81 . Jahrgang.
Auflage 2600.
Erscheint täglich mit Ausnahme der Gönn- und Festtage.
Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger, lohn 1.20 *4, im BezirkS- und 10 Lw Verkehr I.Lö »«, im übrigen Württemberg 1.85 MonatsabonnementS nach Verhältnis.
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JerrnfpvecHer.- Wv. 29.
Jernspvechev Wr. 29.
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Mit dem Plauderstübche» und
Gchwäb. Landwirt.
^ 207 Hlagold, Mittwoch den 4. September 1907
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die Königstreue und das Andenken an die Vergangenheit zu stärken, Vorbilder der Jugend zu sein und als ihre Vorbilder zu wirken. Den Pokal, gefüllt mit deutschem Wein, trinke ich aus das Wohl der Grafschaft Tecklenburg." Am Sonntag vormittag fand auf dem Neuplatz beim Schloß in Münster unter strömendem Regen Feldgottesdienst in Gegenwart des Kaisers statt. Später besichtigte der Kaiser den Friedenssaal im Rathaus in Anwesenheit des Oberbürgermeisters und des Stadtverordnetenvorstehers. Um 11'/» Uhr erfolgte die Abreise nach Berlin.
Die französischen Minister waren am Sonnabend nachmittag bei dem Präsidenten Fallisres in Rambouillet zu der angekündigten Beratung beisammen. Die Minister Pichon, Picquart und Thomson machten Mitteilung über die aus Tanger, Casablanca, Fez und anderen Orten vorliegenden Depeschen. Der Ministerrat war in allen Fragen vollständig einer Meinung. Es wurde unverzüglich ein Telegramm, in dem die Ansicht der Regierung dargelegt wird, an General Drude abgeschickt. Im übrigen Unterzeichnete Falliäres eine Anzahl Dekrete betreffend Beförderungen, sowie Verleihung des Ordens der Ehrenlegion und der Militärmedaille an Marineoffiziere und Seeleute, die sich bei Casablanca durch Mut auSzeichueten oder verwundet wurden. Nebenbei bemerkt, ist die Regierung gegenwärtig auch damit beschäftigt, die Vorschläge betreffend Belohnungen für Angehörige der Armee und des auswärtigen Dienstes zu prüfen. — Aufsehen erregt in Paris die Verhaftung eines höheren Zollbeamten am Bahnhof Saint-Lazare, dem zur Last gelegt wird, zugunsten eines Pariser Speditionshauses Fälschungen in den Büchern vorgenommen zu haben. Der Verlust, den die Zollverwaltung erleidet, wird auf eine Million Frank geschätzt. — Wie die Blätter aus Cherbourg melden, ist im dortigen Hafen eines jener Mikrophone abhanden gekommen, die bestimmt find, in Kriegszeiten die Annäherung von Kriegsschiffen zu melden. — Die Zeitung „Cry de Paris" hat von einem ungenannten Geber 15 000 Frank erhalten, die dem Sozialisten Hervö zur Verfügung stehen sollen, wenn er einwilligt, ein Jahr lang in Deutschland antimilitaristische Propaganda zu betreiben.
Türkische Truppen hatten bei Rakle im Wilajet Monastir mit einer bulgarischen Bande einen Kampf zu bestehen. 17 Mann der Bande wurden getötet. Die Kon- stantinopeler Blätter bemerken zu dieser Meldung, daß die Banden dank den Bemühungen der Truppen in keinem Teil der drei Wilajets sich mehr halten können. — Nach einer auf amtlichen Mitteilungen beruhenden Zusammenstellung über das Bandenunwesen in Mazedonien haben im Monat Juli a. St. (bis 13. August) nenn Kämpfe mit bulgarischen Banden stattgefuuden, wobei 143 Komitatschis getötet wurden, und mit griechischen Banden vier Kämpfe, wobei 45 Komitatschis getötet wurden. Zur energischen Bekämpfung der Banden werden binnen einem Monat sechs Jägerbataillone zu 800 Mann neu errichtet, die als fliegende Kolonnen und Patrouillen verwendet und sorgfältig ausgewählten Offizieren unterstellt werden sollen. — Die Entsendung des Ministers des Aeußern Tevfik Pascha an die europäischen Höfe soll
aufgegeben sein. Es heißt, man werde sich auf einen Protest
gegen die auf der Haager Friedenskonferenz bezüglich des ständigen Schiedsgerichts vorgeschlagene Einreihung der Türkei in die zweite Staaten-Kategorie beschränken.
Dem Staatsdepartement in Washington ist
seitens aller mittelamerikanischen Republiken mit Ausnahme von Guatemala telegraphisch der Dank für die Bemühungen der Präsidenten Roosevelt und Diaz zur Sicherung eines dauernden Friedens ausgedrückt worden. Alle glauben, daß die Bemühungen erfolgreich sein werden. Eine bestimmte Antwort ist bis jetzt allerdings nur von Salvador eingegangen, welches die angebotenen, guten Dienste annahm. — Das Bundesgericht der Vereinigten Staaten ist ersucht worden, an 18 Eisenbahnen, die von Chicago ausgehen, ein gerichtliches Verbot zu erlaffen, am 1. September einen neuen Tarif in Kraft treten zu lassen, der, wie behauptet wird, die Kläger, Eigentümer von Molkereien in verschiedenen Teilen der Vereinigten Staaten, ernstlich schädigen würde.
H^oLiLische HlebersichL.
Beim Kaiser in Münster hat am Freitag abend Paradetafel und am Sonnabend Tafel für die Provinz Westfalen stattgefunden. Beide Festlichkeiten wurden im Landesmuseum abgchalten. Auf der Paradetafel brachte der Kaiser einen Trinkspruch mit dreifachem Hurra auf das westfälische (7.) Armeekorps aus, das seine außerordentliche Zufriedenheit erworben habe, der kommandierende General Freiherr von Vissing dankte und sagte dabei u. a.: „Das Regiment Freiherr von Sparr (3. westfälisches) Nr. 16 wird im Volksmund „Die Hacketeuer" genannt und nennt sich selbst so mit Stolz. Nun — das ganze 7. Korps — wenn Majestät uns in ernster Zeit gebrauchen will, wir wollen Hacketeuer sein." Der General brachte dann ein dreifaches Hurra auf den Kaiser aus. Bei der Tafel für die Provinz Westfalen hielt der Kaiser einen Trinkspruch auf die Provinz, worauf der Oberpräsident von der Recke mit dem Kaiserhoch antwortete. Vor dem Diner hatte der Kaiser eine Abordnung des westfälischen Bauernvereins im Schloß empfangen. Die Stadt Münster war am Abend des Sonnabend wieder glänzend illuminiert. Am Sonnabend mittag hatte der Kaiser in dem Bergstädtchen Tecklenburg geweilt, um an der Jubelfeier der 200- jährigen Zugehörigkeit der Grafschaft Tecklenburg zu Preußen teilzunehmen. Begleitet war der Kaiser auch hier vom Kronprinzen, den Prinzen Eitel Friedrich und Oskar. In Tecklenburg hielt der Landrat Belli bei einem Huldigungsakt im Hof der Schloßruine eine Ansprache an den Kaiser, in der er darauf hinwies, daß der Grafschaft die Zugehörigkeit zu Preußen zu großem Segen im Handel, in der Industrie, besonders auch dem Bergbau, und in der Landwirtschaft gediehen sei. Der Kaiser sprach der Grafschaft seine Glückwünsche zur heutigen Jubiläumsfeier aus und sagte dann u. a.: „Das kaiserliche Banner ist in den deutschen Landen wieder aufgerichtet und der germanische Aar schwebt über dem Reich, seine Flügel ausbreitend. In ihm rufen die Germanen: 8 ud umdru alar-um tuarum xrotsZs NOS. Die hier versammelten Vereine, Kriegervereine und Veteranen, das sind die Männer gewesen, die in der heißen Zeit des Jahres 1870 die Kaiserkrone aus dem Feuer der Schlachtfelder gewonnen haben, und die mit dem großen Kaiser zusammen das deutsche Reich wieder zusammengeschmiedet haben. An Ihnen ist es, die Eindrücke der großen Zeit zu bewahren, die Sie mit meinem Großvater erlebt haben, sie auf die jüngeren Generationen zu übertragen, in Dörfern und Städten, wo Sie sich auch befinden,
Uages-Hleuigüeiten.
Au» Gtadt «ch Land.
Nagold, 4. September
Bezirksmissiousfest. Das am letzten Sonntag in hiesiger Stadtkirche abgehaltene Missionsfest war von auswärts ziemlich gut besucht, insbesondere hatten sich die Mtsstonsfreunden aus den Waldgemeinden zahlreich eingefunden — ein erfreuliches Zeichen davon, daß der Sinn und das Interesse für die Heidenmisston noch rege ist. Dies ist auch zu ersehen aus dem Gabenverzeichnis vom letzten Rechnungsjahr, das den Festgästen gedruckt eingehändigt wurde. An Legaten, Sammlungen, Gemeinschasts- und Kirchenopfern gingen zusammen ein 6743 dazu kommen die Ergebniffe der Halbbatzenkollekte im Bezirk mit 4591 ansehnliche Summen, die hauptsächlich der Basler Mission zugute kommen. Es ist sehr wünschenswert, daß die Opferwilligkeit für die Zwecke der Mission anhält, denn überall stehen den Missionaren die Türen offen. Da, wo sie in früheren Jahren unter großen Gefahren eindriugen mußten, ist jetzt reges Verlangen erwacht, namentlich beidenNeger- stämmen im Innern Afrikas. Mag auch der Wunsch, europäische Bildung zu erlangen, im Vordergründe stehen, so sind die Herzen für die Hetlswahrheiten des Christentums zugleich auch empfänglich. Dekan Römer betonte in seiner Eingangsansprache den Kern der christlichen Lehre in Anlehnung an 2. Korinth. 5, 19—21: „Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber. So bitten wir nun an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott." Missionar Schaible knüpfte seine Ausführungen an den Misstonsbefehl des Herrn: Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur. Er berichtete über den Fortgang des Misstonswerkes in Indien und schilderte die religiösen Bewegungen im großen indischen Reiche, das von 300 Millionen Menschen bewohnt wird, die Arbeit der christlichen Missionare, die Ausbreitung des Islam (der
„Wenn ich wegzieh' . . ."*)
Immer stimmt's nicht, was der alte Reim von unfern lieblich zwitschernden Hausgenossen sagt: „Mariä Geburt ( 8 . Sept.) — Ziehen die Schwalben furt, — Mariä Verkündigung (25. März) — Kommen sie wiederumb." Der Abschiedstermin der Schwalben ist meist etwas später, wenigstens für unsere Heimat, und auf die Ankunft der Frühlingsboten müssen wir in der Regel bis tief in den April warten. Aber das Volk nimmts nicht so genau. „Muttergottesvögelchen, Frauenvögelchen, Vögel der Madonna" heißen die fast heiligen Schwälbchen in manchem deutschen Gau, und so glaubte man wohl, daß auch in ihrem Kalender die Marientage rot angestrichen seien, die ihnen Glück verheißen sollen, sowohl bei der Ankunft, wie bei der Abreise.
- ^ Namentlich im Herbst 1905 hatten sich die Schwalben fast überall m Deutschland außerordentlich verspätet, vielfach zu ihrem Verderben. Denn unter der rauhen Witterung, dw Anfang Oktober so plötzlich eintrat — meine verregneten Herbstserien damals, vom 30. Sept. bis zum 8 Oktober werde ich so leicht nicht vergessen - litten die armen Tiere großen Mangel an Nahrung; viele von ihnen waren so ermattet, daß sie die weite Reise nicht antretcn konnten, und so sah ich hier in Dresden selbst noch am 20 .
') Mit Genehmizun, de» Dürer-Bunde» entnommen au» dem Werke: Martin Braeß, Tiere unserer Heimat, Verlag von E»,ra D. «. Callwey, Pr, i» S ^ "
Oktober einige Rauchschwalben, die den Anschluß gründlich verpaßt hatten.
So gut wie ihren Schwestern in Luzern tst's ihnen bei uns nicht ergangen; dort wurde den Schwalben zwar nicht gerade ein Sonderzug nach dem warmen Süden gestellt, aber die Eisenbahnverwallung gewährte den mittellosen Reisenden freie Fahrt durch den St. Gotthard. Viele Leser werden sich wohl noch der reizenden Nachricht entsinnen, die damals die Runde durch alle Lagesblätter machte. Die ornithologische Gesellschaft in Luzern ließ am 12 . Oktober abends, als die zurückgebliebenen Schwalben ihr gemeinsames Nachtquartier bezogen hatten, 200 Stück der ziemlich ermatteten Tiere sammeln; man verpackte sie in der achten Stunde in Körbchen, die mit Watte ausgepolstert waren — sie sollten also höchst anständig reisen, nach menschlichen Eisenbahnbegriffen mindestens zweiter Klaffe und brachte sie so zur Bahn. Um 10 Uhr traten sie ihre Reise an. Bis auf drei Stück trafen sie auch ganz wohlbehalten in Chiaffo ein, wo sie am Morgen freigelassen wurden. Ein zweiter Transport von 80 Stück folgte in der Nacht vom 20. zum 21. Okt. Ja selbst von Speyer aus wurden um dieselbe Zeit 1500 Schwalben mit der Bahn versandt; trotz der langen Fahrt nach dem entfernten Chiaffo gingen nur 40 Stück ein, obgleich der Zug keinen Schwalbenspeisewagen führte.
Was sie wohl gedacht haben mögen, die kleinen Reisenden, als sie sich munter erhoben in die sonnendurchwärmte Luft des Südens? Das Fauchen unh Stampfen der Lokomotive wird ihnen gewiß noch ein Weilchen im Kopf herum-
gegangen sein, aber gedacht haben sie sich gewiß nicht eben viel. Mit dem ersten Dutzend Mücken war wohl alles vergessen - hoffentlich wenigstens; denn wenn sie fich's merken würden, wie bequem man's ihneu gemacht hat, nach Italien zu kommen und namentlich wenn sie's auch andern gefiederten Reisenden erzählen würden, wir Vogelfreunde hätten dann wahrhaftig vom August an länger als ein Vierteljahr nichts anderes zu tun, als die modernen Herren Vögel samt ihren Damen zu verpacken und einzuwaggonieren, und die Bahnverwaltungen müßten noch mehr Sonderzüge einlegen, als zu Pfingsten. Hoffen wir also, daß unsre Zugvögel ihre alte Methode nicht aufgeben, sondern „Zugvögel" bleiben in der hergebrachten Bedeutung des Worts.
Schwalben kurz vor dem Abzug sind mir immer ein wehmütiges Stimmungsbild. Dicht gedrängt sitzen sie aus Dächern und Telegraphendrähten, auf Erdhaufen, selbst aus den Wegen, wo man sie sonst selten bemerkte. Nur ungern lasten sie sich aufjagen, und bloß ein kurzes Stück fliegen sie fort, um dann sogleich wieder ihren alten Platz einzunehmen und die unterbrochene Zwiesprach sortzusetzen. Abends tragen ihre leichten Schwingen sie nach einem nahen Teich oder Sumpf, wo sie sich niederlaffen im hohen Schilf; am nächsten Morgen find sie verschwunden. Nur noch ein paar sind zurückgeblieben, vielleicht wegen verspäteter Brut; vereinsamt jagen sie durch die Dorfstraße. Sie werden sich wohl ihren Schwestern aus der Nachbarschaft anschließen, die ihren Abschied noch um einige Tage verschoben haben.
(Schluß folgt.)