81. Jahrgang.

Auflage 2600.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Bonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1 mit Träger­lohn 1.30 im BezirkS- und 10 kw Berkehr 1.28 im übrigen Württemberg 1 .S 8 MonatSabonnementS nach Verhältnis.

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Schwab. Landwirt.

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Zur gesetzliche« Regelung des Antomobil- weseus wird die wirtschaftliche Vereinigung des Reichstags, wie man den Leipz. N. Nachr. schreibt, einen bemerkens­werten Antrag einbringen. Von dem Grundsatz ausgehend, daß bei den durch Automobile verursachten Unglücksfällen nicht das Automobil selbst, sondern die Automobilisten Schuld haben, soll die gesetzliche Bestimmung erstrebt werden, daß jeder Antomobilbesitzer verpflichtet ist, dafür zu sorgen, daß sein Kraftwagen mit einem Verbandskasten ausgerüstet ist, damit bei Unfällen an Ort und Stelle Hilfe geleistet werden kann, bis ein Arzt eintrisft. Analog hierzu müsse jeder Chauffeur einen Kursus in der Krankenpflege absolviert haben. Dann solle gesetzlich fcstgelegt werden, daß die Chauffeure Abstinenzler seien, resp. nach Möglichkeit den Alkoholgeuuß meiden. Automobilbesitzer, welche den Alko­holgenuß der Chauffeure fördern, sollen bestraft werden.

Eine außerordentliche abessinische Gesandt­schaft an den deutschen Kaiser befindet sich zurzeit an Bord des ReichspostdampfersPreußen" vom Norddeutschen Lloyd, der am 31. August in Hamburg eintreffen wird. Der Führer der Gesandtschaft ist der abessinische Kriegs­minister, begleitet von dem Handelsminister und großem Gefolg. In Neapel wurde der Kriegsminister im Auftrag des italienischen Königs von einem General begrüßt, der dem Minister seinerzeit in der Schlacht von Adua gegen- Sbergcstanden hatte. Unter den prachtvollen Geschenken für den Kaiser (der König von Italien erhielt zwei Leoparden) ragen zwei über zwei Meter hohe Elefantenzähne besonders hervor. Wie es heißt, soll die Mission in Deutschland Ab­schlüsse für Eisenbahnbauten in Abessinien vornehmen. Von Berlin wird sich die Gesandtschaft nach Wien und Kon­stantinopel begeben.

Aehrenthal und Tittoni, Oesterreich-Ungarns und Italiens Minister des Auswärtigen, haben in diesen Tagen eine Zusammenkunft aus dem Semmering gehabt. Bereits am Donnerstag nachmittag ist Tittoni in Begleitung des Botschafters, Herzogs von Avarna, der ihm Pis Bruck an der Mur entgegengereist war, auf dem Semmering einge­troffen. Am Abend fand in der von Herrn und Frau von Aehrenthal bewohnten Villa Helmer eine Souper statt. Freitag gedachten Freiherr von Aehrenthal nnd Tittoni eine Aulomobilfahn nach Schloß Strelitzhof zu dem Bot­schafter am Quirinal, Graf Lützow, zu unternehmen und am Abend nach dem Semmering zurückzukehren. Eingehende Besprechungen über die politische Lage werden zweifellos bei dieser Zusammenkunft der beiden Minister gepflogen. Tittoni reift erst Sonnabend vom Semmering wieder ab.

Der spanische Ministerrat hat sich am Mittwoch mit der marokkanischen Frage beschäftigt. Beim Schluß der Sitzung erklärten die Minister, daß die Blättermeldungen über den Kampf bei Casablanca am 18. ds. Mts. über­trieben seien. Spanien werde keine Verstärkungen entsenden; die spanischen Truppen müßten im Innern der Stadt bleiben, ohne an einem Kampf teilzunehmen; es sei denn, daß sie angegriffen würden. Denn sie seien dort, um den Polizcidienst zu versehen.

Den Nachrichten ans Casablanca zufolge ist

der Dienstag, abgesehen von einigen Scharmützeln, ruhig verlaufen. Am Tag vorher hatten die Araber eine An- griffsbrwegung gemacht, sich aber vor dem Feuer der Schiffsgeschütze zurückgezogen. Man spricht von Uneinigkeit im arabischen Lager. Die Fanatiker wollen von neuem angreifen, die Mehrheit aber ist dafür, ein Vorrücken der Franzosen abzuwarten, um einen Angriff außerhalb des Bereichs der Geschütze der Kriegsschiffe ausführen zu können. Die Spanier unternahmen am Dienstag eine Rekognos­zierung, um einen passenden Lagerplatz ausfindig zu machen, wobei sie von den Arabern Feuer erhielten. Die einheim­ischen Behörden haben den von den Eingeborenen bewohnten Stadtteil aus Gesundheitsrücksichten niederbrennen lassen, wodurch gleichzeitig den Schützen, die von dort aus dem Hinterhalt auf Europäer schossen, das Handwerk gelegt ist. Die vier wichtigsten Stämme von Südmarokko, welche Muley Hafid, den Bruder des Sultans, zum Sultan aus­gerufen haben, treffen Vorbereitungen zum Marsch nach Casablanca. Mehrere Pariser Blätter verlangen daher dringend Verstärkungen für General Drude. DerTemps" bestätigt die Nachricht, daß Admiral Philibert telegraphisch gemeldet.hat, General Drude halte eine Verstärkung seiner Truppen zum wirksamen Schutz von Casablanca für not­wendig. Das TransportschiffVinh long" sollte Mitt­woch abend Oran verlassen, um 1 Bataillon Schützen von

800 Mann und 100 eingeborene Freiwillige (Goumiers) nach Casablanca zu bringen. Mehrere spanische Offiziere, die über die Untätigkeit der spanischen Truppen in Casa­blanca mißvergnügt sind, haben General Drude gebeten, sie zu verwenden. England, Frankreich, Deutschland und Spanien haben ihre Konsuln in Fez ermächtigt, die Haupt­stadt mit ihren Staatsangehörigen zu verlassen, wenn Gefahr vorliege. Die Gesandten von Frankreich und Spanien in Tanger haben Std Mohammed eine Note übergeben, die auch den Signatarmächten der Algecirasakte mitgeteilt wird. Der Machsen hat die Konsuln und alle anderen Europäer in Fez ersucht, die Hauptstadt zu ver­lassen, da die Wesire Ruhestörungen befürchten. Zwei Scherife von Wozan würden die Europäer nach der Küste geleiten. - Zur Proklamierung Muley Hafids zum Sultan wird aus Tanger berichtet: Am Freitag rief ein Soldat während des Mittagsgebets in der großen Moschee des Stadtteils Dschedid:Gott schenke unserem Herrn Muley Mohammed Sieg!" Da die Proklamierung eines neuen Sultans zu Lebzeiten eines regierenden das Signal zu einer Revolntion ist, flohen die Besucher der Moschee. Die Läden wurden geschlossen, und eine Panik brach aus, die Juden verbarrikadierten sich in ihrem Viertel. Der Soldat wurde festgenommen und an ihm die Prügelstrafe vollzogen.

Von einer zuständigen Stelle des spanischen Marino Ministeriums wird erklärt, daß die spanischen und franzö­sischen Kriegsschiffe wegen der demnächst etntretenden jährlichen Sturmperiode von Anfang September an in einigen der marokkanischen Häfen nicht bleiben könnten, da diese keinen genügenden Schutz böten.

Bei Casablanca ist auch a« Mittwoch wieder heftig gekämpft worden. DasReutersche Bureau" meldet darüber: Eine starke Abteilung berittener Araber umzingelte früh die Stadt und griff die französische Stellung an, trotz des heftigen Feuers, das vom Land und von der See auf sie gerichtet wurde. Die Franzosen sandten eine schwache Truppenmacht aus, vor der der Feind sich zurück­zog; nach kurzer Zeit aber sammelte er sich wieder und machte quer über die freie Ebene hin mit bewundernswürdiger Tapferkeit einen erneuten Angriff, der indessen infolge des vernichtenden Artillertefeuers scheiterie. Nach einiger Zeit stürmte eine große Zahl wiederum talabwärts gegen die französische Infanterie vor. Die Araber ritten etwa zwei Meilen in geschlossenen Reihen unter heftigem Feuer vor­wärts und näherten sich bis auf eine Entfernung von 400 Uards, ehe sie zum Rückzug gezwungen werden konnten. Ein weiterer erfolgloser Angriff wurde auf der Westseite gemacht. Admiral Philibert hat über diesen Kampf nach Paris berichtet: Die Marokkaner griffen unter dem Schutz dichten Nebels am Morgen das französische Lager an. Als der Nebel sich verzogen hatte, wurden sie vom Land und von der See aus beschossen und erlitten große Verluste. Die Truppen des Generals Drude besetzten um 2 Uhr nachmittags mehrere, fünf Kilometer vom Lager entfernt liegende Hügel und bedrängten die Marokkaner heftig, die dann nach Osten flüchteten, Nach einer weiteren Meldung desReuterschen Bureaus" entfalteten übrigens die Marok­kaner fortgesetzt eine lebhafte Tätigkeit. Sie unterhielten in der Nacht zum Donnerstag ein unaufhörliches Feuer gegen die Außenposten, die rund um die Stadt Stellungen eingenommen haben. Die Kriegsschiffe dampften daher am frühen Morgen des Donnerstag die Küste entlang, beschossen Dörfer und Gehöfte, die dem Feind Deckung gewährten, und legten sie in Asche, beunruhigten den Feind selbst aber nur wenig, da er sich hinter die Hügel zurückzog, die sich zwischen den brennenden Dörfern »nd der Stadt ausdehnen.

Es bestätigt sich, daß Muley Hafid zum Sultan aus­gerufen worden ist. Die spanische Regierung hat die be­stätigende Nachricht von ihrem Konsul in Mogaöor erhalten. Nach einer weiteren Meldung darüber herrschte in Marrakkesch wegen dieser Sultansproklamierung großer Jubel. Muley Hafid soll auch die bisherige Regierung abgesetzt haben. Der Kaid vom Atlas sei zum Gouverneur von Marrakesch ernannt worden. Feiner wird berichtet, daß Muley Hafid Vorbereitungen treffe, um mit 20 000 Reitern nach Norden gegen Casablanca zum Angriff gegen die europäischen Truppen vorzugehen.

Die Haager Friedenskonferenz.

Von der Friedenskonferenz im Haag wird berichtet: Das Redaktionskomitee der Schiedsgerichts- Kommission hat in zweiter Lesung den deutsch-englischen, von Frankreich und den Vereinigten Staaten mit Abänder­ungen versehenen Entwurf betreffend die Einrichtung eines Prisengerichts mit allen gegen die Stimme Brasiliens an­genommen.

Die Lage in Dentsch-Südwestafrika.

Berlin, 23. August. Heute ist in Berlin eiüe neue Nachricht eingetroffen, die das Ergebnis der letzten Reko­gnoszierung über Morengas Aufenthalt mitteilt. Darnach haben sich die neuesten Nachforschungen bis an die deutsche Südgrenze erstreckt und diesseits keine Spur vom Feinde auffinden können. Man kann daraus mit einiger Gewißheit schließen, daß Moren ga auf englischem Gebiete und zwar am Oranjefluß sitzt. Eine große An­zahl Weiber und Kinder ist um ihn. Es steht auch weiter­hin fest, daß Morenga es verstanden hat, sich in vortreff­licher Weise mit Vieh und sehr reichlich mit Geldmitteln zu versehen. Ueber die Bedeutung dieser Depesche ist' man der Anschauung, daß sie für die abwartende Haltung des Feindes spreche. Indessen ist noch nicht klar, ob Morenga sich zu einem festen Entschluß durchgerungen hat oder bloß deshalb seine zögernde Haltung nicht aufgibt, weil er auf große neue Verstärkungen wartet.

Berlin, 23. August. Nach der neuesten Meldung ist Gamsibkluft aus deutscher Seite frei von Hottentotten. Morenga soll nach Aussage der Kappolizei in Stärke von ca. 300 Köpfen einschließlich Weiber und Kinder auf eng­lischer Seite nahe der Gr enze am Oraujefluß stehen.

Vages-Fettigkeiten.

A»« Gtadt Md Land.

Nagold, 26. August.

* Schloßbergfest. Am Samstag nachmittag setzte der Himmel eine freundliche Miene auf und mit frohen Erwartungen kamen die Kurgäste und Einheimischen auf den Schloßberg. So war in den alten Ruinen unter dem grünen Laub ein lebensfrohes Bild entstanden. Und dieses wechselte kaleidoskopartig; einmal drehten sich die festlichen Paare im Reigen zu den Klängen der Musik, das anderemal war es ein reges Leben und Treiben. Die Nachmittagsstundeu vergingen und die einbrechende Dämmerung brachte eine linde Kühle. Alles freute sich auf das bevorstehende Feuer­werk. Schon die bunten Lampions, welche nun das ge­heimnisvolle Dunkel der Lauben erhellten, erfreuten Auge und Herz. Ein Jubel war es aber, als die erste Rakete zum nächtlichen Himmel stieg. Die Herren Apotheker Schmidt und Kaufmann Berg verstanden es die Lustfeuerwerkerei abwechslungsreich zu gestalten. Die verschiedenen Feuer­malereien mit ihren Knalleffekten waren prächtig. Auch beim Blick vom Känzcle aus das lieblich beleuchtete Städtchen war das Auge entzückt von der purpurroten Beleuchtung eines Firstes. Es war der des Hauses von Kupferschmied Lehre, welcher seinen Neubau damit einweihte. Die zunehmende Kühle und die vorschreitende Zeit mahnten nun nach einigen Tänzen und einer begeisterten Ansprache des festleitenden Herrn Oberförster Weinland auf die Kurgäste und die Vor­züge Nagolds als Luftkurort zum Heimgang. Unter Vor­tritt der fleißigen Stadtkapelle ging es im Fackelzug den Berg hinunter durch die Straßen der Stadt bis man sich in der Vorstadt gute Nacht wünschte. Es war ein schönes Fest zu dessen Gelingen auch die gute Versorgung mit Trank und Speise durch Bierbrauer Burkhardt und Metzger Ehr. Häußler wesentlich beitrug. So dürften wir annehmen, daß es unseren Kurgästen recht gut gefallen habe, auch wenn sie uns besten nicht selbst versichert hätten.

* Liederkranz. Gestern nachmittag hielt der Verein bei prächtigem Wetter unter sehr zahlreicher Beteiligung ein Somm ersest im Kurhaus Waldlust. In und vor dem Kurhaus saßen die Mitglieder mit ihren Angehörigen, alles freute sich und war herzlich vergnügt. Alte und neue Chöre kamen durch die Sänger wirkungsvoll zu Gehör und riefen großen Beifall hervor; auch ein Doppelquartett erfreute durch schöne Vorträge. Auf der Wiese hinter dem Kurhaus wurden Kinderspiele veranstaltet die großen Jubel unter den Kleinen verursachten. Aber auch die Alten freuten sich mit den Kindern über deren hübsche Gewinne. Die Stadtkapelle war unermüdlich in der Darbietung ihrer flotten Weisen. Nach Schluß der gesanglichen Vorträge, welche Herr Schul­lehrer Kläger dirigierte, wurde der Saal zum Tanz einge­richtet. Auch dieser Teil des Festes verlief in hochbe- sriedigcnder Weise. So kann der Verein auf ein in allen Teilen wohlgelungeyes schönes Fest zurückblicken, das allen Teilnehmern in angenehmster Erinnerung bleiben wird.

Militär- und Beteraneuverei». Die gestrige Versammlung im Gasth. z. Traube verbunden mit Gesangs­unterhaltung des Sängerkranzes nahm bei dichtbesetzten Räumen einen sehr schönen Verlauf. Es wurde ein reich­haltiges abwechslungsvolles Programm durchgeführt, das von Anfang bis zum Ende aufs beste gelang und mit un-