81 . Jahrgang.

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Auflage 2600 .

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Mit dem Plauderstübche« und

«chwäb. Sandwtrt.

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Hlagold, Samstag dm 12. Oktoöer

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Grabanlage und Gedächtnismal für die Opfer der Hirschkatastrophe.

Im Laufe dieses Sommers ist vor unfern Augen auf dem hiesigen Friedhof eine Anlage fertig geworden an der Stelle, wo die in Nagold begrabenen unglücklichen Opfer des 5. April 1906 ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Am Sonntag soll durch einen Weiheakt, dieser kleine, ernste Be­zirk der Oeffentlichkeit feierlich übergeben werden. Da wird es wohl vielen willkommen sein, die für diese Ausführung leitenden Gesichtspunkte näher kennen zu lernen, um das Ganze richtig würdigen zu können. Denn es wird wohl manche überrascht haben, etwas anderes entstehen zu sehen, als sie nach den Zeitungsnotizen vermutet hatten.

Als der Stadtgemeinderat von Nagold in hochherziger Weise beschlossen hatte, ein Erinnerungsmal an die Verun­glückten auf ihrem Begräbnisplatz zu stiften und die Pflege der Grabanlage zu übernehmen, und Reg.-Baumeister Schuster in Stuttgart sich erboten hatte, einen Entwurf hiezu beizusteuern, wird sich die Mehrzahl des Publikums beim Lesen dieser Nachrichten gedacht haben, es werde nun in der sonst üblichen Weise inmitten des Platzes irgend ein größerer Grabstein in entsprechend reichen Architekturformen Md auf den Gräbern ringsum einzelne Steine, je nach dem Geschmack und der Leistungsfähigkeit der Hinterbliebe­nen, errichtet werden. Da erschien nach einiger Zeit eine andeutende Notiz, daß kein solchesDenkmal", sondern eine Art Kapelle" erstellt werden soll. Und sofort wird sich dann die Phantasie des Lesers das Angedeutete zu einem Bild ausgemalt haben, in dem ein stattlicher Bau, etwa wie eine Gruftkapelle, die sämtliche Einzelgräber umfassen würde. Als nun die jetzige Anlage allmählich Gestalt be­kam, sah man nichts von alledem, was wohl die meisten sich unter dem Denkmal vorgestellt hatten, sondern etwas ganz anderes.

Für den entwerfenden Architekten aber waren zwei Gesichtspunkte bestimmend; ein idealer und ein sehr realer. Der erste war der, eine einheitliche, geschloffene Gesamt­wirkung von ernstem Charakter zu erzielen und die un­günstige Gestalt des zur Verfügung stehenden Platzes nach Möglichkeit bester zu gliedern. Der zweite war die Rück­sicht auf die zur Verfügung stehenden, beschränkten Geld­mittel.

Die Form und Größe des Platzes waren gegeben. Daran ließ sich im großen ganzen nichts mehr ändern. Es war nur möglich, den langgestreckten, eigentlichen Begräb- «isplatz durch Ausnützung ver Terrainverhältniffe so zu gliedern, daß er in mehrere ungefähr quadratische, um einige Stufen über einander erhöhte Abteilungen zerfiel. DaS ganze Feld wurde einheitlich mit einer niedrigen, schlichten Sandsteinmaaer mit darauf gesetztem einfachen schmiedeiscrnem Geländer zwischen Sandsteinpostamenten eingefaßt. Diese letzteren bringen Unterbrechungen in die Linie der Einfrie­digung. Durch die Mitte des Gräberfeldes zieht ein Fuß­weg, zu dessen beiden Seiten durch Steineinfaflung einzelne größere Abteilungen gebildet werden. Diese sind mit Rasen angelegt, auf dem wie auf grünem Teppich die einzelnen Grabplatten, mtt Namen und Geburtsdatum der Begrabenen, aufliegen. Diese schlichten Grabplatten find auch alle in Form, Größe und Ausführung gleich gehalten, um ein ruhiges, einheitliches Gesamtbild zu erzielen. Dadurch, daß auf der ganzen Fläche alles niedrig gehalten ist, hebt sie sich ab von der Umgebung mit ihren zahlreichen Grab­steinen, außerdem kommt aber auch die Mittelpartie dieser Grabanlage besonders zur Geltung. Hier kam es nun in erster Linie darauf an, eine größere Maste, welche das Ge­samtbild beherrscht, zu erhalten. Dieß ließ sich mit wenig Mitteln am besten erreichen durch einen kleinen, schlichten 2au nach Art einer Feldkapelle, umgeben von einer schönen, geschloffenen Baumgruppe. Die Rückwand des Baues sollte auf einer großen Steintafel die Namen aller Verunglückten, der Nagolder und der Auswärtigen, aufnehmen und Platz zur Anbringung eines Bibelspruches bieten. Ueber dem Eingang war eine Tafel mit einer Widmung zum Andenken an die Opfer des 5. April 1906, darüber auf dem First ein einfaches Steinkreuz gedacht.

Der nach diesen Gesichtspunkten aufgestellte Entwurf, bei dem der Verfassers in der Größenbemestung der Ein­zelheiten gleich von vornherein bis an die äußerste Grenze der Sparsamkeit gegangen war, fand die Zustimmung des Gemeinderats, obgleich die vorgesehene Summe trotz der

größten Zurückhaltung sich als nicht ausreichend heraus­stellte. In entgegenkommender Weise wurde aber, um die Ausführung der Gesamtidee ohne Aenderung zu ermöglichen, die durch den Kostenvoranschlag ermittelte Summe von den Stadtvätern genehmigt und die Anlage durch Stadtbau­meister Lang in verständnisvoller Weise ausgeführt. Das kleine Gebäude wurde, entsprechend der alten Friedhoskirche, in rauh verputztem Mauerwerk erstellt. Das Dach wurde absichtlich mit alten Dachziegeln eingedeckt, damit es neben der ehrwürdigen, altersgrauen Kirche nicht zu sehr absticht. Das Gesamtbild wird erst mit der Zeit vervollständigt werden, wenn die zum Ganzen gehörigen Bäume auf den vier Ecke« neben demKapellchen" heraufgewachsen find. Auf der Rückseite sind als Hintergrund zwei ernste Trauer­weiden vorgesehen, während vorne zwei lichte, zarte Birken- stämmchen den Bau durchscheinen lasten. Auf dem von Grabplatten freien unteren Teil ist zu längerem Verweilen die Aufstellung einer schlichten Bank geplant.

Nach diesen Ausführungen möge nun jedermann selbst bemtcilen, inwieweit es gelungen ist, im Rahmen der ob­waltenden Verhältnisse das zu erreichen, was dem Verfasser des Entwurfs nach dem Erläuterungsbericht zu den vorge­legten Skizzen vorschwebte:Wie die Entschlafenen in ihrem Leben lauter schlichte Menschen waren, so soll auch das Mal, das an sie erinnert, nichts Extravagantes sein. Aber es soll auch, in anbetracht des außergewöhnlichen Ereig­nisses, dem die Verunglückten zum Opfer fielen, nichts All­tägliches und keine Dutzendware werde«. Es soll noch späteren Geschlechtern ein ernstesmemento morl" bedeuten."

Die kleine Grabkapelle.

Zur Einweihung derselben 13. Okt. 1907.

Kleine, schlichte Grabkapelle Sag, wer hat dich doch erbauet?

Und welch Amt ist dir dort oben Neben jener Kirch' vertrauet?"

Einsam stehe ich und klage,

Klage jetzt und klage immer,

Jene unheilvolle Stunde,

Jenes Sturzes Schreckentrümmer,

Drauß sovieles banges Stöhnen,

Soviel Hilferufe drangen,

Die sovieles Glück der Menschen Jäh mit ihrem Rauch verschlangen.

Und ich klage all die Toten,

Die die Schrecken damals trafen,

Klage die, die mir zu Füßen In des Gärtleins Frieden schlafen.

Ihre Name künd ich allen Die in meine Räume treten Und für sich und meine Toten Noch ein Vaterunser beten.

Und ich halt' ob dieser Stätte Schützend meine Segenshände,

Daß ich von den Schläfern halte,

Was die Ruhe stören könnte.

Treue Lieb' und fromme Hände Haben mich drum hier erbauet,

Und die Klage um die Toten Und ihr Schutz ist mir vertrauet.

». H «läg.

Gages-Meuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Horb, 11. Ott. Wie der Staatsanzeiger mitteilt, hat die Kgl. Regierung des Schwarzwaldkreises am 8. Ott. d. I. die Wahl des Landwirts und Landtagsabgeordneten Keßler in Horb zum Ortsvorsteher der Gemeinde Hirr- lingen O.A. Rottenburg, bestätigt. Mithin dürfte die Ueber- fiedlung des Herrn Keßler nach seinem neuen Wohnsitze in Bälde erfolgen Md Herr Keßler die Wahl in die

Die Einweihung des Friedhofdenkmals für die Verunglückten vom 5. April v. Js. wird morgen Sonntag nachmittag 3 Uhr durch eine Ansprache des Herrn Dekan Römer und Gesang geschehen.

Hände seiner Wähler zurückgeben, da er vor seiner letzten

Wahl feierlich gelobt hat, seinen Aufenthalt im Bezirk beizubehalten. Es wäre jetzt an der Zeit, daß Herr Keßler nach seiner offiziellen Bestätigung als Ortsvorsteher eine Erklärung abgibt, wie er sich im Hinblick auf sein damals abgegebenes Versprechen zu verhalten gedenkt. (H. Ehr.)

Calw, 11. Ott. (Korr.) Ueber den bereits ge­meldeten Tod der 28 Jahre alten Ehefrau des Wirtes Eugen Schifer zumDeutschen Kaiser", Wilhelmstraße 85, in Uuterreichenbach, die vor vierzehn Tagen plötzlich, ohne sichtbare Ursache erkrankte und dann unter verdächtigen Um­ständen gestorben ist, wird noch bekannt: man bemerkte an der Frau Merkmale von Einwirkung äußerer Gewalt, doch schienen diese ihre Ursache in zufälligem Stoßen oder Fallen zu haben. Die Frau verfiel bald in Bewußtlosigkeit uud starb schließlich, wie es schien, au Gehirnschlag. Die bisher unaufgeklärte Todesursache wird nun durch gerichtliche Untersuchung festgestellt werde». Es wird eine behördliche Leichenöffnung stattfinden. Die Frau hatte bekauutlich ein beträchtliches Vermögen beigebracht. Die Eheleute find kinderlos.

sDiese Meldung erscheint in verschiedenen Tageszeit­ungen unterNagold"; wir wissen nicht wie so dies kommt; Unterreichenbach gehört ins Oberamt Calw und die ganze Sache unterliegt den dortigen Behörden. D. R.j

r. Uuterreichenbach, 11. Okt. ES wird zu diesem Fall noch weiter gemeldet: Am Mittwoch nachmittag fand hier die gerichtliche Leichenschau der unter verdächtigen Um­ständen verstorbenen Frau Friederike des Wirtes Schifer vomDeutschen Kaiser" statt. Es uahmm daran teil der Arzt Dr. Autenrieth und der Oberamtsarzt Dr. Müller sowie der Staatsanwalt von Calw. Die Leichenschau spricht für das umlaufende Gerücht, daß die Frau den Mißhandlungen ihres Mannes zum Opfer gefallen sei. ES fand sich nämlich in der linksseitigen Schädeldecke ein Eisenspsitter vor, der vermutlich von einem Schürhaken herrührt. Dieser Splitter hatte Etterungen und Bluter­güsse ins Gehirn herbeigeführt und dadurch die 10 Tage dauernde Bewußtlosigkeit der Frau und schließlich dm Tod verursacht. Nach diesem belastenden Ergebnis wurde wie bereits gemeldet, der Manu natürlich sofort verhaftet, und vom Oberlandjäger ins Calwer AmtSgefängnis ge­bracht. Es wird jetzt immer mehr bestätigt, daß sich die Eheleute sehr oft stritten. Die Wirtschaft zumDeutschen Kaiser" ging gut und Schiefer, der in die, den Eltern der Frau gehörende Wirtschaft hineingeheiratet hatte, war etu guter Koch. Zwischen beiden bestand auch kein beträchtlicher Altersunterschied, er ist 36, sie war 28 Jahre alt. Aber die Ehe war kinderlos, der Mann war jähzornig, er durste keinen Alkohol genießen und wurde lange Zeit an Herz- nervofität behandelt. Die Frau dagegen trank, sogar Branntwein. Die häufigen Streitszenen der Ehelmtc warm in der Ortschaft wohlbekannt.

Umbau des Stuttgarter Hauptbahuhofs. Das

Empfangsgebäude des umeu Personenbahnhofs kommt an die Schtllerstraße zu stehen. I» seiner Umgebung werden die erforderlichen Vorplätze angelegt. Der Personenbahnhof erstreckt sich von der Schillerstraße bis zur Wolframstraße in einer Länge von rund 800 Metern und einer Breite von 170 Metern. Die Linienrichtung Cannstatt-Feuerbach md Stuttgart-Westbahnhof (Gäubahu) werden verlegt. Die Linie Richtung Cannstatt wird viergleifig hergestellt und um 3,5 Meter gehobm. Die Linie Richtung Feuerbach erhält ebenfalls vier Gleise. Der auf dieser Strecke bestehende Tunnel wird Ms die Länge von 150 Metern durch einen Einschnitt ersetzt, daneben wird ein nmer zweigleisiger Tunnel gebaut. In 1600 Meter mittlerer Entfernung vom Per­sonenbahnhof wird in der Gabelung der Linie Richtung Cannstatt und Feuerbach ein Abstellbahnhof angelegt. Der Güterbahnhof kommt uebm dem Personenbahnhof, zwischen Bahnhofstraße und Wolframstraße zu liegen. Vom Gpterbahnhof führen besondere Gleise nach Cannstatt Md zum Nordbahnhof.

Stnttgart, 11. Ott. Graf Zeppelin hat dem Deutschen Museum in München das Modell des Luft­schiffes gestiftet, mtt dem er die für die Flugtechnik so be­deutungsvollen Versuche am Bodensee ausgesührt hat. Das Modell wird in München zunächst iu der großen Halle für Landtransportmittel Aufstellung finden.

r. Tübingen, 11. Ott. Der Hochstapler Brettmaier kam wieder hierher, gab sich in einem Uhrengeschäft als Baron von Sternenfels Ms Md suchte wieder eine goldene Uhr zu erlangen. Bis die Polizei kam, war er entwichen wurde aber Ms dem Bahnhof abgefaßt. Es soll ein Ms der Heilanstalt Winnenden entwichener Geisteskranker namens Hoß aus Stuttgart sein.