81 . Jahrgang.
Erscheint täglich mit ArrSnahm« da Tonn- und Festtag«.
Preis vierteljährlich hi« I mit Träger«
lohn im Bezirks«
und 10 dm Berkehr 1L8 im übrigen Württemberg 1LS «ouatSabonuement» nach BahältniS.
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Jernspvecher Wv. 29.
Kerrrfp^ecHer Fkr. 29.
Auflage 2 soo.
Anzeigen-Lebühr s. d. Ispalt. Zeile a«S gewöhnl. Schrift od« daen Raum bei lmal. Einrückung 10 g. bei mehrmaliger entsprechend Radare
Mit dem Plauderstübchl» und
Gchwäb. Landwirt.
235
Hlagold, Montag dm 7. Mover
1907
Amtliches.
Bekarrrrtruachtmg
betr. Viehmarkt i« Pforzheim.
Nach Mitteilung des Großh. Bezirksamt Pforzheim findet der nächste Viehmarkt am Dienstag de« 8. Okt. 1SVV unter folgenden Bedingungen statt.
1. Aus verseuchten Gemeinden darf überhaupt kein Rindvieh aufgetrieben werden.
2. Für das aus württembergischen Oberämtern auszu- führende Vieh müssen die Führer gemäß § 54 der V.O. vom 19. Dezember 1895 im Besitze tierärztlicher Zeugnisse über den Gesundheitszustand der Tiere sein, in welchen bezeugt ist, daß die betr. Tiere fick mindestens seit fünf Tagen im seuchenfreien Zustande in der Gemarkung befinden, iu der die Untersuchung erfolgt ist.
3. Am Markttage dürfen Tiere bis zum Schluß des Marktes außerhalb des Viehmarktplatzes nur feil gehalten werden, wenn dieselben vorher tierärztlich besichtigt und für unbeanstandet erklärt worden find.
4. Rindviehstücke, welche ohne die vorgeschriebenen
Zeugnisse zu Markt gebracht werden, werden unnachsichtlich zurückgewiesen, auch haben Zuwiderhandelnde strenge Bestrafung zu gewärtigen. _
Es wird dies dem Ersuchen des Großh. Bezirksamts Pforzheim entsprechend zur Kenntnis gebracht.^
Nagold, 5. Oktober 1907.
K. Oberamt.
Mayer, Reg.-Asf.
Nalioualliberaler Parteitag.
(Unber. Nachdr. verb.) (Telegraph. Bericht.)
8. u. S. Wiesbaden, 4. Okt.
Unter Teilnahme von über 900 Delegierten der nationalliberalen Vereine alt- und jung-liberaler Richtung aus allen Teilen des Reiches begannen heute im Festsaale der „Wartburg" die Verhandlungen des diesjährigen nationalliberalen Parteitages, denen man angesichts der gegenwärtigen politischen Konstellation mit ganz besonderer Spannung eut- gegenfieht.
Neben dem Führer der Partei, dem Reichstagsabge- ordueten Bass ermann-Mannheim sind in Wiesbaden eingetroffen die Reichstagsabgeordneten Paasche, Frhr. von Heyl-Herrnsheim, Graf Oriola, Ortel-Thorn, Held- Hannover, Hieber-Stuttgart, Junk-Leipzig, Osann- Schwabach u. a. m. Ferner die Landtagsabgeordneten Dr. Friedberg, Bartling, Schiffer, v. Hackenberg, Meyer-Diepholz, Röchling, Fürbringer, Jänike, Dr. von Kampe, Hirsch, Wamhoff usw. Weiterhin bemerkt man von bekannteren Persönlichkeiten den Staatsminister von Möller, Exz. von Bürklin-München, Geh. Rat Professor Pl an k-Göttingen, Geh. Rat Wttting, der frühere Oberbürgermeister von Posen, das Herrenhausmitglied Struckmann-Hildesheim, Professor Lassar-Berlin, und
die Cheftedakteure der größeren uationalliberalen Blätter: Dr. Harms-Berlin, Dr. Jacobi-Hannover, Wynecken- Königsberg, Adam Röder-Wiesbaden, Brues-Crefeld, von Trützschler-WormS, Dr. Elben-Stuttgart. Ferner noch den Herausgeber der Täglichen Rundschau Rippler- Berliu.
Ln erster Stelle steht auf dem diesjährigen Parteitage ein Vortrag des Führers und Vorsitzenden der Partei, des Reichstagsabgeordneten Bassermann-Mannheim über des Reiches Politik, ein Vortrag, der unbedingt die neue Blockpolitik streifen wird und voraussichtlich Mitteilungen darüber bringen wird, was bei der Wallfahrt nach Norderney für die nationalliberale Partei herausgekommen ist, deren Führer man bekanntlich zu diesen Besprechungen nicht zugezogen hat. Zweifellos wird Bafserman bei dieser Gelegenheit auch die Forderungen des Tages seitens der Nationalliberalen des näheren darlegen und man kann gespannt darauf sein, zu hören, wie er die Lage des Kanzlers beurteilen wird, der noch immer zu Norderney weilt und gegenwärtig bekanntlich allerlei dunklen Umtrieben ausgesetzt ist, von denen zurzeit gar nicht abzusehen ist, welchen Einfluß sie auf die Stellung des Reichskanzlers selbst haben werde», denn wenn sie auch eigentlich nur die gesellschaftliche Stellung des Kanzlers berühren, so werden sie auch sicher eine politische Rückwirkung haben. An diesen Hauptvortrag des uationalliberalen Führers wird sich sicherlich eine sehr rege Debatte anschlteßen. Neben den politischen Ereignissen der letzten Monate, mit denen sich auch schon die vorausgegangenen Parteitage der freisinnigen Volkspartei in Berlin, sozialdemokratischen Partei in Esten, der süddeutschen Volkspartei in Konstanz u. der Katholikentag in Würzburg eingehend beschäftigt haben, wird sich der diesm. nationall. Parteitag auch mit der Frage einer definitiven Stellungnahme zu den Jungliberalen befassen, deren letzter Vertretertag in Kaiserslautern bekanntlich für die bayerischen und badischen Vereine die bisher prinzipielle Altersgrenze aufhob. Die Folge dieses Kaiserslautener Beschlusses war bekanntlich der Alarmartikel des Professors Letdigs-Berlin in der „Nationalztg.", der in schärfster Weise gegen diesen Beschluß Stellung nahm, und der in diese Stellungnahme auch den Zentralvorstand der Gesamtpartei zu verwickeln suchte. Vielfach wurde daher der Wiesbadener Tagung ein ungünstiges Pro- gnostikon gestellt, die Befürchtungen find jedoch inzwischen durch die Erklärungen des Zentralvorstandes, daß er mit diesem Artikel nichts zu tun habe, zerstreut worden. — Für den zweiten Tag der Verhandlungen, den Sonntag, ist dann ein Bortrag des Reichstagsabg. Stresemann- Dresden über die Penstonsverficherung der Privatbeamten vorgesehen. Am Nachmittage finden zwei öffentliche Versammlungen statt, in denen Reichstagsabg. Osann über Fragen der Reichspolitik Md Landtagsabg. Dr. Friedberg über die Tätigkeit und Stellung der nationalliberaleu Partei in Preußen sprechen werden. Der Vizepräsident des Reichstags, Prof. Dr. Paasche, wird Rückblicke und Ausblicke auf die Reichspolitik geben, während Landtagsabg. Kammergerichtsrat Schiffer Fragen der preußischen Landes- politik verhandeln wird. — Für den Montag ist dann ein
Ausflug nach Rüdesheim Md dem Niederwald-Denkmal
vorgesehen, wo Landtagsabg. Hackenberg die Festrede Hallen wird.
Die Verhandlungen des Delegiertentages wurden am heutigen Vormittag kurz nach 10 Uhr durch eine Sitzung deS Zeutralvorstandes eingeleitet. — Bassermauu eröffuete die Tagung und begrüßte die Vorstandsmitglieder. Er teilte mit, daß der diesjährige Parteitag, der am stärksten besuchte von allen bisherigen Parteitagen sei, ein Umstand, der edlen günstigen Rückschluß zulasse auf das politische Leben in den Vereinen, ein Beweis, daß in weitesten Kressen den Verhandlungen mit großerErwartung entgegengesehen wird.
Es entspMn sich dann zunächst eine sehr eingehende Geschästsordnuugsdebatte über die Frage der Stellungnahme zu den Beschlüssen des jungliberalen Parteitags iu Kaiserslautern. Von altliberaler Seite wurde im Sinne der Letdig'scheu Darlegungen in der Nationalzeitung eine sofortige Aussprache Md Stellungnahme zu der Aufnahme der bayerischen und badischen Organisationen verlangt, da- mtt endlich eine Klärung in der Stellung der Gesamtpartei zu der jungliberaleu Richtung herbeigeführt werde. — Wie der Vorsitzende der Jungliberalen, Dr. Fischer, erklärte, betrachte er die Beschlüsse von Kaiserslautern als gegenwärtig nicht aktuell, weil die Vorbedingung: die Einigung mit den süddeutschen Jungliberalen, infolge der bekannten Vorgänge noch nicht erzielt worden sei. Die Verhandlungen würden fortgesetzt werden, und zwar, wie schon in Kaiserslautern betont wurde, im Zusammenwirken mit der Gesamtpartei. Dr. Fischer erklärte ferner, als Vorsitzender des Reichsverbands der nationalliberaleu Jugend, daß er die weiteren Verhandlungen im Sinne einer vom Geschäfts- führenden Ausschuß des Zentralvorstandes vorgeschlageneu Resolution geführt haben wolle. In dieser Resolution heißt es, daß der Grundsatz gewahrt werden müsse, wonach nur solche Organisationen in die Sesamtpartei ausgenommen werden, die sich satzungsgemäß zu den Grundsätzen der nationalliberaleu Partei bekennen, und daß der Reichsverband als solcher in der Gesamtpartet Vertretung erhält nach Maßgabe der Jnnehaltung der Altersgrenze. — Die Versammlung beschloß auf Grund dieser Erklärung den Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen und die weiteren Verhandlungen mit dem Reichsverbande dem geschäftssührenden Ausschuß zu überlassen. — Es wurden sdann noch wettere Fragen behandelt, die sich mit dem Ausbau unserer Flotte, der Schaffung eines einheitlichen :Vereins- und Versammlungsrechts, der Strafprozeßreform, der Polenfrage und anderer Themen, die im Vordergründe des politischen Interesses stehen. Ferner wurden organisatorische Fragen besprochen. — In später Stunde fanden die Beratungen ihr Ende. Am Abend fand im Saale der „Wartburg" ein Begrüßungsabend statt.
Wotitische HteSerficht.
Der Präsident der bayrische« Kammer der Reichsräte, Fürst Lömerrstei«, hat gleich in der ersten Sitzung der Kammer nach verschiedenen Seiten „angeeckt"
Aöendteuer
des Kntspekter Wraesig von Fritz Reuter.
Als wir in Prenzlau unsere Ankunft gehalten hatten, gehen wir zu Moses Moserithalen. „Herr Moses Mosenthal," sagt Moses Löwenthal, mein Name is Moses Löwenthal aus Wahren." — „„Ach, nehmen Sie doch en Stuhl!"" rief Moses Mosenthal. „„Sie find doch gewiß en Bruder von dem Reichen."" — „Der bün ich selbst", sagt Moses Löwenthal und steht ihm mit großer Ausdrucksvolltgkett an. — »»Ach, nehmen Sie doch zwei Stühle!"" ruft Moses Mosenthal und springt vor Höflichkeit in der Stube 'rum und fährt sich durch dem Haare und zupft an den Vatermördern und zieht schnell ein paar ausrangierte Glacöhandschen M. Nu ging die Komplimentierung von vorne an, und ich kriegte auch einen Stuhl, und Moses Mosenthal machte mir auch 'ne Aufwartung und sagte zu Moses Löwenthalen: „Gewiß ein Herr Onkel von Sie. Ich seh's an die Aehnlichkeit," sagt er; „so hier hemm," und damit zeigt er auf die Gegend, wo mir die jüdischen Vatermörder saßen. Das halt ich nun von die entfamten Biester, die mir schon unterwegs die Ohrläppken durchgescheuert hatten, daß man mir for einen allen Judenonkel ansah. Ich ärgerte mir also nicht schlecht Md grünste mir inwendig, und die andern beiden sprachen übers Geschäft, Md endlich stand Moses Löwenthal auf
und sagte: „NM, wenn die Wull nach Berlin iS, dem muß ich auch nach Berlin." Und somit gungen wir.
„Moses," sag ich, als wir auf der Straße sind, „die Einbildung ist doller als die Pestilenz; und wenn Sie sich einbilden, daß ich in meinen alten Tagen hinter ein paar hundert Zentner Woll ms die wilde Gans'jagd geh, denn schneiden Sie sich. Sie schneiden sich, sag' ich Ihnen, denn ich bin bloß bis Bramborg verakkordiert." — „„Herr Ent- spekter,"" sagt er, „„bedenken Sie, was 'ne Sache ist. Wo heißt verakkordiert? Sie können's tun, Sie können's auch lassen, Sie find ein freier Mmn; aber auf der Eiserbahn ist Berlin ein Rutsch — ein Rutsch hin, ein Rutsch her — Md Berlin ist 'ne metropolitanische Stadt, ist ein Weltkörper, ist ein Kunstwerk in 'ner Sandwüste, ist 'ne Idee von Großartigkeit mit Gasbeleuchtung und Momente von Friedrich den Großen und Oppernhaus, ist 'ne königliche Refidierung mit de verschiedensten Mysterien — kurz eS ist en Punkt auf Erden. Haben Sie gesehn 'ne Eiserbahn? Haben Sie gesehn 'ne Gasbeleuchtung? Haben Sie gesehen en Tiergarten mit wirkliche natürliche Tiere?" " — — „Nein," sag' ich, „Moses, die Eiserbahneu waren dazumalen zu meiner Zeit noch nicht begänge, von 'ner Gasbeleuchtung habe ich nur en Schatten von einer dunkeln Vorstellung und in Hinsicht dessen, was mich von einem Tiergarten vorgekommen ist, so bezieht sich das bloß auf dämliche Dammhirsche, die wie natürliche Ziegen auSsehen. Aber dennoch" — „„Herr Entspekter, lassen Se, lassen Sr! Was kost't's Ihnen?"" ruft Moses. „„Die Diäten bezahl ich.""
Und sehn Sie! so perschwadiert mir dieser Zackermenter von Perduktenhändler in den Postwagen hinein, und wir fahren nach Passow und schließen uns an die Eiserbahn an.
Soll ich Ihnen nun meine Gefühle bei 'ner Eiserbahn Mitteilen, so verlangen Sie das nicht. 'Ne Eiserbahn ist 'ne Eiserbahv und sor einen Unbekannten sehr mit Üeber- raschung, also auch sor mir; denn persönlich hatte ich bis dato ihr nicht kennen gelernt, Md durch Lektüre war ich erst bis anno 1835 gekommen, indem daß ich durch Wobl- gewogenheit von dem Herrn Pastor die Sroßherzoglich Mecklenburgischen Staatskalender beziehe, die deren Erwähnung tu diesem Jahrgange noch nicht tun.
Ich steh also auf dem Parron oder Patron, wie fie'S nennen, da kommt Moses zu mir und sagt: „Herr Entspekter," sagt er und gibt mir en Zettel in die Hand, „hier ist dritter Klaffe, hart aber kühl und Tabakrauchen; wollen Sie aber zweiter Klasse fahren, warum nicht? ES ist da aber sehr heiß Md Tabakrauchen ist verboten; und wollen Sie erster Klasse fahrm, da ist's noch heißer und Sie fitzen verhältnismäßig allein, bloß mü geborene Fürsten und geborene Gardeleutnants." — „„Ja,"" sag' ich „„Moses, soll ich einmal meinen Leichnam dieser Höllenmaschine anvertrauen, denn will ich lieber hart und kühl mit Tabakrauchen dritter Klaffe sitzen, als ohne Tabakrauchen und heiß zweite Klaffe Md mü GardeleutuautS noch heißer erster Klaffe.""
(Fortsetzung folgt.)