81. Jahrgang
Erscheint täglich mit Ausnahme der Bonn- und Festtage
Preis vierteljährlich hier 1 mit Lräger- lohn 1.20 im Bezirksund 10 tw-Berkehr 1.2S im übrigen Württemberg 1.SS MonatSadonnementS »ach BerhältutS.
ksrlljWtt.
Auflage 2KV0.
Ms- M AiM-M D k» Ommts-jW llWld.
JevnsprecHev Wr. 29.
Jern sprechen Wv. 29.
Anzeigen-Sebühr f. d. Ispalt. Zeile auS gewöhn!. Schrift od« deren Raum bet Imal. Einrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Mit dem Plauderstübche» und
Gchwäb. Landwirt.
^ 211
Aagold, Montag den 9. Septernöer
1907
Amtliches.
Bekauutmachuttg,
betr. die Verleihung vo» Feuerwehrdienstehreuzeiche».
Durch Ministerialentschließung vom 22. August 1907 Nr. 13808 ist den nachgenannten Mitgliedern der Feuerwehren zu Böstngen, Ebhausen, Ettmannsweiler, Mindersbach und Rotfelden das Ehrenzeichen für langjährige, treu gelästete Dienste in der Feuerwehr auf Grund des § 1 des
Statuts vom 22 . Novbr. 1898 verliehen worden:
1. August Ehinger, Schneider in Böstngen,
2. Christian Härle, Schuhmacher „ „
3. Christian Kalmbach, Fuhrmann „ „
4. Johannes Mast, Rechenmacher „ „
5. Johann Georg Randccker, Steinhauer „ „
6. Christian Rothfuß, Bauer „ „
7. Martin Steeb, Fuhrmann „ „
8. Gottfried Braun, Schneidermstr. in Ebhausen
9. Josef Braun, Oekonom „ „
10. Jakob Bihler, Schmied in Ettmannsweiler
11. Andreas Frey, Bauer „ „
12. Johann Gg. Kübler, Htrschwirt
(Fmerwehrkommandant) „ „
13. Michael Roller, Bauer „ „
14. Johannes Waidelich, Bauer „ „
15. Michael Zoller, Bauer „ „
16. Christian Dürr, Bauer und Wirt
(Feuerwehrkommandant) in Mindersbach,
17. Johann Friedrich Bachmann,
Zimmermann in Rotfelden,
18. Simon Dürr, Landwirt und Gderat. „ „
19. Johann Georg Hafner, Zimmermann „
20. Johann Georg Marquardt, Landwirt
und Taglöhner „ „
21. Johann Georg Nestle, Landwirt „ „
22. Gottlieb Reichert, Landwirt „ „
23. Georg Jakob Reinhardt, Landwirt „ „
24. Christian Renz, Landwirt, „ „
25. Jakob Friedr. Rothfuß, Landwirt „ „
26. Johann Friedr. Walz, Baumwart. „ „
Es wird dies hiemit öffentlich bekanntgegeben.
Nagold, den 5. Sept. 1907.
K. Oberamt.
Mayer, Reg.-Aff. A. V.
Seine Königliche Majestät haben am 4. Sept. l. I. allergnädigst geruht, dem Oberreallehrer Speer an der Realschule in Baiersbrvnn «in» OberreallehrerSstelle an der Oberrealschule in Heilbronn zu übertragen.
Der Eindruck der Kaiserrede
Die Rede, die der Kaiser in Münster gehalten hat, findet in der Presse weitgehende Beachtung und, wie auch im einzelnen die Urteile auseinandergehen, eine beifällige Aufnahme, die sich je nach der politischen und religiösen Stellung von nüchterner Würdigung
j bis zu begeisterter Zustimmung abstuft. Wir greifen einige I
charakteristische Urteile heraus. Um von links anzufangen, ' o findet selbst der „Vorwärts" nicht den gewohnten aus- älligen Ton; er bezeichnet die „Versöhnungstheorie Wtl- jelrns II. mit den Tatsachen in größtem Widerspruch stehend" und hält ihr gegenüber an der Notwendigkeit des Klassenkampfes fest. Die „Frankfurter Zeitung" steht der Möglichkeit einer Versöhnung der historischen, konfessionellen und wirtschaftlichen Gegensätze zweifelnd gegenüber und hält sich mehr an das persönliche Bekenntnis, das der interessantere Teil der Münsterschen Rede sei. Das Blatt sagt:
„Der Kaiser klagt, daß man ihm oft, bewußt oder unbewußt „bitter weh getan" habe. Man darf ein solches Wort nicht zu gering anschlagen. Ein Mann der nicht bloß dem männlichen Geschlechte angehört, sondern wirklich ein Mann ist, trägt seine Gefühle nicht ohne weiteres zur Schau. Der Kaiser übersieht aber eines: Hat er nicht selber häufig zu wehrhafter Kritik Anlaß gegeben? Wir wollen nicht leugnen, daß bisweilen in solcher Kritik zu viel getan wurde. Aber hat er nicht selbst gar manchen empfindlich gekränkt! Wir erinnern uns einiger Aussprüche . . . Mit der Zeit wird man nicht nur tüchtiger, sondern auch milder. Als Mittel der Milde empfiehlt er die Religion, nicht die Religion in dogmatischem Sinne, aber doch die Religion, wobei er nur an das Christentum denkt. Die Geschichte lehrt uns, daß die geistigen Strömungen beständig zwischen Materialismus und Mystizismus hin- und hergehen. Die Gegenwart zeigt uns wieder einen Ueber- gang zum Mystizismus. Eine innere Einigung kann sich nur auf einem Gebiete vollziehen, das sich einsehen läßt, und darum wird sich der Wunsch des Kaisers, die Deutschen möchten sich untereinander besser vertragen, erst dann erfüllen, wenn man endlich den Glauben ganz und gar dem Einzelnen überantwortet und das Volk in demjenigen schult, was es einsehen kann — in der auf Vernunft begründeten Moral. Aber es verbleibt die Tatsache, daß sein Bild durch den Wunsch zur Milde und durch sein Bekenntnis, daß er sie in seinem Innern übe, liebenswürdiger geworden ist."
Auch der „Schwäbische Merkur" benützt die Gelegenheit zu einer Wertung der kaiserlichen Person; er gibt zu, daß des Kaisers ungeschminkte Art und so manches, was er in Reden und Telegrammen namentlich in den Jahren äußerte, in denen Fürst Bülow ihm noch nicht zur Seite stand, die Kritik geradezu herausforderte, fährt dann aber fort:
„Aber auch das ist richtig, daß diese Kritik seinerzeit nicht nur weit über das Ziel hinausschoß und tatsächlich auch den Eindruck gewollter persönlicher Kränkung machte, den der Kaiser andeutete, sondern daß sie den Monarchen auch heute noch immer unter den Gesichtspunkten betrachtet, zu denen das erste Jahrzehnt seiner Regierung drängte, obwohl er inzwischen ein völlig anderer geworden ist. Und das eine wird vor allem immer wieder vergessen oder jedenfalls zu selten betont, daß wir dem Enkel Wilhelms I. bereits Außerordentliches verdanken. Wenn heute eine kleine, aber in ihrer Straffheft
vorzügliche Wehrmacht auf Nord- und Ostsee schwimmt und
allem Anschein nach demnächst einer neuen Verstärkung entgegensieht. so ist die Schaffung dieses für unfere weltpolitische Zukunft unentbehrlichen Instruments allein der rastlosen, nimmer ermüdenden Tätigkeit des Kaisers und dem Gefühl der ungeheuren Verantwortung, das ihn beseelt, zu danken, wenn wir auf sozialpolitischem Gebiet trotz aller Anfeindungen von der rechten Seite her jene Wege nicht verlassen haben, die, wenn auch unter unausbleiblichen Stürmen, das große Problem der industriellen Arbeiterfrage aus friedliche Weise lösen werden."
Aus einem Artikel der „Allgemeinen Zeitung" heben wir hervor:
„Wer wollte leugnen, daß die Unfähigkeit oder der Mangel an gutem Willen, den Gegner zu verstehen und seinen Motiven gerecht zu werden, die stärkste Wurzel aller Uneinigkeit und Friedlosigkeit um uns her ist? Und so wird man wohl sagen können, daß der Kaiser in Münster ein überaus beherzigenswertes Wort zur rechten Zeit gesprochen hat."
Die „Berliner Neuesten Nachrichten" sind besonders erfreut über die Rolle, die der Kaiser dem deutschen Volke als Kulturvolk zuweist, und führen aus, man brauche es vor der Welt nicht zu verheimlichen, daß wir uns unserer weltpolitischen Stellung voll bewußt sind und unsere nationale Entfaltung mit Gottes Hilfe fortsetzen wollen. Das evangelisch-orthodoxe „Reich" hat folgenden Grund zur Unzufriedenheit:
„Auch der Herrscher hat manchem bitter weh getan im ersten Jahrzehnt seiner Regierung. Jetzt tut uns wieder weh die Entgegenstellung von streng kirchlich dogmatischem und von praktischem Christentum. Gewiß nicht wollen wir ein Dogma, das tot ist, und wirrer kennen an, daß die Kirche oft gefehlt hat, wenn sie nur auf die Lehre sah. Aber mit seinem Wort gegen den kirchlich dogmatischen Sinn hat der Landesbischof vielen seiner Treuesten weh getan."
Dagegen gefällt der „Germania" die Rede „nicht zuletzt gerade wegen ihres offenen religiösen Bekenntnisses", und sie hebt hervor, daß es sich nicht so sehr um eine Absage an den Dogmatismus als darum handelt, daß der Kaiser an ein friedliches Nebeneinanderleben der Konfessionen auf dem Boden des Christentums denkt._
WoMische UeSersicht.
Auf der Haager Friedeuskoufereuz hat die
Landkriegskommisston bei Fortsetzung der Beratung über de» Antrag Deutschlands betreffend die Rechte und Pflichten der Neutralen den Artikel 66, der die Auferlegung von Kontributionen auf Angehörige neutraler Staaten verbietet, mit 13 gegen 11 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen abge- lehnt. Ein französischer Bermittlungsantrag wurde zurückgezogen. Hierauf wurde, nachdem Artikel 67 bis 69 hinfällig geworden, Artikel 70 angenommen, welcher die Rückgabe requirierten neutralen Eisenbahnmaterials verfügt, ebenso, jedoch unter Vorbehalten Englands, Frankreichs, Rußlands und Japans, Artikel 71, der die Requisition neutraler Flußschiffe betrifft. Der Präsident der Kommis-
Ein Geschwisterkind.
von Maximilian Schmidt.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Aber um Himmels willen, was ist denn das?" rief die Landrichterin, als Johann den Pack auf den Tisch legte und das Tuch aufknüpfte.
' „Was zum Eintunken," erklärte er.
„Aber ich sagte Ihnen doch deutlich: Einen Kaffeekuchen, etwas Feines."
„O, d' Semmeln sind auch ganz fein," meinte Johann. „Ich eß 's recht gern zum Kaffee."
„Nun, dann lassen Sie das Tuch nur zu, sie gehören alle Ihnen," sagte die Hausfrau.
„Ja, da sag' i halt: Vergelt's Gott!" erwiderte Johann mit freudestrahlendem Gesicht, „da Hab i ja zwei Tag lang dran z' essen."
„Nun, da braucht man Ihnen keinen guten Appetit mehr zu wünschen," entgegnete die Dame. „Sie können übrigens gehen, ich bedarf heute Ihrer Dienste nicht mehr. Die Köchin wird Ihnen noch einen Topf Kaffee geben, lassen Sie sich denselben schmecken. Aber da Sie alles dem Wortlaute nach zu nehmen scheinen, so bitte ich, verzehren Sie nicht auch den Topf, sondern nur den Kaffee. Haben Sie das auch wirklich begriffen?"
,.Ja, ja, freist," antwortete Johann verlegen und,
selbst in das Gelächter des Küchenpersonals einstimmend, setzte er hinzu: „I bin halt no' a bißl dumm, aber i wer mi schon beffern."
Es schien ihm mit dieser Besserung auch wirklich Ernst zu sein. Er hatte öfter über das Sprichwort seines Herrn „Nichts ist unmöglich" seine Betrachtungen angestellt und dabei kam ihm wiederholt der Wunsch, ein „Vorgesetzter" zu werden. Der Unteroffizier steckte ihm noch immer im Kopfe. Was weiter Nachkommen könnte, das getraute er sich jetzt, da er mit der Sache vertrauter war, freilich nur mehr zu träumen. Und da sein Herr sagte, nichts sei unmöglich, so erbat er sich von diesem Papier und Federn und verwendete alle seine freien Stunden darauf, sich im Schreiben zu üben und die vier Spezies im Rechnen zu lernen, wobei ihm sein Herr gern behilflich war. Eher, als Hans es sich träumen ließ, sollte sein kühner Wunsch erfüllt werden. Krieg war in Sicht, die Nachbarstaaten lagen sich in den Haaren. Bayern machte sich kriegsbereit, neue Bataillone wurden geschaffen, Offiziers- und Unterosfi- ziersstellen waren jetzt leichter zu erringen. Das „halbwegs" genügte. Auch Johann Meiers Rockkragen ward mit der Unteroffiziersborte geschmückt. Seine Treue und Zuverlässigkeit hatten Anerkennung gefunden. Mit der roten Brieftasche unter dem Arm machte er seinem Vetter die erste Aufwartung, um ihm zum Oberleutnant zu gratulieren und sich gratulieren zu lasten.
Mit Krieg und Ausmarsch war es nun nichts geworben,
aber die Chargen warm nun einmal da und Johann blieb wohlbestallter Unteroffizier.
Sein Vetter Felhuber war aber auch nach anderer Richtung hin avanciert, nämlich in der Gunst seiner Angebeteten und ihres Papas, des Generals; der Verlobungstag war bereits festgesetzt.
Da traf eS sich, daß am gleichen Tage — es war in der Pfingstwoche, Unteroffizier Meier das erstemal als Ordonanz zum Festungskommandanten beordert wurde. Auf dem Wege zur Kommandantur, kurz vor 8 Uhr morgens, begegnete er dem festlichen Zuge, welcher dem soeben zur Spendung der Firmung anwesenden Bischöfe zum Dome das Geleite gab. Das interessierte den Hans ungemein, denn derselbe Kirchenfürst hatte auch ihn vor etwa 10 Jahren gefirmt, und die Erinnerung an jenm für ihn unvergeßlichen Tag tauchte lebhaft vor ihm auf. Mit weü aufgesperrtem Munde sah er lange dem Zuge nach. Er vergaß ganz seinen Dienst. Da schlug es 8 Uhr. Er erschrak heftig und lief jetzt mehr, als er ging, zur Kommandantur, um sich in der ebenerdigen Dienstkanzlei des Generals zu melden. Er war 5 Minuten zu spät gekommen. Der General, an die größte Pünktlichkeit gewöhnt, donnerte ihn deshalb in einer Weise an, daß er seine Meldung nur stotternd und mit Not herausbrachte und sich dann auf das „Kehrt" ganz taumelnd nach dem Wartezimmer zurückzog. Aber unheilvolle Ahnungen beschwerten ihm daS Herz.
(Fortsetzung folgt.)