wieder eine Erfahrung, die dazu beiträgt, die weit verbreitete Volksmeinuug zu be­stärken, daß es deutsche Richter gibt, die allzu oft das Recht, das wahre Recht nicht finden können."

Ausland.

Ei« «euer Schiffsunfall der Hareufamilie.

Erst vor kurzem berichteten wir ausführlich über die Stran­dung der russischen KaiserjachtStandart" in den finnischen Schären und jetzt schon wieder kommt die Meldung von einem Unfall, den ein von der Zarenfamilie benutztes Fahr­zeug erlitten hat. Der L.-A. meldet darüber:

Petersburg, 11. Okt. Vor einigen Tagen wollte sich die Zarenfamilie von derPolarnaja Swjesd" im Dampfkutler ans Land begeben, um einen Spaziergang zu unternehmen. Der Dampfkutter geriet auf einen Stein und erlitt dadurch eine Beschädigung. Die kaiserliche Familie bestieg sofort einen andern Kutter und kam glücklich, aber in gewisser Erregung an Land. Uebcr diese neueste Havarie darf hier nichts bekanntgcgebeu werden.

London, 11. Okt. Die Direktoren der Cunard-Ge- sellschaft erhielten heute Hunderte von Glückwunschtelegram­men zum Erfolg derLusttania", darunter befand sich auch ein solches vom Direktor Ballin. Die Leiter der Linie er­klären, daß dieLusitania" bei ihrer letzten Fahrt nicht übermäßig angestrengt wurde, man erwartet vielmehr, daß sie es bei ihren nächsten Reisen auf eine Durchschnitts­geschwindigkeit von 24'/» Knoten für die gesamte Reise bringen werde. Von derMauretania" glaubt man, daß sie die Reise mit gleichförmiger Geschwindigkeit von 25 Knoten zurücklegen wird. Die an den einzelnen Tagen von derLusttania" durchlaufenen Strecken betragen 590, 608, 617, 600 und 324Knoten.

Belgrad, 12. Okt. In letzter Zeit desertierten serbische Soldaten in übergroßer Zahl nach Ungarn, hauptsächlich aber von Belgrad nach Semlin. Die Ursache dieser Flucht ist die brutale und grausame Behandlung von seiten der Offiziere. Das BlattPrawda" fordert den Kriegsminister auf, strengste Untersuchung einzuleiten und Maßregeln gegen die Willkür der Of fiziere zu tre ffen. (Mpst. )

Zeppelin.

Vor gut drei Dutzend Jahren Ein Reiter jung und kühn Durch Feinde und Gefahren

So war der Zeppelin.

Drei Dutzend Jahr ist Friede,

Gezäum und Sattel ruht,

Doch immer noch nicht müde Ward das Husarenblut.

Was brauch ich flinker Pferde?

Die Luft fliegt auch geschwind Und geht's nicht auf der Erde,

So reit' ich auf dem Wind. .

Kein schlapper Stubenhocker,

Deutsches Reich.

Die Klage des Reichskanzlers Fürste« v. Büloio gegen de» Schriftsteller Brand. Vor einigen Tagen hatte derReichsglöckner" Joachim Gehlsen eine Vorladung des Charlottenburger Amtsgerichts in Sachen der Klage des Fürsten v. Bülow und der vor kurzem statt- gefundeneu Haussuchung. Der Angeklagte, Schriftsteller Adolf Brand, gegen den das ordnungsmäßige Ermittlungs­verfahren auf Grund der Strafanzeige des Fürsten von Bülow tatsächlich eingeleitet ist, hatte am Freitag seine erste Vernehmung vor dem Amtsrichter Herrn Matz am Cöpenicker Amtsgericht. Brand verweigerte die Angabe jeglichen Beweismaterials und erklärte, für Verfasserschaft und Verbreitung des inkrimmierten Flugblattes allein ver­antwortlich zu sein. Seine Verteidigung hat dem Ver­nehmen nach Herr Rechtsanwalt Barnau übernommen.

Frankfurt, 13. Oktober. Heute nachmittag gingen die Geschenke, die der König von Siam in Deutschland eingekaufi hatte, in einem großen Güterwagen verpackt, mit dem Schnellzug um 4.22 nachmittags nach Genua ab. Das Gewicht der Sendungen betrug fast 10 000 Kilogramm.

Kapellendorf bet Jena, 13. Okt. Auf dem Kampf­gelände des Spcrlingsberges bet Kapellendorf wurde ein Denkmal zur Erinnerung an die bei dem letzten Ansturm der Prcußen in der Schlacht bei Jena Gefallenen enthüllt. Zur Feier erschienen: als Vertreter des Kaisers der preußische Gesandte in Weimar, v. Below-Rutzau, ferner eine Abord­nung des thüringischen Infanterie^ Regiments 94, zahlreiche Militär- und Kriegervereine sowie der Dichter Ernst von Wildenbruch, der das Weihegedicht verfaßt hatte.

Königshütte, 14. Okt. Dekorationsmaler Willy Schäfer aus Berlin, der die Dekorationsmalereien im oberschlesischen Theater herstellte, kam beim Aufwärmen von Leim der Spirituslampe zu nahe. Die Kleider fingen Feuer und er verbrannte.

Kein Spießer dick und faul

Er ließ' nicht los und locker Und ritt auch diesen Gaul!

Der Gaul spannt seine Flügel Weit über See und Land,

Und lustig lenkt am Zügel Ihn des Husaren Hand.

Denn allzeit keck im Wagen Und im Vollführen kühn In jung wie alten Tagen

Ist halt der Zeppelin!

(Jugend.) _ A. De «ora.

Landwirtschaft, Handel Md Bettehr.

t Walddorf, !4. Olt Am letzten Samstag wurden hier ca. 100 Ztr. Tafclobst von Händlern um 1012 ^ pro Ztr. auf­gekauft. Borrat an gutem Tafelobst ist immer noch 'vorhanden. Man erntet im allgemeinen mehr als man anfangs erwartete.

Tübingen, 14. Olt. Obstbericht, «elternplatz. 1 Ztr. «epfel 78 1 Ztr Birnen 6 607.60 ^ Zufuhr 7v Sack. Bahn­hof: 5 Wogen Nepfel 1 Ztr. 6.S07 2 Wagen Birnen, 1 Zlr.

S.VV-6.70 ^

Wet«

Besigheim, 13. Okt. Verkauf lebhaft zu 166-195 ^ pro 3 Hl. Noch Vorrat.

Haberschlacht, 11. Okt Qualität besser als erwartet. Bi» Kauf zu 170 pro 3 Hl Rotwein abgeschlossen. Quantum schlägt etwas zurück.

Schwaiger«, 12. Okt. Preise pro 3 Hl. 170 ^ Qualität wie 1895er, Quantum bleibt hinter Schätzung zursck. Neben sehr g utem Rotwein find 50 Eimer WeißrteSIing verkäuflich. _

VomiMe >1-,

Witternngsvorhersage. Mittwoch den 16. Oktbr.

Meist trüb, neblig und regnerisch, mäßig kühl.

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