81. Jahrgang«

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich tzter 1 mit Träger« loh» 1.20 im «ezirkS- und 10 Lw-Berkehr 1.28 tm übrigen Württemberg 1LS VlonatSabonnementS »ach BerhältuiS.

Ms- md Imchk-ölM fir dm GemkÄmk UWld.

Meienfprechev Av. »V.

Imensp^echev M». >V.

Auflage 2K00.

Anzeigen-Eebühr f. d. Ispalt. Zeile a«S gewöhnl. Schrift »der deren Raum bet Imal. Einrückung 10 H» bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Mit dem Plauderstübcheu und

«chwäb. Landwirt.

^ 202

Magold, Donnerstag dm 29. August

1907

Amtliche-.

Erlaß Ke« K. Mi»isteri»«s des Jsser» a» die S. Saffe»- ßrle« i« Departemeit de- J»»er», die K. Stadtdirektiou Stuttgart uud die S. OberLuter, betr. die Haudhabuug der Vesti»m»»geu über die Behaudluug der grwaltsa« de- schSdigte« echte» ReichS«Suzeu.

Vom 19. IM 1907. Nr. 11897.

Um die Unzuträglichkeiten tunlichst einzuschränken, welche durch eine zu strenge Handhabung der Bestimmungen über die Behandlung der gewaltsam beschädigten echten Reichs­münzen und insbesondere durch ein zu strenges Verfahren der öffentlichen Kassen beim Einschneiden der unterwertigen Scheidemünzen erwachsen können (z. vergl. Beschluß des Bundesrats vom 24. März 1876 Ziff. Il Abs. 1 und 3, Reg.-Bl. S. 280 ff., Beschluß des Bundesrats vom 13. Dezember 1877, Reg.-Bl. 1878 S. 15), werden den Kaffen- stellen des Departements des Innern auf Anregung des Reichsschatzamts folgende Weisungen erteilt.

1) Die nicht erheblich beschädigten echten Münzen sind zum Nennwert anzunehmen und, sofern die Beschädi­gung nicht so geringfügig ist, daß hierdurch die Um- laufsfähtgkeit nicht beeinträchtigt wird, an das K. Münzamt oder die K. Staatshauptkasfe in Stuttgart behufs Abführung an das Münzmetalldepot des Reichs abzuliesern.

2) Eine milde Handhabung der oben genannten Bestim­mungen hat besonders auch dann Platz zu greifen, wenn die Beschädigung erweislich durch einen Brand erfolgt ist.

3) Bestehen Zweifel über die Einlösbarkeit einer beschä­digten Münze, so ist diese, namentlich wenn es sich um eine Goldmünze handelt, nur unter Vorbehalt der Einlösung anzunehmen und an das K. Münzamt in Stuttgart zur Weitergabe an das Münzmetalldepot des Reichs behufs Entschließung über die Annahme einzusenden.

Bemerkt wird noch, daß solche erheblich beschä- schädigte echte Reichsmünzen (z. B. durchlöcherte, an­geschnittene oder abgefeilte), welche nach den erwähnten Bestimmungen durch Zerschlagen oder Einschneiden für den Umlauf unbrauchbar zu machen und dem Ein­zahler zurückzugeben wären, auf Wunsch des Eigen­tümers an das K. Münzamt in Stuttgart einge­sendet werden können, welches den Metallwert ersetzen wird.

Stuttgart, den 19. Juli 1907.

K. Ministerium des Innern.

Pischek.

Die dem Oberamt unterstehende» öffentlichen Kaffe» des Bezirks werden veranlaßt, gemäß den vor­stehenden Anordnungen auch ihrerseits zu verfahren. Nagold, den 27. Aug. 1907.

K. Oberamt. Ritter.

Bekanntmachnnge» der K. Zentralstelle Ausbildung von Hafner«.

Die Angehörigen des Hafnergewerbes werden darauf aufmerksam gemacht, daß an der keramischen Abteilung der Lehr- und Versuchswerkstätte der K. Kunstgewerbeschule in Stuttgart Gelegenheit zur kunstgewerblichen und technischen Weiterbildung im Hafnergewerbe gegeben ist. Die Einricht­ungen dieser Anstalt eignen sich insbesondere auch zur Unter­weisung in der einfachen Geschirr- und Ofenhafnerei. Im kommenden Winter würde in der Werkstätte besonders das Freidrehen und Verzieren einfacher Gefäßformen, sowie die Behandlung von Ofenkacheln mit Sckmelzglasuren betrieben werden. Die Anstalt ist bereit, Angehörige des Hafnerge­werbes zu den üblichen Bedingungen als außerordentliche Schüler in die keramische Werkstätte aufzunehmen. Das Schulgeld beträgt für das Halbjahr 30 Da die Hafner aber erfahrungsgemäß oft nur eine kurze Dauer von ihrem abkommen können, so wird in einem solchen Fall nicht das ganze Schulgeld, sondern nur die entsprechende Rate berechnet werden. Anmeldungen sind an die K. Lehr- und Versuchswerkstatte in Stuttgart, Senefelderstraße Nr. 45, zu richten. > > ^ ,

Unbemittelten Meistern und Gesellen des Hafnerhand­werks des Landes/ welche zum Zweck ihrer Weiterbildung in die Werkstätte als außerordentliche Schüler eintreten ge­währt die Zentralstelle für Gewerbe und Handel nach Maß­gabe der zur Verfügung stehenden Mittel, auf besonderes Ansuchen Beiträge zu den Kosten.

Stuttgart, den 13. Aug. 1907.

K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel In Vertretung: Mayer.

Seine Königliche Majestät habe» am 38. August d. I. aller- gnädigst geruht, den evangelischen Pfarrer RooS in Mötzinge» seinem Ansuchen gemäß in der Ruhestand »u versetzen und ihm bei diesem Anlaß da» Ritterkreuz I. Klaff» des FriedrichSorden» ,u verleihen.

Srine Königlich» Majestät haben am 2S. August l. I. aller­gnädigst geruht, den Postfekretär Beißer bei dem Postamt Nr. 1 in Stuttgart ,um Postmeister in Herrenalb und den Obrrpostasfi- strnten Hartmann in Nagold zu« Postfekretär zu befördern.

Die Aranzofen imWespennest".

Aus Paris wird derDfztg." geschrieben: Halb zog sie ihn, halb sank er hin. Sie? Die Gründerpreffe. Er? Der kleine Pichon. Er wehrt sich mit Händen und Füßen gegen jede Eroberungspolitik, gegen jede Verletzung des Vertrags von Algeciras. Aber die Berichterstatter der großen Boulevardblätter schildern von Casablanca aus die Lage des Generals Drude als immer ernstlicher gefährdet und sie fordern im Namen der braven Krieger, die seit vierzehn Tagen in ermüdender Defensive ausharren, immer dringlicher Verstärkungen, damit der Generalsich Luft machen" könne. Der patriotische Angstschrei dieser Gutgesinnten regt natürlich die öffentliche Meinung auf, und so gehorcht der kleine Pichon nur der Volksstimme, wenn er seiner bekannten ur­sprünglichen Absicht zuwider immer mehr Streitkräfte in den marokkanischen Abgrund schleudert. Man denke nur: die fanatischen Mauren ließen sich bisher durch keinen Miß­erfolg ihrer Waffen entmutigen, sie kehren immer wieder zum Angriff zurück und in immer verstärkten Heerhaufen. Englische Sensationsdepeschen behaupten sogar, die Franzosen seien in ihren Stellungen um Casablanca herum derartig eingekreist, daß man sie als belagert ansehen könne. Nun sollen sogar noch zwei Brüder des Sultans gegen Casa­blanca d. h. gegen die dort kampierendenRumis" im Anmarsch sein, der Prinz Mulay-Hafid von Marrakesch aus und der Prinz Muley-Mohammed von Fez her. In der Gegend von Mogador soll der fanatische Marabut Ma-el- Ainin mit seinenblauen" Kriegern wieder aufgetaucht sein und denheiligen Krieg predigen". Kurzum das Bom­bardement von Casablanca hat bis jetzt seinen Zweck ver­fehlt, wenigstens den harmlosen Zweck, den ihm Pichon und seine Offiziösen beilegen zu müssen glaubten: es hat nicht eingeschüchtert noch auch Ordnung und Sicherheit geschaffen, sondern im Gegenteil Handel und Wandel vernichtet und ein längeres Verweilen der Europäer unmöglich gemacht. Der Rückzug der französischen Truppen und Kriegsschiffe würde höchst wahrscheinlich für sämtliche Christen und Juden, die sich noch an den marokkanischen Küstenplätzen aufhalten, das Todesurteil bedeuten.

Angesichts solcher Situation ist an ein Zurückweichen nicht zu denken, und andererseits ist von dem Verharren in der Defenfivstellung bei Casablanca nicht der geringste Er­folg zu hoffen. Wohl oder übel werden die Franzosen ihre Aktion ausdehnen müssen. Es fragt sich nur: wie weit? Offenbar ist es Spiegelfechterei, wenn die Gründer- Presse, deren Brotherren die Eroberung oder wenigstens das Protektorat anstreben, nur von einem Vormarschauf wenige Meilen",auf zehn bis zwanzig Kilometer" spricht. Was soll damit erreicht werden? Die Kabylen, die sich schon jetzt unter dem Feuer der Kriegsschiffe mit todverachtendem Fanatismus aus die Stellungen der Franzosen werfen, werden sich gewiß nicht weniger tapfer und nicht weniger angriffslustig zeigen, wenn der General Drude sich erst einmal aus dem Schußbereich der Marine-Artillerie ins Innere hinein vorgewagt hat. Und soll der General etwa nach einem Marsch von zwanzig Kilometern wiederum HM machen, abermals eine Defensivstellung etnnehmen? Dann würde er sich nach wenigen Tagen aufs neue eiugekreist und belagert" sehen, aber unter noch ungünstigeren Bedingungen, als gegenwärtig bei Casablanca. Somit bleibt den Fran­zosen gar keine Wahl. Nachdem sie einmal bombardiert und Truppen gelandet haben, hilft ihnen die Fiktion nichts, daß sie nach wie vor mit dem Maghzen auf friedlichem Fuß stehen. Sie haben den Volkskrieg gegen sich entfesselt, und wenn sie auch fortfahren, mit der Scheinregierung und dem Schattenkaiser in Fez diplomatisch zu verhandeln, sie müssen trotzdem gegen die Eingeborenen mit Waffenge­walt Vorgehen, so lange und so weit sie noch, auf bewaff­neten Widerstand stoßen. Das hat ihnen seit Jahren alle Welt vorausgesagt und das haben sie selber wohl gewußt, aber schlecht beherzigt. Jetzt haben sie, wie die Pariser Blätter es nennen, indas Wespennest" gegriffen und sie muffen dieses Wespennest ausbrennen. Ins Militärisch-Po­litische übersetzt heißt das: sie müssen mit größter Beschleu­nigung Verstärkungen nach Casablanca schicken, aber nicht in kleinen Paketen", sondern gleich in ausreichender Menge,

um mit Zuverficht vorrücken und hinter sich die Etappen­

straßen besetzen zu können. ^ ^ ,

Diese Zwangslage ist so unverkennbar, daß es einfach lächerlich erscheint, wenn die seit einigen Tagen versammelten Generalräte die französischen Provinziallandtage allenthalben Resolutionen gegen den Eroberungskrieg votieren, noch lächerlicher, wenn der Senator Ranc, ClömenceauS Intimus, in derAurore" diese Protestresolutionen als Beweis der maßvollen und uneigennützigen Politik der Republikaner verwerten will. Ihre Uneigennützigkeit haben die Freunde des Herrn Ranc später zu erhärten, bei der internationalen Schlußabrechnung aber vorläufig müssen sie sich der Wespen erwehren, die sie mehr oder minder mut­willig aufgescheucht haben. Uebrigens sind die Resolutionen der Generalräte wie die Artikel derAurore" Md wie Pichons offiziöse Beschwichtigungsnoten unzweifelhaft nur auf ihre Wirkung in die Ferne berechnet, sie sollen die Mitintereffenten am Pakt von Algeciras bei guter Laune erhalten. Praktisch werden alle diese französischen Kund­gebungen widerlegt durch die Handlungen derselben Staats­männer, auf deren Initiative sie zurückzuführen sind. Die Minister Pichon, General Picquart, Thomson, sowie der Unterstaatssekretär Maujan hielten neulich lange Beratungen, in denen er sich ausschließlich um die Situation in Marokko und um die von General Drude geforderten Nachschübe handelte. Ein Teil der letzteren ist bereits von Algier und Oran aus unterwegs und am Sonntag, wenn Herr Clemen- ceau wieder hier auf seinem Posten eintrifft, wird der Ober­befehlshaber in Casablanca die ihm ursprünglich mitgegebenen Exekutionskompanien bereits zu einem vollständigen Expe­dittonskorps verstärkt sehen. Mt der Zeit wird eine ganze Armee daraus werden, vielleicht gar die ganze Armee der Republik. Da die Franzosen trotzdem laut Pichon und Ranc unverbrüchlich an dem Pakt von Algeciras fest- halten, so ist wirklich nicht einzusehen, weshalb Deutschland sie hindern und ihren Tatendrang mäßigen sollte.

HfoMffche Hleberficht.

Die Heeresverwaltung strebt angesichts der Tat­sache, daß der Alkoholgenuß die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit des Menschen beeinträchtigt, was bet einer eintretenden Mobilmachung ganz besonders zu beachten ist, ernstlich danach, für diesen Fall den ins Feld abgehenden Truppen den Alkoholgenuß zur Unmöglichkeit zu machen. Der Zweck dieser Absicht ist die Erzielung einer höchst schlag­fertigen und leistungsfähigen Armee. Durch Vernehmung der Behörden untereinander ist kürzlich in dieser Richtung ein bedeutender Erfolg erzielt worden, indem eine Anzahl deutscher Eisenbahnverwaltungen angeordnet haben, daß in sämtlichen Bahnhofswirtschaften des Betriebsbereichs schon vom ersten Mobilmachungstag an alkoholhaltige Getränke nicht mehr verabreicht werden dürfen. Dagegen sollen Kaffee, Tee, Bouillon, Kakao, Schokolade, Limonade, Mineralwasser uud dergleichen in genügenden Mengen bereit gehalten werden.

Nachdem der polnische Schulstreik jetzt völlig beendet ist, läßt die Regierung gegen Eltern und Kinder Milde auf der ganzen Linie walten. Sie hat, nach einer Meldung der Voss. Ztg., angeordnet, daß die 14jährigen Schulkinder, die wegen Teilnahme am Schulstreik in der Schulpflicht zurückgehalten wurden, jetzt sofort entlasten werden. Ebenso sollen die von der Versetzung ausge­schlossenen Schüler nachträglich den höheren Klaffen zuge­teilt werden.

Der französische Ministerpräsident Clömeneea«

,hat nach einer Meldung desFigaro" erklärt, daß seine Unterredung mit dem König von England eine Stunde ge­dauert und nicht nur eine völlige Uebereinstimmung zwischen den Anschauungen Englands und Frankreichs, sondern auch bezüglich der friedlichen Anschauungen aller anderen Natio­nen ergeben habe.

I« Portugal find am Sonntag gemäß dem Dekret über die Sonntagsruhe viele Etablissements geschloffen worden. Da, wo die Schließung nicht erfolgt ist, verhielt sich die Polizei entgegenkommend. Zwischenfälle find nicht vorgekommen. Im Amtsblatt ist ein Dekret über die Reorganisation des obersten Rats für das öffentliche Unter­richtswesen veröffentlicht worden. Nach demselben dürfen zu Mitgliedern dieses Amts 16 ausländische Lehrer gewählt werden, und zwar zehn für das Elementar- und sechs für das Gymnafial-Unterrichtswesen.

Der Bali von Saloniki hat nach Konstanttnopel gemeldet, daß drei griechische Kaufleute bei Karaferie von einer Bande ermordet worden find. Man vermutet, daß diese Bande aus Albanesen, Bulgaren und Kutzowalachen bestanden hat.